Diese Arbeit befasst sich nicht direkt mit Aristoteles selbst, sondern mit der ersten Übersetzung seiner Schrift De Caelo in eine unserer heutigen, modernen Sprachen. Gegen Ende des Mittelalters, 1377 nämlich, wurde diese Schrift, die zu Deutsch „Über den Himmel“ heisst, vom Gelehrten Nicole Oresme (1323 – 1382) auf Auftrag des französischen Königs, Charles V., aus einer lateinischen Übersetzung des Willhelm von Moerbecke heraus ins damals gängige „François“ übertragen. Was dieses Werk für uns so spannend macht, ist, dass Oresme nicht nur eine einfache Übersetzung angefertigt hat, sondern Aristoteles auch gleich kommentierte, was seinem Buch eine zusätzliche Dimension verleiht, die uns einen tiefen Einblick in die wissenschaftlichen Gefilde des Mittelalters und des Genies Oresmes werfen lassen.
Offensichtlich ist zu diesem Zweck ein genauer Blick auch auf die genuinen Gedanken des Aristoteles’ notwendig, jedoch liegt das Hauptaugenmerk dieser Arbeit nicht auf ihm, sondern auf Nicole Oresme. Ich werde einerseits seine Methoden untersuchen, das Vorgehen, das er wählt um seinen imaginierten Lesern Aristoteles näher zu bringen und andererseits auch einige seiner Gedanken und seine Weltsicht aufzeigen, die sich im Livre du ciel et du monde, wie seine Übersetzung heisst, offenbaren. Um dem beschränkten Umfang dieser Arbeit gerecht zu werden, wird sich meine Untersuchung allerdings auf lediglich zwei Kapitel aus Aristotles’ Original beschränken (2. Buch, Kapitel 1&2). Ich denke aber, dass dies bei weitem genügt, um eine detaillierte Darstellung von Oresmes Schaffen zu geben. Das Ziel meiner Arbeit soll demzufolge sein, dem interessierten Leser den Einstieg in die Lektüre dieses Werkes Oresmes zu erleichtern.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung:
2. De Caelo – Das Original des Aristoteles
2.1 Das Göttliche im De Caelo
3. Die Form von Le livre du ciel et du monde
4. Die Themen und Absichten hinter Oresmes Kommentaren
5. Die Methoden in Oresmes Kommentaren:
5.1 Eigene Kapitelaufteilung
5.2 Verwendung und Erklärung von Fachbegriffen
5.3 Herleitung des historischen Kontextes der Schrift
5.4 Gedankenexperimente
5.5 Bezugnahme auf Averroes und Scot
5.6 Bezugnahme auf Heidnische Sagen
5.7 Bezugnahme auf die Bibel
5.8 Bezugnahme auf Theologen, Poeten und sich selbst
6. Fazit
7. Anhang
Traductions du <traité du ciel> d’Aristote
8. Bibliographie:
1. Einleitung:
Aristoteles, einer der grössten Philosophen der Antike, Schüler des Platon an dessen Schule der „Akademie“, lebte zwischen 384 bis 322 v.Chr.[1] und beeinflusste die Entwicklung der Wissenschaft wie nur wenige vor und nach ihm. Als ein Universalgelehrter schrieb er voluminöse Werke in verschiedensten Sparten der Philosophie. Von Logik, Psychologie, oder Politik, über Biologie bis hin zu Schriften über Physik und Metaphysik deckte er ein gewaltiges Wissensgebiet ab.[2]
Der Einfluss, den seine Werke nicht nur auf seine eigene Zeit, sondern den ganzen westlichen Teil des eurasischen Kontinentes hatten, lässt sich daran ermessen, wie oft sie in verschiedenen Kulturkreisen, Sprachen und Zeiten rezipiert und wissenschaftlich weiterverwendet wurden.[3] Der Liebe zum Werk des Aristoteles’ von verschiedenen Männern der Geschichte, verdanken wir ihren Erhalt bis heute. So hat Andronicus von Rodos im ersten Jahrhundert vor Christus die Schriften von Aristoteles gesammelt und gruppiert[4]. Diese altgriechischen Werke wurden dann nicht nur überliefert und von Staatsmännern und Philosophen wie Cicero gelesen, sondern essenziell auch in andere Sprachen übersetzt. Einerseits wurden sie von den Osmanischen Gelehrten ins Arabische übertragen und andererseits von westlichen Denkern vor allem auf Lateinisch übersetzt und studiert.
Diese Arbeit befasst sich nicht direkt mit Aristoteles selbst, sondern mit der ersten Übersetzung seiner Schrift De Caelo in eine unserer heutigen, modernen Sprachen. Gegen Ende des Mittelalters, 1377 nämlich, wurde diese Schrift, die zu Deutsch „Über den Himmel“ heisst, vom Gelehrten Nicole Oresme (1323 – 1382) auf Auftrag des französischen Königs, Charles V., aus einer lateinischen Übersetzung des Willhelm von Moerbecke heraus ins damals gängige „François“ übertragen.[5] Was dieses Werk für uns so spannend macht, ist, dass Oresme nicht nur eine einfache Übersetzung angefertigt hat, sondern Aristoteles auch gleich kommentierte, was seinem Buch eine zusätzliche Dimension verleiht, die uns einen tiefen Einblick in die wissenschaftlichen Gefilde des Mittelalters und des Genies Oresmes werfen lassen.
Offensichtlich ist zu diesem Zweck ein genauer Blick auch auf die genuinen Gedanken des Aristoteles’ notwendig, jedoch liegt das Hauptaugenmerk dieser Arbeit nicht auf ihm, sondern auf Nicole Oresme. Ich werde einerseits seine Methoden untersuchen, das Vorgehen, das er wählt um seinen imaginierten Lesern Aristoteles näher zu bringen und andererseits auch einige seiner Gedanken und seine Weltsicht aufzeigen, die sich im Livre du ciel et du monde, wie seine Übersetzung heisst, offenbaren. Um dem beschränkten Umfang dieser Arbeit gerecht zu werden, wird sich meine Untersuchung allerdings auf lediglich zwei Kapitel aus Aristotles’ Original beschränken (2. Buch, Kapitel 1&2). Ich denke aber, dass dies bei weitem genügt, um eine detaillierte Darstellung von Oresmes Schaffen zu geben. Das Ziel meiner Arbeit soll demzufolge sein, dem interessierten Leser den Einstieg in die Lektüre dieses Werkes Oresmes zu erleichtern.
2. De Caelo – Das Original des Aristoteles
Aristoteles Schrift De Caelo heisst zu Deutsch „über die Himmel“ und ist eine Kosmologie.[6] Das ist eine Schrift, die sich mit der Funktionsweise des Kosmos befasst. Im Gegensatz zu vielen Philosophen vor ihm stellt Aristoteles seinem kosmologischen Werk keine Kosmogonie voran, das heisst, er beschreibt vor seiner Erklärung des Universums nicht wie dieses entstanden ist. Ganz im Gegenteil verwendet Aristoteles viel Zeit darauf zu beweisen, dass das Universum temporal weder Anfang noch Ende hat, sondern ein räumlich finites, aber zeitlich unendliches Gebilde ist, das schon immer existiert hat und auch nicht vergehen kann.
Der Titel der Schrift rührt von der Art und Weise, wie Aristoteles das Universum versteht. „Die Himmel“ sind für ihn die verschiedenen Kreisbahnen in denen die Himmelskörper um die Erde, den Mittelpunkt des Universums, ziehen. Der äusserste, oder erste Himmel, ist derjenige der Fixsterne, die direkt mit dem „Äther“ in Berührung sind, welcher das Element des Himmels ist, im Gegensatz zu den vier irdischen Elementen, Erde, Wasser, Luft und Feuer. Nach dem ersten „Himmel" gibt es noch viele weitere davon. Sich von einander unabhängig bewegende Planeten wie Venus oder Mars teilt Aristoteles einen eigenen Himmel zu und auch Sonne und Mond haben je einen eigenen. Der Himmel des Mondes ist der letzte, der auch gleich die Grenze von der „sublunaren“ („unter-mondischen“) zur „supralunaren“ („über-mondischen“) Welt abgrenzt. Das Wort „Himmel“, so erklärt Aristoteles selbst, hat also drei Bedeutungen.[7]
1. Äusserste Sphäre der Fixsterne
2. Die Sphären der Sterne, Sonne und Mond
3. Das ganze System des Kosmos, inklusive Erde.
Auch den Begriff „Welt“ versteht Aristoteles ganz allgemein als das was wir heute als „Universum“ bezeichnen. Die Elemente der sublunaren Welt unterscheiden sich von denen der supralunaren nicht nur in ihrer Anzahl, sondern auch in ihren Eigenschaften.
2.1 Das Göttliche im De Caelo
Was die 5 Elemente angeht, so vollziehen die irdischen vier von Natur aus nur geradlinige Bewegungen. Entweder aufwärts, weg vom Zentrum der Welt, oder abwärts, hin zum Mittelpunkt der Welt (welcher der Mittelpunkt der runden Erde ist). Die natürliche Bewegung des Äthers allerdings ist die des Kreises; unendlich und in sich geschlossen. Das bedeutet, dass die irdischen Elemente Veränderung, Entstehung und Vergehen unterworfen sind. Der Äther aber ist in seiner Art und Weise unvergänglich und hat dadurch teil am Göttlichen. Das bedeutet, dass je weiter sich etwas vom Zentrum der Welt befindet, desto göttlicher wird es, weil es sich näher am Äther befindet.[8]
Das göttliche ist bei Aristoteles immer mit dem Gedanken der Nobilität verbunden. Rechts ist nobler als links, oben nobler und göttlicher als unten, und die weit entfernten Himmel sind nobler als die nahen. Gott selbst aber spielt nur eine marginale Rolle. Aristoteles versucht die Himmel und ihre Bewegungen viel mehr mechanisch, verschiedenen Naturgesetzten gehorchend zu erklären. Das Prinzip der Nobilität des Göttlichen ist dabei nur einer dieser Faktoren. Das Göttliche hat vor allem als Prinzip der Bewegung seinen Platz bei Aristoteles. So sind zum Beispiel die Himmelskörper selbst göttlich, weil sie Seelen besitzen, die für ihre Bewegung am Himmel verantwortlich sind.[9] Das ist eine Theorie die Aristoteles von seinem Lehrer Platon übernommen hat und laut Guthrie auch nie angezweifelt habe.[10] In dieser Unterscheidung zwischen „irdischem“ und „himmlischem“ sieht Pellegrin also noch eine vierte mögliche Bedeutung des Wortes „Himmels“, nämlich „Sitz des Göttlichen“.[11]
Eine historisch besondere Wichtigkeit für das De Caelo kommt Platons Dialog Timaios zu. Laut Leggatt ist der Timaios, diese Kosmologie Platons, gar so wichtig für Aristoteles, dass De Caelo als seine „Antwort“ darauf betrachtet werden muss.[12] Das ist eine wichtige Beobachtung, denn De Caelo ist nicht ein Werk, das geschichtsphilosophisch ohne Vorfahren dasteht, es ist viel mehr eine wissenschaftliche Abhandlung in langer Tradition, das selbst aus früheren Ansichten schöpft und Oresme in seinen Kommentaren zur Darlegung eigener kosmologischer Thesen verhilft. Leggatt schreibt dazu: „(...); indeed, Oresme’s commentary offered him the opportunity to make contributions to the scientific theories of the day.“[13] Die Wichtigkeit der historischen Perspektive des De Caelo für Oresme wird im fünften Kapitel näher erläutert.
3. Die Form von Le livre du ciel et du monde
Die erste, bestechende Eigentümlichkeit der Oresme’schen Übersetzung von Aristoteles’ Werk, ist, dass sie nicht wie moderne Übersetzungen ihren Originaltext fliessend wiedergibt. Ganz im Gegenteil, die Übersetzung wird nach zwei oder drei Sätzen immer wieder von einem Einschub unterbrochen. Diese Einschübe sind Oresmes Erläuterungen, die sich „Glose“ nennen, im Gegensatz zu Aristoteles Originaltext, welcher in der Übersetzung als „Tiext“ markiert ist.[14]
Es stellt sich also die Frage, weshalb denn Oresme eine solche Übersetzung mit eingeschobenen Kommentaren verfasst hat und nicht eine simple Übersetzung, mit lediglich den Worten Aristoteles’ in französischer Sprache schrieb, wie wir dies heute von einer Übersetzung erwarten würden. Denn die Einschübe Oresmes zerstören nicht nur den Fluss der Leserlichkeit des Originaltextes, sie bringen teilweise auch dem Originaltext gänzlich fremde Themenbereiche hinzu.
Die Antwort auf diese Frage findet sich, wenn man den Auftrag für diese Übersetzung kennt. Oresme fertigte sie nämlich nicht für den akademischen Kreis von anderen Wissenschaftlern an, diese sprachen zur Zeit Oresmes sowieso alle Lateinisch um ihre Studien zu betreiben. Nein, es ist der Tatsache zuzuschreiben, dass die Übersetzung ins ordinäre Französisch für interessierte Laien gefertigt wurde, dass sie so viele Ergänzungen und Erklärungen enthält. Oresmes Auftraggeber war König Charles V., der ein grosser Liebhaber von Philosophie und Literatur war und Werke von grossen Denkern in seiner Sprache genoss. Darüber hinaus liess er diese Übersetzung auch für persönliche Freunde anfertigen und für den Adel, dessen Bildungsstand er sich so zu heben verhoffte.[15] Für Laienleser aber, so war sich Oresme bewusst, sind die Texte Aristoteles’ nur schwer verständlich und benötigen Erklärungen. Die zahlreichen Kommentare sollten also das Verständnis des Textes für den Laienleser, der weder über ausgeprägte Lateinkenntnisse noch über ein breites akademisches Wissen verfügt, vereinfachen.[16]
[...]
[1] Vgl. SHIELDS., C., Aristotle, in: The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Winter 2008 Edition), Edward N. Zalta(ed.), URL = <http://plato.stanford.edu/archives/win2008/entries/aristotle/>.
[2] Vgl. LEGGATT., S., „Introduction“, in: On The Heavens I & II, Warminster 1995, S. 5.
[3] Vgl. LEGGATT., op. cit. S. 38.
[4] Zum Teil machte der diese Einteilung nach eigenem Gutdünken. Vgl. PELLEGRIN., P., „Introduction“, in: Traité du ciel, Manchecourt 2004, S. 9.
[5] Vgl. MENUT, D. A., und DENOMY, J. A., „Introduction“, in: Maistre Nicole Oresme, Le livre du ciel et du monde, Text and Commentary, New York, 1968, S. 254.
[6] Pellegrin ist der Auffassung, dass es zu weit ginge De Caelo eine Kosmologie zu nennen, weil sie nicht die verschiedenen Teile der des Universums und ihre Fakultäten behandelt. Leggatt hat mit einer solchen Bezeichnung aber keine Probleme und nennt De Caelo auch häufig eine Kosmologie. Vgl. PELLEGRIN., op. cit., S. 22. und LEGGATT., op. cit., S. 37.
[7] Vgl. GUTHRIE., W. K. C. „Introduction“, in: Aristotle, in twenty-three volumes, IV, on the heavens, London, 1939, S. 9.
[8] GUTHRIE., op. cit. S. 12.
[9] Laut Guthrie ist De Caelo eine Schrift Aristoteles, in der er zwar schon zur Einsicht gelangt war, dass Bewegung natürlichen Ursprungs sein muss aber er noch nicht den Gedanken des unbewegten Bewegers ausgearbeitet hatte. Deshalb sei seine Theorie der Bewegung der Himmelskörper noch auf Seelen in den Körpern angewiesen. Vgl. GUTHRIE, op. cit., S. 36.
[10] GUTHRIE., op. cit. S. 34.
[11] PELLEGIRN, op. cit., S. 10.
[12] LEGGATT, op. cit. S. 18.
[13] ibid. S. 38.
[14] Für eine einfachere und bessere Leserlichkeit, werde ich von hier an die Wörter „Tiext“ und „Glose“ eingedeutscht, konjugierbar und ohne Anführungszeichen verwenden.
[15] MENUT, D. A., und DENOMY, J. A., op. cit., S. 239.
[16] ibid., S. 255.
- Quote paper
- Pascal Lottaz (Author), 2009, Aristoteles bei Nicole Oresme, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/177450
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