Das Abstrakte und das Konkrete, das Politische und das Unpolitische. Wenn es um die Art und Weise geht, wie wir die Wahrheit erfassen und die Mechanismen dieses Erfassens unserer stets komplexer werdenden Lebenswirklichkeit anpassen, so begeben wir uns auf ein kritisches Terrain. Die Grenze zwischen dem Politischen und dem Unpolitischen sind nicht klar abgesteckt und vielfach kommt es zu einer Überlappung, die ihrerseits wieder problematische Folgen für das gesamtgesellschaftliche Gefüge haben kann. Die Logik hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Nebel des Nichtwissens kontinuierlich aus unserem Alltag zu entfernen. Bei diesem Prozess ist es schlicht unvermeidlich, dass sie sich mit dem Vorwurf, selbst Teil der politischen Sphäre zu werden, konfrontiert sieht. Um dies zu verstehen, müssen wir in der Geschichte der Logik zurückgehen, bis zu ihren Anfängen bei Platon und Aristoteles. Mit Hilfe logischer Operationen wollten die Philosophen –ausgehend von wenigen und leicht zu verstehenden Zusammenhängen- ein Werkzeug schaffen, das es jedem Menschen prinzipiell ermöglichen sollte, den Bereich des Bekannten auszudehnen, sowie die Ausdehnung des Wissensbereiches durch andere, jederzeit nachvollziehen zu können. Da sich aber von Beginn an diese Wissensvermehrung niemals im politikfreien Raum bewegt hat und auch heute noch bewegt, stellt sich die Frage, inwieweit das Werkzeug der Wissensgewinnung –die Logik- selbst zwangsläufig zum Politikum werden muss. Der deutsche Philosoph Herbert Marcuse geht in seinem Werk „Der eindimensionale Mensch“ diesem Verdacht nach und konzentriert sich in seiner Kritik insbesondere auf die von Aristoteles konzipierte, formale Logik. Inwieweit dieser Verdacht und die von Marcuse vorgebrachte Kritik tatsächlich gerechtfertigt bzw. in sich stimmig ist, soll nun näher untersucht werden.
Die Logik und das Politische - Die Stichhaltigkeit von Marcuses Kritik an der formalen Logik des Aristoteles
I. Wissen ohne Politik? – Das Verhältnis von Logik und Politik
Das Abstrakte und das Konkrete, das Politische und das Unpolitische. Wenn es um die Art und Weise geht, wie wir die Wahrheit erfassen und die Mechanismen dieses Erfassens unserer stets komplexer werdenden Lebenswirklichkeit anpassen, so begeben wir uns auf ein kritisches Terrain. Die Grenze zwischen dem Politischen und dem Unpolitischen sind nicht klar abgesteckt und vielfach kommt es zu einer Überlappung, die ihrerseits wieder problematische Folgen für das gesamtgesellschaftliche Gefüge haben kann. Die Logik hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Nebel des Nichtwissens kontinuierlich aus unserem Alltag zu entfernen. Bei diesem Prozess ist es schlicht unvermeidlich, dass sie sich mit dem Vorwurf, selbst Teil der politischen Sphäre zu werden, konfrontiert sieht. Um dies zu verstehen, müssen wir in der Geschichte der Logik zurückgehen, bis zu ihren Anfängen bei Platon und Aristoteles. Mit Hilfe logischer Operationen wollten die Philosophen –ausgehend von wenigen und leicht zu verstehenden Zusammenhängen- ein Werkzeug schaffen, das es jedem Menschen prinzipiell ermöglichen sollte, den Bereich des Bekannten auszudehnen, sowie die Ausdehnung des Wissensbereiches durch andere, jederzeit nachvollziehen zu können. Da sich aber von Beginn an diese Wissensvermehrung niemals im politikfreien Raum bewegt hat und auch heute noch bewegt, stellt sich die Frage, inwieweit das Werkzeug der Wissensgewinnung –die Logik- selbst zwangsläufig zum Politikum werden muss. Der deutsche Philosoph Herbert Marcuse geht in seinem Werk „Der eindimensionale Mensch“ diesem Verdacht nach und konzentriert sich in seiner Kritik insbesondere auf die von Aristoteles konzipierte, formale Logik. Inwieweit dieser Verdacht und die von Marcuse vorgebrachte Kritik tatsächlich gerechtfertigt bzw. in sich stimmig ist, soll nun näher untersucht werden.
In der folgenden Arbeit soll zunächst der genaue Charakter der Kritik Marcuses am Konzept der formalen Logik im Sinne des Aristoteles beleuchtet werden. Anschließend wird der Aufbau und die grundlegende Funktionsweise des so kritisierten Modells näher betrachtet, um eine abschließende Gegenüberstellung aus System und Kritik möglich zu machen.
II. Literaturbericht
Bei der verwendeten Literatur beschränkt sich der Autor auf die beiden Primärtexte zur Thematik, d.h. „Der eindimensionale Mensch“ (DEM) von Herbert Marcuse, sowie „Lehre vom Schluss oder Erste Analytik“ (LVS) von Aristoteles.
III. Aufbau und Inhalt der Kritik Marcuses
III.1. Der Begriff der Logik nach Marcuse und ihre Rolle in unserem Alltag
Bereits zu Beginn des 5. Kapitels, welches die bezeichnende Überschrift „Negatives Denken: die besiegte Logik des Protests“ trägt, bringt Herbert Marcuse klar zum Ausdruck, worum es ihm im weiteren Verlauf seiner Ausführungen geht, nämlich denjenigen Prozess aufzudecken, „wodurch [die] Logik zur Logik der Herrschaft wurde“.[1] Um zu verstehen, worin die besondere Brisanz dieses Umformungsprozesses der Logik und diese betreffende Nebenschauplätze liegt, ist es zunächst wichtig zu verstehen, welche Stellung der Philosoph jener in der Realität tatsächlich beimisst und welche Definition des vielschichtigen Begriffs „Logik“ er uns anbietet.
Die Konzeption der Logik, der wir in „Der eindimensionale Mensch“ begegnen, sowie die anschließende Kritik derselben, darf keinesfalls als „Sonderdisziplin der Philosophie“ verstanden werden, sondern muss vielmehr als „Denkweise aufgefasst werden, die geeignet ist, das Wirkliche als vernünftig zu begreifen“, so der Autor.[2] Wir bewegen uns also bei der Analyse der Logik auf dem schmalen Grat, welcher die objektive Außenwelt von der subjektiv wahrgenommenen Realität trennt und damit gleichzeitig die Wirklichkeit bildet, in der sich unser Alltag abspielt. Die Gleichung: Vernunft = Wahrheit = Wirklichkeit, veranschaulicht jenen kritischen Übergang, in dem der menschlichen Vernunft eine tragende Rolle zukommt.[3] Die Logik fungiert in unserer Welt dabei als Werkzeug der Vernunft, welche uns ihrerseits die Definition der Wahrheit vorgibt. Der letzte Schritt vollzieht sich, indem der Mensch auf Basis der als objektiv richtig erkannten Aspekte der wahrnehmbaren Welt schließlich seine Wirklichkeit erschafft. Diese Kette kausaler Zusammenhänge, mit ihren für Marcuse untrennbaren Gliedern wird so einerseits zum Ausgangpunkt für die sich anschließende Kritik, bildet jedoch zugleich auch deren Kern. In der folgenden Grafik sollen diese Relationen verdeutlicht werden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Grafik: Eigene Darstellung
III.2. Unstimmigkeiten und Paradoxa in der Realität als Fundament der Kritik Marcuses
Nachdem im vorherigen Abschnitt das Verhältnis von Logik, Vernunft und Wirklichkeit entsprechend der Konzeption Marcuses analysiert wurde, soll nun die Frage im Mittelpunkt stehen, was denn dieser konkret am eindimensionalen Denken kritisiert, d.h. wir wollen die Auswirkungen untersuchen, die der Philosoph als Ergebnis dieses Denkens betrachtet.
Charakteristisch für die Fehlentwicklung, an deren Ende das „totalitäre Ganze technologischer Rationalität“ steht, ist ein Paradoxon. Dieses lässt auf besonders typische Art und Weise die strukturelle Problematik der fortgeschrittene Industriegesellschaft ersichtlich werden, nämlich durch die offenbar ganz und gar kontraintuitive „[…] Harmonie von Freiheit und Unterdrückung, Produktivität und Zerstörung, Wachstum und Regression […]“.[4] Akzeptiert man die von Marcuse erkannte Umformung der Logik in die Logik der Herrschaft, lässt sich dieser scheinbare Widerspruch sehr wohl begreifen.[5] Verständlich wird dieser Zusammenhang durch die Analyse zweier speziellerer Probleme in unserer Gesellschaft, nämlich der Frage nach der Schaffung echter Gleichheit und eng damit einhergehend der Erlangung tatsächlicher Freiheit für das Individuum. Denn „wenn Wahrheit Freiheit von harter Arbeit voraussetzt und wenn diese Freiheit in der gesellschaftlichen Realität das Vorrecht einer Minderheit ist, dann gestattet die Realität eine solche Wahrheit nur annähernd und nur einer privilegierten Gruppe.“[6] Die Suche nach echter Wahrheit müsse folglich an der Realität unseres Arbeitsalltages scheitern, so die Kernaussage des Philosophen. Ohne die Teilhabe jedes Gesellschaftsmitglieds an dieser Wahrheit sei aber auch die Gleichheit der Menschen nicht zu erreichen.[7] Die „Philosophie [wiederum] faßt die Gleichheit der Menschen ins Auge, unterwirft sich aber zur selben Zeit der faktischen Verweigerung der Gleichheit[…].“[8] Verantwortlich dafür macht Herbert Marcuse die Tatsache, dass bisher kein Mechanismus gefunden worden ist, der eine der Wahrheitserlangung eines jeden Einzelnen zuträgliche Verteilung der Arbeit ermöglicht.[9] Auch wenn er einschränkend eingesteht, dass es durchaus oberflächliche Brüche in dem Kontinuum gibt, welches unserer Art und Weise, die Gesellschaft und die Natur „[…] zu erfassen, zu organisieren und zu verändern“ zugrunde liegt, so ist er doch überzeugt davon nachweisen zu können, dass alle diese Entwicklungen von einer fundamentalen Fehlkonstruktion im Erfassen der Wahrheit mit Hilfe der Logik ausgehen.
[...]
[1] vgl.: DEM, S. 139
[2] vgl.: DEM, S. 139
[3] ebda.
[4] vgl.: DEM, S. 140
[5] ebda.
[6] ebda.
[7] vgl.: DEM, S. 145
[8] ebda.
[9] ebda.
- Quote paper
- Johannes Stockerl (Author), 2011, Die Logik und das Politische - Die Stichhaltigkeit von Marcuses Kritik an der formalen Logik des Aristoteles, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/176000
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