Im Jahr 1936 begann in der Sowjetunion eine Periode um sich greifender Gewalt, die alle Schichten der Bevölkerung erfasste und vor der, mit Ausnahme von Josef Stalin selbst, niemand sicher war. Eine konkrete innere- oder äußere Bedrohung lag zu diesem Zeitpunkt nicht vor und dennoch forderte dieser ‚große Terror’, den Stalins Geheimpolizei durchführte, hunderttausende Menschenleben1 . Auch wenn es in der Sowjetunion seit 1917 immer wieder ‚Säuberungen’ und Verfolgung gegeben hatte, u. a. noch 1934 unter Genrich Jagoda, zeichnete sich der Terror nach 1936 besonders dadurch aus, dass noch nicht einmal die ihn ausführenden staatlichen Organe und Parteifunktionäre sicher waren. Die Zahl der Verhaftungen stieg gegenüber der Zeit Jagodas um das Fünffache, die Zahl der Hinrichtungen sogar um den Faktor 3002. Der sowjetische Staat ‚zerfleischte’ sich regelrecht selbst. Für diese Phase des Terrors wurde eigens ein neuer Mann an die Spitze des NKVD gesetzt: Nikolai Ivanowitsch Jeschow. Unter ihm erreichten die Verfolgungen in der Geschichte der Sowjetunion ihren blutigen Höhepunkt. Prinzipiell war jeder verdächtig, wurde jeder überwacht und konnte jeder zu jedem Zeitpunkt verhaftet werden. Hierbei handelte es sich allerdings nicht um eine Phase gänzlich willkürlicher Gewalt. Der Terror unterlag nahezu lückenlos der Kontrolle Stalins und seines ausführenden Offiziers Jeschow. In dieser Arbeit wird untersucht wie der große Terror zwischen 1936 und 1938 unter Nikolai Iwanowitsch Jeschow organisiert war und durch welche Besonderheiten er sich auszeichnete. Direkt hiermit verbunden ist die Frage welche Ziele durch die Repressionen erreicht werden sollten. Um die Fragestellung bezüglich der Organisation der Säuberungen angemessen beantworten zu können muss sowohl die Ausgangslage bei der Übernahme des NKVD durch Jeschow als auch die Zielsetzung des großen Terrors betrachtet werden.
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1 Koenen, G., Utopie der Säuberung, Was war der Kommunismus?, Berlin 1998. S. 216.
2 McLoughlin, B., Vernichtung des Fremden: Der Große Terror in der UdSSR 1937/38, in: Weber, H. u. a.
(Hrsg.), Verbrechen im Namen der Idee, Terror im Kommunismus 1936-1938, Berlin 2007, S. 84.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Historischer Überblick – Die Situation der Jahre 1934-1936
- Die Partei in der ersten Hälfte der dreißiger Jahre
- Der Beginn der Säuberungen unter Jagoda
- Die Geburtsstunde des Terrors - der Fall Kirow
- Ursachen und Funktionen des stalinistischen Terrors
- Ideologie und Abweichler
- Zentralismus und Kontrolle
- Die sowjetische Nation
- Die Organisation des Terrors
- Die Initiatoren des Terrors - Stalin und Jeschow
- Das Werkzeug - das NKVD
- Justicia vor Ort - die Troika
- Bespitzelung und allgemeine Verdächtigkeit
- Schauprozesse - Demonstrationen der Notwendigkeit
- Methodik der Vernichtung
- Verhaftung und Sippenhaft
- Verhör und Folter
- Lebende Tote - Arbeit im Gulag
- Tod durch Exekution
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Organisation des großen Terrors in der Sowjetunion zwischen 1936 und 1938 unter Nikolai Iwanowitsch Jeschow. Dabei werden die spezifischen Merkmale des Terrors sowie die dahinter stehenden Ziele beleuchtet. Die Arbeit analysiert, wie der Terror organisiert war und welche Ziele durch die Repressionen erreicht werden sollten.
- Organisation des großen Terrors unter Nikolai Iwanowitsch Jeschow
- Spezifische Merkmale des Terrors
- Ziele der Repressionen
- Ausgangslage bei der Übernahme des NKVD durch Jeschow
- Zielsetzung des großen Terrors
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel behandelt die Situation der Partei in der ersten Hälfte der dreißiger Jahre, den Beginn und die Ausmaße der ersten Säuberungsaktionen unter Jagoda sowie deren Folgen. Das zweite Kapitel untersucht zentrale Zielsetzungen des großen Terrors. Das dritte Kapitel geht auf die Instrumente der Verfolgung und deren Administration ein, beginnend beim Generalsekretär der Partei, Josef Stalin, bis hin zum NKVD, den Tribunalen und dem flächendeckenden Überwachungsnetz. Die Schauprozesse werden aufgrund ihrer Bedeutung für den großen Terror separat betrachtet. Das vierte und letzte Kapitel analysiert die Praxis der Verhaftungen, Verhöre, Deportationen und Exekutionen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit dem stalinistischen Terror, der Organisation des NKVD unter Jeschow, den Zielen und Methoden der Repressionen, den Schauprozessen und dem Leben im Gulag. Wichtige Themen sind die Kontrolle und Überwachung der Bevölkerung, die Verfolgung von Abweichlern und die Ideologie des stalinistischen Systems.
- Quote paper
- Marcus Kaiser (Author), 2008, Der große Terror - Organisation und Zielsetzung der Repressionen in der Sowjetunion zwischen 1936 und 1938, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/176683