1. Die vielen Gesichter der Muse
„O Herrin Muse, meine Mutter“.
Schon immer beschäftigte sich die Menschheit mit der Frage nach dem Ursprung
von Kreativität, Ideen und künstlerischer Inspiration. Seit der Antike gelten
Musen als göttliche Inspirationsquellen für Künstler. Gegenstand dieser
Untersuchung sind die Manifestationen einer Muse in der Lyrik des Silbernen
Zeitalters und vor allem im lyrischen Schaffen Anna Achmatovas und Marina
Cvetaevas. Vorerst ist es jedoch notwendig einen großen Schritt in die
Vergangenheit zu machen, um das Wesen der Muse begreifen zu können. Eines
der bekanntesten antiken Narrativa, das vom Zusammenhang zwischen Kunst und
musischer Inspiration handelt, ist der Pegasus-Mythos.
„Pegasus, das geflügelte Pferd, ist seit jeher ein beliebtes Motiv in der Kunst und Symbol für dichterische Inspiration. Es sprang aus dem Haupt der Gorgone Medusa hervor, als Perseus dieses abschlug. Der Meeresgott Poseidon hatte Pegasus mit ihr gezeugt. Sogleich erhob es sich in die Lüfte und begab sich zu Zeus, dem es Blitz und Donner trägt. Ovid erzählt in seinen 'Metamorphosen' aber auch, dass das Pferd mit seinem Hufschlag eine Quelle im Helikon-Gebirge im griechischen Böotien zum Sprudeln brachte. Sie war den neun Musen heilig und das Trinken aus dieser Quelle regte die dichterische Phantasie an.“
Die besagte Quelle existiert laut dem Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Raoul Schrott auch heutzutage noch unter dem Gipfel des Helikon. Diese ist mittlerweile etwa 3000 Jahre alt.
Ebenfalls bekannt ist die erwähnte Vorstellung von den neun göttlichen Musen,
die „die bildende Kunst […] immer von neuem und oft in hochbedeutsamer
Anschauung vor Augen geführt“ hat – doch woher kommt diese genau?
Interessant erscheint in diesem Zusammenhang ein hellenistisches Relief. „Es ist die sogenannte 'Apotheose Homers', die ein unbekannter Dichter im zweiten
Jahrhundert v. Chr. zum Dank für einen Sieg im Dichterwettstreit in ein Heiligtum des Apollon und der Musen gestiftet hat.“ Die neun Musen sind die Töchter von Zeus und seiner Gattin Mnemosyne, der Göttin der Erinnerung. Doch trotz dieser Tatsache gibt es im Grunde nur eine Muse. Wie der Althistoriker Walter Otto hervorhebt, gab es laut Plato sogar eine zehnte Muse, und zwar Sappho.
Dieser halb-mythischen Figur der antiken Dichterin begegnet man unter anderem
auch in Cvetaevas Werk...
INHALTSVERZEICHNIS
1. Die vielen Gesichter der Muse
2. Cvetaevas Muse
3. Die Rolle der personifizierten Muse in Marina Cvetaevas Lyrik
3.1 DerlyrischeSommerCvetaevasundGronskijs
3.2 Cvetaevaund derErzengelBlok
3.3 Cvetaevas'Klage-Muse'Achmatova
3.4 Cvetaevazwischen RilkeundPasternak
3.5 Cvetaevaunddieweibliche Liebe
4. Achmatovas Muse
5. Die Rolle der personifizierten Muse in Anna Achmatovas Lyrik
5.1 Die 'zartliche Europaerin' und Mandel'stam
5.2 Achmatovas tanzende Salome
5.3 Achmatovas Carevic Gumilev
5.4 Achmatovas Lehrer Nedobrovo und der Ring fur Anrep
5.5 Achmatovas Harlekin Blok
6. Cvetaevas Moskaubild und Achmatovas Petersburg zwischen anderen musischen Orten
7. Die Muse Puskin in Cvetaevas und Achmatovas Werk
8. Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
1. Die vielen Gesichter der Muse
„0 Herrin Muse, meine Mutter"[1].
Schon immer beschaftigte sich die Menschheit mit der Frage nach dem Ursprung von Kreativitat, Ideen und kunstlerischer Inspiration. Seit der Antike gelten Musen als gottliche Inspirationsquellen fur Kunstler. Gegenstand dieser Untersuchung sind die Manifestationen einer Muse in der Lyrik des Silbernen Zeitalters und vor allem im lyrischen Schaffen Anna Achmatovas und Marina Cvetaevas. Vorerst ist es jedoch notwendig einen grofien Schritt in die Vergangenheit zu machen, um das Wesen der Muse begreifen zu konnen. Eines der bekanntesten antiken Narrativa, das vom Zusammenhang zwischen Kunst und musischer Inspiration handelt, ist der Pegasus-Mythos.
„Pegasus, das geflugelte Pferd, ist seit jeher ein beliebtes Motiv in der Kunst und Symbol fur dichterische Inspiration. Es sprang aus dem Haupt der Gorgone Medusa hervor, als Perseus dieses abschlug. Der Meeresgott Poseidon hatte Pegasus mit ihr gezeugt. Sogleich erhob es sich in die Lufte und begab sich zu Zeus, dem es Blitz und Donner tragt. Ovid erzahlt in seinen 'Metamorphosen' aber auch, dass das Pferd mit seinem Hufschlag eine Quelle im Helikon-Gebirge im griechischen Bootien zum Sprudeln brachte. Sie war den neun Musen heilig und das Trinken aus dieser Quelle regte die dichterische Phantasie an.“[2]
Die besagte Quelle existiert laut dem Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Raoul Schrott[3] auch heutzutage noch unter dem Gipfel des Helikon[4]. Diese ist mittlerweile etwa 3000 Jahre alt.
Ebenfalls bekannt ist die erwahnte Vorstellung von den neun gottlichen[5] [6] Musen, die ,,die bildende Kunst [...] immer von neuem und oft in hochbedeutsamer Anschauung vor Augen gefuhrt“b hat - doch woher kommt diese genau? Interessant erscheint in diesem Zusammenhang ein hellenistisches Relief. ,,Es ist die sogenannte 'Apotheose Homers' [7] [8] , die ein unbekannter Dichter im zweiten Jahrhundert v. Chr. zum Dank fur einen Sieg im Dichterwettstreit in ein Heiligtum des Apollon und der Musen gestiftet hat.“% Die neun[9] Musen sind die Tochter von Zeus[10] und seiner Gattin Mnemosyne, der Gottin der Erinnerung. Doch trotz dieser Tatsache gibt es im Grunde nur eine Muse. Wie der Althistoriker Walter Otto[11] hervorhebt, gab es laut Plato sogar eine zehnte Muse, und zwar Sappho. Dieser halb-mythischen Figur der antiken Dichterin begegnet man unter anderem auch in Cvetaevas Werk. An sich
„offenbart sich [in der Gestalt der Muse(n)] eine Bedeutung des Singens und Sagens, von der auch die sprachverwandten Volker nichts gewuBt haben: daB es nicht nur eine gottliche und den Menschen von Gottern geschenkte Kunst ist, sondern zur ewigen Ordnung des Seins der Welt gehort, das erst in ihm sich vollendet. Daher ihr hoher Rang im Gotterreich. Sie sind nicht bloB Kinder des Zeus, wie andere groBe Gottheiten auch, sondern mitbeteiligt an einem Schopfungswerk.“[12] [13] [14]
Wichtig erscheint auBerdem der Aspekt, dass sie nicht nur als Sprechende, sondern auch als Singende13 gedacht werden sollten. ,,Der Dichter ist also der Horende, und auf Grund davon erst der Redende.“14 Des Weiteren heiBt es, dass „nicht nur die Philosophie [...] sich des Beistandes der Musen erfreuen [darf]. Alles echte Wissen und sinnvolle Tun hat in ihnen seinen gottlichen Ursprung.“[15] [16] [17] Und weiter, dass „es [...] nicht zweifelhaft sein [kann], dafi die Sanger und Dichter den ersten, in die Urzeit zuruckreichenden Anspruch auf die Gottinnen erheben durften.“16 Doch trotz dieses Anspruchs, kann der Dichter die zu ihm sprechenden Musen nicht nach Belieben aufrufen17, da man von diesen sagt,
,,dass sie den Menschen ergreifen. [...] Der Wahnsinn, der von den Musen kommt, [ist] die Erhebung und Erleuchtung des Geistes, in der das Wunder des Singens und Sagens erst moglich wird. Der von den Musen Ergriffene ist der echte Dichter, im Gegensatz zu dem geschickten Verseschmied. Die Sanger und Dichter hangen ganz von der Gottin Muse ab. 'Kommt herbei, ihr Musen, aus der himmlischen
~ Die Rolle der Musen in der russischen Dichtung des Silbemen Zeitalters ~ Wohnstatt!', ruft Sappho sie an. Ohne ihren Beistand vermag der Dichter nichts.“[18]
Des Weiteren charakterisiert der Literaturwissenschaftler Aage Hansen-Love[19] die Muse in ihrer ursprunglichen Form als 'Verzauberin des Dichters'[20] [21] und ordnet ihr einen Platz ,,in der vorolympischen Religion [... und der] Sphare der vorpatriarchalen Ordnung einer Frauen- und Mutterwelt“lx zu. Aufierdem behauptet er, dass
„die Inspiration [...] ihrem idealen Ursprung nach in einer magisch wirksamen EingieBung des 'gottlichen Pneuma in den Dichter' (Demokrit) [besteht], wodurch sich die enthusiastische Ergriffenheit des Sangers erklart und damit die fortwirkende Begeisterung seiner Zuhorer. Der Dichter kann also nichts direkt anstreben, nichts erlernen und kalkulieren, sondern er ist auf das 'Geschenk', die 'Gabe' Apolls bzw. der Musen angewiesen, fur die er freilich disponiert sein muss durch die musengerechte Ordnung seiner Seele.“[22]
Dies sind also einige der Gesichter der Musen, die in der Lyrik des Silbernen Zeitalters durch Dichter wie Marina Cvetaeva[23] und Anna Achmatova[24] sprachen. In der Lyrik dieser Dichterinnen, die im Mittelpunkt der Betrachtung der vorliegenden Arbeit stehen, findet sich die Muse jedoch nicht nur in ihrer bereits geschilderten, an die Antike angelehnten Form. Zu der imaginaren, gottlichen Muse, die zum Dichter spricht, kommt eine weitere, personifizierte Erscheinungsform der Inspiration zu Tage. Besonders interessant erscheint einerseits die gegenseitige inspirierende Wirkung Cvetaevas und ihrer mannlichen
Musen, zu denen Nikolaj Gronskij[25], Aleksandr Blok[26], Rainer Maria Rilke[27] und Boris Pasternak[28] zu zahlen sind, und anderseits die von Cvetaeva und ihren weiblichen Musen, wie Sophia Parnok[29], Sofja Holliday[30] und Natalie Barney[31] sowie Achmatova.
„In der mythopoetischen Welt der Cvetaeva figurieren nicht selten Manner als Musen, so etwa in dem Poem Molodec, wenn es auch in der russischen Literatur so gut wie keine Tradition von Musen-Mannern gibt. Wenn im Symbolismus das 'Weibs-Bild' in all seiner mystisch-erotischen, ja nicht selten androgynen Ambivalenz dominiert, wird in der nachsymbolistischen Dichtung der Cvetaeva diese Ambivalenz auf die mannliche Figur ubertragen, genauer: auf die Korrelation von Dichter und Gott oder Dichter und Damon. In Cvetaevas Molodec wird der erotisch-mystische Musenkuss zu einem groBen Akt sexueller Vereinigung umgedeutet, die eine massive Verfremdung der gesamten Musenkonstellation nach sich zieht. In den Gedichten zwischen 1914- 1926 experimentiert die Cvetaeva mit verschiedenen Typen maskuliner Musen - von Carodej (1914) bis zum Poem Na krasnom kone (1920) und zum Krysolov (1924). Anders als im Falle des 'Ewig- Weiblichen' bei den Symbolisten treffen wir bei der Cvetaeva auf ein 'Ewig- Mannliches'[32]. Wir haben [...in Na krasnom kone] den seltenen Fall einer 'negativen Invokation der Musen' vor uns (Ch. Hauschild). Ganz offensichtliche Anspielungen auf die Achmatova als der Urmuse der russischen Poesie ebenso wie auf Puskin bilden eine Brucke zum Epilog des Poems, wo die Muse wortlich die Anfangsformel wiederholt, bei der es eben um die Projektion einer nicht- weiblichen Anti-Muse[33] geht.“[34]
Achmatova und Osip Mandel'stam[35], Nikolaj Gumilev[36], Nikolaj Nedobrovo[37] und Boris Anrep[38] sowie Blok ubten ebenfalls eine besonders inspirierende Wirkung aufeinander aus. Eine weitere Muse Achmatovas ist die tanzende Salome, die auch bei Achmatova im biblischen Kontext Erwahnung findet, der in den weiteren Ausfuhrungen analysiert werden soll. Eine der wichtigsten und kontinuierlichsten Musen beider Dichterinnen stellt jedoch der Nationaldichter Aleksandr Puskin[39] dar, der sie nicht nur zu einigen lyrischen Werken, sondern auch zu einer Reihe literaturwissenschaftlicher Arbeiten inspirierte.
Im Hinblick auf die personifizierten Musen spielen intertextuelle Bezuge eine wichtige Rolle. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll die Intertextualitat als ein Text-Text-Bezug gelten, der eine Doppel- oder Mehrfachkodierung des Textes erzeugt, die zur Entstehung neuer semantischer Felder fuhrt. Mit anderen Worten ist es ein Aufeinandertreffen verschiedener Texte und Kontexte, beziehungsweise die Konfrontation eines Textes mit einer Vielzahl von Referenztexten[40]. So ist die Lexik im Falle von Cvetaeva
„verschiedensten Sprachen und Sprachschichten verpflichtet. Cvetaeva verwendet Worte aus der Volkssprache und Volksdichtung, Vulgarismen, Kirchenslavismen (also Archaismen). Polyphon wird diese Dichtung auBerdem durch eine Fulle fremdsprachiger, vor allem franzosischer und deutscher Vokabeln [...], korrespondierend zur hochgradig intertextuellen Struktur vieler Texte.“[41]
Durch intertextuelle Bezuge lieBen Cvetaeva und Achmatova[42] ihre Musen in neuen Kontexten zu Worte kommen, wodurch sie sie in ihrem Werk verewigten. Genau diese gegenseitige Inspiration[43] sowie die bereits erwahnte Reihe intertextueller Bezuge erscheint besonders interessant in der Hinsicht auf die personifizierten Musen beider Dichterinnen. Im Jahre 1956 schrieb Achmatova diesbezuglich folgendes: ,,Ne povtorjaj - dusa tvoja bogata - /Togo, cto bylo skazano kogda-to,/No, mozet byt',poezija sama - /Odna velikolepnaja citata.“[44]
Eine weitere Erscheinungsform der Muse, die in dieser Arbeit im Hinblick auf Cvetaevas und Achmatovas Werk analysiert werden soll, ist ausgehend von den Thesen Hansen-Loves[45] und der Literaturwissenschaftlerin Svetlana Kazakova, die autogenerische[46] Muse, die ihre eigene Inspirationsquelle darstellt. Die Definition der autogenerischen Muse kann auf Cvetaeva sowie auf Achmatova angewandt werden, da beide Dichterinnen uber eine mannliche und eine weibliche Seite verfugten. So wollte Achmatova beispielsweise nicht als Poetesse, sondern als Poet bezeichnet werden. Sie selbst schrieb in den 1960-er Jahren: ,,Uvy! Liriceskij poet/Objazan byt' muzcinoj,/Inace vse pojdet vverch dnom“[47]. Cvetaeva wiederum war ,, eine schaffensfreudige Frau mit einer mannlichen Seele, entschlossen, kampferisch, unbezahmbar. “[48] Dieser mannlichen Seele begegnet man unter anderem in Cvetaevas Ja - stranica[49] aus dem Jahre 1918. Cvetaevas
Bisexualitat kann in diesem Zusammenhang ebenfalls als relevant betrachtet werden. Ganz besonders zeichnen sichbeide Dichterinnen „dadurch aus, dass [...sie] s e l b s t schopferisch agiert[en] und zugleich die Projektionsfigur fur andere spielt[en], “[50]
So wie die Musen Hesiod eine gottlich redende Stimme eingehaucht haben, sprachen sie auch durch Cvetaeva und Achmatova[51]. Doch da, wo bei Achmatova strenge Harmonie herrscht und die Autorenstimme leise klingt, fast wie ein betendes Flustern, richtet Cvetaeva ihre laut ertonende Stimme an die ganze Welt und verstofit bewusst gegen die Regeln der Harmonie - ,,Bezmernost' moich slov - tol'ko slabaja ten' bezmernosti moich cuvstv“ [52] .
Eine weitere und im Rahmen dieser Arbeit letzte Erscheinungsform der Muse in Cvetaevas und Achmatovas Lyrik sind geografische Orte, die eine starke Inspiration auf beide Dichterinnen ausubten. Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll, sich auf deren Spuren zu begeben. Wichtig sind in diesem Zusammenhang Cvetaevas dominanteste Muse Moskau, aber auch Deutschland und die Tschechoslowakei. Fur Achmatova spielte die Stadt St. Petersburg, aber auch Carskoe Selo sowie Taschkent eine grofie Rolle. Des Weiteren soll die Rolle des gesamten geografischen Raumes, des ihre musischen Stadte beherbergenden Russlands, unter die Lupe genommen werden.
„Anna Achmatowa steht fur das 'Fenster nach Europa', die Kultur Petersburgs, der 1703 gegrundeten Hauptstadt Peters des GroBen und deren Sinn fur MaB, gebandigte Harmonie und Klassizitat. Marina Zwetaewa aber - fur die Impulsivitat und Dissonanz des altneuen, 'heiligen' und 'asiatischen', 1918 wieder Hauptstadt gewordenen Moskau.“[53]
Eine im Kontext dieser Arbeit getroffene Unterscheidung bezieht sich auBerdem auf die Art der Konnotation einer jeden Muse. Sinnvoll erscheint es in diesem Zusammenhang die positiven Inspirationsquellen von den negativen zu trennen, da lyrische Texte nicht nur auf positive Emotionen, Personen, Gegenstande und Orte, sondern auch auf negative Musen zuruckgefuhrt werden konnen.
All diese Erscheinungsformen der im heutigen Verstandnis den Dichter kussenden Muse[54] sollen im weiteren Verlauf der Arbeit belegt werden. Fur die Belege bezuglich Cvetaevas Muse Gronskij scheinen die Thesen El'nickajas aus dem wissenschaftlichen Aufsatz mit dem Titel Sto ich, igr i mod! Stichi Cvetaevoj Gronskomu von besonderem Interesse. Der Bezug zu ihrer Muse Blok soll anhand von Kazakovas Argumenten in Marina Cvetaeva: Hierophanie des Schreibens, Tschizevskijs Gedanken in Orbis Scriptus, Orlovs Argumentationsgang in Izbrannoe und Lehmanns Thesen in Die 'vergeudeten Dichterinnen' Marina Cvetaeva und Anna Achmatova sowie Pollaks Behauptungen aus Slavoslovija Mariny Cvetaevoj (Stichi k Bloku i Achmatovoj) veranschaulicht werden. Achmatovas musische Rolle im Hinblick auf Cvetaeva soll mit Hilfe von El'nickajas Argumentation in O nekotorych certach poeticeskogo mira M. Cvetaevoj, Hansen-Loves Gedanken aus dem Aufsatz Der Tod des Dichter - Dichter des Todes, Kazakovas Thesen, Dutlis Argumenten aus Mit dem Strohhalm trinkst du meine Seele, Lehmanns Ergebnissen und unter anderem Pollaks Argumentationsgang sowie Beyers Behauptungen im Aufsatz mit dem Titel Marina Cvetaeva and Andrej Belyj: Razluka and Posle razluki veranschaulicht werden. Die Inspiration Rilkes soll mit Hilfe von Hansen-Loves und Lehmanns Argumentation sowie Etkinds Aufsatz, der mit Russische Lyrik von der Oktoberrevolution bis zur Gegenwart betitelt wurde und Deckers Thesen aus Rilkes Frauen oder die Erfindung der Liebe, ebenso wie Cvetaevas Mein weiblicher Bruder - Brief an die Amazone erlautert werden. Im Hinblick auf Pasternak sollen Paulis Gedanken aus Das russische Versmarchen von Puskin bis Cvetaeva, aber auch Dutlis, Orlovs und Etkinds sowie Deckers Argumente herangezogen werden. In Bezug auf die weibliche Liebe spielen Lehmanns, Orlovs, Dutlis und El'nickajas Argumentationsgange eine wichtige Rolle. Der Umriss von Cvetaevas Vorstellungen bezuglich der Muse erfolgt anhand von Kazakovas, Tschizevskijs, Paulis und Orlovs sowie Pollaks und Beyers Thesen. Ebenfalls wichtig sind in diesem Zusammenhang Burkharts Argumente in Ars Philologica sowie Utlers Gedanken aus Weibliche Antworten auf ,menschliche Fragen ’? Zur Kategorie Geschlecht in der russischen Lyrik.
In Bezug auf Achmatovas Musenbild sind die wissenschaftlichen Arbeiten Behrischs -AberLots Weib blickte zurtick, Zirmunskijs - Tvorcestvo AnnyAchmatovoj, Lehmanns, Kovalenkos - Anna Achmatova, Utlers und Pollaks sowie Zirmunskijs Thesen aus Poetika russkoj poezii von Interesse. Die musische Wirkung Mandel'stams soll anhand von Grebers - Das verdeckte Fragment, Sceglovs - Certy poeticeskogo mira Achmatovoj, Peters - Die kommunikative Bedeutung eines Mythos in Wege der Kommunikation in der Geschichte Osteuropas, aber auch Achmatovas - Briefe, Aufsatze, Fotos und Dutlis, Kovalenkos sowie Grunbergs Gedankengangen veranschaulicht werden. Die Rolle der Muse Salome wird mit Hilfe von Sceglovs, Behrischs sowie unter anderem Dutlis Argumentationsgangen erlautert werden. Hinsichtlich Gumilevs spielen ebenfalls Behrischs, aber auch Lehmanns, Etkinds und Kovalenkos Argumente eine wichtige Rolle. Bei den Musen Nedobrovo sowie Anrep wurden Behrischs, Kovalenkos und Zirmunskijs Gedanken herangezogen. Bloks musische Rolle in Achmatovas Lyrik stutzt sich auch auf Behrischs und unter anderem Zirmunskijs Thesen.
In Bezug auf die geografischen Musen scheinen die wissenschaftlichen Arbeiten Kazakovas, Dutlis, Lehmanns und Grunbergs sowie Panovas Aufsatz mit dem Titel Stichi o Moskve M. Cvetaevoj i O. Mandel'stama relevant, ebenso wie Etkinds, Sceglovs, Behrischs und Zirmunskijs Argumente, um nur einige davon zu nennen.
„Nur die Muse gewahrt einiges Leben dem Tod.“[55]
2. Cvetaevas Muse
„B^oxHOBeHHe naroc BoaoBBin Tpya - bot no3T“[56]
Wichtig erscheint es die allgemeine Definition der Muse in Cvetaevas Augen zu schildern sowie ihr Auftreten in der Poesie dieser Dichterin zu umreifien, um genauer auf die personifizierten und geografischen Musen eingehen zu konnen. Die Kunst stellte Cvetaeva als ein sprechendes, an eine Muse erinnerndes, allmachtiges und launisches Wesen dar. „Iskusstvo - surovyj vlastitel'. Poroj prichoditsja dolgo zdat', poka ono soizvolit zagovorit' s toboj.“ [57] Aus diesen Zeilen kann man herauslesen, dass die Schriftstellerin auf die Muse angewiesen zu sein scheint und darauf warten muss, bis diese zu ihr spricht. Besonders wichtig war far Cvetaeva das ,,Streben nach einer Idealgestalt des Dichterbildes. “ [58] Zu der Stimme der Muse gesellen sich in ihrer Lyrik weitere Dichter und Denker - ihr ganzes Milieu. Denn erst aus der Masse der Eindriicke und Inspirationen kann ein idealer Dichter entstehen. Ein idealer Dichter ware unter anderemjemand, der die Stimme des Anderen in sein Werk einfliefien lasst. Die Selbsterkenntnis ist laut Cvetaeva ein weiteres wichtiges Kriterium auf dem Weg zu der Idealgestalt. All diese Aspekte sowie Cvetaevas Auffassung, dass eine Muse etwas Geheimnisvolles und Machtiges sei, spielen in ihrer Lyrik[59] eine entscheidende Rolle. ,,Nach ihrer Auffassung offenbaren Gedichte lediglich das Verborgene, welches der Poet selbst unter der Wirkung geheimer Krafte im Handlungsakt erfahrt. In diesem Sinne wurzelt die Dichtung in der Selbsterkenntnis der Seele (durch die Welt) und verhalt sich solchermafien auch analog zum Traum: "Ja'poeta est"ja'snovidcaplus 'ja'recetvorca'“ [60] .
Der Philologe und Philosoph Friedrich Nietzsche stellt in Die Geburt der Tragodie die These auf, das die Traumwelt die ,, Voraussetzung aller bildenden Kunst [... und] der Poesie “[61] sei oder, um es mit den Worten des Dichters und Dramatikers Hans Sachs zu sagen: ,, Glaub mir, des Menschen wahrster Wahn/wird ihm im Traume aufgethan:/all' Dichtkunst und Poeterei/ist nichts als Wahrtraum-Deuterei. “[62] Fur Cvetaeva ist wiederum ,,der Zustand des Traum-Strebens [...] die eigentliche Voraussetzung dafur, dass die Inspiration (die Muse) wirksam wird, wodurch sich erst dem Poeten ein geheimes Wissen eroffnet: My spim - i vot, skvoz' kamennye plity,/Nebesnyj gost' v cetyre lepestka./0 mir, pojmi! Pevcom - vo sne - otkryty/Zakon zvezdy iformula cvetka ('Stichi rastut) “[63]. Durch die Muse scheinen sich Cvetaeva sogar die Geheimnisse ihrer Selbst zu otFenbaren.
Der Schopfungsprozess des Lyrikers wurde von ihr folgendermafien beschrieben: ,, 'cto- to, kto-to v tebja vseljaetsja, tvoja ruka ispolnitel' - ne tebja, a togo. Kto - on? To, cto cerez tebja chocet byt'. Nach Cvetaevas Empfindung wahlen die Dinge ihren Dichter, um sich zu offenbaren. So fuhlte sich, nach eigenen Aufierungen, auch Achmatova beim Schreiben des Poems 'Poema bez geroja' - vom Text gefuhrt undgelenkt. “[64]
Ein weiterer interessanter Aspekt fndet sich in der Antike, in der ,,sich die Mythen der Sybille mit den Mythen von Apoll als Musenfuhrer (Musaget) [verflochten]. “[65] Eine der Selbstdarstellungen Cvetaevas war eine Seherin. So begegnet man dieser unter anderem in der Gestalt der Sybille, die fur die 'dichterische Potenz' steht. Somit wird Cvetaeva zum die Worte der Muse auffangenden Gefafi aus dem die Lyrik stromt.
„Sybille, die Prophetin, ist eine der von Cvetaeva favorisierten weiblichen Inkarnationen des Sehertums und damit - metapoetisch betrachtet - auch der dichterischen Potenz. Sie verkorpert wie die Magna Mater Kybele die Hohle (der Geburt und des Todes), die Hohle ist ihr Korper, und dieser Hohlen-Korper bildet das Gefafi fur die poetisch-prophetische Stimme: 'Telo tvoe - pescera/Golosa tvoego.' Das Mutter- und Gebarmotiv, in der metaphorischen Gleichung 'Gebarmutter' und 'Hohle'[66] zusammengefafit, steht fur die weibliche Kreativitat wie fur einen archaisch wilden Raum der Natur und der Liebe, in den das lyrische Ich unter Auflosung der Ich-Grenzen die AuBenwelt hineinnehmen mochte und aus dem Lebewesen wie Verse hervorgebracht werden.“[67]
Eine weitere Darstellungsform der Muse sind metonymische Beziehungen zu der Natur als Raum fur die Kreativitat So wie beispielsweise ,,in Cvetaevas Poem 'Na krasnom kone'[68] von 1921, wo das weibliche lyrische Ich am Ende wie ein Samenkorn in einer dunklen Erdgrube liegt, um schliefilich beflugelt und durch die (dichterische) Inspiration emporgehoben zu werden.“[69] Auch hier scheint Cvetaeva eine Art empfangendes GefaB darzustellen, das darauf wartet von der Inspiration 'beflugelt' zu werden.
,,Cvetaevoj vsegda bylo svojstvenno romanticeskoe predstavlenie o tvorchestve kak o burnom poryve, zachvatyvajuscem hudoznika: 'K iskusstvu podchoda net, ibo ono zachvatyvaet'“[70]. Diesen 'poryv', also einen plotzlichen Drang zum kunstlerischen Schaffen, schildert sie in den an ihren Tisch als Ort kreativen Schaffens in Stol[71] und in ihren Puskin gewidmeten Gedichten sowie in den folgenden Zeilen: ,,Pradedu - tovarka:/V toj ze masterskojl/Kazdaja pomarka -/Kak svoej rukoj.../Pelos' kak -poetsja/Iponyne - tak./Znaem, kak 'daetsja'l/Nad toboj, 'pustjak',/Znaem - kak potelos'!..“[72]. In den gleichen Zeilen wird man auf das Musische aufmerksam, dass sich hinter dem Gesang verbirgt - 'Pelos' kak - poetsja'. 'Kak svoej rukoj' konnte wiederum im allgemeinen auf die Muse, die ihre Hand fuhrt hinweisen, ebenso wie auf einen der groBten russischen Dichter Aleksandr Puskin, der 93 Jahre vor Cvetaeva geboren wurde und fur die Dichterin eine wichtige Inspiration darstellte - denn sie betitelt den Adressaten des Gedichts mit 'Praded'. In Krysolov stehen andere Aspekte der Musik und damit des Musenhaften
im Vordergrund, und zwar die ,, damonische Kraft der Musik uber ihre Zuhorer [...], in 'Car'-Devica' ist der Kunstler selbst den inharenten, kaum fur ihn selbst bewaltigbaren Machten der Musik ausgeliefert. “[73]
In einem von Bloks Molitva oder Necajnaja Radost' inspirierten Gedicht Cvetaevas ,,schreitet eine Gestalt - es ist wohl die zur Allmachtigen erhobene gottliche Muse [...] am Dichter voruber, der ihre Spuren kufit“ [74] . So wie im Falle Bloks fuhlte sich Cvetaeva unter anderem durch die sie umgebenden Dichter stark inspiriert. Der Schriftsteller Vladimir Orlov stellt die interessante These auf, dass im Mittelpunkt von Cvetaevas lyrischer Welt sie selbst steht - „obraz liriceskoj geroini - zensciny s 'gordym vidom' i 'brodjacim nravom', nositelnicy 'strastnoj sud'by', kotoroj 'vse nipocem'. [...] Ona i moskovskaja strel'cicha, i neukrotimaja bojarynja Morozova, i nadmennaja panna Marina, i tabornaja cyganka, i tisajsaja 'bezdomnaja cernica', i vorozeja-cernokniznica, a chasce vsego - bedovaja ostoroznaja krasavica“ [75] . All diese Erscheinungen Cvetaevas deuten stark darauf hin, dass sie nicht nur Dichterin, sondern eine Art dichterisches Perpetuum Mobile darstellte, indem sie ihre eigene Muse war.
Im Gedichtzyklus Bessonnica verhalt es sich ahnlich. Das Besondere dabei ist, dass Cvetaeva ihre dichterische Kraft aus der Natur zieht. Sie selbst ist Teil der Natur, zu der sie in den folgenden beiden Gedichten spricht:
,,Im elfteiligen Zyklus 'EeccoHHHu,a' [... wird] die Sprechinstanz als Teil der Lyrik selbst entworfen [...]: 'BepHaa, KaK 3panoK, KaK 3panoK,
cocy^aa/CBeT - am6am Te6a, 3opKaa Hoab./Toaocy flan MHe BOcneTB Te6a, o npaMarept/neceH, b abeu flaaHH y3fla neTMpex BeTpoB.//KaHna Te6a, caaBocaoBa Te6a, a ToabKo/PaKoBHHa, r^e e^e He yMoaK oKeaH./Hoab! ’A y»e Haraafleaacb b 3paaKH aeaoBeKa/HcneneaH MeHa, aepHoe coaHu,e — Hoab!' [_] Die weibliche Sprechinstanz dieses Gedichts bittet die (auch im Russischen) grammatikalisch feminine „Nacht" [Honb] um eine dichterische Stimme [Toaocy flan MHe BocneTb Te6a']. Die Nacht erinnert dabei nicht nur an eine Elementargottheit - sie bandigt die vier Winde ['b Hben flaaHH y3fla neTbipex BeTpoB'] -, sie ist der Ursprung der Dichtung. Die Lyrik wird in diesem Text uber die Personifizierung der Nacht zur 'Urmutter der Lieder' [npaMarept/neceH] mit der weiblichen Sphare assoziiert.“[76]
Die Nacht wird auch zum Gegenstand dieses Gedichts, in dem die Mutter- Tochter-Beziehung naher definiert wird:
,,'B orpoMHOM ropofle MoeM — HOHb./H3 floMa coHHoro Hfly — npoab./H aroflH flyMarnr: *eHa, flonb, —/A a 3anoMHHaa oflHo: Hoab.//HroabcKHH BeTep MHe MeTeT — nyrb,/H rfle-To My3biKa b oKHe — ayrb./Ax, Hbmae BeTpy flo 3apH — flyTb/CKBo3b CTeHKH ToHKHe rpyflH — b rpyqb.//EcTb nepHMH Tonoab, h b oKHe — CBeT,/H 3boh Ha 6amHe, h b pyKe — u,BeT,/H mar bot 3tot — HHKoMy — Bcaefl,/H TeHb bot 3Ta, a MeHa — HeT.//OrHH — KaK hhth 3onoTbix 6yc,/HonHoro aHcTHKa bo pTy — BKyc./OcBo6oflHTe ot flHeBHMx y3,/^py3ba, noHMHTe, hto a BaM — cHrocb.' Im zuvor besprochenen Text wurde die Nacht als Mutter der Dichtung [sowie aller Lieder] eingefuhrt; in diesem Gedicht wird die Sprechinstanz nun als 'Tochter' [flonb] identifiziert.“[77]
Ausgehend von den Thesen der Schriftstellerin Anja Utler[78], kann man behaupten, dass Cvetaeva sich nicht nur als nach Inspiration suchende Dichterin empfand, sondern als Inspiration selbst, die auf die erwahnten familiaren Bande zuruckzufuhren ist, die sie zur Tochter der Dichtung machen. In den folgenden Zeilen lobpreist Cvetaeva sich selber und stellt somit ihre eigene Muse dar:
,,Kto co3flaH H3 KaMHa, kto co3flaH H3 raHHbi, -/A a cepeSpmcb h cBepKam!/MHe fleao - H3MeHa, MHe HMa - MapHHa,/^ - SpeHHaa neHa MopcKaa.//Kro co3flaH H3 raHHbi, kto co3flaH H3 naoTH -/TeM rpo6 h HaflrpoSHMe naHTbi.../- B KyneaH MopcKon Kpe^eHa - h b noaeTe/CBoeM - HenpecTaHHo pa36HTa!//CKBo3b Ka^floe cepflu,e, cKBo3b Ka*:flbie ceTH/npo6beTca Moe cBoeBoabe./MeHa - BHflHmb KyqpH Secnyrnbie 3th? -/3eMHom He cfleaaemb coabro.//,flpo6acb o rpaHHTHbie BamH KoaeHa,/^ c Ka^flon BoaHon - BocKpecam!/^a 3flpaBcTByeT neHa - Beceaaa neHa -/BbicoKaa neHa MopcKaa!“[79]
Die Welt als Ganzes stellt eine negative Inspiration Cvetaevas dar, wie in den folgenden Zeilen deutlich wird. Dabei steht sie als Dichterin erneut im Mittelpunkt der Handlung. ,,Cto ze delat', pevcu i pervencu,/V mire, gde naicernejsij - ser!/Gde vdochnoven'e chranjat, kak v termose!/S etoj bezmernost'ju v mire mer? “so Laut dem Dichter Seweryn Pollak[80] [81] [82], nimmt der Lobpreis verschiedener sie umgebender Personen in Cvetaevas Lyrik einen wichtigen Platz ein. Dies bedeutet soviel, dass Cvetaeva die fur sie interessanten Personen in ihrer Umgebung sowie literarische Helden, mit Vorliebe in ihrer Lyrik festhielt. „I zdes', nakonec, vymyslennyj geroj iz mira literatury stanovitsja geroem mijiceskim, ocercennym s bol'sej intensivnost'ju, - svoego roda avtonomnym licom, casce vsego voznesennym na p'edestal. [...] Cvetaeva vospevaet ljudej, po kakim-to pricinam ej blizkich - geroev i sozidatelej.“%1 Doch worin begrundet sich Cveatevas Interesse an bestimmten Personen? 1st es das Leid[83] [84], das sie verband? „Nesomnenno odno - [...] moment preobrazenija, kakomu Cvetaeva mogla podvergnut' samye vaznye, po ee mneniju, elementy ich poezii, ctoby oni stali ee sobstvennoj poeziej, ctoby vyrazali to, cto ona sama oscuscala. Cvetaeva byla toj neobyknovennoj citatel'nicej poezii, u kotoroj ctenie prevrascaetsja v tvorceskoe vzaimodejstvie [oder um es mit den Worten Cvetaevas zu sagen -] 'Ctenie - prezde vsego sotvorcestvo...'“iA.
Die hier aufgefuhrten Thesen konnen Cvetaevas Vorstellung von der Muse oder im Allgemeinen der Inspiration nur etwas umreifien. Denn wie sie selbst sagte: ,,- Ja - mnogopoetov, a kak eto vo mne spelos' - eto uz moja tajna“ [85] .
3. Die Rolle der personifizierten Muse in Marina Cvetaevas Lyrik
3.1 Der lyrische Sommer Cvetaevas und Gronskijs
"Rec: cnaommaa MacaodoHHa CBeTa: dbicrpoe, padoe, Bbro^eeca, KaK BarpaM. noraa^H, KaK b nac npHdoa Rec HrpaeT caM c codoro!
TaK h tm co mhoh Hrpaa.
Hroab 1928, noHTaMaK"[86]
Die Muse kusst nicht jeden, doch im Falle Cvetaevas und des Dichters Gronskij bleibt kein Zweifel daruber, dass beide Autoren einander stark faszinierten und inspirierten. Diese Inspiration schlagt sich in einer Reihe einige Ahnlichkeiten aufweisender Werke Cvetaevas, aber auch Gronskijs nieder. Im weiteren Verlauf des Kapitels berufe ich mich in weiten Teilen auf die Thesen der Literaturwissenschaftlerin Svetlana El'nickaja[87].
Cvetaeva beschrieb einen Spaziergang nach Versailles mit Groskij, in einem Brief vom zehnten April 1928 an ihre Freundin Anna Teskova. ,,Peskom [...] 15 kilometrov, blazenstvo. Moj sputnik - porodistyj scenok, ucit menja vsemu, cemu naucilsja v gimnazii [...] - ja ego - vsemu, cemu v tetradi““[88]. Kurz nach Gronskijs Tod, richtet Cvetaeva in einem Brief vom 27. Dezember 1934, die folgenden Zeilen an Teskova:
,,Oh arodHa MeHa nepByro, a a ero - nocae^HHM. [...] Oh no^apHa MHe cboh ^eTCKHH KpecmabHbiH KpecTHK, Ha kotopom 'CnacH h coxpaHH'. - 'R Bce ^yMaa, hto BaM no^apHTb. H B^pyr noHaa: Be^b doatme 3Toro - HeT. A noKa Bm co mhoh - a y*e cnaceH h coxpaHeH'. R Ha^eaa eMy - cboh, b HeM oh h noxopoHeH.“[89]
Durch diesen symbolischen Akt uberreicht Gronskij Cvetaeva sozusagen sein Leben. In einem weiteren Brief an Teskova, der am 23. Februar 1935 geschrieben wurde, erwahnt Cvetaeva ein 1928 entstandenes Gedicht mit dem Titel Iz glubiny morej podnjavseesja imja, das Gronskij ihr gewidmet hatte. Sie schildert darin die Tatsache, dass dieses Gedicht ihr bis zu seinem Tode unbekannt war, so wie einige weitere an sie gerichtete Texte, unter anderem das Poem Bella-Donna. Sie spricht ebenfalls von ihrem Wunsch, Gronskijs Vater, der ihr die Manuskripte ihres Sohnes uberliefi, einige an sie gerichtete Briefe[90] zu uberreichen - ,, Chocu (kak v voduprygajut!) dat' emu i svoipis'ma - k nemu. Pust' znaet tu, kotoruju ljubil ego syn - i to, kak eta ta ego ljubila. Materi byja ne dala (revnost') “[91]. Das Besondere an dem erwahnten Gedicht ist, dass die Gleichsetzung von Cvetaevas Vornamen Marina mit dem Meer, die haufig in ihrer eigenen Lyrik anzutreffen ist, in diesem Fall in Gronskijs Versen vorkommt.
Wie bereits erwahnt, kommt die lyrische Beziehung beider Poeten in einer Reihe voneinander gewidmeten Gedichten zum Ausdruck. Dazu zahlt unter anderem der aus drei Gedichten bestehende Zyklus Pamjati N. P Gronskogo. Die in diesem Zusammenhang relevanten lyrischen Werke sind beispielsweise Junose v usta und Les: splosnaja maslobojnja, die nach Ansicht von El'nickaja[92] [93] auf Grund des gemeinsamen Sujets des Spiels, beziehungsweise Liebesspiels oder sogar des Kampfes, eine Art Diptychon darstellen. Dabei spielt die weibliche Protagonistin mit ihrem Gegenspieler in Junose v usta, in Les: splosnaja maslobojnja spielt im Gegensatz dazu der mannliche Gegenpart mit der Protagonistin. Ausgehend von ihren Thesen, konnen aufierdem die Eigennamen der Protagonisten in beiden Gedichten dechiffriert werden. So wird man in Junose v usta93 unter anderem auf das Anagramm 'MAR - IN' aufmerksam. In Les: splosnaja maslobojnja reprasentiert der Lautkomplex 'GR' den Namen Gronskijs. Ein weiteres, den Vornamen Cvetaevas codierendes Anagramm findet sich in den Lexemen „MORskaja (foneticeski - MAR) [und] sIN'“ [94] .
Des Weiteren kann behauptet werden, dass Les: splosnaja maslobojnja in einem erotischen Kontext zu sehen ist, wobei das 'Spiel' des Waldes, laut El'nickaja[95], als Liebesspiel gedeutet werden kann. Der Schlussvers 'Tak i ty so mnoj igral' lasst aufierdem Junose v usta in einem ebenfalls erotischen Kontext erscheinen, in dem das Leitmotiv des 'ty i ja' eine Art Umarmung zweier Liebender darstellt. Die Meeres-Motivik, die durch das Bild der uberkochenden Milch erweitert wird, ist auch in diesem Gedicht entscheidend, da diese wiederum die Leidenschaft der alteren, 36-jahrigen, Cvetaeva gegenuber dem jungen, 18-jahrigen Gronskij versinnbildlicht. Bessonnica drug moj gehort ebenfalls zu diesen erotisch anmutenden Gedichten. So stellen die Protagonisten 'ty i ja' eine Projektion Cvetaevas und Gronskijs dar. Das Spiel und der Kampf gehoren auch in diesen Gedichten zu den Leitmotiven. Also konnte 'Sto ich, igr i mod!' auf ,,raznoobrazie ljubovnych lask, sposobov i vidov ljubvi“[96] hinweisen. Auf den ersten Blick handelt das Gedicht von einer Mutter und ihrem Sohn, doch konnte sich das Sujet ebenso gut um eine altere Frau und einenjungen Mann drehen, was durch 'solgali, cto mat' i syn' angedeutet wird.
Interessant erscheint ebenfalls das von El'nickaja[97] hervorgehobene Argument, dass 'sedaja morskaja sin" auf das fruhe Ergrauen Cvetaevas verweist, das sich in ihrer Lyrik als Kennzeichen der Angehorigkeit zu einer hoheren Macht manifestierte. So heifit es auch in Eto peply sokrovisc: „Eta sedost' - pobeda Bessmertnych sil.“[98] Des Weiteren kann die Milch als ,,liriceskoe 'moloko'“[99] gesehen werden, was wiederholt auf die gegenseitig inspirierende Kraft beider
Lyriker hinweisen wurde. Aus einer anderen Perspektive betrachtet, lasst sich sagen, dass das Sujet von Junose v usta sich nicht oder nicht nur um eine Mutter- Sohn- beziehungsweise Liebesbeziehung, sondern um eine geistige Beziehung im Sinne von lyrischer Verwandtschaft drehen konnte. So gesehen nahrt sich Gronskij von Cvetaevas lyrischem Sein. In diesem Kontext kann 'Sto ich, igr i mod!' auf das poetische Konnen projiziert werden. Im gleichen Zusammenhang erscheint das Anrufen ihres geistigen Sohnes ebenfalls wichtig, der ,,cerez nee priobrascaetsja k Velikoj Stichii - Liriceskogo Slova.“[100] Es ist aufierdem bekannt, dass Cvetaeva Gronskij tatsachlich als ihren geistigen Sohn bezeichnete. Im dem Gedenken Gronskijs gewidmeten Aufsatz schreibt Cvetaeva folgende, diese These bestatigende Zeilen uber das ihr vom ihm gewidmete Poem:
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[101].
Relevant erscheint aufierdem die Tatsache, dass die Leitmotive in Junose v usta einen klaren Verweis auf die gegenseitige musische Beeinflussung Gronskijs und Cvetaevas liefern.
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[102]
Im gleichen Zusammenhang erscheint die phonetische Reihe 'poit-poet-poet' ganz besonders interessant, da sie das Bild eines sich an einer Muse nahrenden Wesens evoziert. Des Weiteren entdeckt man im folgenden Gedicht aus dem Jahre 1928 ebenfalls Verweise auf Gronskij:
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[103]
Auch in diesem Gedicht wird man auf die erotische Symbolik aufmerksam. Dabei ist die Leidenschaft, aber auch Liebesdurst das Leitmotiv. Das Sujet dreht sich um eine vor Liebesdurst beinahe sterbende Protagonistin, der ein Erretter zur Hilfe eilt. Die realen Helden konnten auch hier rekonstruiert werden. So verweist 'izdychajuscaja ryba' auf „morskaja Marina, umirajuscaja bez ljubvi, kak ryba bez vody“[104]. Des Weiteren ist die 'issychajuscaja niva' in Cvetaevas Lyrik ein Verweis auf die haufige Verkettung des Erotischen mit dem Sakralen. Sakral ist die 'niva' mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Grund ihrer Funktion als Mutter-Erde. Auf diese Weise werden die Geliebten beinahe sakralisiert.
Eine Verschmelzung zweier Musen findet sich in einem mit dem 27. Februar 1923 datierten Gedicht Cvetaevas mit dem Titel Prazskij Ryzar'. Der Anlass far dieses Gedichts war die Gravur einer Ritterstatue auf einer Prager Brucke, deren Zuge grofie Ahnlichkeit mit Cvetaeva aufwiesen. Dieses wie eine Fotografie anmutendes Geschenk der Dichterin an Gronskij sollte ihn immer an Cvetaeva erinnern und beschutzen.
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[105]
In einem Brief vom dritten September 1928, schreibt Cvetaeva uber das Gronskij gewidmete Gedicht Stichi odnomu Junose: „Stichi - morskogo leta, slucajno ne vpisannye nikuda, - nasla v svoich pis'mach k nemu.“[106] Erwahnt wird aufierdem das ebenfalls an Gronskij gerichtete Liebesgedicht Opolzajuscaja glyba sowie die Gravur des Prager Ritters. In einem Brief vom 7. September schreibt sie:
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[107]
Auch in Opolzajuscaja glyba stirbt die Protagonistin beinahe an Liebesdurst, wobei der junge Held sie errettet, indem er diesen stillt. Opolzajuscaja glyba ist mitunter das erotischste der Gronskij gewidmeten Gedichte. Das im Juni 1928 entstandene und ihm geweihte Fragment lautet wie folgt:
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[108]
Ausgehend von El'nickajas[109] Thesen kann man behaupten, dass das im Gedicht erwahnte Weihnachtsgeschenk und die damit verbundene Dankbarkeit auf das Kennenlernen beider Dichter zuruckzufuhren ist, das um Weihnachten des Jahres 1927 herum stattfand. Nach dem Tod Gronskijs am 21 November 1934 verfasst Cvetaeva einen ihm gewidmeten Aufsatz, den sie mit Posmertnyj podarok betitelt und mit den Worten 'Rozdestvo 1934' abschliefit. Die Weihnacht des Kennenlernens beider Poeten kann aufierdem als Geburtsstunde des Lyrikers Gronskij gesehen werden. ,,Oformljaja, v stat'e 1934 goda, zizn' Gronskogo v mif 0 Gronskom-poete, Cvetaeva darit emu, tem samym, vtoroe, vyssee rozdenie i poeticeskoe bessmertie.“[110] Realisiert wird dieses Prinzip jedoch nicht nur in Cveatevas wissenschaftlichem Aufsatz, sondern ebenso in ihrer Lyrik, wie beispielsweise in dem an ihn gerichteten und spater mit Nadgrobie betitelten Gedichtzyklus Pamjati N. P. Gronskogo aus dem Jahre 1935.
In einer 1936 veroffentlichten Rezension von Gronskijs Stichi i Poemy aus dem Jahre 1935 rief Cvetaeva alle Lyriker dazu auf sich nach seinem Vorbild zu verhalten. Ganz in diesem Sinne beendet sie den Aufsatz mit den folgenden Versen: „Ja - vselennoj gost',/Mne povsjudu pir,/I mne dan v udel -/Ves' podlunnyj mir!//I-ne tol'kopodlunnyj!“[111]
Ausgehend von El'nickajas[112] Argumenten, kann man sagen, dass Cvetaeva bereits vor Beginn von Gronskijs lyrischem Schaffen dessen Dichtergabe erkannte. Nach dem Erscheinen seines Poems wurde diese Vorstellung nur weiter verfestigt, denn ,,ee podrobnyj analiz poemy Gronskogo pokazyvaet ego ogromnyj poeticeskij dar i vysokoe masterstvo “ [113] .
Cvetaeva, die sich im grofien Mafie von ihrem jungen Gefahrten inspiriert fahlte, verewigte in ihrem Werk nicht nur biografische Fakten, sondern schenkte ihm ein ewiges Leben in der Welt der Lyrik oder um es mit den Worten Cvetaevas zu sagen: ,,Ja dam tebe vecnuju zizn', vecnuju molodost', vecnujupamjat', ty navecno pribudes' [...] v moem bessmertnom slove o tebe. Ne dam tebe - posedet' v serdcach!'“ [114]
3.2 Cvetaeva und der Erzengel Blok
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[115]
In Cvetaevas Gedichten wurde der Dichter Blok, der sie stark inspirierte, zu einem Helden, der der wahren Person kaum ahnelte. Dafur wurde er zum ,,cut' li ne obozestvlennyj, Archangel, ne ponjatyj sovremennikami, pogibajuscij za ljudej i iz-za ljudej.“[116] Personlich kannte Cvetaeva Blok nicht, sah ihn jedoch zwei Mal bei verschiedenen Lesungen im Jahre 1920.
Die musische Wirkung Bloks schlagt sich unter anderem in den Versen an Blok nieder. Stichi kBloku ist ein aus acht Gedichten bestehender Zyklus aus dem Jahre 1916. Eroffnet wird die Gedichtsammlung mit ,, 'Imja tvoe - ptica v ruke...' Eti iskljucitel'nye po svoej prostote stroki ispolneny bespredel'nym pokloneniem, v kotorom ne kak dissonans, a lis' kak echo tragiceskogo dusevnogo razlada Bloka, kak otzvuk ego stichotvorenija 'Noe' kak noc" pojavljaetsja distich: 'I nazovet ego nam v visok/Zvonko scelkajuscij kurok'. [Ahnlich verhalt es sich auch mit einer Vielzahl weiterer Blok gewidmeter Gedichte.] 'Stichi k Bloku' - kak by identifikacija Cvetaevoj-poeta s sud'boj Bloka-poeta.“[117]
Das sich wiederholende Motiv des seinen Tod verkundenden Dichters begegnet einem haufig in Cvetaevas Lyrik und ist laut Pollak[118] in einem klaren Zusammenhang mit Bloks Selbstdarstellung als gekreuzigter Christus[119] in Osennjaja ljubov' zu sehen. Er stellt ebenfalls die These auf, dass Blok in Cvetaevas Werk als Verkunder der Wahrheit dargestellt wird. Diese These erscheint sehr interessant, da sie Bloks Selbstbild besonders gut wiedergibt. ,,Blok - po ego sobstvennym slovam - 'smertel'no oskorblennyj genij', povedavsij' ljudjam 'nezemnoe', kotoryj 'vse skoval v vozdusnoj mgle', no ujdet, ne najdja v mire 'otvaznojkrasoty'.“[120]
In V golose iz chora, das Blok am 9. Mai 1920 las, spricht er von Kalte und Dunkelheit in Bezug auf Russland. Cvetaeva greift dieses Motiv auf und antwortet in den Blok gewidmeten Gedichten auf seine in ihren Augen prophetischen Worte. Dabei gibt sie sogar den genauen Wortlaut wieder - „Kakie dni nas zdut, kak Bog obmanet“[121]. Des Weiteren hebt Pollak[122] Cvetaevas Bez zova, bez slova und das den Zyklus abschliessende Gedicht hervor, die Cvetaeva Blok post mortem widmete. Besonders wichtig scheinen in diesem Zusammenhang Cvetaevas Verse, die Bloks dichterische Auferstehung schildern: ,, Tak, Gospodi! I moj obol/Primi na utverzden'e chrama./Ne svoj ljubovnyjproizvol/Poju - svoej otcizny ranu.“[123] In diesen Zeilen wandelt sich Bloks Darstellung, denn sie wird entmythisiert und tragt durch den realen Verlust des Poeten nun realistische Zuge.
,,In einem Gedicht aus dem Jahre 1916, das spater dem Zyklus Cthxh Kb EnoKy [...] einverleibt worden ist, hat M. Cvetaeva Teile eines kirchenslavischen Hymnus aus dem Abendgottesdienst zusammen mit Reminiszenzen aus Blokschen Gedichten zu einem harmonischen Ganzen zusammengefugt, zu einer Apotheose des sich verklarenden Dichters:
Tb npoxo^Hmb Ha 3ana^ ConHH;a,/Tb yBH^Hmb BeaepHHH CBeT,/Tb npoxo^Hmb Ha 3ana^ ConHu;a,/H MeTenb 3aMeTaeT cne^.//MHMo okoh mohx - deccTpacTHbn -/Tb npon^em b CHeroBon THmH,/Eo^HH npaBe^HHK moh npeKpacHbn,/CBeTe thxhh Moeii ^ymH.//R Ha ^ymy tboio He 3apiocb!/HapymHMa tboji CTe3a./B pyKy, dne^Hyro ot nod3aHHH,/He Bodbro CBoero rBo3^a.//H no HMeHH He oKnHKHy,/H pyKaMH He noraHycb./BocKoBoMy CBaToMy nHKy/TonbKo H3^anH noKnaHrocb.//H no^ Me^neHHbiM cHeroM croa,/Ony^ycb Ha KoneHH b cHer,/H bo hms TBoe CB3Toe/nou;enyro BeaepHHH CHer, -//TaM, me nocrynbro BenHaaBon/Tb npomen b rpodoBon THmH,/CBeTe thxhh - CBaTba cnaBb -/Bce^ep^nrenb Moen ^ymH.//2- oro Maa 1916r. (Cthxh k BnoKy)“[124]
Laut dem Literaturwissenschaftler Dmitrij Cizevskij[125] geht nicht die Dichterin, sondern ein vorbeischreitender Dichter dem Sonnenuntergang entgegen, wodurch auf das beliebte Motiv des am Dichter geheimnisvoll vorbeischreitenden Menschen aus Bloks Werk rekurriert wird. Das Gedicht enthalt noch weitere Reminiszenzen, wie beispielsweise die verwehten Spuren im Schneesturm, sowie das Schreiten, die Stille und das Bild eines Gekreuzigten, das an Bloks Selbstdarstellung in einem seiner Gedichte aus dem Jahre 1907 erinnert.
„Schon in einem wenige Tage zuvor (am 9. Mai 1916) geschriebenen Gedicht stellt M. Cvetaeva einen Zusammenhang zwischen der untergegangenen Sonne und dem dahinschreitenden Dichter her, der hier als 'toter Engel' bezeichnet wird.(CT. k BnoKy: nnantTe o MepTBOM aHrene!/OH Ha 3aKaTe ^Ha/nen KpacoTy BenepHroro ... TpH bockobmx cBenH/ConHuy-To! CBeToHocHoMy!) oder als 'toter Sanger', dessen Auferstehung ruht (MepTBMH ne^HT neBeu/H BocKpeceHte npa3HyeT). Diese letzten Verse nehmen wieder Bezug auf ein Gedicht Bloks, in dem er sich mit dem nicht auferstandenen Christus vergleicht (fla. Tbi - po^Haa TanHnea/MHe - HeBocKecmeMy XpHcTy)[126].
In Krysolov greift Cvetaeva ausgehend von den Thesen Orlovs[127], auf das in Bloks Werk dominierende Musikmotiv zuruck. In ihrem Werk sprengt die Musik die alte Ordnung, wodurch sie zum Synonym fur die Revolution wird - ,, muzyka - est' - bunt...“[128]. Daraus kann man schliefien, dass Bloks Tradition in Bezug auf Cvetaevas Gedichte, die Russland gewidmet sind, eine wichtige und inspirierende Rolle spielt. Des Weiteren stand Blok als literarischer Held ganz klar in der Mitte seiner lyrischen Welt - im Falle Cvetaevas, die in ihren lyrischen Dimensionen eine vergleichbare Stellung einnimmt, jedoch fast ohne Preisgabe biografischer Fakten auskommt, verhalt es sich ahnlich. Die Positionierung im Mittelpunkt der lyrischen Welt, die nicht jedem Dichter oder Schriftsteller eigen ist, ist dementsprechend ein wichtiges gemeinsames Kriterium des poetischen Schaffens beider Dichter, die oft in der Rolle des Protagonisten in ihren eigenen Werken auftreten.
Cvetaevas Tochter Ariadna sagte folgendes uber Cvetaevas Wahrnehmung Bloks: „Tvorcestvo odnogo Us' Bloka vosprinjala Cvetaeva kak vysotu [...] podnebesnuju“ [129] . In dieser Aussage kommt nicht nur Cvetaevas Wahrnehmung Bloks, sondern die ihrer Musen an sich sehr gut zum Ausdruck, da die Dichterin diese haufig als jeweils einzige und wichtigste Inspirationsquellen darstellt. In Wirklichkeit trifft diese Aussage jedoch auf einige weitere Musen zu, so auch auf Achmatova.
3.3 Cvetaevas 'Klage-Muse' Achmatova
„Ija darjutebe svoj kolokol'nyj grad, Achmatova! - i serdce svoe v pridacu“[130] [131] .
In der Lyrik Cvetaevas nimmt Achmatova, die 'Muse von Carskoe Selo', einen ganz besonderen Stellenwert ein, obwohl die beiden Poetessen sich nur wenige Male begegnet sind. Cvetaevas Tochter Ariadna schrieb in ihren Erinnerungen, dass
„die absolute Harmonie, die geistige Plastizitat Achmatowas, die Zwetaewa anfangs so bezauberten, [...] ihr in der Folgezeit als Qualitaten [erschienen], die Achmatowas Schaffen und der Entwicklung ihrer dichterischen Personlichkeit Grenzen setzten. 'Sie ist - Vollkommenheit, und darin liegt, leider, ihre Beschrankung', sagte Zwetaewauber Achmatowa.“[132]
Trotz dieser Einsicht, widmete Cvetaeva der drei Jahre alteren Dichterin den elfteiligen Zyklus Stichi k Achmatovoj aus dem Jahre 1916, der mit dem Gedicht An Anna Achmatova: Muse der Klage du, o herrlichste der Musen![133] eroffnet wurde. Diesen interpretiert der Schriftsteller Jurgen Lehmann[134] als platonische Liebeserklarung. „Zdes' kak by pereklicka s obrazom niscej Muzy v dyrjavom platke, kotoraja javljaetsja buduscej sozdatel'nicej 'Rekviema'. “[135] Cvetaeva lernte Achmatovas Werk um das Jahr 1915 kennen, woraufhin sie ihr noch im selben Jahr ein Gedicht sowie den bereits erwahnten Zyklus widmete. Wie Dutli in Mit dem Strohhalm trinkst du meine Seele beschreibt, reiste Cvetaeva ,,zur Jahreswende 1915/1916 [...] nach Petrograd und hoffte dort auch Achmatowa zu treffen, doch daraus wurde nichts. In ihrem Text 'Ein Abend nicht von dieser Welt' (1936), der auch diese Nicht-Begegnung schildert, ist Achmatowa die grofie Abwesend-Anwesende.“[136] Des Weiteren widmete ihr Cvetaeva im Jahre 1921 das Poem Auf dem Roten Pferd sowie den Gedichtband Westpfahle.
[...]
[1] Pindar in Walter F. Otto, Die Musen, Dusseldorf-Koln 1955, S. 31.
[2] Ulrike und Jorg Rupke, Die 101 wichtigsten Fragen - Gotter und Mythen der Antike, Munchen 2010, S. 102-103.
[3] Die Musen
[4],,Bootien und der Helikon als Symbol, durch das die Musen in der Theogonie eingefuhrt werden. Hesiod lebte, ein paar Schritte nur vom spateren Musenheiligtum entfernt, in Askra, einem abgelegenen Dorf von Bauern in einem fruchtbaren Tal [...]; es liegt auf der Strecke von Theben nach Delphi. [...] Der Musenkult hatte am Fufie des ostlichen Gipfels des Helikon seinen Sitz. Zu Hesiods Zeit war er noch eine lokale Angelegenheit rund um Askra, von dem aus man in einer Stunde die Hippokrene knapp unterhalb des Gipfels erreichte, wenn man vom Tal der Musen aufstieg. Mit der Einleitung der Musenspiele aber und dem Bau des Portikus und des Theaters im Hain [...] bekam der Kult uberregionale Bedeutung und wurde mit der unweit gelegenen Stadt Thespiai assoziiert, die dort auch - ganz und gar unublich fur den Kult - den Musen einen Tempel errichtete.“
Raoul Schrott, DieMusen, Munchen 1997, S. 14-15.
[5],,Das Wort des Dichters, das die Muse gesprochen, [ist] ein gottliches Wort [...]. Nicht weil es durch Nachsprechen erhalten bleibt, sondern weil es gottlich ist, kann es gar nicht anders als ewig sein - ewig, das heifit dem Zeitlichen enthoben, nicht von unbegrenzter Zeitdauer.“
Walter F. Otto, S.35.
[6] Ebd., S. 23.
[7],,Das Relief ist in 3 bzw. 4 Streifen eingeteilt. [...] Im zweiten und dritten Streifen, erhebt sich der Musenberg, an seinem Fufi die heilige Grotte, in der Apollon mit dem Saitenspiel steht; eine Muse uberbringt ihm die Rolle des Dichters, dessen Standbild neben der Grotte zu sehen ist, mit dem Dreifufi, den er als Siegespreis erhalten hat. Die ubrigen Musen verteilen sich in verschiedenen Haltungen und Beschaftigungen auf den Abhang des Berges. [.] Droben lagert der Gottervater, sein majestatisches Haupt zuruckgewandt zu der etwas tiefer stehenden Musenmutter Mnemosyne, die in koniglicher Haltung mit ihm Zwiesprache halt. Das Bildwerk zeigt in der eindrucksvollsten Weise, wie der Geist des Zeus die Musen, die seine Kinder heifien, bewegt.“
Ebd., S. 24.
[8] Ebd., S. 24.
[9],,Es sind nicht unbestimmt viele Muse, sondern sie bilden, wie die Chariten, eine Gruppe von Dreien, die durch Verdreifachung zur Neunzahl erweitert worden ist. Nach Pausanias sind am Helikon einst drei Musen heilig gehalten worden, in Sikyon verehrte man ebenfalls drei und auch in Delphi; und die Namen, die sie gehabt haben sollen, weisen deutlich auf Gesang oder die Saiten des Musikinstrumentes hin.“
Ebd., S. 25.
[10],,Als Zeus die Welt geordnet hatte, betrachteten die Gotter mit stummem Staunen die Herrlichkeit, die sich ihren Augen darbot. Endlich fragte sie der Gottervater, ob sie noch etwas vermifiten. Da antworteten sie, es fehle noch eins: eine Stimme, die grofien Werke und seine ganze Schopfung in Worten und Tonen zu preisen. Dazu bedurfte es einer neuen gottlichen Wesenheit, und so baten die Gotter den Zeus, die Musen zu erzeugen. [...] Das Geschaffene soll nicht seinen Schopfer preisen, sondern es fehlt noch etwas, das Sein der Dinge ist nicht vollendet, solange es nicht eine Sprache gibt, die es aussagt. Die Dinge und ihre Herrlichkeit mussen ausgesagt werden, das ist die Erfullung ihres Seins.“
Ebd., S. 28.
[11] Die Musen
[12] Walter F. Otto, S. 27.
[13],,Von allen antiken Gottheiten sind die Musen die einzigen, deren Name in den europaischen Sprachen weiterlebt und ihnen unentbehrlich ist zur Bezeichnung des gewaltigen Reiches der Tone. [...] Aber er kann und sollte uns doch daran erinnern, daB der Zauber der Tone durch den Namen 'Musik' (goudixn) als die Gabe einer Gottheit gekennzeichnet wurde, ja als ihre eigene heilige Stimme.“
Ebd., S. 23.
[14] Ebd., S. 31.
[15] Ebd., S. 37.
[16] Ebd., S. 39.
[17],,Denn man kann sich nichts willentlich einfallen lassen, da eben im Lassen der Absicht und des Wollens jenes 'wunschlose Gluck' der Invention sich einstellt (oder eben nicht). Der Musenkuss kommt als Gabe, als Geschenk - und eben nicht als etwas im Salierischen Sinne Erworbenes, Erarbeitetes, Erstreb(er)tes. Es ist daher auch kaum moglich, etwas Konkretes uber das Wirken der Musen im Schaffensprozess selbst zu erfahren - auBer eben ein Murmeln uber das DahinflieBen, Stromen eines 'Einflusses', eines flieBenden Lichtes von oben, das als reine Medialitat selbst keine Signifkanten im Sinne von sign-symbol oder sign-icon vermittelt, sondern eben nur indizial bzw. inizial wirkt.“
Aage A. Hansen-Love, ,,ICH BIN EIN BLATT PAPIER..“. MUSEN, DICHTER, POETESSEN in
Wiener Slawistischer Almanach 66 (Bd.), Aage A. Hansen-Love und Tilmann Reuther (Hg.), Wien
[2011], S. 150-151.
[18] WalterF. Otto, S. 31.
[19] WSA66 (Bd.)
[20],,Ursprunglich war die Dreifaltige Muse Symbolgestalt der Frau in der Fulle ihrer gottlichen Eigenschaften: 'die Verzauberin des Dichters, das einzige Thema seiner Lieder.' - dann aber geriet sie unter die 'revolutionare Institution der Vaterschaft' und damit auch des Apoll, der zu ihrem Anfuhrer - Musagetes - avancierte. Die Aufsplitterung der ursprunglichen weiblichen Musen-Trinitat in die Neun Musen der Kunstformen sieht Ranke-Graves letztlich als eine massive Abwertung, wobei vor allem der Entzug ihrer Heil- und Zauberwirksamkeit beklagt wird.“
Aage A. Hansen-Love, S. 123.
[21] Ebd., S. 120.
[22] Ebd., S. 122.
[23] *1892 - f 1941.
[24] *1889 - f 1966.
[25] *1909-f1934.
[26] *1880 - f 1921.
[27] *1875 - f 1926.
[28] *1890 - f 1960.
[29] *1885 - f 1933.
[30] *1896 - f 1935.
[31] *1876 - f1972.
[32],,Im Poem Na krasnom kone' begegnet schon im Prolog das Thema der mannlichen Muse: He My3a, He My3a/Haa dueaHoro nronKod/MHe neua, 3a pyuKy BoaHua./He My3a xouoaHHe pyKH MHe rpeJia,/TopaHHe BeKH CTyaHua./BHxop oto uda oTBoaHua - He My3a./B doutmHe noJM yBo^HJia - He My3a./He My3a, He uepHHe koch, He dycti,/He dacHH - Bcero aBa Kptraa CBexnopycHX./- KopoTKHX - Haa dpoBtro KptmaToH./CraH b uaTax./CynTaH.“
AageA. Hansen-Love, S. 147.
[33],,He My3a, He My3a,/He dpeHHtie y3H/PoacTBa, - He tboh nym,/0 flpy*6a! - He *eHCKod pyKod,. - uroToH/3aT«HyT Ha MHe -/Y3eu. [.]/,ToKoue MeH^/He yMUHT b uajypt/Ha KpacHoM KoHe/Mod TeHH0“
Ebd., S. 148.
[34] Ebd., S. 147-149.
[35] *1891 - f 1938.
[36] *1886 - f 1921.
[37] *1882 - f1919.
[38] *1883 - f 1969.
[39] *1799-f1837.
[40],,Fur eine solche Sicht ist ohnedies alles Plagiat, und ein jedes Werk resultiert nicht aus einer inventio, sondern aus der (strategischen) Kombination vorgegebener Elemente, deren Sinn transtextuell wandert, gleitet, permanent auch auf der Flucht vor Festlegungen ist. Die Originalitat der Autorschaft verlagert sich daher vom Erzeuger des Textes auf diesen selbst: der Diskurs wird autogen, er gebiert gleichsam seine eigene Muse, die den Leser inspiriert und diesen somit zum Mitautor macht, dessen Antwort im Fort-Schreiben resultiert. Aus einer solchen Sicht wird das Hauptgewicht der Kreativitat auf den Schaffensprozess und damit auf die Inspiration durch die Musen verlagert“.
AageA. Hansen-Love, S. 126-127.
[41] Jurgen Lehmann, Die 'vergeudeten Dichterinnen' Marina Cvetaeva und Anna Achmatova in Frauen-Literatur-Geschichte, Hiltrud Gnug und Renate Mohrmann (Hg.), Stuttgart 1999, S. 317.
[42] Interessant scheinen die Intertextualitatsrelationen mit Bulgakov, Majakovskij, Joyce, Dante, Puskin, Shakespeare, Goethe und einigen weiteren Schriftstellern. Mit Dante, Puskin und Mandel'stam, aber auch unter anderem Bulgakov, verbindet sie ein besonderes Indentifikationsstreben, so Lehmann. Sie fuhrt ebenfalls einen Dialog mit sich selbst und greift eigene Textpassagen in neuen Werken wieder auf. Durch die Aufnahme und Transformation fremder Rede, weist ihre Lyrik auBerdem eine dichte und vielfaltige intertextuelle, chiffrierende Struktur auf.
[43] „Nietzsche begreift die Inspiration 'in dem Sinne, dass plotzlich mit unsaglicher Sicherheit und Freiheit etwas sichtbar, horbar wird, etwas, das einen im Tiefsten erschuttert und umwirft... wie ein Blitz leuchtet ein Gedanke auf, mit Notwendigkeit, in der Form ohne Zogern, - ich habe nie eine Wahl gehabt [...] Dies ist meine Erfahrung von Inspiration; ich zweifle nicht, dass man Jahrtausende zuruckgehen muss, um jemanden zu finden, der mir sagen darf 'es ist auch die meine'.' (Nietzsche, Ecce homo). [.] Die Musen sind Mittlerinnen (also Medien) und Ausloserinnen zugleich: Ihr Kuss zielt auf die Stirn des Dichters - nicht auf den Mund. [...] Zugleich ist die Muse eine Projektionsfigur, die substanziell aus ebenjenen Elementen besteht, die der Projizierende selbst beisteuert [...] Immer aber wirken die Musen erotisch - und nicht sexuell, jungfraulich und nicht zeugend, imaginar und nicht auf fiktionale Identifizierung fixiert. Sie sind jener Wald (der Symbole), aus dem das herausschallt, was man in ihn hineinruft“ AageA. Hansen-Love, S. 151.
[44] Anna Achmatova, Socinenija v dvuch tomach, 1 (Bd.), Moskva 1990, S. 301.
[45] WSA66 (Bd.)
[46],,Hier scheiden sich denn auch die Geister, wenn es um die Frage geht, ob die Dichter aus Eingebung schaffen (auf Anrufung, invocatio der Musen) - oder aber selbstschaffend agieren: als Kunstlerdemiurgen alles 'neu machen'.“ AageA. Hansen-Love, S. 152.
[47] Anna Achmatova, Stichotvorenija raznych let, M. M. Kralina (Hg.), Moskva 1990, S. 83.
[48] Ruth Pauli, Das russische Versmarchen von Puskin bis Cvetaeva, Wien 1978, S. 185.
[49],,Der fur die Cvetaeva einschneidende gender shift besteht eben darin, dass die metaphorische Bewegung zwischen Mann und Weib, Kreation als Schopfertum und als Gebaren, eine radikale Schubumkehr erfahrt, wobei nunmehr die 'Dame Dichterin' diktiert - freilich auf eine hoch subversive Weise. Sie selbst repetiert den archaischen Ergebenheitstopos, wobei sie ihre ansonsten der maskulinen Dominanz zugeschriebene Kreativitat ganz in ihre Rolle als russische 'Mutter-Feuchte-Erde' zurucknimmt. Indem sie dies aber nicht blofi diskursiv konstatiert, sondern poetisch realisiert, nimmt sie eben jenes poetische Schopfertum in Anspruch, das ihr nunmehr zusammen mit dem Beschriftungspathos wortwortlich in den Schofi fallt. [...] Der Text, das Gedicht, worin und womit dies alles geschieht, entstammt eben diesem Mutterschofi, aus dem die Fruchtjener Insemination hervorwachst. Und diese Frucht ist nicht mehr nur das Kind im Manne, sondernjenes Werk, das nur sie - die Dame Dichterin - hervorbringen kann.“ AageA. Hansen-Love, S. 145.
[50] Ebd., S. 141-142.
[51],,Es waren zwei vollig verschiedene Temperamente, zwei kontrare poetische Kulturen. Es gibt keine schoneren Antipoden. Anna Achmatowa vertritt die klassische Ruhe, die schlichte Alltagsprosa, die beharrliche Untertreibung des Leidens. Marina Zwetaewa - den Impulsiven Ausbruch, den ungehemmten Schrei, liebenden Zorn. Achmatowa bekennt sich zum mafi, Zwetaewa zur 'Mafilosigkeit in einer Welt des Mafies', wie es in einem Gedicht von 1923 heifit.“
Ralph Dutli, Mit dem Strohhalm trinkst du meine Seele, Heidelberg 2003, S. 10.
[52] Marina Cvetaeva, Izbrannoe, Moskva 1990, S.33.
[53] Ralph Dutli, S. 10.
[54],,Die Musen zeugen nicht, sie kussen lediglich auf die Stirne und sind damit die groBen Ausloserinnen, die Halbwesen einer Moglichkeitswelt der reinen Potentialitat (frei von der Prapotenz der Zeuger und Gebarer). [...] Jedenfalls zielt der Musenkuss auf die Stirne (des Dichters) - eine Vorstellung, die freilich durch so gut wie keinen Beleg in antiken Texten bezeugt werden kann - ebenso wie das Motiv des Pegasus, den der Poet reitet. All das sind Vorstellungen des Spatmittelalters bzw. der Renaissance (ausfuhrlich belegt durch den Latinisten Walter Ludwig: '..die Musen kussen Dichter erst seit dem 15. Jahrhundert'); allgegenwartig wird dieses Phanomen uberhaupt erst im 18. und dann vor allem im 19. Jahrhundert. Da kommt es dann auch zu einer folgenschweren Vermengung von keuscher, erhaben-erotischer Muse und der blanken Sexualitat einer Geliebten, die den Dichter in eben dieser Funktion inspiriert“
AageA. Hansen-Love, S. 136.
[55] Goethes 'Euphrosyne' in Walter F. Otto, S. 31.
[56] A. Saakjanc, Anna Achmatova i Marina Cvetaeva in Carstvennoe Slovo - Achmatovskie ctenija, Moskva 1992, S. 187.
[57] MC, Izbrannoe, S. 44.
[58] Svetlana Kazakova, Marina Cvetaeva: Hierophanie des Schreibens in Wiener Slawistischer Almanach 60 (Bd.), Aage A. Hansen-Love und Tilmann Reuther (Hg.), Wien 2007, S. 300.
[59] Ein weiterer interessanter Aspekt ist ,,die Behauptung der Dichterin, dass die Kunst heilig und ein Produkt der Natur sei: geboren, nicht geschaffen ('Chudoznik - zemlja rozdajuscaja'), [die] in der kosmischen Hierogamie als Basis schopferischer Kreativitat [wurzelt].“
Ebd., S. 308.
[60] Ebd., S. 302.
[61] Friedrich Nietzsche, Die Geburt der Tragodie, Stuttgart 1993, S. 20.
[62] Ebd., S. 20.
[63] SvetlanaKazakova, S. 305.
[64] Ebd., S. 297.
[65] Ebd., S. 296.
[66] Metapoetische Raume der Kreativitat: ,,Mogla-by - vzjala-by/V utrobu pescery:/V pesceru drakona,/V truscobu pantery [...]/V pesceru bez sveta, v truscobu bez sledu./V listve by, v plusce by, v plusce - kak v plasce by...“
Dagmar Burkhart, ArsPhilologica, Mannheim 1999, S. 524.
[67] Ebd., S. 524.
[68] „V demote rva/Lezu - a Boschod svetel./O kto nevesomych moich dva/Kryla za plecom -/Vzvesil?/Nemoj sogljadataj/Zivych bur' -/Lezu - i slezu/Teni./Dokole menja/Ne umcit v lazur'/Na krasnom kone -/Moj Genij!“
Ebd., S. 525.
[69] Ebd., S. 525.
[70] MC, Izbrannoe, S. 34.
[71],,Und der Schreibtisch, der Ort dichterischer Kreativitat, ist kein Raum aus toter Materie, sondern er lebt und gibt sich als Baumstamm zu erkennen: Moj pis'mennyj vernyj stol!/Spasibo za to, cto stvol/Otdav mne, ctob stat' - stolom,/Ostalsja - zivym stvolom!“
Dagmar Burkhart, S. 525.
[72] MC, Izbrannoe, S. 34.
[73] RuthPauli, S. 190.
[74] Dmitrij Tschizevskij, Orbis Scriptus, Dietrich Gerhardt (Hg.), Munchen 1966, S. 677.
[75] MC, Izbrannoe, S. 26.
[76] Anja Utler, Weibliche Antworten auf, menschliche Fragen’? Zur Kategorie Geschlecht in der russischen Lyrik, Regensburg 2004, S. 171.
[77] Ebd., S. 172.
[78] Weibliche Antworten auf, menschliche Fragen’?
[79] Ebd., S. 182.
[80] MC, Izbrannoe, S. 32.
[81] Slavoslovija Mariny Cvetaevoj (Stichi kBloku iAchmatovoj)
[82] Seweryn Pollak, Slavoslovija Mariny Cvetaevoj (Stichi k Bloku i Achmatovoj) in Slavica Helvetica 26 (Bd.), Peter Brang und Georges Nivat sowie Robert Zett (Hg.), Bern 1991, S. 180.
[83] Cvetaevas ,,innerlich wie auderlich bedingte Einsamkeit (wohl auch die Einsamkeit in der Kunst, verursacht durch eine Hohe, die zum groden Teil nur auf Unverstandnis stoden konnte) als auch eine uberaus komplizierte transzendentale Durchdringung zwischenmenschlicher Beziehungen [sind beherrschende Momente]. Die Auderung dieser beiden Tatsachen beeinfludte dann auch ihr dichterisches Schaffen sehr stark.“ Diese These lasst klarer erscheinen, auf welchen Pramissen die Wahl der Musen beruht.
Ruth Pauli, S. 186.
[84] Seweryn Pollak, S. 180-181.
[85] MC, Izbrannoe, S. 29.
[86] Svetlana El'nickaja, Sto ich, igr i mod! Stichi Cvetaevoj Gronskomu 1928 in Wiener Slawistischer Almanach 41 (Bd.), Aage A. Hansen-Love und Tilmann Reuther (Hg.), Wien 1998, S. 117.
[87] WSA 38 und 41 (Bd.)
[88] SvetlanaEl'nickaja, WSA41 (Bd.), S. 118.
[89] Ebd., S. 127.
[90] Fur weitere Briefe Cvetaevas und Gronskijs vgl. Lettres d'amour.
[91] SvetlanaEl'nickaja, WSA41 (Bd.), S. 127.
[92] WSA 38 und 41 (Bd.)
[93] „KHome b ycTa//roHome b ycTa/- Eory Ha anrapt -/Mopa h necKa/neHy h aHTapt//Baararo./CoaranH,/PTo Mart h cBra!/Mnaaaa/Ceaaa/MopcKaa/CHHt.//KpHB hx cuoBopaa,4deHt hx caoBapro!/neHKa roBopaT./neHa roBopro -//3HaK - no chhto 6ea!/Bonat - ho deny 6en!/PTo nepeKHnea/CuHBouHHK Mope0.//Eow huh „6aro“,/CoH huh... a 6ce * -/MaTt, kouh noro,/Ctra, kouh cocemt -//Coch *e!/He xhkhh/Pocchhckhx - uapt:/Po*oK nnaKcHBtiH./PycH - aHTapt.//Crapaa modoBt -/Mope Ha PycH!/CTapyio mo6oBt/3aHoBo BcocH://Ty ee - aaBHo!/Ty ee - maTpa,/Bcro ee - ot do/Kaa - ao neTpa.//nen, He o6eccyat!/C 6e3aHoio KyTe>K!/Eoiitme He>Keiit rpyat -/CyTt moio cocem://JfoHo - cMeHy -/Oho - BHoBt:/Mopa neHy,/Eopa KpoBt.//ned, *eHoynpyr!/neH, Moa TocKa!/neHKoBHH MyHamTyK/KeHcKoro cocKa/CroHT.//CTo HX,/Hrp h Moa!//Mart - kto noHT/H noex//29 Maa 1928 MeaoH“
Svetlana El'nickaja, Sto ich, igr i mod! Stichi Cvetaevoj Gronskomu 1928 in Wiener Slawistischer Almanach 38 (Bd.), Aage A. Hansen-Love und Tilmann Reuther (Hg.), Wien 1996, S. 98-99.
[94] Ebd., S. 101.
[95] WSA 38 und 41 (Bd.)
[96] SvetlanaEl'nickaja, WSA 38 (Bd.), S. 103.
[97] WSA 38 und 41 (Bd.)
[98] Ebd., S. 101.
[99] Ebd., S. 103.
[100] Ebd., S. 105.
[101] Ebd., S. 105. 102Ebd., S. 114.
[103] Svetlana El'nickaja, WSA41 (Bd.), S. 122.
[104] Ebd., S. 124.
[105] Marina Cvetaeva, Stichi ipoemy, Vil'njus 1988, S. 195-196.
[106] Svetlana El'nickaja, WSA 41 (Bd.), S. 129. 107Ebd., S. 129-130.
[108] Ebd., S. 133.
[109] WSA 38 und 41 (Bd.)
[110] Svetlana El'nickaja, WSA41 (Bd.), S. 134. 111Svetlana El'nickaja, WSA38 (Bd.), S. 109. 112WSA 38 und 41 (Bd.)
[113] Ebd., S. 110.
[114] Svetlana El'nickaja, WSA41 (Bd.), S. 135.
[115] MC, Izbrannoe, S. 78-79.
[116] Seweryn Pollak, S. 181.
[117] Ebd., S. 182.
[118] SlavoslovijaMariny Cvetaevoj (Stichi kBloku iAchmatovoj)
[119],,In den Zyklen, die sich den beiden grofien Dichtern ihrer Zeit - Blok und Achmatova - widmen, entfaltet sich das damonische Wesen eines Poeten, der alle Zeichen eines Todesopfers tragt. So wird A. Blok in den Gestalten eines Seraphims ohne Gefolge, eines toten Engels oder Engels mit gebrochenem Flugel, jedoch in der apologetischen Aureole des Gottes gesehen ('Sli ot nego luci/Solncu-to! Svetonosnomu'). Zugleich tragt er auch die Dornenkrone oder erscheint als das Jesuskind, dass beigesetzt in der Erde schlaft und auf die Posaune der Auferstehung wartet.“ Svetlana Kazakova, S. 302-303.
[120] Seweryn Pollak, S. 183.
[121] Ebd., S. 184.
[122] Slavoslovija Mariny Cvetaevoj (Stichi kBloku i Achmatovoj)
[123] Seweryn Pollak, S. 184.
[124] Dmitrij Tschizevskij, S. 675-676.
[1250] rbis Scriptus
[126] Ebd., S. 677.
[119] Izbrannoe 128MC, Izbrannoe, S. 18.
[129] Seweryn Pollak, S. 185.
[130] Naheres zu Cvetaevas Briefverkehr mit Achmatova in Marina Zwetajewa, An Anna Achmatova, Berlin 1992, S. 53-56.
[131] Svetlana El'nickaja, O nekotorych certachpoeticeskogo mira M. Cvetaevoj in Wiener Slawistischer Almanach 3 (Bd.), Aage A. Hansen-Löve und Tilmann Reuther (Hg.), Wien 1979, S. 63.
[132] Ralph Dutli, S. 14.
[133] "O Klage-Muse, schönste Muse du,/o wilde Ausgeburt, der weißen Nacht entsprungen!/Den schwarzen Schneesturm sendest du auf Rußland zu;/von deiner Klage sind wir wie vom Pfeil durchdrungen.//Wir weichen schnell zurück, und hunterttausendfach/schwört dir ein dumpfes Ach und ruft dich: Anna/Achmatowa. Der Name hallt als Seufzer nach,/und in die tiefe fällt er, welche ohne Namen.//Daß wir auf gleichem lande gehen, macht uns groß,/daß über uns sich wölbt der gleiche Himmelsbogen!/Und wer verwundet wurde durch dein tödlich Los,/der lebt, hat ihn des Todes Hand auch fortgezogen.//Die Kuppeln glühn in meiner Stadt voll Sang;/den lichten Heiland preist der Wanderer, der blinde .../Ich schenk' dir meine Stadt voll Glockenklang,/Achmatowa, dazu mein Herz als Angebinde.“
Jürgen Lehmann, S. 313.
[134] Die 'vergeudeten Dichterinnen' Marina Cvetaeva und Anna Achmatova
[135] Seweryn Pollak, S. 187.
[136] Ralph Dutli, S. 14.
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