Nozick bemüht sich in seinem Werk „Anarchie, Staat, Utopia“ um eine Theorie der gerechtfertigten Aneignung, die einen Gegenentwurf zu den Gerechtigkeitsgrundsätzen Rawls darstellen sollen. In diesem Essay soll, nach einer kurzen Darstellung Nozicks Aneignungstheorie, und der in ihr enthaltenen Schwachstellen, noch kurz einige seiner Kritiken an Rawls bewertet werden.
Aufgabe:
Theorie der Aneignung (232-242)
Stellen Sie Nozicks Theorie der Aneignung dar und nehmen Sie kritisch dazu Stellung.
Natürliche Gaben und Willkürlichkeit (282-300).
Formulieren Sie in eigenen Worten zwei Einwände von Nozick gegen Rawls These, dass Besitzunterschiede, die von natürlichen Unterschieden herrühren, ungerecht sind und diskutieren Sie sie.
Nozicks Theorie der Aneignung
Nozick bemüht sich in seinem Werk „Anarchie, Staat, Utopia“ um eine Theorie der gerecht-fertigten Aneignung, die einen Gegenentwurf zu den Gerechtigkeitsgrundsätzen Rawls dar-stellen sollen. In diesem Essay soll, nach einer kurzen Darstellung Nozicks Aneignungs-theorie, und der in ihr enthaltenen Schwachstellen, noch kurz einige seiner Kritiken an Rawls bewertet werden.
Nozick beginnt mit einer Aussage Lockes, nach der ein Anspruch auf einen, sich bisher in niemandes Eigentum befindenden, Gegenstand (oder Grundstück u. ä.), durch Arbeit erwor-ben werden kann. Wie genau dieser Vorgang abläuft und worauf er sich bezieht, wirft für Nozick viele Fragen auf, die von ihm jedoch nicht beantwortet werden.[1]
Nozick erkennt das Problem, dass durch das Aneignen eines Gegenstandes oder ähnlichem, sich die Lage aller anderen Menschen, die sich nun dieses Etwas nicht mehr selbst aneignen können, verschlechtert. Daher ist eine Bedingung nötig, die die Aneignung von Gütern ein-schränkt. Hier zitiert Nozick die Lockesche Bedingung, nach der „genug und gleich Gutes [für andere] im Nichteigentum verbleiben muss“ (Nozick, R. (2006), 234).[2] Allerdings er-kennt er auch, dass diese Bedingung in vielen Fällen nicht erfüllbar ist (immer, wenn jemand durch eine Aneignung geschädigt werden könnte). Man kann sich eine Gruppe Menschen vorstellen, die sich in einem nahe gelegenen Wald mit 100 Bäumen jeweils einen Baum (als Feuerholzlieferant) aneignen. Sollten sich nun mehr als 100 Menschen in der Gruppe befin-den, würden sich einige keinen eigenen Baum aneignen können, weil die Anderen nicht genug übriggelassen haben. Durch die Person, die an dem letzten Baum ihren Besitzanspruch kennt-lich gemacht hat, wurde allen, die bisher leer ausgegangen sind, die Möglichkeit genommen, einen Baum zu besitzen. Sie ließ also nicht genug Bäume in Nichteigentum, schädigt die An-deren damit und dürfte sich daher eigentlich keinen aneignen. Aber dadurch, dass die 99. Per-son ihren Baum besitzt, befindet sich die Hundertste in der Situation, keinen Baum mehr für die Anderen übriglassen zu können. Also war Lockes Bedingung bereits zu diesem Augen-blick nicht mehr erfüllt. Wenn man diese Argumentation weiter führt, lässt sich schnell er-kennen, dass sich dieses Problem bis zu der ersten Aneignung durchzieht und sich eigentlich niemand etwas aneignen darf.
Um dieses Problem zu lösen, unterscheidet Nozick zwei Möglichkeiten der Schädigung. Zunächst, wenn eine andere Person ihre Lage nicht durch eine Aneignung verbessern kann. Und als zweites, wenn jemand einen Gegenstand oder ähnliches nicht mehr nutzen kann. Würden beide Möglichkeit ausreichen, um gegen die Lockesche Bedingung zu verstoßen, wären wir bei dem im vorherigen Absatz beschriebenen Problem. Schließt man aber, und das ist ab nun auch Nozicks Grundsatz, nur die erste aus, darf man Aneignungen durchführen, solange andere den Gegenstand oder Gleichwertiges nutzen dürfen. Aber auch diese Be-dingung kann umgangen werden, indem man die Anderen soweit entschädigt, dass ihnen die Aneignung keinen Schaden zufügt.[3]
Es gibt aber auch noch eine weitere Schwierigkeit, die mit dem auf diese Weise formulierten Grundsatz zusammenhängt. Zum Beispiel wirft Nozick die Frage auf, ob ein System, das dauerhaften Besitz (über Generationen hinweg) erlaubt, und dessen Begründung ist ja das Ziel von Nozicks und Lockes Grundsätzen, nicht generell die Situation der anderen verschlechtert. Als Antwort darauf zählt Nozick nur die vielen Vorteile auf, die ein System bietet, das Privat-besitz erlaubt,[4] und fügt einige weitere Bedingungen an, wie z.B. dass niemand den gesamten Bestand eines lebenswichtigen Gutes besitzen (und auch nicht erwerben) darf, oder wenn er durch irgend ein Ereignis zu so einer monopolistischen Stellung kommt, mit dem Gut nicht alles machen darf was er will (z.B. zu überhöhten Preisen verkaufen etc.).[5]
Ich denke, dass solche Bedingungen nicht weit genug gehen. Man kann sich z.B. einen Zustand vorstellen, indem eine größere Gruppe von Menschen ein Stück Land vollständig unter sich aufteilt und jeder für sich bearbeitet (wir nehmen an, dass die Gebiete um dieses Areal herum von feindlichen Völkern bewohnt werden, so dass keine Ausweichmöglichkeit besteht). Da jeder ausreichend Land erhalten hat, sind die beschriebenen Grundsätze erfüllt. Sollte nun jedoch durch einen Erdrutsch, Meteoriteneinschlag oder ein anderes unvorherge-sehenes Ereignis eines der Landstücke vollständig unbrauchbar geworden sein, dann hätte der unglückliche Besitzer keine Möglichkeit mehr, sich freies Land anzueignen, um seinen Le-bensunterhalt darauf zu bestreiten. Er ist also durch die erste Aneignungsrunde geschädigt worden, wenn auch nicht zu jenem Zeitpunkt. Er müsste nun eigentlich entschädigt werden, entweder durch eine Art Sozialhilfe oder durch eine Korrektur der ursprünglichen Aneignun-gen. Aber wie mir scheint, würde das überhaupt nicht in Nozicks Interesse liegen, denn es ist ja gerade sein Anliegen, Grundsätze zu entwickeln, die, wenn sie einmal gerecht waren, auch gerecht bleiben.[6]
[...]
[1] Siehe Nozick, R. (2006): 232-233
[2] Siehe ebd. 233-234
[3] Siehe ebd. 235
[4] Siehe ebd. 235-236
[5] Siehe ebd. 237-241
[6] Siehe ebd. 234
- Quote paper
- Jan Hoppe (Author), 2008, Nozicks Theorie der Aneignung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/176223