«[...] le Français ne peut être tenu de connaître les lois des diverses nations [...]; [qu'] il suffit alors, pour la validité du contrat, que le Français ait traité sans légèreté, sans imprudence et avec bonne foi.»
Diese Kernaussage stammt aus der Entscheidung „Lizardi“ der Cour de cassation im Jahre 1861. Die Cour urteilte, dass ein Pariser Juwelier für die Wirksamkeit eines Vertrages nicht die Rechte verschiedenen Länder kennen müsse. Der Juwelier hatte dem 23 jährigen Mexikaner „Lizardi“ Schmuck im Wert von FF 80.000 verkauft und wusste nicht, dass Lizardi nach seinem Heimatrecht keine Geschäftsfähigkeit besaß, diese jedoch nach französischem Recht bestand. Dieses Urteil gilt als der Grundstein aller die Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit betreffenden, den anderen Vertragsteil schützenden, Verkehrsschutznormen.
Mit der am 17. Juni 2008 verabschiedeten Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO), welche am 17. Dezember 2009 in Kraft tritt
(Art. 29 Rom I-VO), hat in Art. 13 eine vergleichbare Norm den Einzug auf Gemeinschaftsrechtsebene erhalten. Dort gilt sie als „in der Praxis bewährt“, mit Verweis auf die Übernahme der Norm aus dem Römischen EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19.06.1980. Die nahezu unveränderte Übernahme des Art. 11 EVÜ in eine Verordnung der Europäischen Gemeinschaften, kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass vergleichbare, den Verkehr schützende Normen in der Vergangenheit und ebenso im aktuellen Schrifttum in Hinblick auf Zweck, Anwendungsbereich und Folgen höchst kritisch und ebenso unterschiedlich beurteilt wurden und werden.
Diese Arbeit soll in einem ersten Teil die ratio legis von
Art. 13 Rom I-VO herausarbeiten. Im zweiten Teil sollen die Erkenntnisse für die Auslegung von Art. 13 Rom I-VO verwendet werden, wobei gesondert auf die Ausdehnung des Artikels auf verschiedene Fallgruppen eingegangen werden soll. In einem letzten Teil soll Art. 13 Rom I-VO als Gemeinschaftsrechtsinstrument kritisch bewertet werden, wobei die zukünftige Relevanz der Norm im Vordergrund stehen soll.
Gliederung
A. Einleitung
B. Zur ratio legis von Art. 13 Rom I-VO
I. Der Grundfall
II. Auslegung von Verordnungen
1. Einleitung
2. Auslegungskompetenz des EuGH
3. Auslegungsmethoden des EuGH
III. Zu Artikel 13 Rom I-VO
1. Rechtsvergleich
a. Frankreich
b. Deutschland
c. Benelux-Entwürfe
d. Großbritannien
e. Zusammenfassung
2. Ratio legis und Allseitigkeit
3. Ratio legis und Vertrauensschutz
4. Ratio legis und Verkehrssicherheit
5. Interesse des nicht (voll) Geschäftsfähigen
IV. Zwischenergebnis
C. Zur Anwendung von Art. 13 Rom I-VO
I. Persönlicher Anwendungsbereich
1. Partei mit beschränkter Geschäftsfähigkeit
a. Natürlicher Personen
b. Juristische Personen
2. Der andere Vertragsteil
II. Sachlicher Anwendungsbereich
1. Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit
a. Rechtsfähigkeit
b. Geschäftsfähigkeit
aa. Qualifikation
bb. Einzelfragen
aaa. Teilgeschäftsfähigkeiten
bbb. Entmündigung und Betreuung
ccc. Eherechtliche Beschränkungen
ddd. Mängel d. gesetzli Vertretungsmacht
eee. Mängel der rechtsgesch. Vertretungsmacht
c. Handlungsfähigkeit
2. Vertrag
III. Voraussetzungen des Verkehrsschutz
1. Anwesenheit im selben Staat
a. Anwesenheit
b. Zeitpunkt
2. Spezielle Normenkollision
3. Subjektives Element
a. Einzelfälle
b. Irrtümer
IV. Rechtsfolge
D. Fazit
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