„Arbeit gibt uns mehr als den Lebensunterhalt: sie gibt uns das Leben.“
1
Henry Ford
Bereits in diesem Zitat von Ford erkennt man die Relevanz der Thematik „Funktionen der Arbeit“. Arbeit hat den Menschen schon immer beschäftigt. Doch gibt die Arbeit uns wirklich mehr als den Lebensunterhalt und wenn dem so ist, was sind die Aspekte, die durch die Arbeit generiert werden? Braucht der Mensch die
Arbeit, um zu leben, wie Ford sagt, oder ist die Arbeit eher ein lästiges, aber notwendiges Übel?
Um diese Fragen beantworten zu können, werde ich mich im Folgenden mit der Sicht der wohl bekanntesten Soziologin auf diesem Gebiet, Marie Jahoda, und ihrer Auffassung über die Funktionen der Erwerbsarbeit kritisch auseinandersetzen.
Auch wenn ihre Untersuchungen auf den Daten der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts basieren, haben ihre Erkenntnisse bis zur heutigen Zeit an Aktualität nichts eingebüßt, was man anhand der Auseinandersetzung mit der Thematik verschiedener Soziologen erkennen kann. Ihre Studie bildet das Fundament für die Analyse der Funktionen von Arbeit und man findet keine Literatur im Rahmen dieser Thematik, in der Jahoda nicht herangezogen wird. Zwar gibt es Kritikansätze, allerdings hat niemand die Funktionen Jahodas vollständig negiert und gänzlich neue Funktionen aufgestellt.
Als Grundlage für diese Auseinandersetzung mit den Funktionen von Arbeit bedarf es einer Definition der Arbeit und der Unterscheidung zwischen Arbeit und Erwerbsarbeit. Im Rahmen dieser Arbeit liegt der Fokus auf dem Aspekt der Erwerbsarbeit. Die Auseinandersetzung mit der Erwerbslosigkeit dient dazu, Rückschlüsse auf die Funktionen der Erwerbstätigkeit zu ziehen, indem ich mich mit
den Auswirkungen, die es hat, wenn keine Erwerbsarbeit vorhanden ist, beschäftige. In diesem Zusammenhang wird es auch Aufgabe sein, Alternativen zur Erwerbsarbeit zu prüfen und zu untersuchen, ob diese die zuvor ermittelten Funktionen der Erwerbsarbeit ersetzen können.
Inhaltsverzeichnis
I. EINLEITUNG
I.1 EINLEITUNG
I.2 DEFINITION: ARBEIT UND ERWERBSTÄTIGKEIT
II. KRITISCHE AUSEINANDERSETZUNG MIT DEN LATENTEN UND MANIFESTEN FUNKTIONEN DER ARBEIT NACH JAHODA
II.1 AUSWIRKUNGEN DER ERWERBSARBEIT AUF DAS ZEITERLEBNIS DER MENSCHEN
II.2 ERWEITERUNG DES SOZIALEN HORIZONTS
II.3 EFFEKTIVITÄT IM KOLLEKTIV
II.4 SOZIALE IDENTITÄT: DER PLATZ IN DER GESELLSCHAFT
II.4.1 Determinanten des Erfolgs und der Anerkennung
II.4.2 Status, Prestige und die informellen Regeln der Gesellschaft
II.4.3 Beeinflussung der sozialen Beziehungen
II.4.4 Kategorisierung der Individuen und die Einordnung in die Gesellschaft
II.4.5 Erwerbsarbeit zwischen der Quelle des Selbstwertgefühls und bösem Übel?
II.4.6 Identifikation mit der Arbeit und Kontrolleüber das eigene Leben
Exkurs: Erwerbsarbeit als Selbstzweck
II.5 DIE BINDUNG AN DIE SOZIALE REALITÄT
II.5.1 Erwerbsarbeit: Entwicklung oder Unterdrückung der eigenen Fähigkeiten
II.5.2 Der gesellschaftliche Nutzen
II.6 BEURTEILUNG: MÖGLICHKEITEN UND GRENZEN DES JAHODA’SCHEN ANSATZES
III. FUNKTIONEN DER ARBEIT AUS DER PERSPEKTIVE DER ARBEITSLOSIGKEIT
III.1 EINLEITUNG
III.2 RÜCKSCHLÜSSE AUF JAHODAS FUNKTIONEN DER ERWERBSARBEIT ANHAND DER AUSWIRKUNGEN VON ERWERBSLOSIGKEIT
III.2.1 Zeitstruktur
III.2.2 Selbstwertgefühl
III.2.3 Soziale Kontakte
III.3 DER EINFLUSS DER GESELLSCHAFTLICH ERWARTETEN ERWERBSBIOGRAPHIE AUF DAS LEBEN DES MENSCHEN
III.4 DAS BILD DES ERWERBSLOSEN IN DER GESELLSCHAFT - EIN „SOZIALER SCHMAROTZER“?
III.5 ALTERNATIVEN ZUR ERWERBSARBEIT
III.5.1 Bereiche der Schattenwirtschaft: Darstellung und Statistik
III.5.2 Schwarzarbeit - ein Ausweg?
III.6 FAZIT
IV. SCHLUSSBETRACHTUNG
V. QUELLEN
VI. ANHANG
I. Einleitung
I.1 Einleitung
„ Arbeit gibt uns mehr als den Lebensunterhalt: sie gibt uns das Leben. “1
Henry Ford
Bereits in diesem Zitat von Ford erkennt man die Relevanz der Thematik „Funk- tionen der Arbeit“. Arbeit hat den Menschen schon immer beschäftigt. Doch gibt die Arbeit uns wirklich mehr als den Lebensunterhalt und wenn dem so ist, was sind die Aspekte, die durch die Arbeit generiert werden? Braucht der Mensch die Arbeit, um zu leben, wie Ford sagt, oder ist die Arbeit eher ein lästiges, aber not- wendiges Übel?
Um diese Fragen beantworten zu können, werde ich mich im Folgenden mit der Sicht der wohl bekanntesten Soziologin auf diesem Gebiet, Marie Jahoda, und ih- rer Auffassung über die Funktionen der Erwerbsarbeit kritisch auseinandersetzen. Auch wenn ihre Untersuchungen auf den Daten der 30er Jahre des 20. Jahrhun- derts basieren, haben ihre Erkenntnisse bis zur heutigen Zeit an Aktualität nichts eingebüßt, was man anhand der Auseinandersetzung mit der Thematik verschie- dener Soziologen erkennen kann. Ihre Studie bildet das Fundament für die Analy- se der Funktionen von Arbeit und man findet keine Literatur im Rahmen dieser Thematik, in der Jahoda nicht herangezogen wird. Zwar gibt es Kritikansätze, al- lerdings hat niemand die Funktionen Jahodas vollständig negiert und gänzlich neue Funktionen aufgestellt.
Als Grundlage für diese Auseinandersetzung mit den Funktionen von Arbeit be- darf es einer Definition der Arbeit und der Unterscheidung zwischen Arbeit und Erwerbsarbeit. Im Rahmen dieser Arbeit liegt der Fokus auf dem Aspekt der Er- werbsarbeit. Die Auseinandersetzung mit der Erwerbslosigkeit dient dazu, Rück- schlüsse auf die Funktionen der Erwerbstätigkeit zu ziehen, indem ich mich mit den Auswirkungen, die es hat, wenn keine Erwerbsarbeit vorhanden ist, beschäf- tige. In diesem Zusammenhang wird es auch Aufgabe sein, Alternativen zur Er- werbsarbeit zu prüfen und zu untersuchen, ob diese die zuvor ermittelten Funktio- nen der Erwerbsarbeit ersetzen können.
I.2 Definition: Arbeit und Erwerbstätigkeit
Voraussetzung für die Erläuterung der grundlegenden Funktionen der Arbeit für den Menschen ist eine Klärung des Begriffs Arbeit. Der Begriff der Arbeit ist in den letzten Jahrzehnten viel und kontrovers diskutiert worden. Es gibt unzählige Meinungen, Studien und Ansätze in Bezug auf die Arbeit an sich, ihren Sinn und ihre Folgen. Die beiden extremen Ansätze bezüglich der Arbeit lauten auf der ei- nen Seite, der Mensch könne ohne den Faktor Arbeit nicht überleben, und auf der anderen Seite, der Mensch müsse von der Arbeit befreit werden, da diese unmen- schlich sei. So zahlreich die Meinungen zu den Funktionen und Auswirkungen der Arbeit sind, so unterschiedlich sind auch die Definitionen, die in diesem Rahmen gegeben werden.
Was ist eigentlich Arbeit und wie kann man Arbeit von der häufig in der Literatur genannten Erwerbsarbeit2 unterscheiden?
Betrachtet man die soziologische Definition von Arbeit, wird deutlich, weswegen die Thematik „Arbeit“ als eine grundlegende betrachtet wird. Viele Soziologen beschreiben Arbeit als Merkmal, das den Menschen vom Tier abgrenzt: „Men- schen arbeiten, Tiere arbeiten nicht.“3 Bereits an dieser Stelle werden erste Stim- men laut, die diese Verallgemeinerung als unzutreffend bezeichnen. Mikl-Horke stellt beispielsweise heraus, dass bestimmte Tiere für ihren Fleiß in Bezug auf die Arbeit bekannt sind, so z.B. Bienen. Dieser Einwand erscheint in Anbetracht des Beispiels als durchaus angebracht. So kommt Mikl-Horke zu dem Schluss, dass die Unterscheidung konkretisiert werden muss. Menschliche Arbeit sei demnach „geplant“, „rational“ und „nicht-instinktgeleitet“4.
Löst man sich von dieser Betrachtungsweise und beleuchtet das philosophische
„Weise des Seins des Menschen in der Welt“5. Diese Aussage drückt die Bedeu- tung der Arbeit für den Menschen aus. In dieser verwirklicht der Mensch sich selbst und „verewigt“ sich im besten Fall in Form der Dinge, die er durch die Ar- beit schafft und die Endlichkeit des Menschen als solches wird in gewisser Weise entschärft, denn der Mensch kann etwas von sich selbst hinterlassen. Dabei kann es sich im geringen Sinne beispielsweise um die Vererbung des Hab und Guts an die Hinterbliebenen oder im größeren wie etwa bei einer physikalischen Erfin- dung handeln, die den Namen der Person in die Zukunft trägt und somit zumin- dest einen Teil des Menschen in Form einer Erinnerung „unsterblich“ macht. Da- mit wird die Vergänglichkeit des Individuums partiell ausgehoben.
Der zweite Punkt neben der eben genannten „Sinnschaffung“ ist das Verständnis des Individuums als Subjekt.6 Das Individuum vollzieht nach Mikl-Horke eine Bewusstseinsbildung durch die Arbeit am Objekt, denn durch diese nimmt sich das Individuum als Subjekt wahr.7 Auch diese Aussage stellt eine These dar und sollte kritisch betrachtet werden. Diese Behauptung würde nämlich im Extremfall bedeuten, dass ohne die Arbeit am Objekt kein bzw. nur ein sehr schlechtes Be- wusstsein entstehen kann. Speziell in der heutigen Zeit ist nicht jedes Individuum mit einer Tätigkeit an einem Objekt beschäftigt. Daraus ergibt sich die Frage, ob es aus diesem Grund in Bezug auf die Objekt-Subjekt-Beziehung schlechter ge- stellt ist? In Zeiten der Dienstleistungen wird ein „Handwerk“ im eigentlichen Sinne nicht mehr allzu häufig „ausgelebt“. Die direkte Arbeit an einem Objekt ist nicht immer für jedes Subjekt durch den Beruf oder auch im privaten Bereich ge- geben. Aber auch der Begriff des Objekts bietet die Möglichkeit zahlreicher Inter- pretationen. Ein Objekt kann z.B. ein Schuh sein, der vom Schuster direkt bear- beitet wird und das innerhalb seines Berufs. Aber auch fast jede Tätigkeit im Haushalt, wie beispielsweise das Kochen stellt eine Arbeit am Objekt dar, hängt aber nicht unbedingt mit dem Beruf zusammen, so dass eine Arbeit an einem Ob- jekt auch unabhängig von dem Beruf wahrscheinlich von jedem Menschen ausge- führt werden kann. Dies gibt nach Mikl-Horkes Definition jedem Menschen die Möglichkeit ein Selbstbewusstsein aufzubauen - dem einen, wenn er viele Mög- lichkeiten zur Tätigkeit am Objekt zur Verfügung gestellt bekommt, demzufolge mehr, dem anderen, dem nur wenige solcher Tätigkeiten ermöglicht werden, we- niger.
Betrachtet man den marxistischen Ansatz bzgl. der Arbeit fällt auf, dass diese Art der „Vermenschlichung“ bereits Marx bemerkt hat. Er schreibt: „in der Arbeit verwirklicht sich der Mensch“8. Gemeint ist hiermit, ähnlich wie beschrieben, dass das entstehende Produkt der Tätigkeiten dem Menschen sein eigenes Wesen als bearbeitendes Individuum näherbringt. „Durch die Vergegenständlichung in einem Produkt werden Menschen sich zugleich ihrer Menschlichkeit, ihrer men- schlichen Fähigkeit bewusst.“9 Der Mensch macht sich natürliche Stoffe untertan, für sich nutzbar. Dies ist heute keine generell zutreffende These mehr, denn nicht jeder produzierende Mensch besitzt auch die Möglichkeit sein Produkt zu behal- ten bzw. zu nutzen. Zumeist erarbeitet man in der heutigen Zeit die Dinge für eine andere Person, wodurch zwar auf der einen Seite die menschlichen Fähigkeiten nach wie vor deutlich werden, auf der anderen aber die Nutzbarkeit Einschrän- kungen erfährt. Interessant in diesem Zusammenhang wird Marx’ Aussage: „[…] Die Vergegenständlichung erscheint so sehr als Verlust des Gegenstands, dass der Arbeiter der notwendigsten Gegenstände, nicht nur des Lebens, sondern auch der Arbeitsgegenstände beraubt ist …“.10 Hiermit meint Marx die Entfremdung von Produkt, Arbeitgegenstand und Arbeit an sich.
Löst man sich ein wenig von dem zuvor behandelten sehr philosophischen Zugriff auf das Thema Arbeit und betrachtet Arbeit aus einer anderen Perspektive, er- scheint das dreigliedrige Model von Wacker überzeugend. Wacker geht von drei Dimensionen der Arbeit aus: Als erste Dimension nennt er die sofort nachvoll- ziehbare Funktion der „Daseinsvorsorge“11. Die zweite stellt für ihn die Schaffung eines sozialen Zusammenhangs dar - der Austausch mit anderen. Die dritte Funk- tion bezieht sich auf das Individuum selbst. Hier geht es ähnlich wie in der philo- sophischen Ansicht um die Entwicklung persönlicher Anlagen und des eigenen Wesens.12
In all diesen Meinungen kristallisiert sich heraus, dass Arbeit eine wichtige Rolle im Leben eines Menschen spielt und nicht unwesentlich an der Formung dessel- ben beteiligt ist. Aber auch hier gibt es gegenteilige Meinungen. Deren Vertreter sehen Arbeit lediglich als Mittel zum Zweck. Vergleicht man diesen Ansatz mit dem Model von Wacker, so hätte Arbeit lediglich die Funktion „Daseinsvorsorge“ und „Sicherung des Überlebens“ zu sein. Demnach hätte Arbeit keinen Sinn für die Identitätsbildung, sondern wäre ausschließlich als „Folge der modernen Industrie“ zu einer Grundlage geformt worden.13
Auch Jahoda beschäftigt sich mit der Rolle der Arbeit in Bezug auf die Identität. Dieser Punkt wird im Folgenden noch ausführlich dargestellt werden, wenn es um die von ihr aufgestellten Funktionen der Erwerbsarbeit geht. Jahoda unterscheidet Arbeit von Erwerbsarbeit, was im Folgenden allerdings Synonym verwendet wird. Es ist jedoch stets die Erwerbsarbeit gemeint. Auch bei vielen anderen Soziologen finden wir diese Differenzierung wieder. Die Unterscheidung zwischen Arbeit und Erwerbsarbeit liegt nach Atteslander beispielsweise in der Veränderung und Erschaffung neuer Technologien. Erst hierdurch kam es in der Vergangenheit nach Atteslander zu einer Arbeitsteilung, die die Erwerbsarbeit als eigenständige Arbeitsform hervorbrachte.14
In der Soziologie wird der Arbeitsbegriff z.B. von Dubin ähnlich verstanden wie in der später genauer erläuterten Sichtweise Jahodas. Auch bei ihm geht es um den Begriff der Arbeit als Erwerbsarbeit in Hinblick auf die Ausübung eines Be- rufs, d.h. „private Arbeit“ wird ausgeschlossen. Ähnlich definiert auch Andre Gorz die Arbeit und impliziert, dass Arbeit für einen Dritten im Austausch von Lohn ausgeübt wird. Die Arbeit wird nach dieser Definition nicht für einen selbst ausgeführt, sondern im Auftrag eines anderen, der daraus einen Nutzen zieht.15
Ob dies in selbstständiger bzw. selbstbestimmter Form oder in abhängiger bzw. fremdbestimmter Beschäftigung stattfindet, spielt nach Kronauer nicht unbedingt eine Rolle. Vielmehr ist es wichtig, dass es sich bei Erwerbsarbeit um Arbeit ge- gen Bezahlung handelt und damit eine direkte Abgrenzung zu allem erfährt, das um seiner selbst willen durchgeführt wird. Arbeit verfolgt einen Zweck. Auch hier wird festgehalten, dass die Erwerbsarbeit über den privaten Bereich hinausgeht. Mit Hilfe dieser werden Produkte erschaffen, die zumindest theoretisch von jedem erstanden werden können, sofern ihm die Mittel dafür zur Verfügung stehen.16
Betrachtet man nun nicht die Möglichkeit des Erstehens von Produkten, sondern die des Erschaffens, findet man folgende interessante Definition der Arbeit. Einige moderne Ökonomen sehen alle Tätigkeiten als Arbeit, bei denen für eine bestimmte Tätigkeit jede Person mit ähnlicher Qualifikation eingesetzt werden kann. Hierbei gilt, dass das Ergebnis unabhängig von der ausführenden Person ist und identisch bleibt. Dies bedeutet, dass alle Tätigkeiten aus der Definition ausgeschlossen werden, bei denen eine Veränderung des Ergebnisses stattfindet, sofern eine andere Person diese ausführt, so z.B. bei künstlerischen Aktivitäten. An dieser Stelle wird keine Unterscheidung zwischen Erwerbsarbeit und Arbeit als solcher getroffen, wie Jahoda und andere es tun.17 Der Aspekt der Erwerbsarbeit, wie Jahoda sie begreift, wird im Folgenden näher erläutert.
Generell formuliert, begreift die Soziologie Arbeit als „Beziehung zwischen Menschen und ihren Einstellungen und ihrem Handeln“18 In unserer modernen Industriegesellschaft, wie Mikl-Horke schreibt, wird Arbeit durch die Menschen, die Organisationen und die Form der Gesellschaft bestimmt.19
Innerhalb einer Arbeiterschaft, die als eigenes soziales Gefüge gesehen werden muss, grenzt sich der einzelne Arbeiter vom Rest der Gesellschaft bzw. anderen Gruppen ab.20 Dies geschieht nicht bewusst, sondern ist ein automatischer Pro- zess. Die Gesellschaft wird in „Arbeiter“ und „Nicht-Arbeiter“ unterteilt. Das ist die erste Form der Gruppenbildung. Die zweite Form der Gruppenbildung erfolgt dann über die Art des ausgeübten Berufs. Somit bildet die Arbeiterschaft ein eige- nes soziales Gefüge. Diese Einordnung determiniert den Menschen und gibt ihm gewisse Handlungsrichtungen durch an ihn gestellte Erwartungen vor. Der Arbei- ter wird außerdem durch die Mitbewerber auf dem Arbeitsmarkt beeinflusst, die den einzelnen ggf. allein durch ihr Vorhandensein in eine bestimmte Richtung der Entwicklung leiten, genauso wie jeder Teilnehmer am Arbeitsmarkt Einfluss auf die anderen Individuen ausübt. Ist beispielsweise ein sehr starker Konkurrenz- druck vorhanden zwischen den Teilnehmern am Arbeitsmarkt, wird das Indivi- duum sich anders verhalten, als wenn dieser Druck nicht vorhanden wäre. Somit prägt der Rest der Gesellschaft die Verhaltensweisen des Einzelnen. Der einzelne, der wiederum von außen betrachtet auch ein Teil des durch die Arbeit entstande- nen sozialen Gefüges darstellt, bildet mit dem „Rest der Arbeiterschaft“ wiederum einen Einflussfaktor auf die anderen Menschen. Der Mensch, der eigentlich nur mit einer Person oder einer Firma einen Arbeitsvertrag abschließt, schließt indirekt einen viel stärker auf sein Leben Einfluss nehmenden Vertrag ab, denn er ordnet sich selbst in die Gesellschaft ein.
„Durch diese gesellschaftlich definierte, ökonomisch und gesetzlich institutiona- lisierte Arbeitsbeziehung [z.B. Arbeitsvertrag] wird die Arbeit aus dem Zusam- menhang des Lebens des einzelnen und der Gemeinschaft hinaus verlagert und „vergesellschaftlicht“.“21 Die Verknüpfungen innerhalb der Gesellschaft werden zu einem ausschlaggebenden Rahmen in Bezug auf die Arbeit, ihre Struktur und das Individuum.
Nach Mikl-Horke ist die Arbeit eine „von anderen Lebensbereichen getrennte und spezifisch definierte Dimension des öffentlichen Lebens der Gesellschaft“22 und es gilt die Zusammenhänge und Einflüsse in Bezug auf den Menschen zu erken- nen.
Abschließend kann man sagen, dass „das Denken über Arbeit […] Formen und Inhalte der Arbeit und die durch sie bestimmten sozialen Beziehungen […] sich im gesellschaftlich-kulturellen Wandel [verändern]“23, so dass man nicht eindeu- tig formulieren und festlegen kann, was Arbeit genau impliziert. Außerdem wird die Definition der Arbeit durch die ständigen Veränderungen der Inhalte er- schwert. Betrachtet man die letzten 50 Jahre, kann man erkennen, dass ein Wandel in Bezug auf die körperliche Belastung während der Arbeit stattgefunden hat, was z.B. durch die Verringerung von schwerer Industriearbeit mittels hoch technologi- sierter Maschinen vollzogen wurde. Ob dies eine generelle Verbesserung für den Menschen darstellt oder sich durch die eventuell und scheinbar stärker werdenden psychischen Belastungen, die oft in der Literatur erwähnt werden, wieder aufhebt oder gar verschlimmert, bleibt dahingestellt. Oft wird erwähnt, dass die Schere zwischen den ungelernten bzw. schlecht qualifizierten Arbeitskräften und den we- nigen Personen mit gut bezahlten Arbeitsplätzen tendenziell weiter wird. Für die- jenigen mit guter Qualifikation wird der Druck, diese noch auszuweiten durch die immer weitere Anhebung der Anforderungen in Bezug auf die erwarteten Qualifi- kationen und vielfältig gestalteten Lebensläufe immer stärker.24 Dies wiederum erhöht die seelische Belastung und zwingt den Menschen fortwährend und rastlos dem nächsten Ziel entgegenzueilen.
Allein diese Veränderungen der letzten Jahrzehnte machen den Begriff Arbeit so vielschichtig. Ich werde mich im Folgenden auf Jahodas Begriff der Arbeit und Erwerbsarbeit beziehen, da Jahoda mit ihren Schriften zur klassischen Literatur innerhalb dieses Themenbereichs gehört.
Zunächst wird es demnach um Jahodas Sicht der Arbeit und deren latente und manifeste Funktionen gehen. Es gilt die Auswirkungen von Arbeit auf den Menschen zu erkennen, zu prüfen und zu diskutieren.
II. Kritische Auseinandersetzung mit den latenten und manifesten Funktionen der Arbeit nach Jahoda
Bereits in den 30er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts setzte sich Marie Jahoda schon als junge Frau mit dem Begriff Arbeit auseinander. Marie Jahoda, die zu dieser Zeit die Marienthalstudie25 durchführt, erkannte die erschreckenden Folgen der Arbeitslosigkeit und machte sich Gedanken über die Funktionen der Arbeit. Mit der Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal“ schrieb sie in den 30er Jahren, aufbauend auf den Erfahrungen, die sie in Marienthal machte, einen Klassiker der Sozialforschung. In den 80er Jahren beschreibt sie in ihrem Werk „Wieviel Arbeit braucht der Mensch“, in dem sie die Erkenntnisse der 30er Jahre aufarbeitet, die Rolle der Arbeit für den Menschen. Ihre Untersuchungen basieren zwar auf den Daten der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts, ihre Erkenntnisse dienen aber stets als Grundlage auch für die Auseinandersetzung heutiger Soziologen. Ihre Schriften bilden das Fundament für die Auseinandersetzung mit den Funktionen von Arbeit.
Jahoda erarbeitet manifeste und latente Funktionen der Erwerbsarbeit. Sie stellt heraus, dass trotz der Veränderungen in der Struktur der Erwerbstätigkeit in den letzten 200 Jahren unter anderem auch durch veränderte Technologien und die stark angestiegene Macht der Arbeiterschaft, die wesentlichen Funktionen der Erwerbsarbeit unverändert geblieben sind.
Jahoda nennt als manifeste Funktion z.B., dass Erwerbsarbeit ein Mittel ist, durch das der Lebensunterhalt verdient wird.26 Die fünf latenten Funktionen, die sie benennt, sind zum einen die Zeitstruktur, die Erweiterung des sozialen Horizonts über die Familie hinaus, die Möglichkeit der Erkenntnis, dass Kollektivität mehr erreicht als der einzelne und die Bestimmung des Platzes in der Gesellschaft. Dar- über hinaus ermöglicht Erwerbsarbeit die Bindung an soziale Realität. Arbeit als solche führt Menschen zu Tätigkeiten, die über persönliche Zwecke hinausge- hen.27
Auf diese fünf Dimensionen der Erwerbsarbeit wird im Folgendem eingegangen, indem sie dargestellt werden und eine kritische Auseinandersetzung mit ihnen er- folgt.
II.1 Auswirkungen der Erwerbsarbeit auf das Zeiterlebnis der Menschen
Eines der Erlebnisse, die der Mensch durch die Arbeit erfährt, ist nach Jahoda die Festlegung einer Zeitstruktur. Durch die Teilung bestimmter Perioden in regelmä- ßige und festgelegte Abschnitte erhält die Periode eine geplante Struktur. So wird diese (beispielsweise der Tag, die Woche oder das Jahr) in Arbeitszeit und Frei- zeit aufgeteilt und gibt somit eine genaue Planung des Tages vor, an die sich der Mensch halten kann bzw. muss.28 Arbeit zwingt den Menschen automatisch zu ei- nem strukturierten Tagesablauf und bewirkt eine Einteilung des Tages.29 Erwerbs- arbeit bindet den Menschen in den Rhythmus der Gesellschaft ein, was von den meisten Arbeitnehmern vorbehaltlos angenommen wird.30 Inwiefern diese Fremd- bestimmung als hilfreich oder einschränkend angesehen werden kann, wird im Folgenden näher erläutert.
In Zusammenhang mit der Funktion der vorgegebenen Zeitstruktur können zwei Probleme auftreten. Bei dem ersten geht es um die Qualität der Zeitstruktur, die einen negativen Einfluss auf die Personen haben kann. Illich schreibt zum Bei- spiel, dass Erwerbstätigkeit eine Institution sei, von deren „destruktive[n][r] Um- klammerung“ die Menschen befreit werden müsste.31 Hiermit ist gemeint, dass die Arbeit als negative Determinante wirkt und demnach abgeschafft werden muss. Diese radikale Ansicht wird auch von einigen anderen in ähnlicher Form vertre- ten32. Im Fall Illichs wäre eine Nennung der Alternativen zur Arbeit sinnvoll. Dies entfällt jedoch. Die Frage, wovon der einzelne Mensch sein Leben finanzieren soll, wird weder gestellt noch beantwortet. Die durch die Arbeit festgelegte Zeit- struktur, wie Jahoda sie nennt, würde Illich als Fesseln des Menschen sehen, die es abzustreifen gilt, während Jahoda diese als positive Funktion sieht.
Die zweite Problematik ergibt sich, wenn es die eben genannte Zeitstruktur nicht gibt, beispielsweise bei unfreiwilliger Erwerbslosigkeit.33 In diesem Fall kommt es zu Langeweile und Haltlosigkeit.
Jahoda nennt Arbeit als die Voraussetzung für die Freizeit, weil sie als Gegenpart zur Arbeitszeit fungiert. Reizvoll wird die Freizeit für das Individuum erst, wenn es sich hierbei um ein knappes Gut handelt. Das Positive der Freizeit liegt in der Tatsache, dass man sie nicht als dauerhaften Zustand erlebt. Somit hat nach Jaho- da die Zeit, die man durch „erzwungene Arbeitslosigkeit“ erlangt, nichts mit Frei- zeit zu tun.34 Mußestunden sind folglich nicht der Ersatz von Arbeit, sondern der Gegenpart, so dass man die vorhandene Zeit der Erwerbslosen nicht als Müßig- gang betrachten kann.35 Sie schreibt: „Wir alle brauchen ein Ausmaß von zeitli- cher Ordnung; ungegliederte Zeit verwischt den Unterschied zwischen heute, ge- stern und morgen, macht Zukunftspläne sinnlos und verarmt die Erinnerung.“36 Dies genau findet statt, wenn man in den Bereich einer erzwungenen Erwerbslo- sigkeit gelangt. Man verliert das Zeitgefühl37 und in letzter Konsequenz den Sinn des Daseins. Mit letzterem wird sich noch im Folgenden beschäftigt werden.
Kommt man auf die Thematik der Arbeitszeit und der damit verbundenen Freizeit zurück, erscheint es nicht notwendig, dass die Arbeitszeit eine spezielle Länge aufweisen muss. Jahoda äußert sich nicht, ob die Arbeitszeit eine bestimmte Min- destdauer impliziert, um die Freizeit genießbar zu machen. Marx hingegen plä- diert für die Kürzung der Arbeitszeit und demnach die Verlängerung der Zeiten, die dem Individuum als freie Zeit zur Verfügung stehen. Er vertritt dabei die Auf- fassung auf diesem Weg den Arbeiter produktiver werden zu lassen. So schreibt er: „Die auf diese Weise gewonnene Zeit aber wird der individuellen Entfaltung dienen und daher „zurückwirken auf die Produktivkraft der Arbeit“.38 Interessanterweise findet sich schon hier eine in der Gesellschaft weit verbreitete Erwartungshaltung. Die Freizeit, die eigentlich eine flexible und unabhängige Verwendung bereits dem Namen nach voraussetzt, wird paradoxerweise eine Zeit, für deren Verwendung sich das Individuum vor der Gesellschaft rechtfertigen muss. Marx teilt zwar die Freizeit in zwei „Zeitzonen“ auf, aber eine Effektivität bei der Nutzung dieser Zeit ist auch bei ihm bereits Voraussetzung. „Die freie Zeit - die sowohl Mußezeit als Zeit für höhere Tätigkeit ist - hat ihren Besitzer natürlich in ein anderes Subjekt verwandelt, und als dies andere Subjekt tritt er dann auch in den unmittelbaren Produktionsprozess.“39 Wichtig ist vor allem die Effektivität der genutzten Freizeit, die hier nur leicht angedeutet, bei vielen anderen jedoch direkt genannt wird. Allerdings wird die Effektivität der Freizeit immer nur abstrakt angedacht. Eine Ausführung erfolgt i.d.R. nicht.
Opaschowski greift diesen Konflikt der durch die Gesellschaft bestimmten Frei- zeit auf. Er nennt vier durch die Gesellschaft vermittelte Regeln der Freizeit: „Freizeit muss verdient sein“, „Freizeit wird zugeteilt“, „Freizeit soll Freude ma- chen“ und „Freizeit-Probleme darf es nicht geben“.40 Der erste von ihm genannte Punkt impliziert, dass es im öffentlichen Bewusstsein keine Freizeit ohne Er- werbstätigkeit geben kann. „Wo die Verdienst-Komponente „Erwerbstätigkeit“ fehlt, wird der Freizeit ihre Berechtigung und gesellschaftliche Anerkennung ver- sagt (Arbeitslose, Schüler, Studenten, Hausfrauen, Rentner).“41 Dies führt dazu, dass der einzelne zu dieser Gruppe gehörende Mensch im Extremfall gar keine Freizeit mehr hat, da ihn ständig ein schlechtes Gewissen begleitet. „Das bisschen Haushalt macht sich von alleine, meint mein Mann.“ Dieser Schlager aus den 60er Jahren vermittelt diese Vorstellung ganz eindrucksvoll. Wozu braucht beispiels- weise eine Hausfrau Freizeit? Sie hat sie doch bereits den ganzen Tag! Auch das ist eine Folge der Erwerbsarbeit - eine klare Teilung zwischen Erwerbstätigen und nicht Erwerbstätigen, die dem einen Dinge zugesteht und dem anderen aber- kennt. An dieser Stelle sieht man, dass es hier nicht, wie von Jahoda angespro- chen, nur um eine klare Zeitstruktur geht. Vielmehr ergeben sich aus der Zeit- struktur noch andere Folgen. Man erlebt nicht nur eine Haltlosigkeit, sondern es fällt auch die Freizeit im eben angesprochenen Sinne weg. Es gibt zwar Zeit, al- lerdings eine, die ununterbrochen von einem schlechten Gewissen begleitet wird, da sie nicht als Freizeit akzeptiert wird. Hieran hat sich bis in die heutige Zeit nichts geändert.
Kronauer beispielsweise merkt an, dass die Freizeit von ihrem „Gegenstück“, nämlich der Arbeit, beherrscht sein kann, denn erst die „Vergesellschaftung durch Erwerbsarbeit“ trennt die Arbeit von der privaten Freizeit und definiert somit letztere. „Je stärker dies der Fall ist, desto mehr besteht die Gefahr, dass bei einem Arbeitsplatzverlust auch die Freizeit ihren Sinn verliert, […].“42 Auf diesen Aspekt wird im folgenden Teil, der sich mit den Funktionen der Arbeit im Lichte der Arbeitslosigkeit beschäftigt, noch genauer eingegangen.
Mit dem zweiten Punkt „Freizeit wird zugeteilt“ wird die Macht der Gesellschaft erneut deutlich. Es bedeutet, dass es jemanden gibt, der dem Individuum Freizeit gewährt, z.B. der Arbeitgeber. Doch diese Zeit bekommt man nicht geschenkt, vielmehr sind daran Erwartungen verknüpft. Der Mensch soll sich in seiner freien Zeit erholen, um danach umso intensiver seine Arbeit wieder in Angriff zu neh- men. „Freizeit hat kein Eigenrecht.“43 Freizeit muss, so das gesellschaftliche Bild, sinnvoll gestaltet werden und versetzt den Menschen, der sich ausruhen will, in eine schwierige Lage. „Sinnvolle Arbeit ist kein einklagbares Recht, doch sinn- volle Freizeit eine moralische Bürgerpflicht!“44 Arbeit wird bezahlt. Demnach wird sich darüber in der Regel auch nicht beschwert, egal wie sinnlos sie er- scheint. Dann muss allerdings wenigstens die Freizeit entsprechend sinnvoll ge- staltet werden.
Überdies vermittelt die Freizeitindustrie, wie Opaschowski es nennt, zusätzlich noch ein Bild einer Freizeit, das sich in der Regel nicht erfüllen lässt. „Freizeit soll Freude machen“ Die Industrie zeigt eine Freizeit, die sich durch Lebensfreu- de, Freiheit und Erholung auszeichnet und dies in einer Ausgeprägtheit, die kaum erreichbar ist, jedoch als anstrebenswert propagiert wird. „Die Kluft zwischen suggeriertem Klischee und selbsterlebter Wirklichkeit wird immer größer, die Enttäuschung über entgangene Freizeitfreuden auch.“45 Und so wird es immer schwieriger, mit der eigenen Freizeitbeschäftigung positive Erfahrungen zu ma- chen.
Auf diesen Erwartungen baut auch der vierte Punkt „Freizeit-Probleme darf es nicht geben“ auf. Da die Freizeit als eine derart positive Angelegenheit gehandelt wird, darf es demnach auch keine gegenteiligen Empfindungen geben. Der Spaß in der Freizeit ist quasi zur Pflicht geworden. Wer dies nicht erfüllen kann, wird von der Gesellschaft kritisch betrachtet und bekommt auch hier ein schlechtes Gewissen.46 Betrachtet man die Menschen in der heutigen Gesellschaft, kann das Gefühl aufkommen, dass je höher die soziale Stellung ist, desto größer wird auch der Erwartungsdruck, der auf dem Individuum lastet. Das verdiente Geld wird durch die Erwartungen der Gesellschaft teilweise für ein Hobby ausgegeben, das man ggf. gar nicht braucht oder genießt. Menschen, die beispielsweise nicht gerne Skifahren, fangen trotzdem damit an, weil alle anderen, die ähnlich verdienen, dieses Hobby auch ausüben oder weil es gerade in Mode ist. Man kann den Ein- druck bekommen, dass der Spaß an dem Hobby nicht mehr an erster Stelle steht, sondern die Befriedigung der Erwartungen der Gesellschaft.
Da man in Bezug auf die Freizeit einiges falsch machen kann, entsteht nach Opa- schowski Angst vor Freizeit. Der Mensch, der von jeher durch Schule, Ausbil- dung, Studium oder Beruf gelenkt worden ist, verspürt die Erwartungen der Ge- sellschaft und tut sich schwer ohne Vorgaben einen für ihn vertretbaren Weg in der Freizeit zu finden. „Ungeübt in der Praxis, freiverfügbare Zeit souverän zu nutzen und unter der gesellschaftlichen Verpflichtung leidend, Freizeit „sinnvoll gestalten“ zu müssen, wächst die Angst vor der Unfähigkeit zur Freizeit in Eigen- regie“.47 Viele Menschen sehnen sich nach Fremdbestimmung, weil hier die Ge- fahr, sich unpassend zu verhalten, weitaus geringer ist, als im Freizeitbereich. In der dennoch bestehenden Freizeit zeichnet sich übermäßiger Aktionismus ab, weil man sich durch ihn ablenken kann und aktiv wirkt. Der Druck, der sich für den Einzelnen aufbaut, macht die Freizeit ungenießbar, obwohl die so genannte „Frei- zeitindustrie“ dem Menschen ein ganz anderes Bild suggeriert.
Dieser Aspekt ist insofern relevant, als er impliziert, dass der Mensch, der ja die Freiheit nicht mehr positiv betrachten kann, durch die gesellschaftlichen Vorga- ben in die Richtung geführt wird, nur noch für die Arbeit zu leben. Der Mensch in der heutigen Gesellschaft ist einfach nicht mehr für die Freizeit gemacht. „Es gibt zu wenig Gelegenheiten, das Freisein zu üben.“48 Somit entsteht eine Arbeitsge- sellschaft, ohne dass es jemand merkt, denn nach außen freut man sich auf seine Freizeit, die man nach innen jedoch besonders aktiv gestaltet, um sie zu überwinden und sich wieder in die Sicherheit der Arbeit zu begeben.
Betrachtet man Begriffe, die mit dem Wort „Freizeit“ gebildet werden, stellt man fest, dass Freizeit und Freiheit, obwohl sie beide den Wortstamm „frei“ enthalten, erhebliche Unterschiede in Bezug auf das „frei“-Sein aufweisen. Um „Freizeit“ zu genießen, greifen wir auf ein „Freizeitangebot“ der „Freizeitindustrie“ zurück, um mit dem „Freizeitanzug“, dem „Freizeithemd“ bzw. der „Freizeitkleidung“ eine „Freizeitgestaltung“ in einem „Freizeitpark“ oder einer „Freizeiteinrichtung“ un- serer „Freizeitgestaltung“ „frei“ nachzukommen?! Vielleicht braucht der Mensch diese Form der Unterstützung, um seine Freizeit überhaupt ausleben zu können. Vielleicht ist es aber auch so, dass diese Form der Vermarktung der Freizeit den Menschen erst in eine Unmündigkeit hineintreibt und ihm die Möglichkeit nimmt, die Freizeit zu genießen und nach seinen eigenen Wünschen zu gestalten.
Wie bereits erwähnt, kommt es vermutlich u.a. zu dieser Problematik der Freizeit durch die Lenkung durch Schule, Beruf u.ä.. Hierdurch wird der Mensch von An- fang an an die Zeitstrukturierung, wie auch Jahoda sie erwähnt, gewöhnt. Jahoda ist der Auffassung, dass der Mensch die Strukturierung braucht, doch führt diese auf der anderen Seite nach Opaschowski im extremsten Fall zu einer Unfähigkeit die eigene Freizeit zu gestalten und zu genießen. Sollte Opaschowski mit der The- se Recht haben, dass dieser eben genannte Bezug existiert, würde das bedeuten, dass Jahoda zwar richtig liegt, wenn sie sagt, der Mensch brauche die Zeitstruktur. Auf der anderen Seite käme man aber zu dem Ergebnis, dass der Mensch diese Struktur nur braucht, weil er von Beginn des Lebens an diesbezüglich „program- miert“ worden ist. Die Folge wäre, dass die Zeitstruktur nur dem Individuum Halt zu geben vermag, das bereits durch die Gesellschaft dahingehend „manipuliert“ worden ist. Das Individuum sieht die Zeitstruktur durch die eigene Unfähigkeit mit der Zeit umzugehen als unumgänglich. Es erhält durch die gesellschaftlich vermittelten Werte und Normen eine Unmündigkeit, die das Leben stark be- herrscht. Denkt man diesen Ansatz zu Ende, führt es ein Leben, das, wenn es nicht nach Plan verläuft, sich nicht aushalten lässt.
Verfolgt man diesen Gedanken weiter, bedeutet das, dass Jahodas Ansatz über- zeugend erscheint, wenn sie von einer Zeitstruktur spricht und diese als wichtig deklariert. Allerdings wird dann erst die Arbeit, in welcher Form auch immer, hierzu zählt auch das Arbeiten in der Schule und in anderen frühen Stationen des Lebens, zur eigenen Notwendigkeit. Der Mensch verliert die Fähigkeit, sich zu beschäftigen. Er wird unfähig mit seinen eigenen Vorlieben der Freizeitgestaltung zufrieden zu sein bzw. diese als für ihn richtig anzusehen. Stattdessen benötigt er die Vorgaben durch die Gesellschaft oder im schlimmsten Fall das Fehlen der Freizeit, um das Gefühl zu erlangen, den richtigen Weg zu gehen.
Jahoda erwähnt den Bedarf einer Zeitstruktur und die Wichtigkeit der Arbeit, ver- nachlässigt jedoch die eben genannten Bedingungen, die zu diesem Bedürfnis der Menschen geführt haben. Somit fällt es aus ihrer Sicht leicht, der Arbeit eine so hohe positive Bedeutung zukommen zu lassen, da der Mensch, der von der Ge- sellschaft auf eine solche Zeitstruktur „trainiert“ wurde, diese natürlich auch benö- tigt. Vielleicht ist jedoch die Zeitstruktur, die die Arbeit dem Menschen auferlegt, keine positive, sondern sogar eine negative Komponente, der entgegengewirkt werden müsste, um dem Menschen z.B. wirkliche „Freiheit“ in der „Freizeit“ zu ermöglichen.
In Bezug auf die Freizeit ergibt sich noch ein weiteres Problem. Der Mensch scheint eine Unfähigkeit zu erlangen, mit sich allein zu sein. Dies äußert sich häu- fig in radikaler Arbeitsweise, was speziell in der heutigen Zeit immer extremere Formen annimmt. Der Mensch zeigt häufig eine ausgesprochen hohe Fixierung auf die Arbeit, weil er in der Freizeit das Alleinsein nicht ertragen kann. „Allein- sein und Einsamkeit werden zu einem speziellen Problem der Freizeit. Im Arbeits- leben sind sie kaum spürbar, weil hier das angespannte Beschäftigtsein und das vorgegebene, relativ starre Zeitschema ein Gefühl von Leere und Zeittotschlagen kaum aufkommen lassen.“49 Gemeint ist damit, dass eine Langeweile in der Frei- zeit erzeugt wird, die wiederum zu einer Leere und Einsamkeit führt. Dieser Lan- geweile kann mit Hilfe der Freizeitindustrie sicherlich zeitweilig entgegengewirkt werden. Das setzt allerdings ggf. pekuniäre Flexibilität voraus. Besonders hart trifft es also die Menschen, die keine Arbeit haben und somit diesen Zustand auf der einen Seite als dauerhaft erleben und auf der anderen Seite auf Grund even- tuell fehlender pekuniärer Flexibilität diesem nicht einmal durch eine Ablenkung mit Hilfe der Freizeitindustrie entgegenwirken können.50
Zu dieser empfundenen Einsamkeit kommt es aus verschiedenen Gründen. Der Mensch ist an das Beschäftigtsein gewöhnt und sieht dies als Normalzustand an. Er befindet sich in der restlichen Zeit demnach in einem anormalen Zustand, den er durch die Entfremdung von der Freizeit schwer einordnen kann. Außerdem feh- len je nach Intensität seines Arbeitslebens ggf. soziale Kontakte. Die sonst vor- handene (von anderen) genau geplante Verwendung der Zeit, müsste das Indivi- duum nun selbst übernehmen, ist dazu aber nicht mehr in der Lage, weil das Ge- fühl für sich selbst durch dauernde Prägungen von außen verloren geht. Der Mensch kann mit sich selbst nichts mehr anfangen. Demnach auch nicht mit der ihm zur Verfügung stehenden freien mehr oder weniger unbestimmten Zeit. Dies ruft ein Gefühl des Verlorenseins hervor.
Man kann Jahodas Gedanken, wie man an den genannten Aspekten sieht, dem- nach auch umkehren. Dann wird die Zeitstruktur, die so hilfreich erscheint, plötz- lich zu einer Determinante, die den Menschen in die Unmündigkeit treibt und erst die Probleme erzeugt, die dann mit Hilfe der Zeitstruktur wieder beseitigt werden.
II.2 Erweiterung des sozialen Horizonts
Mit der zweiten Dimension spricht Jahoda die Erweiterung des „sozialen Hori- zonts“ über die Familie und enge Bekannte hinaus an. Hiermit trifft sie einen zeit- unabhängigen Aspekt der Arbeit. Sie geht bei diesem Aspekt so weit zu sagen, dass der Kontakt am Arbeitsplatz das „Wissen um die Welt“ erweitert. Dies ge- schehe auf Grund der Tatsache, dass die Beziehungen zu Kollegen weitaus weni- ger emotionell seien als die innerhalb der Familie. Außerdem würde der Mensch gezwungen, auch Kontakte aufzubauen, die er im privaten Bereich nicht aufbauen würde, denn im Bereich der Arbeit kann man sich seine Kollegen nicht selbst aus- suchen. „Im Berufsleben ist selbst eine scheue und zurückgezogene Person ge- zwungen, ihre Kenntnisse von der sozialen Welt zu erweitern, da sie die Ähnlich- keiten oder Unterschiede der Gewohnheiten, Ansichten, und Lebenserfahrungen anderer im Vergleich zu den eigenen beobachtet.“51 Selbst wenn der Mensch diese Kontakte eigentlich nicht möchte, führt doch kein Weg daran vorbei. Dies führt nach Jahoda zu einer Bewusstseinserweiterung, da der Kontakt zu den Arbeitskol- legen sich in der Regel auf einer anderen Ebene abspielt als auf der familiären.
Auch kann man sich bestimmten Erfahrungen nicht entziehen. Man erlebt ggf.
Gefühlsregungen anderer Menschen, die einem nicht nahe stehen.52 Führt man Ja- hodas Gedanken weiter, stärkt dies die Empfindsamkeit des Menschen, der, ohne es zu wollen, mit positiven und negativen Gefühlen der Mitmenschen umzugehen erlernen muss. Erst die Erwerbsarbeit ermöglicht den Kontakt der Menschen über die Familie hinaus.53
Nach Jahoda sind diese Kontakte existentiell notwendig, weil man ein Gegenstück zu den hochemotionellen Kontakten der Familie benötigt.54 Diese bieten die Mög- lichkeit rationaler Entscheidungen und Beurteilungen anderer Menschen, was den Horizont erweitert.55 Nimmt man die am meisten verschärfte Form der Beziehun- gen, die sich durch Arbeit ergeben und die wenig emotionell sind, kann man sich die schwachen Bindungen zwischen den Erwerbstätigen bei „kurzfristig orientier- ten Formen von Arbeit“ anschauen. „Eine geringe soziale Bindung ist vor allem bei solchen Arbeitsplätzen unvermeidlich, an denen die Beschäftigten nur wenig Zeit miteinander verbringen, etwa weil die Zusammensetzung von Arbeitsgruppen alle sechs oder acht Monate durch Rotation verändert wird.“56 Dies ist im Prinzip eine wenig emotionelle Beziehung in -nennen wir es- Reinform. Hier entsteht et- was, das sich durch Oberflächlichkeit auszeichnet. In diesem Fall fehlt selbstver- ständlich die Zeit, um eine wirkliche Beziehung zu den Menschen aufzubauen. Heute gibt es viele Berufe, bei denen dies noch extremer praktiziert wird bei- spielsweise in der Flugbranche: Das Team wird jedes Mal komplett neu gebildet und fliegt in der Regel nur einen Flug in dieser Konstellation miteinander.
Bei diesem Beispiel zeigt sich der Ausgleich zu den sonst sehr emotionellen Ver- bindungen zu guten Freunden und insbesondere der Beziehung zur Familie. Zu beachten ist aber auf der anderen Seite, dass der Beruf heute den Menschen viel abverlangt. Oft müssen Überstunden gemacht werden. Dadurch verbringt der Ar- beitnehmer am Arbeitsplatz immer mehr Zeit anstatt bei der Familie. Wenn der Familienhalt irgendwann wegbricht, weil man zu wenig Zeit darin investiert hat, bleiben höchstens noch die oberflächlichen Beziehungen, die im Beruf gebildet wurden übrig. Dies kann zu starken psychischen Problemen durch fehlenden Halt führen.
Kronauer sieht die Beziehungen, die sich durch die Erwerbsarbeit ergeben oder gar aufdrängen, aus zwei verschiedenen Blickwinkeln. Auf der einen Seite er- kennt er ähnlich wie Jahoda die Erweiterung über die Enge der Familie und den direkten Freundeskreis hinaus, auf der anderen merkt er an, dass sich auch Schwierigkeiten ergeben können, wenn man die Menschen, die einem durch die Erwerbsarbeit quasi aufgedrängt werden, nicht mag. Er sieht hier durchaus auch den Faktor der Fremdbestimmung, dem man innerhalb der Erwerbsarbeit nicht oder nur äußerst schwer entfliehen kann.57 Es ist fremdbestimmt, mit wem man die Zeit verbringt. Man muss sich damit abfinden, mit Menschen, mit denen man eventuell sehr schwer klarkommt und die einen im schlimmsten Fall negativ be- einflussen, zusammenzuarbeiten und einen großen Teil der Lebenszeit zu verbrin- gen, anstelle der Zeit, die man mit geliebten Menschen verbringen könnte.
Jahoda selbst spricht lediglich von der Möglichkeit über die Familie hinaus, Kon- takte zu erlangen und sieht dies als Erweiterung und Vervollständigung des Cha- rakters des Menschen. Doch wie soll dieser Punkt betrachtet werden, wenn, wie es in der heutigen Zeit oft der Fall ist, der Mensch durch die Arbeit dermaßen stark eingenommen wird, dass ihm kaum mehr Zeit für die Familie bleibt. Dann hat er zwar die Komponente der über die Familie hinausgehenden Beziehungen, die wichtig für das „Wissen um die Welt“ ist, allerdings wird ggf. die Familie ver- nachlässigt, wodurch andere Defizite entstehen können. Die Bindung an die Fami- lie und das in einer stark emotionellen Form bilden einen wesentlichen Bestand- teil zur Entwicklung des Charakters und der Identität. Auf diesen Punkt wird im Folgenden noch genauer eingegangen. Jahoda nennt diese negativen Konsequen- zen, die Arbeit haben kann, nicht. Sie zieht nicht den Verlust enger Beziehungen in Erwägung und sieht demnach nur die bereits beschriebenen positiven Elemente. Nachvollziehbar ist, dass Menschen, die einer Erwerbsarbeit nachgehen, diese wenig emotionelle Form der Kontakte zu anderen als selbstverständlich sehen und ggf. hinnehmen. Sie machen sich lediglich Gedanken über die qualitative Subs- tanz dieser. Hierfür wäre ein Beispiel, dass man sich über die Kontakte, die man hat beschwert, z.B. über einzelne Personen. Hat man allerdings nicht die Mög- lichkeit diese Erfahrung zu machen beispielsweise bei einer Erwerbslosigkeit, wird schnell deutlich, dass diese Art der Erfahrungen fehlen kann. Dann geht es nicht mehr darum, welche Qualität die Kontakte vorweisen, sondern dass es über- haupt Kontakte gibt, d.h. man vermisst die Menschen, selbst wenn man von der Qualität der Beziehungen nicht immer überzeugt gewesen ist.58
Logisch ist hierbei, dass diese Zusammenhänge stärker wirken je älter man wird. Untersuchungen haben ergeben, dass jüngere Menschen viel leichter Kontakte aufrechterhalten bzw. neue eingehen können und demnach auch in dieser zweiten von Jahodas Funktionen der Arbeit weniger von der Erwerbsarbeit abhängig sind, um sich diese Funktion zu erfüllen. Dies mag unter anderem daran liegen, dass die Hemmungen über die Arbeitslosigkeit zu sprechen noch nicht so ausgeprägt sind.59 Es scheint: Je älter man ist, desto stärker ist man vorgeprägt.
Gerade in diesem Zusammenhang stellt sich allerdings die Frage, ob es dann nicht doch eine Möglichkeit gibt, diese Funktion auch außerhalb der Erwerbsarbeit zu erleben. Für jüngere Menschen scheint es wenig problematisch zu sein, Kontakte zu knüpfen bzw. aufrechtzuerhalten. Dies ließe ggf. die Schlussfolgerung zu, dass nicht unbedingt die Erwerbsarbeit als Faktor benötigt wird, um diese zweite durch Jahoda genannte Funktion erlebbar zu machen. Führt man diesen Gedankengang in sein Extremum, könnte man sogar vom Gegenteil ausgehen. Dies hieße, dass gerade die Erwerbsarbeit und das damit verbundene Automatische-Knüpfen-von- Beziehungen die Problematik fehlender Bindungen außerhalb der Familie hervor- rufen würde. Der Mensch scheint im Laufe der Zeit eine Gewöhnung an die sich durch die Erwerbsarbeit von alleine ergebenden Kontakte zu erlangen. Dies ruft eine Unfähigkeit hervor, sich beim Fehlen der Komponente Arbeit selbstständig um weitere Beziehungen zu bemühen. Lediglich jüngere Menschen erscheinen als relativ flexibel in dieser Beziehung. Dies liegt ggf. an der noch nicht so weit vor- angeschrittenen Determinierung. Sie haben noch die Möglichkeit, sich an die ver- änderte Situation anzupassen und ihre sozialen Kontakte über andere Wege zu ge- nerieren. Nun ist zugegebenermaßen diese Überlegung eine gewagte These, doch kann man Jahodas Gedanken nicht nur eindimensional betrachten. Gerade wenn sie selbst bemerkt, dass die jüngeren Menschen in dieser Hinsicht weitaus weniger Probleme vorweisen, muss man hinterfragen, wie es dazu kommt. Es gibt sicher- lich viele Erklärungen hierfür, die an dieser Stelle aber nicht ausführlich betrach- tet werden können, da es sich dann um ein gänzlich neues Thema handeln würde. Wichtig ist an dieser Stelle lediglich darzustellen, dass Jahodas Gedankengänge zum Teil eindimensional und damit umkehrbar sind. Jahodas Ausführungen zei- gen durch die Eindimensionalität zum Teil Schwächen in Hinblick auf den Kau- salnexus. Mit der Umkehrung ihrer Gedanken kann man die Arbeit und ihre Funktionen in einem neuen Licht erscheinen lassen.
Wendet man sich wieder der Jahoda’schen Auffassung zu, gilt zu bemerken, dass das soziale Umfeld für den Menschen eine wesentliche Rolle spielt - heute wie damals. Nach Hebb hat der Kontakt über die Familie hinaus die Funktion, dass der Mensch nicht von zu starken Emotionen überfordert wird. Der Ausgleich durch weniger emotionelle Beziehungen ist hier ähnlich gemeint wie von Jahoda beschrieben. „Institutionelle Arrangements“ bzw. die „soziale Umwelt“ dienen durch ihren Bezug zur Realität dazu, die Gefühlswelt des Individuums zu stabili- sieren.60
Aber nicht nur die von Jahoda genannten Punkte sind diesbezüglich wichtig. Kro- nauer listet auf, was Arbeit zur Vergesellschaftung beiträgt und den Menschen über seinen direkten Kreis mit anderen verbindet. Erwerbsarbeit bringt den Men- schen dazu, gemeinsam mit anderen ein Produkt herzustellen bzw. eine Leistung zu erbringen. Außerdem schafft man durch Erwerbsarbeit seine eigenen Fähigkei- ten in die Tat umzusetzen. Man erzeugt entweder ein Produkt oder eine Leistung. Bereits in dem Teil dieser Arbeit, die die Definition beschreibt, gab es die Mei- nung, dass das Arbeiten an einem Objekt einem selbst die Erkenntnis vermittelt, dass man Subjekt ist. Diesbezüglich ergibt sich die Problematik der Fremdbe- stimmung, sei es in der Quantität oder der Qualität. Unter Kontrolle hat sich und sein eigenes Schaffen letztendlich nicht das Individuum, sondern beispielsweise der Arbeitgeber, der die Vorgaben macht.
Das Individuum erfährt in der Erwerbsarbeit zwar eine Fremdbestimmung, kann aber auch seine eigenen Fähigkeiten mit denen anderer messen. Dieser letzte Faktor hat sehr viel Selbstverständnis zur Folge. Ein weiterer Punkt ist, dass nicht nur das Individuum selbst einen direkten Vergleich mit anderen durchführt, sondern dass die Fähigkeiten auch von anderen beurteilt werden. Das ist bekannt und hat Einfluss auf das Verhalten und die Art des Menschen. Durch diese Faktoren erlangt das Individuum Selbstwertgefühl durch die Arbeit.61 Mit diesem Punkt wird sich aber an anderer Stelle noch ausführlich beschäftigt.
[...]
1 Ford, H., Online verfügbar: http://kalender-365.de/sms-sprueche/arbeit.php 5
2 Die Relevanz der Thematik kann man auch anhand der Statistiken zu den Erwerbspersonen und der Arbeitslosenquote sehen (siehe hierfür Anhang), an denen man die hohe Zahl der Erwerbslo- sen erkennen kann. Zwar scheint die Arbeitslosenquote zu sinken, doch ergibt sich bei der Arbeits- losenquote die Problematik der Manipulierbarkeit. Man kann sehen, dass diese je nach Definition der Arbeitslosenzahlen und der Erwerbspersonen stark differiert (vgl. Pickartz, E. (2009), Warum eigentlich gibt es so viele verschiedene Arbeitslosenquoten für Deutschland?, in: Wirtschaftswo- che (2009), Hrsg., Überarbeitet von Losse, B. (2009), S.35 (12.1.2009)). Eine genaue Auseinan- dersetzung mit dieser Problematik ist aber im Rahmen dieser Arbeit für das Verständnis nicht notwendig.
3 Mikl-Horke, G., Industrie- und Arbeitssoziologie, 5. Auflage, München, 2000, Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, S.1
4 Ebd.
5 Ebd.
6 Tatschmurat, C. (1980), Arbeit und Identität, Zum Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen und weiblicher Identitätsfindung, Frankfurt/Main, 1980, Campus Verlag GmbH, S.52
7 Mikl-Horke, a.a.O., S.1
8 Nach Fetscher, I. (1984), Entfremdung und Partizipation, in: Niess, F. (1984), Hrsg., Leben wir, um zu arbeiten? Die Arbeitswelt im Umbruch, Köln, 1984, Bund-Verlag GmbH, S.46
9 Ebd.
10 Nach Ebd.
11 Nach Mikl-Horke, a.a.O., S.2
12 Vgl. Ebd.
13 Nach Mikl-Horke, a.a.O., S.2 f.
14 Vgl. Atteslander, P., Von der Arbeits- zur Tätigkeitsgesellschaft, in: Niess, F. (1984), Hrsg., Le- ben wir, um zu arbeiten? Die Arbeitswelt im Umbruch, Köln, 1984, Bund-Verlag GmbH, S.125
15 Vgl. Mikl-Horke, a.a.O., S.6 f.
16 Vgl. Kronauer, M. u.a., Im Schatten der Arbeitsgesellschaft. Arbeitslose und die Dynamik sozialer Ausgrenzung, Frankfurt/Main, 1993, Campus Verlag GmbH, S. 26 und S. 37
17 Jahoda, M. (1995), Wieviel Arbeit braucht der Mensch? Arbeit und Arbeitslosigkeit im 20. Jahrhundert, Reprint, Neu herausgegeben und eingeleitet von Dieter Frey, Weinheim, 1995, Psychologie Verlags Union, S.25 f.
18 Vgl. Mikl-Horke, a.a.O., S.6
19 Vgl. Ebd.
20 Vgl. Mikl-Horke, a.a.O., S.7
21 Ebd.
22 Mikl-Horke, a.a.O., S.8
23 Vgl. Mikl-Horke, a.a.O., S.4
24 Vgl. Kronauer, a.a.O., S.32
25 1932, 1500 Einwohner, Untersuchung der Auswirkungen auf Langzeitarbeitslose (Vgl. Jahoda, M., in: Fleck, C. (1994), Hrsg., Sozialpsychologie der Politik und Kultur, Ausgewählte Schriften, In: Graz, Verlag Nausner & Nausner, S.261 f.)
26 Vgl. Jahoda (1995), a.a.O., S. 136
27 Vgl. Jahoda, M. (1984), Braucht der Mensch Arbeit? in: Niess, F. (1984), Hrsg., Leben wir, um zu arbeiten? Die Arbeitswelt im Umbruch, Köln, 1984, Bund-Verlag GmbH, S.13
28 Vgl. Jahoda (1984), a.a.O., S.12
29 Vgl. Jahoda (1995), a.a.O., S. 11
30 Vgl. Kronauer, a.a.O., S.36
31 Vgl. Jahoda (1995), a.a.O., S. 73
32 Beispielsweise Pym(1975), Haraszti (1977), Palm (1977), Linhart (1976), Pfeffer (1979), Kornhauser (1965) (In: Jahoda (1995), a.a.O., S.73 f.)
33 Vgl. Jahoda (1995), a.a.O., S. 71
34 Vgl. Jahoda (1995), a.a.O., S. 11
35 Vgl. Jahoda (1995), a.a.O., S. 47 f.
36 Vgl. Jahoda (1984), a.a.O., S.15
37 Vgl. Jahoda (1994), a.a.O., S.288
38 Nach Fetscher, a.a.O., S.53
39 Nach Ebd.
40 Vgl. Opaschowski, H. W., Arbeit, Freizeit, Lebenssinn? Orientierungen für eine Zukunft, die längst begonnen hat, Leverkusen, 1993, Leske Verlag + Budrich GmbH, S.51
41 Ebd.
42 Kronauer, a.a.O., S.37
43 Opaschowski, a.a.O., S.51
44 Opaschowski, a.a.O., S.58
45 Opaschowski, a.a.O., S.51
46 Vgl. Opaschowski, a.a.O., S.51 f.
47 Opaschowski, a.a.O., S.52
48 Ebd.
49 Opaschowski, a.a.O., S.53
50 Vgl. Ebd.
51 Jahoda (1995), a.a.O., S.50
52 Vgl. Jahoda (1984), a.a.O., S.12
53 Vgl. Jahoda (1995), a.a.O., S.9
54 Vgl. Jahoda (1995), a.a.O., S.50
55 Vgl. Jahoda (1995), a.a.O., S.51
56 Sennett, R., Respekt im Zeitalter der Ungleichheit, Berlin, 2002, Berlin Verlag, ein Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, S.230
57 Vgl. Kronauer, a.a.O., S.31
58 Vgl. Jahoda (1995), a.a.O., S.71
59 Vgl. Jahoda (1995), a.a.O., S.88
60 Vgl. Jahoda (1995), a.a.O., S.102
61 Vgl Kronauer, a.a.O., S.30 f.
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