Die Frage nach den Geschlechterunterschieden ist genauso alt wie aktuell. Obwohl sich bereits Generationen von Philosophen und Wissenschaftlern mit der Verschiedenheit von Männern und Frauen beschäftigt haben, gibt es immer noch keine einheitliche Antwort auf die Frage, ob diese Differenzen tatsächlich existieren, oder ob sie nicht eine Illusion darstellen und lediglich durch die Sozialisation in unserer Gesellschaft aufrechterhalten werden.
Dabei scheinen Anhänger des Sozialkonstruktivismus vordergründig politische Interessen zu verfolgen. Sie glauben, ihr Ziel nur erreichen zu können, indem sie
naturgegebene Unterschiede zwischen Männern und Frauen größtenteils negieren und auf rein gesellschaftliche Ursachen zurückführen. Auf der anderen Seite postulieren Evolutionspsychologen, dass sehr wohl biologische Differenzen bestehen. Diese angeborenen geschlechtsspezifischen Unterschiede dürften indes nicht zu dem naturalistischen Fehlschluss (Moore, 1903) führen, dass alles Natürliche auch als gut, richtig und unabänderlich betrachtet werden sollte.
Um eine Antwort auf die Frage nach den Ursachen der wahrgenommenen Geschlechterunterschiede im Hinblick auf kooperatives Verhalten finden zu können, beschäftigt sich die Arbeit mit den grundlegenden Annahmen der Evolutionstheorie. So wird geklärt, warum es evolutionspsychologisch durchaus adaptiv sein kann, dass Männer und Frauen unterschiedliche soziale Verhaltensweisen entwickelt haben, obwohl sie sich im Großen und Ganzen mit ähnlichen Problemen im Kampf ums Überleben auseinandersetzen mussten. Außerdem ist zu klären, wie kooperatives Verhalten in einer Welt entstehen konnte, in der es zunächst am sinnvollsten erscheint, egoistisch zu handeln, um das eigene Überleben zu sichern.
Auf der anderen Seite bietet die Sozialisation ein alternatives Erklärungsmodell, wie es durch das Erlernen sozialer Rollen und Identitäten zu den unterschiedlichen Verhaltensweisen von Männern und Frauen kommen kann, ohne dass hierfür biologische Unterschiede verantwortlich sind.
Es wird sich zeigen, dass die scheinbar einfache Frage, ob eines der beiden Geschlechter im Durchschnitt kooperativer ist als das andere, nur schwer zu beantworten ist. Deshalb werden in dieser Arbeit Studien mit verschiedenen Motivations- und Sozialstrukturen vorgestellt. Sie sollen Aufschluss darüber geben, ob die Evolutionspsychologie oder der Sozialkonstruktivismus die gefundenen Geschlechterunterschiede besser erklären kann.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Evolutionspsychologischer Ansatz
2.1 Grundlagen der Evolutionstheorie
2.2 Wie konnten unterschiedliche Verhaltensweisen zwischen den Geschlechtern evolvieren?
2.2.1 Elterliche Investitionen
2.2.2 Partnerwahlstrategien von Männern und Frauen
2.3 Evolution der Kooperation
2.3.1 Reziprozität und Unterstützung von Verwandten
2.3.1 Altruismus als Costly Signal
2.4 Evolutionspsychologische Vorhersagen für geschlechtsspezifische Unterschiede im kooperativen Verhalten
3. Sozialkonstruktivistischer Ansatz
3.1 Grundlagen des Sozialkonstruktivismus
3.2 Sozialisation der Geschlechterunterschiede
3.2.1 Soziale Rollen
3.2.2 Soziale Identitäten
3.3 Sozialisation der Kooperation
3.3.1 Helden und Gentlemen
3.3.2 Fürsorgliche Mütter und selbstlose Freundinnen
3.4 Vorhersagen der Theorie der sozialen Rollen für geschlechtsspezifische Unterschiede im kooperativen Verhalten
4. Empirische Studien
4.1 Motivationsstruktur
4.1.1 Furcht vor der Ausbeutung
4.1.2 Streben nach dem eigenen Vorteil
4.2 Soziale Struktur
4.2.1 Kooperation in Gruppen und interpersonale Kooperation
4.2.2 Geschlechterzusammensetzung der Gruppe und Beobachtereffekt
4.3 Biologische Studien
5. Ergebnisse
6. Fazit und Perspektiven
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