Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Wahrnehmung und Bewältigung von Ängsten in Novellen der frühen Moderne.
Die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und lebensweltlichen Umwälzungen, die mit dem Eintritt in das Industriezeitalter einhergingen, bewirkten auch eine neue Wahrnehmung der eigenen Person. Die Auflösung tradierter Gesellschaftsstrukturen, Rollenzuweisungen und der damit verbundene Verlust äußerer Kategorisierungsmöglichkeiten von Identität, bewirkte eine Relevanzverschiebung zugunsten innerer, persönlichkeitsstiftender Merkmale. Identität konnte nicht mehr über äußere Kategorisierungen hergestellt, sondern musste aus dem Inneren heraus entwickelt werden. Die, durch die veränderten äußerlichen Umstände bedingte, Haltlosigkeit bildet die Grundlage für die Identitätskrisen, wie sie in der Literatur der frühen Moderne dargestellt werden. Kennzeichnend für die literarische Moderne ist somit die Abnahme der Relevanz objektiver Realität zugunsten der subjektiven Realität, deren Ausdruck unter anderem eine Psychologisierung von Wirklichkeitserfahrungen, die Wiedergabe subjektiver Wahrnehmungs- und Bewusstseinsvorgänge und damit auch ein Zurücktreten vermittelnder Erzählinstanzen sind.
Innerhalb dieser Arbeit wird dargestellt, wie Figuren mit Ängsten umgehen, die sowohl aus dieser Identitätskrise resultieren als auch dieselbe bedingen, sowie ob und auf welche Weise die Figuren in der Lage sind, diese Ängste wahrzunehmen.
Des Weiteren wird untersucht, ob sich bestimmte Vorraussetzungen feststellen lassen, unter denen die Figuren in der Lage sind, ihre Ängste zu überwinden und welche Folgen das Scheitern von Angstbewältigung für die Figuren hat.
Die Kategorisierung und Identifizierung der erlebten Ängste erfolgt unter Zuhilfenahme der Theorien Sigmund Freuds, der die psychologische Wissenschaft mit der Entwicklung der Psychoanalyse revolutionierte und somit dazu beitrug, die inneren Vorgänge des Menschen in den Fokus des Interesses zu rücken. Dies ist für die vorliegende Arbeit insofern relevant, als dass es „[u]nter den Dichtern dieses Jahrhunderts […] kaum einen [gibt], der sich nicht mit der Psychoanalyse auseinandergesetzt hat.“1 Die psychoanalytische Theorie wird innerhalb der vorliegenden Arbeit ebenfalls kurz dargestellt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Furcht und Angst
- Identität und Moderne
- Fokussierung auf psychische Vorgänge
- Die psychoanalytische Methode S. Freuds
- Ich, Es und Über-Ich
- Neurosen
- Die Angstneurose
- Sigmund Freud und die Dichter
- Grundängste und literarische Beispiele
- Die Angst vor Selbsthingabe und Ich-Verlust
- A. Schnitzler: Flucht in die Finsternis
- S. Zweig: Buchmendel
- F. Kafka: Das Urteil
- Die Angst vor Selbstwerdung und Isolation
- T. Storm: Schweigen
- S. Zweig: Angst
- A. Schnitzler: Fräulein Else
- Die Angst vor Wandlung und Vergänglichkeit
- S. Zweig: Buchmendel
- A. Schnitzler: Ich
- Die Angst vor Notwendigkeit und Unfreiheit
- S. Zweig: Der Amokläufer
- Die Angst vor Selbsthingabe und Ich-Verlust
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die Wahrnehmung und Bewältigung von Ängsten in Novellen der frühen Moderne. Der Fokus liegt auf den Auswirkungen der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbrüche des Industriezeitalters auf die Identität des Individuums und wie sich diese in literarischen Figuren niederschlägt. Die Arbeit untersucht, wie die Figuren mit Ängsten umgehen, die aus dieser Identitätskrise resultieren oder diese sogar bedingen.
- Die Bedeutung der Identitätskrise in der frühen Moderne
- Die Rolle der Angst in der Literatur der frühen Moderne
- Die psychoanalytische Methode Sigmund Freuds und ihre Anwendung auf literarische Figuren
- Die verschiedenen Arten von Ängsten, die in den Novellen dargestellt werden
- Die Möglichkeiten und Grenzen der Angstbewältigung in den Figuren
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung präsentiert den Gegenstand der Arbeit und stellt die Relevanz der Untersuchung von Angst in der Literatur der frühen Moderne dar. Kapitel 2 definiert die Begriffe "Furcht" und "Angst" und unterscheidet diese voneinander. Kapitel 3 beleuchtet die Verbindung zwischen Identität und Moderne und beschreibt die Auswirkungen der gesellschaftlichen Veränderungen auf das Selbstverständnis des Individuums. Kapitel 4 befasst sich mit der Psychoanalyse Sigmund Freuds und ihrer Bedeutung für die literarische Moderne. Hier wird die psychoanalytische Methode, das Konzept von "Ich", "Es" und "Über-Ich" sowie der Begriff der "Neurose" und insbesondere der "Angstneurose" erörtert.
Das fünfte Kapitel widmet sich der Analyse von verschiedenen Grundängsten und ihren literarischen Beispielen. Hier werden unter anderem Novellen von Arthur Schnitzler, Stefan Zweig und Franz Kafka beleuchtet, die sich mit der Angst vor Selbsthingabe und Ich-Verlust, der Angst vor Selbstwerdung und Isolation sowie der Angst vor Wandlung und Vergänglichkeit auseinandersetzen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Themen Angstwahrnehmung, Angstbewältigung, Identität, Moderne, Psychoanalyse, Sigmund Freud, Novelle, Frühe Moderne, Literaturanalyse. Die Arbeit beschäftigt sich mit den literarischen Beispielen von Arthur Schnitzler, Stefan Zweig, Franz Kafka und Theodor Storm.
- Quote paper
- Janina Kieckbusch (Author), 2010, Angstwahrnehmung und Angstbewältigung in Novellen der frühen Moderne, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/176533