Die Großstadtdichtung ist die vielleicht umfangreichste und bedeutendste Gruppe expressionistischer Lyrik, insbesondere der frühexpressionistischen. Ein völlig neuer Themenbereich wird aber nicht erschlossen. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts integriert der französische Schriftsteller Charles Baudelaire den Themenbereich „Großstadt“ in die Lyrik. Auch deutsche Naturalisten, zum Beispiel Julius Hart oder Arno Holz, und Symbolisten, beispielsweise Hugo von Hofmannsthal oder Rainer Maria Rilke, thematisieren die großen Städte bereits zuvor.
Aber vor der expressionistischen Lyrik hat die Großstadt keine solch differenzierte und intensive Darstellung erfahren, die sich nun auch auf Form, Sprache und Motivik auswirkt. Faszination und Abneigung gegenüber der Stadt müssen sich nicht ausschließen:
„Eine Ambivalenz des Erlebens zeichnet sich ab, bei der rasche Übergänge vom Rausch zum Entsetzen ohne weiteres möglich sind und keinen Bruch darstellen. So besteht auch zwischen der positiven Darstellung des Weltstädtischen bei Blass und der Dämonisierung bei Heym keineswegs ein prinzipieller Unterschied des Erlebens. Es handelt sich lediglich um zwei verschiedene Aspekte des gleichen Grunderlebnisses.“
Die meisten Lyriker spezialisieren sich allerdings in ihren Werken auf die negativen Seiten des Stadtlebens in Zeiten der Technologisierung, des wissenschaftlichen Fortschritts, des Siegeszuges der Natur- gegenüber den Geisteswissenschaften und des Bedeutungsgewinns der Wirtschaft. Heym beispielsweise hasst deshalb aber die Großstadt noch nicht. Vielmehr ist das Verhältnis zu und das Befinden in der Großstadt oftmals ambivalent und undurchschaubar.
Es ist in diesem Rahmen nicht möglich, jegliche Lyrik des Frühexpressionismus, die sich mit der Großstadt auseinandersetzt, tiefgehend zu analysieren. Um eine erste Übersicht zu erhalten, habe ich wichtige Anthologien zur Großstadtlyrik und zur Lyrik des Expressionismus quantitativ untersucht, um zu erfahren, wie häufig welcher Dichter mit wie vielen Gedichten vertreten ist [...]
Inhaltsverzeichnis
- 0 Zitierweise
- 1 Einleitung
- 2 Großstadt und Gesellschaft zur Jahrhundertwende
- 3 (Früh-)Expressionistische Großstadtlyrik und ihre Entstehung
- 3.1 Die Großstadt in der Literatur vor 1910
- 3.2 Die Entstehung des Expressionismus
- 3.3 Die (früh-)expressionistische Großstadtlyrik
- 4 Die Großstadt bei Georg Heym
- 4.1 Georg Heym in Berlin und die Keimzelle expressionistischer Lyrik
- 4.2 Heyms Frühdichtung und das Aufkommen des Themenbereichs „Großstadt“
- 4.3 Die Großstadt bei Heym zu seiner Reifezeit nach 1910
- 4.3.1 Von der Annäherung an die Stadt bis zu deren Totalität
- 4.3.2 Das Gedicht Der Gott der Stadt
- 4.3.2.1 Formanalyse und Allgemeines zur Form in der Heym'schen Lyrik
- 4.3.2.2 Inhalt und Gliederung unter Einbezug der Textgenese
- 4.3.3 Der Ich-Zerfall der Menschen in der Großstadt
- 4.3.4 Der beeinträchtigte Mensch in Heyms Großstadt
- 4.3.5 Zur zeitlichen Dimension in der Großstadt
- 4.3.6 Die Gleichgültigkeit von Leben und Tod
- 4.3.7 Das Mythische in Heyms Großstadtdichtung
- 4.3.7.1 Der allegorische Gehalt des Mythischen
- 4.3.8 Die unvollständige Apokalypse in der Großstadt Heyms
- 4.4 Fazit
- 5 Die Großstadt bei Ernst Stadler
- 5.1 Biografisches zum Verständnis Stadlers Beziehung zur Großstadt, zum Expressionismus und zur Zeit
- 5.2 Weltflucht und vereinzelte Stadtbilder in Stadlers Frühdichtung
- 5.3 Stadlers Weg zum Expressionismus
- 5.4 Die Großstadterfahrung als Bestandteil der Hinwendung zum Leben im Gedichtband Der Aufbruch
- 5.4.1 Die Stadt als Ort des Erlebens und der vitalen Erfüllung (Fahrt über die Kölner Rheinbrücke bei Nacht, Bahnhöfe, Abendschluß)
- 5.4.2 Die sozialpathologische Darstellung des Stadtlebens (Heimkehr, Judenviertel in London, Kinder vor einem Londoner Armenspeisehaus)
- 5.5 Fazit
- 6 Die Großstadt bei Armin T. Wegner
- 6.1 Wegners Leben in Großstädten, sein Kontakt mit dem Frühexpressionismus und seine soziale Gesinnung
- 6.2 Die Großstadt in Wegners Frühdichtung
- 6.3 Das Bild der Großstadt in Armin T. Wegners Das Antlitz der Städte
- 6.4 Fazit
- 7 Schlussfolgerung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Darstellung der Großstadt in der frühexpressionistischen Lyrik von Georg Heym, Ernst Stadler und Armin T. Wegner. Ziel ist es, die individuellen Perspektiven der drei Autoren auf die Großstadt zu analysieren und Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede in ihrer poetischen Behandlung dieses Themas herauszuarbeiten. Die Arbeit beleuchtet den Einfluss der gesellschaftlichen und historischen Bedingungen der Jahrhundertwende auf die literarische Auseinandersetzung mit der Großstadt.
- Die Entwicklung des Großstadtmotivs in der frühen Expressionismuslyrik
- Der Vergleich der Großstadtdarstellungen bei Heym, Stadler und Wegner
- Der Einfluss der sozialen und gesellschaftlichen Realität auf die poetische Gestaltung
- Die verschiedenen poetischen Strategien zur Darstellung der Großstadt
- Die Rolle des Ichs und der menschlichen Erfahrung in der Großstadt
Zusammenfassung der Kapitel
1 Einleitung: Die Einleitung führt in das Thema der Arbeit ein und beschreibt die Forschungsfrage sowie die Methode. Sie umreißt den Kontext der frühexpressionistischen Lyrik und ihre Auseinandersetzung mit dem Phänomen Großstadt. Die Auswahl der drei Autoren – Heym, Stadler und Wegner – wird begründet und die Struktur der Arbeit skizziert.
2 Großstadt und Gesellschaft zur Jahrhundertwende: Dieses Kapitel analysiert die sozio-ökonomischen und kulturellen Veränderungen um die Jahrhundertwende, die die Entstehung des Großstadtmotivs in der Literatur begünstigten. Es werden die rasche Industrialisierung, die Urbanisierung, soziale Missstände und das Aufkommen neuer Lebensformen in der Großstadt thematisiert, als Hintergrund für die nachfolgenden literarischen Analysen.
3 (Früh-)Expressionistische Großstadtlyrik und ihre Entstehung: Dieses Kapitel beschreibt die Entwicklung der Großstadtdarstellung in der Literatur vor 1910 und die Entstehung des Expressionismus. Es bildet den theoretischen Rahmen für die Analyse der lyrischen Werke der ausgewählten Autoren. Der Fokus liegt auf den spezifischen ästhetischen und inhaltlichen Merkmalen der frühexpressionistischen Großstadtlyrik und ihren Vorläufern.
4 Die Großstadt bei Georg Heym: Dieses Kapitel analysiert Heyms Lyrik im Hinblick auf seine Darstellung der Großstadt. Es untersucht die verschiedenen Facetten seines Bildes der Großstadt, von der anfänglichen Faszination bis hin zur Darstellung von Verfall und Entfremdung. Die Analyse fokussiert sich auf ausgewählte Gedichte, um seine spezifischen poetischen Strategien und seine kritische Auseinandersetzung mit der urbanen Realität zu beleuchten.
5 Die Großstadt bei Ernst Stadler: Dieses Kapitel widmet sich Stadlers Lyrik und beleuchtet seine vielschichtige Beziehung zur Großstadt. Es analysiert die Ambivalenz seiner Darstellung, die zwischen der Faszination an der Vitalität und dem Schrecken des sozialen Elends schwankt. Ausgewählte Gedichte werden im Detail betrachtet, um seine poetischen Verfahren und sein komplexes Verhältnis zur urbanen Welt zu verdeutlichen.
6 Die Großstadt bei Armin T. Wegner: Dieses Kapitel befasst sich mit Wegners Lyrik und seiner Darstellung der Großstadt. Es untersucht, wie Wegner die Großstadt als sozialen Raum und Schauplatz gesellschaftlicher Konflikte darstellt und welche Rolle soziale Gerechtigkeit in seinen poetischen Bildern spielt. Die Analyse wird durch die Auseinandersetzung mit seinem Werk "Das Antlitz der Städte" vertieft.
Schlüsselwörter
Frühexpressionismus, Großstadtlyrik, Georg Heym, Ernst Stadler, Armin T. Wegner, Urbanisierung, Industrialisierung, soziale Pathologie, Entfremdung, Modernität, Metropolis, Poetik, Lyrikanalyse, Bildsprache, Motivgeschichte.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Frühexpressionistische Großstadtlyrik bei Heym, Stadler und Wegner
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese akademische Arbeit analysiert die Darstellung der Großstadt in der frühexpressionistischen Lyrik von Georg Heym, Ernst Stadler und Armin T. Wegner. Der Fokus liegt auf dem Vergleich der individuellen Perspektiven der drei Autoren, der Herausarbeitung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden in ihrer poetischen Behandlung des Themas sowie dem Einfluss der gesellschaftlichen und historischen Bedingungen der Jahrhundertwende.
Welche Ziele verfolgt die Arbeit?
Die Arbeit zielt darauf ab, die individuellen Perspektiven der drei Autoren auf die Großstadt zu analysieren und Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede in ihrer poetischen Behandlung dieses Themas herauszuarbeiten. Sie beleuchtet den Einfluss der gesellschaftlichen und historischen Bedingungen der Jahrhundertwende auf die literarische Auseinandersetzung mit der Großstadt und untersucht die Entwicklung des Großstadtmotivs in der frühen Expressionismuslyrik.
Welche Themenschwerpunkte werden behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende Themenschwerpunkte: Die Entwicklung des Großstadtmotivs in der frühen Expressionismuslyrik; der Vergleich der Großstadtdarstellungen bei Heym, Stadler und Wegner; der Einfluss der sozialen und gesellschaftlichen Realität auf die poetische Gestaltung; die verschiedenen poetischen Strategien zur Darstellung der Großstadt; und die Rolle des Ichs und der menschlichen Erfahrung in der Großstadt.
Welche Autoren werden untersucht?
Die Arbeit konzentriert sich auf die Lyrik von drei frühexpressionistischen Autoren: Georg Heym, Ernst Stadler und Armin T. Wegner. Ihre individuellen Darstellungen der Großstadt werden verglichen und analysiert.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in mehrere Kapitel: Einleitung, ein Kapitel zur Großstadt und Gesellschaft um die Jahrhundertwende, ein Kapitel zur frühexpressionistischen Großstadtlyrik und ihre Entstehung, jeweils ein Kapitel zur Großstadtdarstellung bei Heym, Stadler und Wegner, und abschließend eine Schlussfolgerung. Jedes Kapitel zu den einzelnen Autoren analysiert ausgewählte Gedichte und deren poetische Strategien.
Welche Methoden werden angewendet?
Die Arbeit verwendet literaturwissenschaftliche Methoden, insbesondere die Lyrikanalyse. Es werden ausgewählte Gedichte der drei Autoren detailliert untersucht, um deren poetische Strategien und die Darstellung der Großstadt zu beleuchten. Die Arbeit bezieht auch sozio-historische Aspekte mit ein, um den Kontext der lyrischen Werke zu verstehen.
Welche Kapitel gibt es und worum geht es in ihnen?
Die Arbeit enthält Kapitel zu folgenden Themen: Eine Einleitung, die das Thema einführt; ein Kapitel zum sozio-ökonomischen und kulturellen Kontext der Jahrhundertwende; ein Kapitel zur Entwicklung der Großstadtdarstellung im frühen Expressionismus; detaillierte Analysen der Großstadtdarstellung bei Heym, Stadler und Wegner mit Fokus auf ausgewählten Gedichten; und eine abschließende Schlussfolgerung.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Frühexpressionismus, Großstadtlyrik, Georg Heym, Ernst Stadler, Armin T. Wegner, Urbanisierung, Industrialisierung, soziale Pathologie, Entfremdung, Modernität, Metropolis, Poetik, Lyrikanalyse, Bildsprache, Motivgeschichte.
Welche Gedichte werden im Einzelnen analysiert?
Die Arbeit nennt zwar einige Gedichte exemplarisch (z.B. Heyms "Der Gott der Stadt", Stadlers "Fahrt über die Kölner Rheinbrücke bei Nacht", "Bahnhöfe", "Abendschluß", "Heimkehr", "Judenviertel in London", "Kinder vor einem Londoner Armenspeisehaus"), jedoch werden die spezifischen, im Detail analysierten Gedichte nicht explizit aufgelistet. Die Auswahl ergibt sich aus der jeweiligen Argumentation innerhalb der Kapitel zu den einzelnen Autoren.
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- Christoph Staudt (Author), 2009, Die Großstadt in der frühexpressionistischen Lyrik Georg Heyms, Ernst Stadlers und Armin T. Wegners, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/175192