[...] Diese Arbeit überprüft die gesetzgeberischen Bemühungen zur Regelung von
Einkaufskooperationen im deutschen Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen aus
ökonomischer Sicht. Sie beantwortet die Frage, ob es dem Gesetzgeber gelungen ist, die
positiven Wirkungen von Einkaufskooperationen zu fördern und gleichzeitig die
negativen Effekte zu unterbinden. Auf rechtspolitische Fragen geht sie dabei nur im
Ansatz ein. Das zweite Kapitel der Arbeit stellt zu diesem Zweck zunächst dar, was eine
Einkaufskooperation is t, welche Typen es gibt, welche Bedeutung sie haben und auf
welchem theoretischen Hintergrund diese zu beurteilen sind. Insbesondere entwickelt
dieses Kapitel einen Katalog von Beurteilungskriterien, anhand derer die Wirkung von
Einkaufskooperationen und auch die rechtlichen Normen zu beurteilen sind.
Das dritte Kapitel erörtert differenziert die ökonomische Wirkung von
Einkaufskooperationen jenseits der rechtlichen Normen des GWB und arbeitet die
positiven und negativen Folgen auf den Wettbewerb, aber auch Auswirkungen
allgemein volkswirtschaftlicher Art heraus.
Das vierte Kapitel erläutert das Regelwerk, dem der Gesetzgeber
Einkaufskooperationen unterworfen hat. Der Schwerpunkt liegt auf dem § 4(2) GWB,
der die Freistellung von Einkaufskooperationen im deutschen Recht regelt. Da auch das
europäische Recht auf inländische Einkaufskooperationen anwendbar ist, geht die
Arbeit ebenso auf das europäische Recht der Einkaufskooperationen ein.
Das fünfte Kapitel arbeitet heraus, wie die Regelungen des GWB aus ökonomischer
Sicht zu beurteilen sind : Sind diese in der Lage die ökonomisch positive Wirkung von
Einkaufskooperationen herauszustellen und gleichzeitig die negativen Effekte
auszuschließen? Besonders die Auswirkungen auf die in Kapitel zwei aufgestellten
Beurteilungskriterien werden überprüft.
Das sechste Kapitel fasst die Ergebnisse der Arbeit thesenartig zusammen.
Inhalt
1. Einführung
2. Theoretischer Rahmen
2.1 Definition und Abgrenzung des Begriffs Einkaufskooperation
2.2 Erscheinungsformen und Bedeutung von Einkaufskooperationen
2.3 Wettbewerbstheoretischer Hintergrund
3. Die ökonomische Wirkung von Einkaufskooperationen
3.1 Auswirkungen auf den Austauschprozess
3.1.1 Auswirkungen in Käufermärkten
3.1.1.1 Wirkung von Verhandlungs- und Bestellgemeinschaften
3.1.1.2 Wirkung von Marktinformationsgemeinschaften
3.1.2 Auswirkungen in Verkäufermärkten
3.1.3 Auswirkung auf die Wettbewerbsfunktionen im Austauschprozess
3.1.4 Fazit der Wirkung auf den Austauschprozess
3.2 Auswirkungen auf den Wettbewerbsprozess
3.2.1 Auswirkungen auf den Nachfragewettbewerb
3.2.2 Auswirkungen auf den Angebotswettbewerb
3.2.3 Auswirkungen auf die Wettbewerbsfunktionen im Wettbewerbsprozess
3.2.4 Fazit der Auswirkung auf den Wettbewerbsprozess
3.3 Auswirkungen auf den Verbraucher
3.4 Fazit der ökonomischen Wirkung von Einkaufskooperationen
4. Einkaufskooperationen und Kartellrecht
4.1 Einkaufskooperationen im deutschen Kartellrecht
4.1.1 Die Anwendung des § 1 als Tatbestandsmerkmal
4.1.2 Vereinbarungen und Beschlüsse zum gemeinsamen Einkauf von Waren als Tatbestandsmerkmal
4.1.3 Gewerbliche Leistungen als Tatbestandsmerkmal
4.1.4 Der Bezugszwang als Tatbestandsmerkmal
4.1.5 Die Wettbewerbsbeschränkung als Tatbestandsmerkmal
4.1.6 Die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit als Tatbestandsmerkmal
4.1.7 Kleine und mittelständische Unternehmen als Tatbestandsmerkmal
4.1.8 Freistellung und Kontrolle durch andere Normen
4.2 Einkaufskooperationen im Europäischen Kartellrecht
4.2.1 Die Anwendung von Art. 81
4.2.2 Die Anwendung von Leitlinien
4.3 Aktuelle Gesetzesvorhaben
4.4 Abschließende Bemerkungen
5. Die ökonomische Würdigung der kartellrechtlichen Normen
5.1 Die Grundsatzdiskussion über die Freistellung von Einkaufskooperationen
5.2 Die Beurteilung des Regelwerks auf den Austauschprozess
5.3 Die Beurteilung des Regelwerks auf den Wettbewerbsprozess
5.4 Die Beurteilung des Regelwerks auf den Konsumenten
6. Fazit
Literatur- und Quellenverzeichnis
Ehrenwörtliche Erklärung
Anhang
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Typisierung von Einkaufskooperationen (Quelle: Eigene Darstellung)
Abbildung 2: Untersuchungsgegenstand der Arbeit (Quelle: Eigene Darstellung)
Abbildung 3: Verhaltensspielraums von Einkaufskooperationen
(Quelle: Eigene Darstellung)
1. Einführung
Kooperation und Wettbewerb scheinen zunächst zwei Begriffe zu sein, die nicht miteinander harmonieren. Kooperation als koordiniertes Verhalten von Marktteilnehmern in einem Wettbewerb, den der Gesetzgeber als das unabhängige Streben selbständiger Unternehmen nach Geschäftsabschluss mit Dritten versteht, sind aber nur auf den ersten Blick ein konträres Begriffspaar.
Ihre ökonomische Wirkung ist ambivalent. Einerseits sichern, fördern oder ermöglichen sie den Wettbewerb überhaupt und führen zu marktwirtschaftlich wünschenswerten Effekten, andererseits können sie auch weitreichende wettbewerbsbeschränkende Wirkungen entfalten.
Vor Hintergrund der Situation im Handel stellte der Gesetzgeber mit der 5. GWB-Novelle eine besondere Form der Kooperation - die Einkaufskooperation - vom Kartellverbot frei. Er erlaubt unter bestimmten Bedingungen die Kooperation von Unternehmen zur gemeinsamen Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen, um den Erhalt kleiner und mittelständischer Unternehmen im Markt zu sichern.
Die Folge war eine kontrovers geführte Diskussion über den Charakter und die Wirkung dieser Freistellung. Die auf wettbewerbstheoretischer, allgemein wirtschafts-, wettbewerbs-, und rechtspolitischer Ebene geführte Debatte brachte bis heute noch kein eindeutiges und allgemeingültiges Ergebnis hervor, ob die Sonderstellung von Einkaufskooperationen im Wettbewerb positiv oder negativ zu beurteilen ist. Ebenso wenig beantwortet ist die Frage, ob dem Gesetzgeber die Umsetzung der Freistellung in ein konkretes Regelwerk, dem § 4(2) GWB, gelungen ist. Neuen Anstoß bekommt die Diskussion mit der 7. GWB-Novelle, die im Mai 2004 in Kraft treten soll. Im Rahmen dieser sollen die kasuistischen Ausnahmetatbestände, somit auch die Freistellung der Einkaufskooperation, durch eine dem europäischen Recht ähnliche, Generalausnahmeklausel ersetzt werden.
Diese Arbeit überprüft die gesetzgeberischen Bemühungen zur Regelung von Einkaufskooperationen im deutschen Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen aus ökonomischer Sicht. Sie beantwortet die Frage, ob es dem Gesetzgeber gelungen ist, die positiven Wirkungen von Einkaufskooperationen zu fördern und gleichzeitig die negativen Effekte zu unterbinden. Auf rechtspolitische Fragen geht sie dabei nur im Ansatz ein.
Das zweite Kapitel der Arbeit stellt zu diesem Zweck zunächst dar, was eine Einkaufskooperation ist, welche Typen es gibt, welche Bedeutung sie haben und auf welchem theoretischen Hintergrund diese zu beurteilen sind. Insbesondere entwickelt dieses Kapitel einen Katalog von Beurteilungskriterien, anhand derer die Wirkung von Einkaufskooperationen und auch die rechtlichen Normen zu beurteilen sind.
Das dritte Kapitel erörtert differenziert die ökonomische Wirkung von Einkaufskooperationen jenseits der rechtlichen Normen des GWB und arbeitet die positiven und negativen Folgen auf den Wettbewerb, aber auch Auswirkungen allgemein volkswirtschaftlicher Art heraus.
Das vierte Kapitel erläutert das Regelwerk, dem der Gesetzgeber Einkaufskooperationen unterworfen hat. Der Schwerpunkt liegt auf dem § 4(2) GWB, der die Freistellung von Einkaufskooperationen im deutschen Recht regelt. Da auch das europäische Recht auf inländische Einkaufskooperationen anwendbar ist, geht die Arbeit ebenso auf das europäische Recht der Einkaufskooperationen ein.
Das fünfte Kapitel arbeitet heraus, wie die Regelungen des GWB aus ökonomischer Sicht zu beurteilen sind: Sind diese in der Lage die ökonomisch positive Wirkung von Einkaufskooperationen herauszustellen und gleichzeitig die negativen Effekte auszuschließen? Besonders die Auswirkungen auf die in Kapitel zwei aufgestellten Beurteilungskriterien werden überprüft.
Das sechste Kapitel fasst die Ergebnisse der Arbeit thesenartig zusammen.
2. Theoretischer Rahmen
Dieser Teil erläutert den grundlegenden theoretischen Rahmen der Arbeit. Dazu definiert er den Begriff Einkaufskooperation, erläutert verschiedene Typen von Einkaufskooperationen und deren Bedeutung in der Wirtschaft und erörtert den wettbewerbstheoretischen Hintergrund der ökonomischen Analyse.
2.1 Definition und Abgrenzung des Begriffs Einkaufskooperation
Der Begriff der Einkaufskooperation[1] ist kein eigenständiger Rechtsbegriff im deutschen Kartellrecht. Deshalb definiert es diesen auch nicht.[2] Jedoch benötigt diese Arbeit eine klare Definition.
Die Literatur definiert Einkaufskooperationen überwiegend einheitlich und nur mit geringen Unterschieden: Eine Einkaufskooperation ist eine Zusammenarbeit von zwei oder mehr, auf der gleichen Stufe einer Wertschöpfungskette tätigen Unternehmen, die bewusst und freiwillig vollkommen oder partiell auf die selbständige Ausübung ihrer Einkaufstätigkeit verzichten. Diese wird in einer gemeinschaftlich getragenen Gesellschaft durchgeführt. Gemeinsamer Zweck dieser Kooperation ist die Steigerung der Effizienz in der Güterbeschaffung.[3]
Zur Abgrenzung gegenüber anderen, den Einkaufskooperationen sehr ähnlichen Kooperationsformen ist eine Erläuterung einzelner Merkmale sinnvoll:
(1) Gleiche Stufe einer Wertschöpfungskette, gemeinsamer Zweck
Unternehmen können Kooperationen in horizontale oder vertikale Richtung eingehen. Einkaufskooperationen umfassen nur eine horizontale Zusammenarbeit, die auf der gleichen Stufe der Wertschöpfungskette stattfindet. Im Gegensatz dazu stellen vertikale Kooperationen die Zusammenarbeit zwischen Anbietern und Nachfragen auf verschiedenen Stufen einer Wertschöpfungskette dar. Diese bezeichnet die Literatur als Abnehmer-Zulieferer-Kooperationen oder strategische Netzwerke.[4] Dieser Form der Kooperation fehlt das gemeinsame Ziel. Sie begrenzen sich nicht nur auf das für Einkaufskooperationen definierte Ziel, der Effizienzsteigerung im Einkauf. Das Ziel des Zulieferer-Unternehmens ist vielmehr die Sicherung oder Steigerung seines Absatzes.
Nach diesem Merkmal grenzen sich in der Praxis freiwillige Ketten von Einkaufskooperationen ab. Dabei handelt es sich um eine Anbieter-Nachfrager-Beziehung, der es an einem gemeinsamen Ziel fehlt.[5]
(2) Unternehmerqualitäten
Die Kooperationspartner einer Einkaufskooperation müssen gemäß dieser Definition Unternehmen sein. Schließen sich Endverbraucher zur gemeinsamen Beschaffung von Gütern zusammen, entsteht keine Einkaufskooperationen im Sinne dieser Definition, da ihnen die unternehmerischen Qualitäten fehlen.[6]
(3) Bewusst und freiwillig
Die in einer Einkaufskooperation organisierten Unternehmen müssen die Zusammenarbeit bewusst und freiwillig ausüben. Sie treffen ihre Entscheidungen trotz der Arbeitsteilung autonom und sind wirtschaftlich und rechtlich unabhängig.[7]
Fusionierte Unternehmen bilden keine Einkaufskooperation. Diese verlieren durch die Fusion ihren rechtlich und wirtschaftlich selbständigen Charakter.[8] Auch die gemeinschaftlich durchgeführte Beschaffung mehrer Geschäftseinheiten eines Unternehmens stellt keine Einkaufskooperation dar.
(4) Gemeinschaftlich getragene Gesellschaft
Die gemeinschaftlich getragene Gesellschaft muss nicht durch einen Gesellschaftsvertrag oder durch die Festlegung einer Satzung gegründet werden. Diese kann, neben dieser schriftlichen Form, auch durch mündliche Abreden oder durch konkludentes Handeln entstehen. Einkaufskooperationen sind nicht an eine explizite rechtliche Gestaltungsform gebunden.[9]
Nach diesem Merkmal grenzt sich die bloße Verhaltenskoordination zweier Unternehmen ab. Dabei handelt es sich nicht um eine Einkaufskooperation im Sinne dieser Definition, da lediglich eine Anpassung des Verhaltens und keine Verabredung erfolgt. Es mangelt an der gemeinschaftlichen Ausführung der Einkaufstätigkeit.[10]
(5) Steigerung der Effizienz in der Güterbeschaffung
Das Ziel von Einkaufsgemeinschaften ist die Optimierung der Beschaffung durch eine Nutzensteigerung oder Kostensenkung in den Einkaufsfunktionen:[11] die Einkaufsvorbereitung durch Marktinformation oder Musterung, die Einkaufsdurchführung mit Verhandlungsführung und Bestellung als wesentliche Elemente und der Einkaufsnachvollzug in Form des Transports, der Zahlungsabwicklung und der Kontrolle der Produkte.[12]
Viele ursprünglich als Einkaufskooperationen gegründete Kooperationen bieten ihren Mitgliedern zusätzliche Dienstleistungen an, die über die Zusammenarbeit bei der Güterbeschaffung hinausgehen.[13] Eine allgemeingültige Abgrenzung, wann es sich nicht mehr um eine Einkaufskooperation aufgrund des von der Kooperation verfolgten Zieles handelt, ist nicht möglich. Die Grenze kann nur im Einzellfall bestimmt werden.[14]
2.2 Erscheinungsformen und Bedeutung von Einkaufskooperationen
In der Praxis kommen Einkaufskooperationen in den unterschiedlichsten Ausprägungen vor, so dass eine einheitliche und präzise Systematisierung nicht möglich ist.[15] Es existieren eine Vielzahl von Unterscheidungsmerkmalen. Die wichtigsten seien an dieser Stelle kurz erörtert.
Je nach ihrer räumlichen Ausbreitung lassen sich Einkaufskooperationen in lokal, regional, national oder international tätige Einkaufskooperationen unterteilen[16].
Differenziert nach der Anzahl der Kooperationsebenen existieren einstufige und mehrstufige Kooperationen. Bei einer mehrstufigen Organisationsform haben lokale oder regionale Kooperationen Zentralen auf nationaler oder internationaler Ebene gegründet. Die lokalen oder regionalen Organisationen sind diesen hierarchisch untergeordnet[17].
Nach der grundlegenden rechtlichen Beziehung unterschieden, können Einkaufskooperationen formlos oder auf Basis eines schriftlich fixierten Vertrages mit oder ohne Kapitalbeteiligung zusammenarbeiten.[18]
Ein weiteres Differenzierungsmerkmal ist die Intensität der Verflechtung der kooperierenden Unternehmen. Diese ist je nach zeitlicher Dauer, Ablauf- und Aufbauorganisation, Konfliktbehandlung, Ressourcen- und Ergebnisverteilung sehr unterschiedlich und wird vor allem durch den Umfang der wahrgenommenen Tätigkeiten bestimmt.[19]
Abbildung 1
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
: Typisierung von Einkaufskooperationen (Quelle: Eigene Darstellung)
Je nach Umfang der durch die Einkaufskooperation abgedeckten Einkaufsfunktionen unterscheiden sich drei wesentliche Typen von Einkaufskooperationen: die Marktinformations-, die Verhandlungs- und die Bestellgemeinschaft.[20]
Die Marktinformationsgemeinschaft umfasst nur die erste der drei Einkaufsfunktionen: die Marktinformation. Bei dieser Form der Kooperation ist der Grad der horizontalen Koordination am geringsten. Die Unternehmen tauschen Marktinformationen aus oder beschaffen diese gemeinsam. Die Art der Zusammenarbeit ist meist sehr informell. Einkaufsdurchführung und der Einkaufsnachvollzug werden weiterhin getrennt und individuell durchgeführt.[21]
Eine Verhandlungsgemeinschaft vereint die Marktinformation und die Verhandlungsführung mehrerer Unternehmen in einer Gesellschaft. Die Kooperationsteilnehmer treten gemeinsam gegenüber Anbietern auf und versuchen dadurch gezielt Einfluss auf die Einkaufskonditionen zu nehmen. Bestellvorgang und Einkaufsnachvollzug verbleiben im Aufgabenbereich der einzelnen Kooperationspartner.[22]
Eine Bestellgemeinschaft schließt im Vergleich zur Verhandlungsgemeinschaft zusätzlich den Bestellvorgang mit ein.[23] Diese Bestellgemeinschaften entwickelten sich häufig zu hochentwickelten Einkaufsgemeinschaften, deren Aufgabenumfang vom zentralen Einkauf mit dezentraler Abnahme über Zentralregulierung[24] und Delkrederegeschäft[25] bis hin zum Einkauf von Produkten unter eigenem Markennamen umfasst.
Über Einkaufskooperation in der Industrie[26] gibt es weder ausreichend empirisches Material, noch sind sie genügend wissenschaftlich erforscht.[27] In der Industrie ist ein breites Spektrum an Typen von Einkaufskooperationen zu finden. Dieses reicht von der formlosen projektbezogenen Kooperation bis hin zur hoch entwickelten Einkaufskooperation mit weitreichenden ablauf- und aufbauorganisatorischen Verflechtungen in Joint Ventures.[28]
Die Bedeutung von Einkaufskooperationen für „die Industrie“ lässt sich aufgrund des mangelnden empirischen Materials schwer verallgemeinern. Nach einer der wenigen Studien kooperierten 1999 nur 7,8 % der befragten Unternehmen der Investitionsgüterindustrie im Einkauf.[29] Diese Zahl ist verglichen mit Kooperationen im Handwerk oder dem Handel sehr gering.
Eine höhere Bedeutung haben Einkaufskooperationen im Handwerk[30]. Bereits 1849 gründete Hermann Schulze-Delitzsch die erste Einkaufskooperation des Handwerks. Zusammen mit Friedrich Wilhelm Raiffeisen entwickelte er den genossenschaftlichen Gedanken, dessen Bedeutung, manifestiert in der Rechtsform der Genossenschaft, kontinuierlich zugenommen hat.[31] Die 389 tätigen Handwerksgenossenschaften erzielten 1995 einen Umsatz von fast 11 Mrd. Euro.[32]
Die weitaus größte Bedeutung, insbesondere unter wettbewerbspolitischen Aspekten, haben Einkaufskooperationen im Handel[33]: In Deutschland existieren über 300 Handelskooperationen, in denen über 80.000 Unternehmen organisiert sind. So arbeiten die ca. 10.000 Unternehmen des Möbelhandels in ca. 30 Kooperationen zusammen und bedienen fast 50 % der gesamten Nachfrage des Möbeleinzelhandels.[34] Im Lebensmitteleinzelhandel hielten 1992 die fünf wichtigsten Einkaufsgruppen 79% des Gesamtmarktes.[35]
Die Entwicklungstendenzen von Einkaufskooperationen in Handel und Handwerk sind eindeutig. Wurden sie in ihren Anfängen als Selbsthilfeorganisationen zur gemeinsamen Beschaffung von Gütern gegründet, ist diese Aufgabe heute nur eine unter vielen. Die ursprünglichen Einkaufskooperationen entwickelten sich zu Full-Service-, oder Marketing- und Dienstleistungsorganisationen. Neben dem gemeinsamen Einkauf bieten sie organisierte Unterstützung bei der Finanzierung, Investition, Aus- und Weiterbildung, Inkasso, Marketing, Vertrieb, Werbung und in vielen weiteren Bereichen.[36] Im Handel findet zunehmend auch eine Vertikalisierung der Kooperationen statt. Verstärkt werden Zulieferer in die Beschaffungsprozesse eingebunden, so dass die Kooperationen zunehmend die Rolle eines Mittlers zwischen Zulieferern und Handel übernehmen, die immer mehr der Aufgabe und Funktion von Großhändlern ähneln.[37] Aufgrund der stetigen Internationalisierung der Märkte organisieren sich viele nationale Kooperationen zunehmend in Euro-Kontoren, die die Güterbeschaffung auf internationalen Märkten übernehmen.[38]
Angesichts der angespannten Haushaltslage der Kommunen, Länder und des Bundes bildeten sich in den letzten Jahren immer mehr Einkaufsgemeinschaften der öffentlichen Hand.[39] Da sich ihr Handeln im Wettbewerb und somit auch ihre ökonomische Wirkung, von Einkaufskooperationen der privaten Wirtschaft wesentlich unterscheidet[40] und bei deren rechtlicher Betrachtung noch weitere Rechtsgebiete, die im Rahmen dieser Arbeit nicht erörtert werden können, betroffen sind, werden diese von der weiteren Betrachtung ausgeschlossen.[41]
2.3 Wettbewerbstheoretischer Hintergrund
Vor der Analyse und Beurteilung der ökonomischen Folgen von Einkaufskooperationen beschreibt dieses Kapitel den wettbewerbstheoretischen Rahmen, in dem diese Analyse stattfindet. Im Wesentlichen definiert es, welche Theorien geeignet sind die ökonomischen Folgen von Einkaufskooperationen zu erklären, welche Definition von Wettbewerb daraus folgt und anhand welcher Kriterien diese Arbeit Einkaufskooperationen beurteilt.
Die Wettbewerbstheorie liefert als Analyseinstrument zwei grundlegende Ansätze:
(1) Die Preistheorie untersucht das Zustandekommen von Gleichgewichtszuständen unter verschiedenen Marktstrukturen und den sich daraus ergebenden Preisen und Mengen.[42] Sie ist aufgrund der ihr zugrunde liegenden Prämissen[43] und Definition des Wettbewerbsprozesses nicht zur Analyse realer Marktprobleme geeignet.[44] Auch ist sie, in ihrem Ursprung zur Analyse von Letztverbrauchermärkten geschaffen, nur bedingt auf Beschaffungsmärkte anwendbar.[45] Sie kann allerdings zur Erklärung statischer Phänomene und als heuristisches Instrument dienen.
(2) Ein geeigneter Rahmen zur ökonomischen Analyse ist die Theorie des dynamischen Wettbewerbs. Diese Theorie definiert Wettbewerb, im Gegensatz zur Preistheorie, als einen dynamischen, offenen und evolutionären Prozess, dessen Ergebnis nicht bereits im Voraus feststeht. Motor des Prozesses ist die Erlangung einer zeitlich begrenzten Marktmachtstellung, die von den Unternehmen zur Abschöpfung von Vorsprungsgewinnen genutzt wird. Diese temporäre Marktmachtstellung ist Folge von Produkt- oder Verfahrensinnovationen, die sich aus einem Ungleichgewicht des Wissens der Marktteilnehmer ergeben. Die anderen Marktteilnehmer werden durch die damit verbundenen Marktanteilsverluste zur Imitation oder ebenfalls Innovation gezwungen, um die Machtstellung des Vorreiters zu kompensieren.[46]
Das Ziel des dritten Teils dieser Arbeit ist die Beurteilung der positiven und negativen Folgen von Einkaufskooperationen (1) für den Wettbewerb in dem sich die an einer Einkaufskooperation beteiligten Unternehmen befinden[47], (2) für die vorgelagerten Märkte[48] und (3) für den Konsumenten.[49] Der zu dieser Beurteilung notwendige Bewertungsmaßstab definiert sich in Anlehnung an das GWB und dessen Bezugsrahmen, da im vierten Teil die Einbettung von Einkaufskooperationen in das GWB beurteilt werden soll.
Trotz der Vielzahl existierender wettbewerbspolitischer Leitbilder[50], die als Bewertungsmaßstäbe in Frage kommen, ist das GWB in der heutigen Form nicht ausdrücklich an eines dieser Leitbilder gebunden. Es verzichtet auf die positive Definition, einem explizit definierten optimalen oder idealtypischen Bild von Wettbewerb. Zwar hat der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung eine Vorstellung von Wettbewerb zum Ausdruck gebracht[51], dieser ist aber nach der herrschenden Meinung kein allgemeingültig definierbarer Rechtsbegriff.[52]
Das Ziel des deutschen Wettbewerbsrechts ergibt sich im Sinne einer negativen Definition. Danach schützt das GWB den wirksamen Wettbewerb[53] gegen künstliche Beschränkungen. Das heißt, es schützt einen Wettbewerb, der seine Funktionen optimal erfüllt.[54]
Trotz der Diskussion über wettbewerbstheoretischen Leitbilder besteht weitgehend Konsens über die grundsätzlichen Funktionen des Wettbewerbs. Sie lassen sich aus den übergeordneten gesellschaftlichen Grundwerten Freiheit, Wohlfahrt und Gerechtigkeit ableiten und teilen sich in fünf ökonomische und zwei meta-ökonomische, das heißt gesellschaftspolitische, Funktionen auf.[55]
Die fünf ökonomischen Ziele sind:
(1) Leistungsgerechte Einkommensverteilung
Der Wettbewerb steuert die Einkommensverteilung nach Marktleistung, das heißt nach dem Erfolg im Marktprozess.
(2) Konsumentensouveränität
Der Wettbewerb steuert das Angebot an Waren und Dienstleistungen entsprechend der Nachfrage, das heißt den Käuferpräferenzen.
(3) Optimale Faktorallokation
Der Wettbewerb steuert den Einsatz der Produktionsfaktoren. Er selektiert ineffiziente Anbieter mit suboptimalem Einsatz der Produktionsfaktoren aus.
(4) Anpassungsflexibilität
Der Wettbewerb steuert die flexible Anpassung von Gütern sowie Produktionskapazitäten und -methoden an die Käuferpräferenzen.
(5) Technischer Fortschritt
Der Wettbewerb beschleunigt die Entstehung, den Einsatz und die Verbreitung neuer Produkt- und Prozessinnovationen.
Die zwei gesellschaftspolitischen Funktionen des Wettbewerbs sind:
(1) Freiheitssicherungsfunktion
Der Wettbewerb sichert die Autonomie der Marktteilnehmer.
(2) Entmachtende Funktion
Der Wettbewerb steuert die Verteilung wirtschaftlicher Macht und wirkt ihrer Konzentration entgegen.
Dem Individualschutz, der Sicherstellung der Autonomie der einzelnen Marktteilnehmer, kommt im GWB dabei eine zentrale Bedeutung zu. Denn nur durch den Schutz dieser Privatautonomie kann auch der Wettbewerb als Institution und damit die Erfüllung seiner Funktion geschützt werden.[56] Dies bedeutet aber auch, dass das GWB die Privatautonomie soweit einschränken kann, wie dies zur Sicherung des Systems notwendig ist.
Wirtschaftliche Selbständigkeit in diesem Sinne bedeutet, dass jeder Marktteilnehmer autonom bestimmen kann, welche Strategie er am Markt wählt und welche Mittel er zur Umsetzung dieser Strategie anwendet. Jede Bindung oder Fremdbestimmung, die die wirtschaftliche Betätigungs- und Entscheidungsfreiheit begrenzt, stellt eine künstliche Beschränkung im Sinne des GWB dar. Dies bezieht sich sowohl auf die autonome Entscheidung über einen Marktzutritt oder –austritt, als auch den Einsatz der für eine Strategie notwendigen Mittel.[57]
Die von Unternehmen eingesetzten für den Wettbewerb relevanten Mittel sind:
(1) Preis und Qualität der Waren, (2) Konditionenpolitik, (3) Kundendienst- und Servicepolitik, (4) Absatz- und Vertriebspolitik, (5) Produktpolitik, (6) Werbung und (7) Umweltpolitik.[58]
Folglich wird in dieser Arbeit die Wirkung von Einkaufskooperationen daran beurteilt, ob und in welchem Maße sie die Funktionen des Wettbewerbs einschränken. Da der wirtschaftlichen Selbständigkeit der Marktteilnehmer im GWB eine besondere Stellung zukommt, wird diese im speziellen überprüft. Konkret bedeutet dies die Überprüfung der sieben wettbewerblichen Aktionsparameter der Unternehmen. Der am Markt offensichtlichste Parameter ist dabei der Preis.
3. Die ökonomische Wirkung von Einkaufskooperationen
Dieser Teil der Arbeit analysiert unabhängig von den gesetzlichen Regelungen die Wirkung und Folgen von Einkaufskooperationen auf (1) den Austauschprozess[59], (2) den Wettbewerbsprozess[60] und (3) die Konsumenten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Analyse des Austauschprozesses klärt, wie Einkaufskooperationen auf den Tausch von Gütern mit einer vorgelagerten Wirtschaftsstufe und auf die Anbieter in diesem Prozess und deren Wettbewerb wirken. Im Rahmen der Untersuchung des Wettbewerbsprozesses erörtert diese Arbeit die Wirkung auf die kooperierenden Unternehmen und auf den Wettbewerb, in dem sich die Unternehmen auf dem Absatz- und Nachfragemarkt befinden.
Abbildung 2: Untersuchungsgegenstand der Arbeit (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Bewertung der Wirkung erfolgt anhand der Wettbewerbsfunktionen. Im Besonderen wird dabei die Frage beantwortet, ob Einkaufskooperationen den Nachfrage- und Angebotswettbewerb beschränken oder ihn fördern.
3.1 Auswirkungen auf den Austauschprozess
Dieses Kapitel beantwortet die Frage, wie Einkaufskooperationen auf den Austauschprozess zwischen Anbietern und Nachfragern wirken und wie diese Wirkung anhand der in Kapitel 2.3 aufgestellten Kriterien beurteilt werden kann. Ein Schwerpunkt liegt darauf, wie die durch die Empirie nachgewiesenen, tendenziell niedrigeren Einkaufskonditionen der Einkaufskooperationen zustande kommen. Die Einkaufskonditionen umfassen in diesem Teil der Arbeit Preise und alle sonstigen Geschäfts- und Zahlungsbedingung, die die Marktteilnehmer im Austauschprozess vereinbaren, zusammen. Darunter fallen Transport- und Versicherungskosten, Rabatte, Skonti, Boni, Zahlungsziele, Gefahrtragung, Lagerung und sonstige Nebenleistungen. Im Folgenden betrachtet die Arbeit exemplarisch für diese Einkaufskonditionen den Preis.
Da die Effekte von Einkaufskooperationen mit verschiedenen Marktlagen variiert, ist es nötig, deren Wirkung in Käufer- und Verkäufermärkten zu differenzieren.
3.1.1 Auswirkungen in Käufermärkten
Die Wirkung von Einkaufskooperationen in Käufermärkten ist sehr unterschiedlich. Sie hängt im Wesentlichen vom Umfang der durchgeführten Tätigkeiten im Einkaufsprozess ab.[61] Aus diesem Grund muss zwischen zwei wesentlichen Typen von Einkaufskooperationen, den Marktinformationsgemeinschaften und den Verhandlungs- oder Bestellgemeinschaften unterschieden werden.[62]
3.1.1.1 Wirkung von Verhandlungs- und Bestellgemeinschaften
Ein Ziel einer Einkaufskooperation ist die Reduzierung der Gütereinstandspreise durch die Konzentration der nachgefragten Menge auf einen Anbieter.[63]
Dieser ist in der Lage durch die gestiegene Ausbringungsmenge, Skaleneffekte zu realisieren und die nachgefragten Güter zu einem günstigeren Preis anzubieten. Sinkende Stückkosten sind der Grund für die der Einkaufskooperation angebotenen niedrigeren Stückpreise.[64]
Dieses Verhalten stellt noch keine Behinderung der Funktionen des Wettbewerbs durch Einkaufskooperationen dar. Insbesondere beeinträchtigen sie die Einkommensverteilung nach Marktleistung nicht. Zwar erhöhen die an der Einkaufskooperation beteiligten Unternehmen ihren Gewinn aufgrund gesunkener Kosten. Dies geschieht aber nicht zu Lasten einer Gewinnreduzierung auf der Anbieterseite, da sich auch gleichzeitig deren Kosten reduzieren.
Dennoch kann in der Realität festgestellt werden, dass Einkaufskooperationen häufig Konditionen verlangen, bei denen gesunkene Kosten allein nicht die niedrigeren Preise rechtfertigen. Grund dafür kann die durch die Einkaufskooperation erlangte Markt- oder Partnermacht sein.[65]
Die durch die Bildung von Einkaufskooperationen reduzierte Anzahl der eigenständigen Nachfrager führt zu einer Konzentration[66] der Nachfrager gegenüber den Anbietern auf diesem Markt. Die Marktmacht der Einkaufskooperation entsteht zum einen durch den durch sie kontrollierten Marktanteil und zum anderen durch die geringere Ausweichmöglichkeit der Anbieter auf andere Nachfrager.[67] Dies erhöht den Verhaltensspielraum der Einkaufskooperationen und versetzt sie in die Lage, Druck auf die Anbieter eines Marktes auszuüben.
Schließen sich zum Beispiel auf einem Beschaffungsmarkt mit zehn Nachfragern mit gleichen Marktanteilen fünf in einer Einkaufskooperation zusammen, bedeutet dies für den Markt eine Reduzierung auf sechs eigenständige Marktteilnehmer, von denen die Einkaufskooperation nun einen Marktanteil von 50 % besitzt. Durch diese am Markt dominierende Position ist sie in der Lage, die Entscheidungsfreiheit der Anbieter einzuschränken und zusätzliche Preisgeständnisse zu verlangen.
Ein anderer Ansatzpunkt zur Erklärung bietet das von Arndt entwickelte Partnermacht-Konzept. Ein bilaterales Beherrschungs-Abhängigkeitsverhältnis im Sinne von Partnermacht liegt vor, wenn die Differenz der Macht zweier Geschäftspartner so groß ist, dass ein Unternehmen das andere dominiert und dadurch in der Lage ist, Weisungen zu erteilen.[68] Partnermacht entsteht nicht durch die Macht eines beherrschenden Unternehmens am Markt (zum Beispiel Marktanteil), sondern primär durch die spezifische geschäftliche Beziehung der Unternehmen und die Differenz in der Entscheidungsfreiheit der Geschäftspartner.[69] Die Entscheidungsfreiheit des Lieferanten ist vorwiegend determiniert vom Anteil des Absatzes des beherrschenden Unternehmens am Gesamtumsatz, seinen Ausweichmöglichkeiten auf andere Abnehmer und den daraus entstehenden Kosten und allgemeinen Konzentrationsprozessen des Marktes.[70]
Waren die fünf in der Einkaufskooperation zusammengeschlossenen Unternehmen im eben angeführten Beispiel früher bei einem Anbieter eigenständig nachfragende Unternehmen mit einem Umsatzanteil von jeweils 10 %, so hat die Einkaufskooperation nun einen Anteil von 50 % am Gesamtumsatz des Anbieters. Die sich daraus ergebende Abhängigkeit wirkt sich negativ auf den Handlungsspielraum des Anbieters aus. Der potentielle Verlust eines Nachfragers mit 10 % Umsatzanteil bedeutet einen geringeren wirtschaftlichen Schaden, als der Verlust eines Kunden auf den ein Absatz von 50 % entfällt.[71] Die Einkaufskooperation verfügt über wirtschaftliche Macht, die nicht ausreichend durch den Wettbewerb kontrolliert werden kann. Sie führt zu Einschränkungen in der Autonomie der Anbieter, die sie zu weitaus größeren Preiszugeständnissen veranlassen als vor der Bildung der Einkaufskooperation.
Speziell im Handel existiert ein weiterer Grund, der den Verhaltensspielraum von Einkaufskooperationen erhöht: Deutet man, ähnlich wie Kartte[72], den Handel nicht als Nachfrager, sondern als Anbieter eines speziellen Vertriebsweges, so werden die Lieferanten zu Nachfragern des Handels.[73] Sie nutzen die Funktion des Handels als Absatzmittler und fragen somit diese Vertriebsform nach. Daraus folgt, dass der Handel nicht Nachfragemacht, sondern Angebotsmacht besitzt, indem er diese einzigartige Vertriebsform zu Verfügung stellt. Somit sind die Hersteller zum Vertrieb ihrer Waren auf Händler angewiesen.[74]
Der Anteil der Fix- und versunkenen Kosten, für große sehr spezifische Produktionsanlagen oder den Aufbau einer Marke, an den Gesamtkosten ist sehr hoch. Die Produzenten müssen zur Deckung dieser hohen Fix- und versunkenen Kosten möglichst viele Konsumenten und damit eine hohe Absatzmenge erreichen.[75]
Aus diesem Grund bevorzugen die Hersteller zum Absatz ihrer Waren Unternehmen, die einen hohen Absatzanteil auf den Verbrauchermärkten haben. Einkaufskooperationen besitzen durch die Zusammenarbeit mehrerer Unternehmen auch einen größeren Absatzanteil und sind deshalb von größerem Interesse für die Hersteller als einzelne Händler mit geringem Absatzpotential.[76] Dies erhöht den Verhandlungsspielraum der Einkaufskooperationen, durch den sie die Handlungsfreiheit der Anbieter zusätzlich einschränken und weitere Preiszugeständnisse fordern können.[77]
Aus diesem Argument heraus lässt sich die ungleiche Wirkung von Einkaufskooperationen auf unterschiedliche Betriebsgrößen der Anbieter begründen: Je größer der Anteil der fixen Kosten an den Gesamtkosten, desto abhängiger sind diese Hersteller von Händlern mit großen Absatzanteilen im Verbrauchermarkt. Da mit wachsender Unternehmensgröße auch oft der Anteil der Fixkosten steigt, befinden sich tendenziell große Unternehmen in dieser Abhängigkeit. Sie können nicht problemlos auf einen Händler als Absatzmittler verzichten oder auf einen anderen ausweichen. Kleine Unternehmen sind aufgrund ihrer geringeren Fixkosten und den damit geringeren Bedarf nach einer hohen Absatzmenge flexibler in der Wahl des Händlers und unabhängiger von Einkaufskooperationen. Der oft postulierte Druck der Einkaufskooperationen auf kleine Anbieter gründet sich somit nicht auf der horizontalen Koordination, sondern lediglich auf einem intensiven Wettbewerb und dem Vorliegen einer Käufermarktsituation.[78]
[...]
[1] Die Verwendung des Begriffs ist im Sprachgebrauch uneinheitlich. In dieser Arbeit soll er, mit der verwandten Definition, als Sammelbegriff für die unter den folgenden Bezeichnungen bekannte Kooperationsform verwendet werden: Einkaufsgemeinschaft, Einkaufszusammenschluss, Einkaufsgenossenschaft, Einkaufsverband, Einkaufsgesellschaft, Bezugsgemeinschaft, Beschaffungsallianz, Nachfragerzusammenschluss.
[2] Ostler, 1992, S. 7.
[3] Eßig, 2001, S. 32; Arnold, 1998, S. 8; Voegele, 1998, S. 30 f.; Dauner, 1988, S. 43; Ostler, 1992, S. 7.
[4] Arnold, 1998, S. 4 ff.
[5] Dauner, 1988, S. 44.
[6] Ebd. S. 44.
[7] Arnold, 1998, S. 3.
[8] Dauner, S. 45.
[9] Ebd., S. 30 f.
[10] Dauner, 1988, S. 45.
[11] Ebd., S. 43.
[12] Ebd., S. 53 ff.
[13] Liebmann/Zentes, 2001, S. 283 ff.
[14] Dauner, 1988, S. 31 ff.
[15] Arnold, 1998, S. 63.; Gahrens, 1990, S. 146; Zur Typisierung vgl. auch: Derselbe S. 67 ff.
[16] Voegele, 1998, S. 39.
[17] Arnold, 1998, S. 65 f.
[18] Eßig, 2001, S. 34.
[19] Voegele, 1998, S. 40.
[20] Fritzsche, 1993, S. 94, Zu weiteren Erscheinungsformen, vgl.: Derselbe, S. 94 ff.
[21] Dauner, 1988, S. 54.
[22] Fritzsche, J., 1993, S. 95.
[23] Dauner, 1988, S. 55.
[24] Bei der Zentralregulierung übernimmt die Einkaufskooperation den Ausgleich sämtlicher Verbindlichkeiten ihrer Mitglieder gegenüber den Lieferanten; vgl. Ostler, 1992, S. 61.
[25] Beim Delkrederegeschäft steht die Einkaufskooperation für die Verbindlichkeiten ihrer Mitglieder ein; vgl.: Dauner, 1988, S. 62.
[26] Der Begriff Industrie umfasst die Summe aller Industriebetriebe. Ein Industriebetrieb ist „ein Betrieb, der gewerblich, unter maßgeblichen Einfluss von Maschinen, nach dem Prinzip der Arbeitsteilung Sachgüter erzeugt und auf großen Märkten absetzt.“, in: Hadeler, 2000, S. 1510.
[27] Arnold, 1998, S. 15 ; Eßig, 2001, S. 33.
[28] Liebmann/Zentes, 2001, S. 285.
[29] Kinkel/Lay, 2000, S. 3, veröffentliche im Internet, Stand: 27.06.2003.
[30] Der Begriff Handwerk umfasst die Summer aller Handwerksbetriebe. Ein Handewerksbetrieb ist ein „Gewerbebetrieb, der handwerksmäßig betrieben wird und ein Gewerbe vollständig umfasst, das in der Anlage A zur Handerwerksordnunge (HwO) aufgeführt ist oder Tätigkeit ausübt, die für dieses Gewerbe wesentlich sind.“, in: Hadeler, 2000, S. 1405.
[31] Arnold, 1998, S. 91.
[32] Ebd. S. 99.
[33] Der Begriff Handel „umfasst alle Institutionen, die ausschließlich oder überwiegend Handel im funktionellen Sinn betreiben, d. h. die hauptamtlich Waren, an denen mit Ausnahme geringfügiger Veredelungs- und Pflegeleistungen keine grundsätzlichen produtionstechnischen Veränderungen vorgenommen wurden, kollektieren und distribuieren.“, in: Treis, 2000, S. 1382.
[34] Arnold, 1998, S. 61.
[35] Vogel, 1998, S. 1166.
[36] Olesch, 1980, S. 26 f.; Zur Entwicklung von Einkaufskooperationen vgl. auch: Gahrens, 1990, S. 60 ff.
[37] Vogel, 1998, S. 72; Zum Wandel der und zur Übersicht der deutschen und europäischen Einkaufskooperationen im Handel vgl.: Liebmann/Zentes, 2001, S. 283 ff.
[38] Monopolkommission, 1994, Tz. 173.
[39] Bunte, 1998, S. 1037.
[40] Kommunen, Länder und Bund befinden sich beispielsweise nicht in einem Absatzwettbewerb und verfolgen nicht das Ziel der Gewinnmaximierung.
[41] Zu Einkaufskooperationen der öffentlichen Hand vgl.: Bunte, 1998, S. 1037-1049.
[42] Woll, 2000, S.291 f.
[43] Zu den Prämissen vgl. Schmidt, 2001, S. 5.
[44] Bontrup, 1983, S. 17 ff.
[45] Kerber, 1989, S. 24 f.
[46] Schmidt, 2001, S. 60 f.; Kerber, 1991, S. 843-848.
[47] In der Literatur häufig auch als Parallel- oder Wettbewerbersprozess bezeichnet.
[48] In der Literatur häufig auch als Austausch- oder Marktprozess bezeichnet.
[49] Vgl. Abbildung 2.
[50] Ein wettbewerbstheoretisches Leitbild ist ein geschlossener und in sich widerspruchsfreier Zusammenhang von wettbewerbspolitischen Zielen, zielkonformen Instrumenten und Trägern.
[51] Wettbewerb ist als „das Streben […], durch eigene Leistung, die nach Qualität oder Preis besser ist als die Leistung anderer Unternehmen, den Verbraucher zum Abschluß eines Vertrages zu veranlassen“, bzw. „jede Art wirtschaftlicher Handlung […], die darauf gerichtet ist, sich im Wirtschaftskampf auf Kosten eines Wettbewerbers einen Vorteil zu verschaffen“ zu verstehen. In: Begründung zum Regierungsentwurf des GWB, 1952, S.31
[52] Bunte, in: Langen/Bunte, 2001, Einführung zum GWB, Rn. 63.
[53] Der Wettbewerbsbegriff des GWB umfasst den tatsächlichen und potentiellen Wettbewerb.
[54] Bunte, in: Langen/Bunte, 2001, Einführung zum GWB, Rn. 65.; Möschel, 1983, S. 94.
[55] Schmidt, 2001, S. 28; vgl. auch Kirschner, 1988, S. 36 f.
[56] Bunte, in Langen/Bunte 2001, Einführung zum GWB, Rn. 65.
[57] Ebd., Rn. 65.
[58] Ebd., Rn. 69.
[59] In der Literatur wird für den gleichen Sachverhalt auch der Begriff Marktprozess verwendet.
[60] In der Literatur wird für den gleichen Sachverhalt auch der Begriff Parallelprozess verwendet.
[61] Niestrath, 1983, S. 158.
[62] Zu den Typen von Einkaufskooperationen vgl. Kapitel 2.2.
[63] Zu den Zielen einer Einkaufskooperation vgl. Kapitel 2.1.
[64] Kerber, 1989, S. 348 ff.
[65] Niestrath, 1983, S. 114, 147 ff.; Zur Unterscheidung von Markt- und Partnermacht vgl. Cox, 1981, S.69-74.
[66] Mit dem Begriff „Konzentration“ ist nicht wie im GWB die „Aufgabe selbständiger Unternehmenstätigkeit“ (vgl. Bunte, in Langen/Bunte 2001, § 1, Rn. 264) gemeint, sondern die durch Koordination des Marktverhaltens faktische Reduzierung der eigenständigen Nachfrager.
[67] Niestrath, 1983, S. 114, 142 ff.; Nowack, 1993, S. 31; Stockenhuber, 1999, S. 58.
[68] Schulze, 1998, S.9.
[69] Zur Definition von Markt- und Partnermacht vgl.: Cox, 1981, S. 71 ff.
[70] Schulze, 1998, S.9; Sommer, 1985, S. 133; Zu den weiteren Determinanten von Macht, vgl. Kapitel 3.1.4.
[71] Der EuGh nannte in seiner Entscheidung zum Zusammenschluss von Carrefour und Promodes einen Schwellenwert von 22 %, ab dem ein Anbieter wirtschaftlich abhängig von einem Nachfrager ist. Vgl. dazu: Lexecon, 2001, veröffentlicht im Internet, Stand: 27.06.2003. Die Monopolkommission sieht bereits bei einem Absatzanteil von 6-8% eine Abhängigkeit gegeben Vgl. dazu Monopolkommission, 1977, Tz. 69. Zur Bedeutung des Absatzanteils vgl. auch Kapitel 5.2.
[72] An dieser Stelle wird nur die grundsätzliche Idee Karttes aufgegriffen. Die für ihn daraus resultierenden Konsequenzen werden hier nicht gezogen.
[73] Der Ansatz von Kartte wird auch als „Umdeutungsansatz“ bezeichnet. Hansen dagegen bezeichnet diesen als „Regalplatz-Wettbewerb“. Vgl. dazu: Kartte, 1969; Hansen, 1972.
[74] Kühne, 1984, S. 77; Kerber, 1989, S. 354; Ein direkter eigenständiger Vertrieb als Alternative zum Handel ist ökonomisch nicht sinnvoll.
[75] Kerber, 1989, S. 355 f.
[76] Ebd., S. 350.
[77] Kerber, 1989, S. 357; Freiling, 1995, S. 4.
[78] Kerber, 1989, S. 360.
- Arbeit zitieren
- Bert Morhenne (Autor:in), 2003, Die ökonomische Wirkung von Einkaufskooperationen und ihre Kontrolle im deutschen Recht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17590
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