Da ich mich bereits während meiner Schulzeit für Medizin interessierte, wollte ich die Facharbeit, die jeder Schüler während der Oberstufe erstellen musste, zu diesem Thema verfassen.
Ich verschaffte mir einen Überblick über die verschiedenen medizinischen Errungenschaften der Epochen. Ich stellte fest, dass man über das Mittelalter die meisten Vorurteile hat, die sich fast alle als falsch erwiesern!
GLIEDERUNG
1. Vorwort
2. Therapeutische Methoden
2.1 Aderlass
2.2 Vier-Säfte-Lehre
2.3 Uroskopie
3. Magie als Heilmittel
3.1 Heilkräuter und Tiere
3.2 Besprechungen und Zauber
4. Badewesen
4.1 Ablauf eines Bades
4.2 Medizinische Tätigkeiten
4.3 Entwicklung und Veränderungen
5. Nachwort
6. Anhang
6.1 Literaturverzeichnis
1. VORWORT
Das Mittelalter ... Für die meisten Menschen eine schwer fassbare Zeit, die durch eine Vielzahl von Klischees, geprägt durch Filme und Romane, beherrscht wird. Oft geht die Vorstellung mit Attributen wie düster, finster oder gar grausam einher, man denkt automatisch an Hexenverfolgung und Inquisition, Folter und primitivste Lebensumstände. Doch wie war das Leben in dieser Zeit wirklich?
Die Epoche des Mittelalters ist zwischen Antike und Neuzeit angesiedelt, bezeichnet also ungefähr den Zeitraum vom 6. bis 15. Jahrhundert. Der Lehrplan der sechsten Klasse widmet dieser gewaltigen Zeitspanne circa 20 Unterrichtsstunden. Den Schülern werden Lebenssituation, die Bedeutung von Politik und Religion sowie die Hexenverfolgung nahe gebracht, für einen Blick in die Geschichte der Medizin bleibt leider keine Zeit. Die Pestepidemie und der Aderlass sind die zwei Schlagworte, die man von fast jedem als Antwort erwarten kann, wenn man nach der Medizin des Mittelalters fragt.
Da ich nach dem Abitur gern Medizin studieren möchte und mich diese Thematik schon immer fasziniert hat, wollte ich mich mit meiner Facharbeit unbedingt in die medizinische Richtung begeben. Bereits nach kurzer Beschäftigung mit dem Thema bemerkte ich, dass die Zeit des Mittelalters eine Fülle an interessanten medizinischen Aspekten aufwies. Die Schwierigkeit bestand nicht darin, etwas zu meinem gewählten Thema zu finden, sondern zu entscheiden, wo die Schwerpunkte zu setzen sind.
Ich entschied mich, auf die allgemein üblichen Klischees wie Pestepidemien, Seuchen, Operationen und Amputationen ohne Narkose in meiner Arbeit zu verzichten. Vielmehr untersuchte ich einige ausgewählte grundlegende Bestandteile mittelalterlicher Heilverfahren um festzustellen, ob sich die Methoden nur auf Mythen und Hexenkunst beriefen oder ob ihnen wissenschaftliche Erkenntnisse zugrunde lagen. Dafür wählte ich exemplarisch die bekannten Verfahren Aderlass und Harnschau, da diese charakteristisch für diese Epoche sind. Entgegen dem allgemeinen Glauben konnte ich feststellen, dass das medizinische System des Mittelalters bereits weit entwickelt war und dass es zahlreiche therapeutische Maßnahmen gab, um unterschiedliche Krankheiten zu behandeln.
Mir ist es wichtig zu zeigen, warum man im Mittelalter an die Wirkung der Heilmethoden glaubte, denn nicht alles beruhte damals auf Einbildungen oder Mystik. Da der Aberglaube und die Gottesfürchtigkeit jedoch eng mit dem täglichen Leben verwoben waren, war es unablässig, auch die Problematik der Magie im medizinischen Sinne zu untersuchen. Besonders positiv überraschte mich die ausgeprägte Präsenz des Badewesens als wesentli- chen Aspekt des damaligen Lebens, weshalb ich beschloss, die Entwicklung des Badehau- ses vom rein medizinischen Nutzen bis hin zum gesellschaftlichen Treffpunkt und der „Umfunktionierung“ zu den ersten Bordellen in meiner Arbeit zu thematisieren.
Diese bewusste Themenauswahl versucht, die Vielfalt der damaligen Medizin zu verdeut- lichen und zeigt, dass die als „dunkle Zeit“ bezeichnete Epoche auch viele interessante und positive Aspekte aufwies, die teilweise in der heutigen Gesellschaft noch zu finden sind.
2. THERAPEUTISCHE METHODEN
2.1 Aderlass
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1 Aderlass, Darstellung im Augsburger „Kalender“ 1481
Die wohl bekannteste und umstrittenste Heil- methode des Mittelalters und der folgenden Jahrhunderte ist der Aderlass. Dabei handelt es sich nicht, wie im Allgemeinen angenom- men, um ein unkontrolliertes Blutablassen mit fatalen Folgen statt Heilungswirkung, sondern um ein Verfahren, bei dem sehr viele Regeln beachtet werden mussten. Die entsprechenden Körperstellen, an denen eine bestimmte Menge Blut gelassen werden sollte, wurden mit Hilfe der Astrologie und des Krankheits- bildes des Patienten bestimmt. Die genauen Festlegungen findet man zum Beispiel im Augsburger „Kalender“ von Johannes Blaubirer aus dem Jahre 1481. Aus diesem Buch über Heilverfahren, Körperhygiene und Lebenswei- sen stammt der abgebildete Holzschnitt (Abb.1). Zu sehen ist ein Mann, der das Aderlassen vorbeireitet, indem er einer Patientin eine Aderlassbinde am rechten Arm anbringt. Er ist der so genannte „Lass-Knecht“. Da beide Personen vollständig bekleidet sind, spielt sich die Szene nicht in einem Badehaus, sondern in einer Barbierstube oder einem privaten Haushalt ab. Nachdem die Aderlassbinde angebracht ist, wird mit dem Lasseisen, ein skal- pellähnliches Instrument, eine bestimmte Ader geöffnet. Es lässt sich vermuten, dass die Frau an Husten erkrankt ist oder Beschwerden mit Herz oder Leber hat, da am rechten Arm die Ader Pulmatica verläuft, der eine Heilwirkung für diese Leiden zugeschrieben wurde. Im „Kalender“ von Johannes Blaubirer heißt es dazu: „ Ein ader an dem rechten arme die heysset pulmatica die laßfür den husten und für alles wee des hertzens und der leberen “1 Doch nicht nur über die Körperstelle, an der gelassen werden sollte, gibt der „Kalender“ von Johannes Blaubirer Auskunft, sondern auch über den Zeitpunkt des Aderlassens, das Wetter und die Verfassung des Patienten. Außerdem war das gelassene Blut von großer Bedeutung, denn es zeigte an, wann die Krankheit oder das Böse den Körper verlassen hatte. Solang es schwarz erschien, wurde weiter gelassen, bis sich eine rötliche Farbe ein- stellte. Auch sollte man dickes Blut so lange lassen, bis es dünn wurde, ohne dabei jedoch die Gesundheit des Patienten zu gefährden. Durch eine Geschmacksprobe ließ sich anschließend feststellen, ob das Blut nun rein sei oder immer noch übel schmeckt und so auf Krankheit und Unreinheit hindeutet.2
2.2 Vier-Säfte-Lehre
„ Von ejm jeglichen Siechtagen was man den menschen dar für geben sol Du solt wissen das gesund leut nit sullen lassen und kein tranck nemen, sy sejnd dann etwas kranck wann sj sejnd von vier elementen gleich getemperiert. Gibestu in denn heisse ertznej so meret sich die hitz und wirt siecher. Gibest du im kalt so wirt er kalt. “
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2 Auszug aus dem Augsburger „Kalender“ 1481
In diesem Auszug aus dem bereits erwähnten „Kalender“ von Johannes Blaubirer wird beschrieben, was man Menschen an ihren „Siechtagen“ (Tage, an denen man sich krank und schwach fühlt) als Heilungsmittel verabreichen soll. Betont wird dabei, dass gesunde Menschen weder Tränke zu sich nehmen sollen, noch zur Ader gelassen werden sollen. Sonst würden sie krank, da ihre „vier Elemente“ aus dem Gleichgewicht geraten würden. Diese Aussage zeigt, dass Diagnostik und Therapie des Mittelalters sich am Prinzip der „Vier-Säfte-Lehre“ orientierten. Dem auch „Humoralpathologie“ genannten Krankheits- konzept liegt der Gedanke der griechischen Antike zugrunde, dass vier Elemente auf der Erde existieren: Luft, Feuer, Erde und Wasser. Diesen vier Elementen ordnet die Humoral- pathologie einen in seinen Eigenschaften ähnelnden Körpersaft sowie die zugehörigen Or- gane zu: die Luft entspricht dem Blut des Herzens (nass und warm), das Feuer der Gelben Galle der Leber (trocken und warm), die Erde der Schwarzen Galle der Milz (trocken und kalt) und das Wasser dem „Schleim beziehungsweise Rotz“3 des Gehirns (nass und kalt).
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1 Blaubirer, Johannes: Kalender. Augsburg 1481, S.118
2 Blaubirer, Johannes: Kalender. Augsburg 1481, S. 122
3 Schedlik, Uschi: Die Viersäftelehre. http://www.joerg-sieger.de/isenheim/texte/hinweis/i_10fc.htm (Stand: 1. September 2010)
- Quote paper
- Susann Grille (Author), 2010, Über Aderlass und Hexenkunst, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/177816
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