In dieser Arbeit will ich versuchen die theoretische Konzeption der Institutionenbildung und -
wandlung und die ihrer Leitideen mit bezug auf die Werte und Handlungskriterien innerhalb
der Mikroebene einer Gesellschaft anhand des Beispiels der Rentenreform stellvertretend für
den „Umbau des Sozialstaates“ in Deutschland anzuwenden. Dazu wird im ersten Teil eine
theoretische Konzeption von Institutionen im allgemeinen abrissartig dargestellt. Dann werde
ich die Notwendigkeit der Einführung der sogenannten Riester-Rente aus
makrosoziologischer und institutionenanalytischer Sicht erörtern und die Reform inhaltlich
vorstellen. Schließlich wird eine Auswertung erster Umfragedaten die Resonanz auf diese
Rentenreform aufzeigen. Im letzten Abschnitt soll der Versuch erfolgen theoretische
Überlegungen auf das vorher geschilderte empirische Beispiel der Rente anzuwenden. Der Begriff Sozialstruktur wird häufig verwendet. Die verschiedenen Präzisionsversuche
lassen meist mehrere Bereiche offen. So kann beispielsweise der Bezug der Teile mit dem
gesellschaftlichen Ganzen hervorgehoben werden. Oder es wird die Gesamtheit der relativ
dauerhaften Grundlagen und Wirkungszusammenhänge sozialer Beziehungen und sozialer
Gebilde wie Gruppen, Institutionen und Organisationen betont (Geißler 2002, 19). Friedrich
Fürstenberg sieht vor allem die Wirkungszusammenhänge der sozialen Kräfte als wichtig an.
„Der erkennbare, relativ kontinuierliche soziale Wirkungszusammenhang in einer
Gesellschaft ist ihre Sozialstruktur.“ (Fürstenberg 1966, 441). Vor diesem Hintergrund soll in
dieser Arbeit der Versuch erfolgen, die Frage zu beantworten welchen Zusammenhang die
institutionalisierte Rentenversicherung und das tatsächliche Handeln in der Bevölkerung
aufweisen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Zum Begriff der Sozialstruktur
3. Zum Begriff und zur Entstehung von Institutionen
4. Demographische und volkswirtschaftliche Problemlage
5. Die Riester – Rentenreform. Wandel einer institutionellen Leitidee
6. Resonanz in der Bevölkerung
7. Versuche der theoretischen Erörterung
8. Zusammenfassung
9. Literaturverzeichnis:
10. Verzeichnis der Abbildungen:
1. Einleitung
In dieser Arbeit will ich versuchen die theoretische Konzeption der Institutionenbildung und -wandlung und die ihrer Leitideen mit bezug auf die Werte und Handlungskriterien innerhalb der Mikroebene einer Gesellschaft anhand des Beispiels der Rentenreform stellvertretend für den „Umbau des Sozialstaates“ in Deutschland anzuwenden. Dazu wird im ersten Teil eine theoretische Konzeption von Institutionen im allgemeinen abrissartig dargestellt. Dann werde ich die Notwendigkeit der Einführung der sogenannten Riester-Rente aus makrosoziologischer und institutionenanalytischer Sicht erörtern und die Reform inhaltlich vorstellen. Schließlich wird eine Auswertung erster Umfragedaten die Resonanz auf diese Rentenreform aufzeigen. Im letzten Abschnitt soll der Versuch erfolgen theoretische Überlegungen auf das vorher geschilderte empirische Beispiel der Rente anzuwenden.
2. Zum Begriff der Sozialstruktur
Der Begriff Sozialstruktur wird häufig verwendet. Die verschiedenen Präzisionsversuche lassen meist mehrere Bereiche offen. So kann beispielsweise der Bezug der Teile mit dem gesellschaftlichen Ganzen hervorgehoben werden. Oder es wird die Gesamtheit der relativ dauerhaften Grundlagen und Wirkungszusammenhänge sozialer Beziehungen und sozialer Gebilde wie Gruppen, Institutionen und Organisationen betont (Geißler 2002, 19). Friedrich Fürstenberg sieht vor allem die Wirkungszusammenhänge der sozialen Kräfte als wichtig an. „Der erkennbare, relativ kontinuierliche soziale Wirkungszusammenhang in einer Gesellschaft ist ihre Sozialstruktur.“ (Fürstenberg 1966, 441). Vor diesem Hintergrund soll in dieser Arbeit der Versuch erfolgen, die Frage zu beantworten welchen Zusammenhang die institutionalisierte Rentenversicherung und das tatsächliche Handeln in der Bevölkerung aufweisen.
3. Zum Begriff und zur Entstehung von Institutionen
„Idealtypisch sollen als Institutionen solche Sozialregulationen bezeichnet werden, in denen Prinzipien und Geltungsansprüche einer Ordnung symbolisch zum Ausdruck gebracht werden. Institutionen sind somit Vermittlungsinstanzen kultureller Sinnproduktion, durch welche Wertungs- und Normierungsstilisierungen verbindlich gemacht werden.“ (Rehberg 1994, 56f.) So ist die Rentenversicherung als Institution zu verstehen.
Rainer Lepsius stellt ein Konzept von fünf Dimensionen auf, die den Eigenschaftsraum von Institutionen abgrenzen und zur Analyse der sozialen Prozesse, die Inhalt und Wirkung von Institutionen bestimmen, dienen sollen.
So ist die Ausbildung von Rationalitätskriterien für ihn die Ausbildung von Handlungsmaximen, an denen sich Handeln unmittelbar in den jeweiligen Situationen orientieren kann (Lepsius 1996, 58). So ist die Leitidee der Rentenversicherung die der Solidarität unter dem Prinzip der Leistungsgerechtigkeit. Das heisst, sich solidarisch gegenüber älteren Menschen zu verhalten, indem man Versicherungsbeiträge zahlt und gleichzeitig auf Solidarität im Alter zählen zu können, kann als konkrete Handlungsmaxime verstanden werden. Die Rentenversicherung vereint meiner Meinung nach diese augenscheinlich sich widersprechenden Begriffe, weil zwar die Einkommensungleichheit im Alter erhalten wird (je nach vorheriger Leistung), die Unterstützung im Alter überhaupt aber absolut abhängig ist von den existierenden Mitgliedern – im speziellen dem erwerbstätigen Teil der Bevölkerung.
Die Ausdifferenzierung von Geltungskontexten umfasst im Prozess der Institutionalisierung die Konkretisierung der Gültigkeit von Leitideen. Es handelt sich um den Grad, in dem der Geltungskontext aus anderen Handlungssituationen ausgegliedert wird. Ist die Orientierungskraft einer Leitidee in einer bestimmten Handlungssituation hoch, kann auch von einem hohen Grad an Institutionalisierung ausgegangen werden (Lepsius 1996, 59). Durch die gesetzliche Normierung der Solidarität in Form der Rentenversicherung wird auch der Geltungskontext erkennbar. Es handelt sich hierbei ausschliesslich um eine anonyme und rein finanzielle Solidarität, nicht aber um eine direkte Hilfe wie sie beispielsweise in sozialen Einrichtungen geleistet wird.
Des weiteren bedarf auch eine institutionalisierte Leitidee einer Sanktionsmacht, deren Art und Stärke ein Element des Institutionalisierungsprozesses ist. Da es sich bei der gesetzlichen Rente um eine Rechtsnorm handelt, ist auch die staatliche Sanktionierung gesichert. Nicht umsonst ist man ´pflichtversichert´.
Nachdem die Rationalitätskriterien ausgebildet worden sind, die Geltungskontexte klar und die Sanktionen institutionalisiert sind, kann die Leitidee eine hohe Verhaltensrelevanz beanspruchen. Damit einher geht die Homogenisierung der Handlungsorientierungen und die Verminderung der Diffusität des Handlungskontextes. Allerdings entstehen mit dieser Fokussierung der Handlungsorientierung beabsichtigte und unbeabsichtigte Folgewirkungen. Diese können zuweilen nicht in der Institution bearbeitet werden und müssen daher aus dem spezifischen Geltungskontext ausgeschlossen werden. Wenn diese Folgeprobleme nicht auf andere Institutionen übertragen werden können, werden sie in nichtinstitutionellen Verhaltensstrukturen aufgefangen. Diesen Prozess bezeichnet Lepsius als die Externalisierung von Kontingenzen (Lepsius 1996, 60). Bezogen auf das Beispiel der Rente bedeutet die Solidarität als Leitidee eine Zusatzbelastung der Unternehmen, die der Leitidee der Wirtschaftlichkeit folgen. Solidarität als solche erhebt nicht den Anspruch wirtschaftlich zu sein. Eine Folgewirkung der institutionellen Solidarität als Leitidee ist daher, dass sie die Arbeitslosigkeit forciert. Hier kommen andere Institutionen zum tragen, die wiederum die Unternehmen bei der Arbeitsplatzschaffung subventionieren. Doch auch auf der Arbeitnehmerseite muss die Solidarität nicht unumstritten akzeptiert werden. Es wäre durchaus möglich, dass eine sekundäre Ideologie innerhalb unserer Gesellschaft kursiert, die statt dem Prinzip der Solidarität dem der Subsidiarität folgt (Eine sekundäre Ideologie ist dadurch gekennzeichnet, dass sie von einer Minderheit getragen wird und nicht historisch, sondern aus Rationalitätsgründen entstanden ist. Vgl. hierzu Liebig/Wegener 1995, 265-293). Diese könnte sich einerseits in der freiwilligen Aufnahme einer privaten Altersvorsorge äussern, oder andererseits in der Verhaltensstrategie der schlichten Anpassung oder Duldung münden.
Da zwischen Institutionen häufig ein erhebliches Konfliktpotential besteht, das aus sich divergierenden Leitideen, oppositionierten Rationalitätskriterien und aus sich überschneidenden Geltungskontexten resultiert, gilt als letzte Analysedimension die Untersuchung der Vermittlungsstrukturen zwischen Institutionen. Lepsius empfiehlt hier die Unterscheidung der Begriffe ´Institution´ und ´Organisation´, da sich die Konflikte sowohl zwischen, als auch in Organisationen abspielen können. Entscheidend bei einem derartigen Konflikt ist dementsprechend die Durchsetzung der Handlungsmaxime (Lepsius 1996, 61). Das Beispiel der Rente betreffend liegt zumindest der wohl schwerwiegendste Konflikt klar auf der Hand. Nämlich der zwischen der Institution der Rentenversicherung mit der Leitidee Solidarität und der Institution des Marktes mit der Leitidee der Wirtschaftlichkeit. Beide Institutionen finden sich sowohl innerhalb gleicher Organisationen, stehen sich aber auch in unterschiedlichen Organisationen gegenüber. So muss der Staat als gewaltige Organisation beiden Leitideen gerecht werden. Das Wirtschafts- und Finanzministerien unterliegen der Wirtschaftlichkeitsidee, während alle die Sozialversicherungen betreffende Unterorganisationen und auch die Sozialämter der Kommunen der der Solidarität verpflichtet sind. Vermittelt wird häufig in Form von Ausschüssen und Kommissionen, die gebildet werden um gegebenenfalls akute Finanzierungsprobleme zu lösen.
Diese fünf Dimensionen bilden den sogenannten ´Eigenschaftsraum´ von Institutionen. „Die Institutionenstruktur im ganzen und die Art und Weise, wie die Konflikte zwischen den einzelnen Institutionen geregelt werden, bestimmen den Charakter einer Gesellschaft.“ (Lepsius 1996, 62). Es bestehen ständige Spannungen zwischen institutionalisierten Leitideen, so dass die relative Dominanz einzelner Institutionen gegenüber anderen für die Gesamtstruktur entscheidend ist.
Die Rentenversicherung die ihrerseits Teil des Sozialstaates ist, entstand als Institution neu, weil der Kapitalismus als Institution mit dem Ratinalitätskriterium der Rentabilität (Weber 1978, 4-12) die nicht beabsichtigten Folgewirkungen – nämlich die der Altersarmut – in neue Institutionen erfolgreich externalisierte. Dabei ist nicht das Rationalitätskriterium selbst abhanden gekommen. Im Zuge des Aufbaus eines Sozialstaates ist ausschliesslich der Geltungskontext des Kapitalismus beschränkt worden.
Institutionenbildung, Institutionenkonflikte und Institutionenneubildungen stellen die Dynamik gesellschaftlicher Entwicklung dar, wie das Beispiel der Rentenreform im Folgenden zeigen soll.
4. Demographische und volkswirtschaftliche Problemlage
Die umlagefinanzierte Rentenversicherung steht vor einer Reihe von makrosoziologischen Problemen. So soll hier vor allem auf die Folgen der Massenarbeitslosigkeit, der Überalterung der Gesellschaft und der Wiedervereinigung eingegangen werden, die eine Umstrukturierung allein aus wirtschaftlichen Gründen notwendig gemacht haben. Es soll versucht werden, die Ursachen dieser Probleme sozialstrukturell und institutionenanalytisch zu untersuchen.
Massenarbeitslosigkeit
Das Hauptproblem der Massenarbeitslosigkeit für die Rentenversicherung ist, dass durch die hohe Erwerbslosigkeit hohe Einnahmeausfälle gegenüber dem Zustand der Vollbeschäftigung für die Sozialversicherungen entstehen, da weniger Beiträge gezahlt werden. Auch diejenigen Sozialkassen, die nicht direkt Leistungen wegen Erwerbslosigkeit erbringen, sind hiervon betroffen, da mit der geringeren Anzahl der Beitragszahler die aktuelle Anzahl der Bezieher und Höhe der Bezüge von Rentenleistungen nicht sinkt. Daher müssen die dauerhaft geringeren Beitragseinnahmen der Rentenversicherung anderweitig ausgeglichen werden und führen bisweilen zu höheren Beiträgen für die Einzahler. Das dadurch entstehende Folgeproblem, die aufgrund zu hoher Kosten für den Faktor Arbeit geringere Motivation der Unternehmen, neue Arbeitsplätze in Deutschland zu schaffen bzw. bestehende zu erhalten, führt in einen Kreislauf, in dem steigende Beiträge und geringere Beschäftigung sich stetig fortgesetzt gegenseitig fördern. Die Massenarbeitslosigkeit ist somit auch eine schlecht externalisierte Folge der Institution des Sozialstaates überhaupt, da keine Institution es vermag diesen Kreislauf zu unterbrechen.
Mit der hohen Arbeitslosigkeit einher ging in den letzten Jahren und Jahrzehnten eine ständig steigende Anzahl an Frühverrentungen und die damit deutliche Vorverlegung des Renteneintrittsalters, so dass nicht nur arbeitslosigkeitsbedingte Einnahmeverluste, sondern zusätzlich auch noch Ausgabensteigerungen zu bewältigen sind (Bäcker/Bispinck/Hofemann/Naegele 2000). So liegt das Alter des durchschnittlichen Rentenbeginns in Deutschland bei 60,5 Jahren.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1
Probleme durch die Wiedervereinigung
Die Wiedervereinigung der beiden deutschen Teilstaaten BRD und DDR im Jahre 1990 für die Sozialversicherungen, insbesondere jedoch für die Rentenversicherung, sind ebenfalls beträchtlich, spielen jedoch für die Zukunft eine nur untergeordnete Rolle. Das eigentliche Problem dabei bestand darin, dass auch die Renten beziehenden Bürger der ehemaligen DDR im vereinigten Deutschland rentenberechtigt wurden, ohne jemals eigene Beiträge eingezahlt zu haben. Auf die Finanzierung dieser Lasten durch die Allgemeinheit wurde verzichtet: Allein die beitragszahlenden abhängig Beschäftigten mit niedrigem bis mittlerem Einkommen sind für die Zusatzbelastung aufgekommen. Etwaige Steuertransfers wurden nicht durchgeführt. So wurden die Versicherungsbeiträge erhöht, was wiederum negative Auswirkungen auf die Massenarbeitslosigkeit nach sich zog. Hier hat die Leitidee der Solidarität sich gegen andere durchgesetzt. Man hat es hier aber auch mit einem Strukturwandel insgesamt zu tun, denn die ehemalige Deutsche Demokratische Republik mit der Leitidee des Sozialismus hat die Kontingenzen nicht ausreichend externalisieren können und zudem die Autonomie der schon vorher zusammengefassten Institutionen derart beschränkt, dass eine Handlungsfähigkeit derselben nicht mehr im nötigen Masse möglich war. In wie weit die Institution des Sozialstaates oder im speziellen gar die der Rentenversicherung in ihren Folgewirkungen auf diesen komplexen Strukturwandel der DDR bis hin zur Selbstauflösung Einfluss hatte, bleibt im Bereich der Spekulation. Dennoch ist eine Rückwirkung in dem Sinne, dass die ´soziale Marktwirtschaft´ sich institutionell gegen den ´Kommunismus´ durchsetzte und sich somit auch selbst belastete, weil sie die neuen Rentenberechtigten auffangen musste, auch in diesem Zusammenhang nicht völlig auszuschliessen.
Probleme durch demographische Alterung
Ausgesprochen dramatischen Charakter hat für die Rentenversicherung die demographische Entwicklung Deutschlands. Bei Einführung der Rentenversicherung waren in Deutschland ca. 35% der Bevölkerung unter 15 Jahre, ca. 5% über 65 Jahre alt und ca. 60% im Erwerbsalter (Borchert 1993, 42).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2
Durch die stetig steigende Lebenserwartung, die sehr hohen Geburtenraten in Zeiten des Wirtschaftswunders gegenüber den mittlerweile sehr geringen Geburtenraten ergibt sich ein rentenpolitisch zunehmend ungünstiges Verhältnis von Mortalität zu Fertilität: Die Menschen sterben immer später, d.h. sie beziehen länger Rente, doch es stehen immer weniger Jüngere zur Verfügung, die die Rentenleistungen im Rahmen des Generationenvertrages als Erwerbspersonen erbringen können (Kaufmann, Franz-Xaver/Leisering, Lutz 1985, 128).
Die Gründe für den Geburtenrückgang in den industrialisierten Gesellschaften sind vielfältig und werden wie folgt zusammengefasst:
Hatten im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts Neugeborene die Aussicht durchschnittlich 37 Jahre alt zu werden, verdoppelte sich diese Chance bis Ende der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts. So betrug die Lebenserwartung im Jahr 1996 für Frauen 79, 3 Jahre bzw. 72, 5 Jahre für Männer (Der Spiegel: 37/ 1998). Die im Vergleich zu den Männern höhere Lebenserwartung von Frauen bedeutet für das Altern einer Gesellschaft, dass deren größere Zahl bei der Suche nach Lösungen unbedingt mitberücksichtigt werden muss. Die Zunahme der Lebenserwartung ist auf veränderte Muster der Sterblichkeit zurückzuführen und betrifft nicht alle Altersgruppen gleich (Siegmund 1993, 23): während der Rückgang der Sterblichkeit in der Vergangenheit eher zu einer Verjüngung der Bevölkerung geführt hat, wird er in Zukunft das Durchschnittsalter erhöhen. Die erhöhte Lebenserwartung hängt ursächlich mit der Einführung der Kranken- und Unfallversicherung zusammen. Diese sind ebenfalls Teil des sozialen Sicherungssystems und in ihrer Leitidee sogar aussliesslich auf Solidarität bedacht, da hier anders als bei der Rentenversicherung nicht die Leistungs-, sondern die Bedarfsgerechtigkeit gilt. Deshalb können auch hier die allgemeinen Annahmen zu sozialstaatlichen Institutionen gelten.
Die Kindersterblichkeit sank innerhalb des letzten Jahrhunderts um das Zehnfache ab. Der Nutzen von Kindern als Arbeitskräfte und Altersversicherung sinkt. Berufliche Anforderungen gewinnen an Bedeutung und parallel dazu steigen die Ausbildungskosten von Kindern (Siegmund 1993, 23f.). Hier zeigt sich das Paradoxon von Wohlfahrtsstaaten in seiner reinen Form. Eine – vermutlich unbeabsichtigte – Folge der Rentenversicherung ist, dass der Nutzen von Kindern sinkt, da im Gegensatz zu früheren Gesellschaften Kinder zwar immer noch Sicherheit im Alter bieten könnten, sie aber nicht mehr allein dafür zur Verantwortung gezogen werden müssen. Das heisst, die Rentenversicherung selbst ist ein Grund für das Ausbleiben der Kinder, die später selbst Beitragszahler werden sollten.
Daneben steigt die Fähigkeit zur Planung von Lebensläufen und lässt häufig den Kinderwunsch in den Hintergrund treten. Diese Fähigkeit wird ebenfalls in erheblichem Masse durch die sozialstaatliche Sicherung gewährleistet.
Erhöhte Lebenserwartung, niedrige Kindersterblichkeit, Planung im Lebensverlauf und gesunkene Fertilität sind somit allesamt Sachverhalte, die als unintendierte und schlecht externalisierte Folgewirkungen der Institution Rentenversicherung bzw. des sozialen Sicherungssystems an sich angesehen werden dürfen.
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- Arbeit zitieren
- Dipl.-Soz. Knut Petzold (Autor:in), 2003, Die Riester Rentenreform: Empirische Befunde und theoretische Annäherung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17778
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