Um die ein ökologische Produktkennzeichnung im Einzelhandel konsumentenorientiert gestalten zu können, ist eine detaillierte Kenntnis der Kundenstruktur notwendig. Diese Arbeit formuliert im Ergebnis konkrete Empfehlungen, wie die Instrumente des Marketing, richtig eingesetzt, zum Erfolg einer solchen Markierung beitragen können.
Der Handel übernimmt in der Bio-Branche eine Schlüsselfunktion und nutzt Gütesiegel zum einen um die ökologische Qualität von Lebensmitteln zu signalisieren, zum anderen zur Positionierung des eigenen Sortiments. Dabei sind Kaufbarrieren zu überwinden, die potentielle Verbraucher vom Bio-Konsum abhalten: Die relevanten Informationen müssen verständlich und glaubwürdig transportiert werden, um auch den relativen Mehrpreis gegenüber konventionellen Substituten durchsetzen zu können. Neben der Gefahr, in der Vielzahl ähnlicher Produktkennzeichnungen unterzugehen, sind auch die verschiedenen Motive und Anforderungen der Käufer zu berücksichtigen. Es zeigt sich, dass diese kaum durch traditionelle Segmentierungskriterien erfassbar und zu systematisieren sind. Daher wird den Empfehlungen dieser Arbeit die Zielgruppentypologie von Kirchgeorg und Greve zugrunde gelegt, die es durch Verbindung von modernen Kriterien und Ansätzen ermöglicht, die potentiellen Bio-Konsumenten in vier Segmente zu systematisieren: Nachhaltigkeitsorientierte, Traditionelle, Statusorientierte und Materialisten. Diese Zielsegmente lassen sich mit Hilfe von Motivallianzen ansprechen, die den ökologischen Zusatznutzen der Lebensmittel mit deren unterschiedlichen Konsummotiven verbinden. Durch eine den Kundenanforderungen entsprechende Darstellungsform und den Einsatz aller Instrumente des Marketing-Mix kann ein Öko-Label so an alle vier Konsumentengruppen adressiert werden.
Zur Differenzierung gegen konventionelle Lebensmittel sind für ökologische Produkte neben unabhängigen Gütesiegeln auch Bio-Handelsmarken denkbar. Produktkennzeichnungen, die unter Mitwirkung unabhängiger Institutionen vergeben werden, wird vom Verbraucher ein erhöhtes Vertrauen entgegengebracht. Handelsunternehmen haben zusätzlich die Möglichkeit, ihre Kommunikationspolitik am Point of Sale konsistent fortzusetzen. Die zentrale Botschaft der Markierung sollte emotionale und sachlich-informative Aspekte in sich vereinen und unter Einbeziehen aller verfügbaren Kommunikationskanäle klar und verständlich transportiert werden, um die Transaktionskosten für den Konsumenten effektiv zu senken.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Thema und Aufbau der Arbeit
2 Bio-Lebensmittel
2.1 Was ist Bio?
2.2 Qualität von Bio-Lebensmitteln
2.3 Bedeutende Gütesiegel
3 Der Bio-Markt aus Anbietersicht
3.1 Porters Branchenstrukturanalyse
3.1.1 Lieferanten
3.1.2 Aktuelle Wettbewerber und Gefahr potentieller Neueintritte
3.1.3 Substitute
3.1.4 Kunden
3.2 Die Rolle des Handels
3.2.1 Der Einzelhandel als Gatekeeper der Bio-Branche
3.2.2 Ökologie-Push und Ökologie-Pull
4 Der Bio-Markt aus Nachragersicht
4.1 Zahlen und aktuelle Trends des Bio-Markts
4.2 Segmentierung der Bio-Käufer
4.2.1 Einsatz von Kundensegmentierung auf die Bio-Branche
4.2.1.1 Die angebotene Warengruppe
4.2.1.2 Die Betriebsform und Größe des Handelsgeschäfts
4.2.1.3 Der bestehend Standort des Handelsgeschäfts
4.2.2 Anforderungen der Segmentierung
4.2.3 Traditionelle Segmentierungsansätze
4.2.3.1 Sozio-demographische Kriterien
4.2.3.2 Psychographische Kriterien
4.2.3.3 Verhaltensorientierte Kriterien
4.2.4 Moderne Segmentierung der Bio-Käufer
4.2.4.1 Die Sinus-Milieus
4.2.4.2 Zielgruppenanalyse des ISOE
4.2.4.3 Motivallianzen
4.2.4.4 Zielgruppentypologien nach Kirchgeorg
4.2.5 Zielgruppe „LOHAS"
4.3 Besondere Kaubarrieren für Bio-Lebensmittel
4.3.1 Informationsbeogene Kaufbarrieren
4.3.1.1 Qualitätsunsicherheit
4.3.1.2 Verwirrung durch Vielzahl an Siegeln
4.3.1.3 Opportunitätsrisiko
4.3.2 Kosten-Nutzen-Aspekte
5 Markierungen
5.1 Grundlagen der Produktkennzeichnung
5.1.1 Informationsökonomischer Ansatz
5.1.2 Signalling
5.1.3 Anforderungen an Produktkennzeichnungen
5.1.4 Markenverarbeitung
5.2 Umweltbezogene Produktkennzeichnungen
5.2.1 Gütesiegel unabhängiger Institutionen
5.2.1.1 Verbandszeichen
5.2.1.2 Gütezeichen
5.2.1.3 Prüfzeichen
5.2.2 Handelsmarken
5.2.2.1 Markenbegriff
5.2.2.2 Ziele und Vorteile der Handelsmarke
5.2.2.3 Probleme der Handelsmarke
5.3 Zwischenfazit
6 Implikationen für das Marketing
6.1 Schlüsselaspekte
6.1.1 Verständlichkeit der zentralen Botschaft und Informationsmenge
6.1.2 Glaubwürdigkeit der transportierten Information
6.1.3 Ort der Kaufentscheidung
6.2 Bio-Gütesiegel neutraler Institutionen
6.2.1 Emotionalisierang
6.2.2 Kommunikation der Inhalte
6.2.3 Kommunikation eines Zusatznutzens
6.3 Handelsmarken als Bio-Gütesiegel
6.3.1 Positionierung von Öko-Marken
6.3.2 Reizsetzung am Point of Sale
6.3.3 Platzierangssttrategie
6.3.4 Preispolitik und Bio-Lebensmittel
7 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Geschlossener Betriebskreislauf
Abbildung 2: Der teleologische Qualitätsbegriff
Abbildung 3: Gütesiegel der EU-Verordnung
Abbildung 4: Beispiele verschiedener Eigenmarkenlabels
Abbildung 5: Logos der deutschen Anbauverbände mit Gründungsjahr
Abbildung 6: Neues EU-Siegel ab dem Ol Juli 2010
Abbildung 7: Wettbewerbskräfte nach Porter
Abbildung 8: Absatzkanäle der Bio-Lebensmittel-Branche
Abbildung 9: Der Handel als Gatekeeper
Abbildung 10: Kaufmotive für Bio-Lebensmittel
Abbildung 11: Sinus-Milieus in Deutschland
Abbildung 12: Bio-Käufer in Sinus-Milieus
Abbildung 13: Fusion der Lebensstiltypologien nach Kirchgeorg
Abbildung 14: Preisaufschläge für Bio-Produkte
Abbildung 15: Gründe für den Kaufvon Bio-Produkten
Abbildung 16: Umsatz der Bio-Branche
Abbildung 17: Werbeflyer der Hofpfisterei München
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Vergleich der Anforderungen EG-Verordnung und Bioland
Tabelle 2: Wachstum der Bio-Betriebe und Anbaufläche in Deutschland
Tabelle 3: Konsumstile nach Empacher
1 Thema und Aufbau der Arbeit
Die Bedeutung von Bio-Lebensmitteln nimmt im Einzelhandel stetig zu. Die Bio-Branche verzeichnete in den letzten Jahren regelmäßig Umsatzsteigerungen, die auch in der Wirtschaftskrise nur wenig zurückgingen. Dass auch immer mehr Discounter Bio-Produkte in ihr Sortiment aufnehmen, drückt auf die Preise und zwingt alle Anbieter zu neuen Anstrengungen sich gegenüber der Konkurrenz zu differenzieren. Auf dem Bio-Markt spielen Produktkennzeichnungen daher eine entscheidende Rolle. Sie sollen dem Käufer nicht nur die ökologische Herstellung signalisieren, sondern sie bieten auch die Möglichkeit Produkte mit einem einzigartigen Profil zu versehen und so einen Mehrwert für den Kunden zu schaffen.
In der Fachliteratur existieren bereits zahlreiche Untersuchungen zur Bio-Branche und des Käuferverhaltens bei Qualitätsunsicherheit. Auch die Bedeutung glaubhafter Kommunikation ökologischer Sachverhalte und die Wirkung verschiedener Produktkennzeichnungen auf den Kunden stehen im Fokus verschiedener Arbeiten. Es wird auch auf die Problematik hingewiesen, dass die immer weiter wachsende Zahl diverser Markierungen auf dem Markt den Kunden zu verwirren droht. Es finden sich aber kaum Wissenschaftlich fundierte Arbeiten, die der Praxis konkrete Hinweise zur Gestaltung ökologischer Produktkennzeichnungen liefern. Ziel dieser Arbeit ist es also, den Entscheidern im Einzelhandel eine Hilfestellung zur zielgerichteten Ausrichtung des Marketinginstrumentariums auf die für sie relevanten Kundensegmente zu geben. Voraussetzung entsprechender Empfehlungen ist die Kenntnis der speziellen Strukturen der Bio-Branche sowie deren potentiellen Kunden.
Zu Beginn der Arbeit wird zunächst ein Einblick in grundlegende Aspekte, wie die Eigenschaften von Bio-Lebensmitteln und deren Qualität sowie aktuell existierende Öko-Labels, und die Branchenstruktur aus Anbietersicht gegeben. Ein erster Schwerpunkt ist die Analyse der Nachfragerseite in Kapitel 4: Nur eine ausreichende Kenntnis der Zielgruppe macht eine entsprechend ausgerichtete Gestaltung einer Produktkennzeichnung möglich. Auch wird der Problematik Rechnung getragen, dass es für die Wissenschaft bisher schwierig erscheint, die potentiellen Käufergruppen auf dem Bio-Markt adäquat zu systematisieren. Kapitel 5 gibt dann einen Überblick zu den Grundlagen der Produktkennzeichnung und fasst die Eigenschaften von existierenden Markierungen für die Bio-Branche zusammen. Auf deren Basis werden in Kapitel 6 abschließend Empfehlungen zur Gestaltung solcher Gütesiegel erarbeitet. Wie gezeigt wird, können sowohl neutrale Institutionen als auch die Handelsunternehmen Ausgangspunkt solcher Zeichen sein. Die entsprechenden Konsequenzen für die Marketingpolitik sind zusätzlich zu den Schlüsselaspekten der Öko-Kommunikation zu berücksichtigen.
2 Bio-Lebensmittel
Um Empfehlungen für die Gestaltung eines erfolgreichen Bio-Labels erarbeiten zu können, ist es zunächst notwendig die Situation auf dem Bio-Markt zu analysieren und die relevanten Begriffe einzugrenzen. Die folgenden Ausführungen beziehen sich dabei auf den deutschen Markt.
2.1 WasistBio?
Bei Bio-Lebensmitteln handelt es sich um ökologische Produkte, welche sich von konventionellen Produkten im Wesentlichen in der Herstellung durch eine ökologische Anbauweise und eine artgerechte Tierhaltung unterscheiden. So gelten Produkte im Allgemeinen als ökologisch, wenn sie relativ zu einem konventionellen Produkt mit identischem Grundnutzen die Umwelt weniger belasten (Jung 1998).
Das Bild von glücklichen Kühen auf der Wiese und dem Bauern, der im kleinen Garten Äpfel erntet, wird der ökologischen Landwirtschaft heute jedoch nicht mehr gerecht. Erste Ansätze zum ökologischen Landbau finden sich vor mehr als 100 Jahren in der Schweiz, als eine Gegenbewegung zur Industrialisierung. Heute muss er als alternatives Konzept zur konventionellen Landwirtschaft verstanden werden, mit der Zielsetzung einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft (Abbildung l).Dabei wird der Betrieb als Organismus mit den Bestandteilen Mensch, Tier, Pflanze und Boden gesehen (Neuerburg und Padel 1992), welchem möglichst wenig Ressourcen von außen zugeführt werden sollen.
Abbildung 1: Geschlossener Betriebskreislauf
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Neuerbauer 1992
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) nennt als positive Effekte des ökologischen Landbaus insbesondere den Schutz von Grund- und Oberflächenwasser durch den Verzicht auf chemisch-synthetische Mittel, wodurch auch die Vielfalt des Tier- und Pflanzenlebens auf den Flächen gefördert sowie die Fruchtbarkeit des Bodens geschont wird. Als ein Hauptziel wird auch die artgerechte Haltung von Tieren genannt (BMELV 2010a).
Das Konzept ist jedoch nicht nur eine Ideologie, es ist auch in vielen gesetzlichen Regelungen verankert. Deren Großteil baut auf der EG-Verordnung „... über den ökologischen Landbau und die entsprechende Kennzeichnung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Lebensmittel" auf, welche seit 1993 zunächst für pflanzliche Erzeugnisse galt (Europäische Union 1991). 1999 wurde diese um Regelungen bezüglich tierischer Erzeugnisse erweitert und seither stetig ergänzt und weiterentwickelt.
In Deutschland werden die grundlegenden Vorgaben im Öko-Landbaugesetz aus dem Jahr 2002 gebündelt. Neben den wichtigsten Vorschriften für die Herstellung pflanzlicher und tierischer Produkte finden sich hier unter anderem auch Regelungen zur Kontrolle und mögliche Strafmaßnahmen bei Verstößen.
Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) arbeitet mit Behörden und staatlich überwachten privaten Kontrollstellen zusammen, um die Durchführung der EG- Rechtsvorschriften zu gewährleisten. Nach diesen verpflichten sich Erzeuger und Verarbeiter ökologischer Produkte zur Angabe aller Flächen, Gebäude oder Einrichtungen der Produktion sowie sämtlicher relevanter Betriebsmittel und Erzeugnisse aller Verarbeitungsstufen. Hierdurch soll die Rückverfolgbarkeit der ökologischen Produkte bis zum Erzeuger sichergestellt werden (BMELV 2010b). Weitere Einschränkungen und Vorgaben zur Herstellung werden später in Kapitel 2.3 dieser Arbeit „Bedeutende Gütesiegel" ausführlicher erläutert.
Wie in der EG-Verordnung werden auch in dieser Arbeit die Begriffe biologisch und ökologisch synonym verwendet. Die Bezeichnungen „bio" und „öko" sind seit 1993 in der Europäischen Union geschützt und dürfen nur für Produkte genutzt werden, welche den rechtlichen Bestimmungen zu Herstellung und Inhaltsstoffen entsprechen. Ob die Produktion hierbei nach biologisch-organischen oder biologisch-dynamischen Grundsätzen konzipiert ist, soll in dieser Arbeit der Einfachheit halber vernachlässigt werden. Als Bio-Lebensmittel gelten jene Produkte, deren Zutaten mindestens zu 95 Prozent aus ökologischem Landbau stammen (Schultz 2008). Es ist zu beachten, dass Ausdrücke wie „aus kontrolliertem Anbau" oder „natürlich" nicht in der EG-Norm enthalten sind und sich dahinter in der Regel konventionelle Produkte verbergen. Mögliche Folgen dieser Problematik werden in Kapitel 4.3 „Besondere Kaufbarrieren für Bio-Lebensmittel" diskutiert. Im Hinblick auf die Zielsetzung dieser Arbeit wird jedoch grundsätzlich davon ausgegangen, dass Verbraucher heute davon ausgehen können: „...wo 'Öko' draufsteht, ist auch 'Öko' drin" (Frühschütz 2003, S.19 [hervorgehoben im Originaltext]).
2.2 Qualität von Bio-Lebensmitteln
Um die Qualität von Bio-Lebensmitteln festzustellen, ist es zunächst notwendig den in dieser Arbeit verwendeten Qualitätsbegriff genauer zu betrachten. In der Literatur wurden bei der Definition von Qualität schon früh die Sichtweisen der „objektiven" und der „subjektiven" Qualität entwickelt (Lisowsky 1928).
Der Begriff der „objektiven Qualität" zielt auf die neutrale Beschreibung der Beschaffenheit eines Produkts, sofern der Verwendungszweck für ein Gut festgelegt ist (Wimmer 1975). So formuliert das Deutsche Institut für Normung (DIN) in der DIN 55 350 Teil 11 (1987):
„Qualität ist die Gesamtheit von Eigenschaften einer Einheit, festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen".
Problematisch an dieser Herangehensweise ist, dass offen bleibt, wie „vorausgesetzte Erfordernisse" festgelegt werden. Dieses Maß muss von Dritten vorgegeben werden, um entsprechende Charakteristika messen und vergleichen zu können (Faltins 2009). Ein Beispiel für ein so von außen definiertes Maß ist ein Testergebnis der Stiftung Warentest, bei welchem die Produktqualität als rein technische Summe von messbaren Eigenschaften bestimmt wird (Böhm, de Witte, Schulze und Spiller 2007).
Die „subjektive Qualität" dagegen knüpft an die durch individuelle Bedürfnisse beeinflusste Wahrnehmung der Eigenschaften aus der Sicht des Konsumenten an. Sie gibt den Grad der Übereinstimmung zwischen persönlichen Erwartungen und Ansprüchen an ein Produkt und der empfundenen Zweckeignung an (Lisowsky 1928).
In dieser Arbeit soll Qualität im zweckorientierten Sinne verstanden werden. Ein solcher „teleologischer Qualitätsbegriff" (Abbildung 2) berücksichtigt mit den tatsächlichen Eigenschaften des Produkts die objektiven Aspekte, welche aber aus der Sicht des Verwenders hinsichtlich ihrer Eignung für seine Verwendungsziele bewertet werden (Hansen 1990). Dieser kundenbezogene Blickwinkel ist für die Zielsetzung dieser Arbeit als sinnvoll anzusehen, da der Kunde letztendlich über die Qualität von Bio-Lebensmitteln am Markt urteilt. Qualität bedeutet also primär „vom Kunden wahrgenommene Qualität" (Strauss 1991).
Abbildung 2: Der teleologische Qualitätsbegriff
Quelle: Eigene Darstellung nach Faltins (2001)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Qualität von Lebensmitteln beinhaltet zum einen die speziellen Eigenschaften des Produkts, zum anderen auch die Prozessqualität in dessen Herstellung. Wird unterstellt, dass BioLebensmittel den grundsätzlichen Verwendungszweck, das Stillen von Hunger und die Versorgung mit lebensnotwendigen Nährstoffen, ebenso erfüllen wie konventionelle Lebensmittel, muss zur genauen Analyse der Qualitätsunterschiede auf weiterführende Kriterien zurückgegriffen werden. Bisher gibt es noch nicht ausreichend wissenschaftliche Untersuchungen darüber, ob ökologisch produzierte Nahrungsmittel generell als gesünder einzuschätzen sind als konventionelle Substitute. In der Regel erzielen Bio-Produkte bei chemisch-analytischen Tests tendenziell bessere Ergebnisse (BMELV 2010). Neben einem höheren Gehalt an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen wird ihnen auch ein bedeutend geringeres Allergiepotenzial bescheinigt. Als Grund wird die sehr begrenzte Anzahl von Zusatzstoffen angeführt. Da diese in der Regel auch bis zur Kleinstmenge auf der Verpackung aufgeführt werden, sind Bio-Lebensmittel besonders für Allergiker und sicherheitsorientierte Menschen zu empfehlen (Ökotest 2005).
Wird als weiteres Beurteilungskriterium die Nachhaltigkeit der Bewirtschaftungsform betrachtet, zeigt sich, dass der ökologische Landbau in seiner Ausrichtung bei Anbau, Verarbeitung und Vermarktung die natürlichen Ressourcen relativ weniger belastet als die konventionelle Landwirtschaft. Villiger (2000) zeigt, dass Bio-Produkte hinsichtlich ihrer Prozessqualität einen „ökologischen Vorteil" besitzen. Dieser Vorteil geht über den allgemeinen Grundnut zen von Lebensmitteln hinaus, wird aber von den Konsumenten als unterschiedlich wichtig bewertet. Die ökologische Qualität von Bio-Lebensmitteln ist daher als Zusatznutzen einzuordnen (Faltins 2009). Dieser Aspekt hat einen bedeutsamen Einfluss auf die Marketingstrategien und spielt auch bei der Entwicklung und Bewertung von Bio-Gütesiegeln eine wesentliche Rolle. Dieser Sachverhalt wird im Verlauf dieser Arbeit noch näher beleuchtet werden.
2.3 Bedeutende Gütesiegel
Um dem Konsumenten ökologisch produzierte Lebensmittel deutlich erkennbar zu machen, werden diese Produkte in der Regel mit entsprechenden Siegeln und Symbolen markiert. Welche Rolle Markierungen dieser Art im Handel für den Verbraucher spielen und wie sie von unterschiedlichen Akteuren am Markt eingesetzt werden, soll in Kapitel 5 näher beleuchtet werden. Um einen ersten Einblick in die Vielzahl der Markierungen zu geben, werden in diesem Abschnitt beispielhaft bedeutende Labels der Bio-Branche kurz vorgestellt.
In Kapitel 1.1 wurde der Begriff „Bio-Lebensmittel" anhand der EU-Verordnung hergeleitet und erörtert. Es wird im weiteren Verlauf der Arbeit davon ausgegangen, dass die Bio-Produkte den in Artikel 23 der EG-Öko-Basisverordnung angeführten Anforderungen genügen.
Abbildung 3: Gütesiegel der EU-Verordnung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (2010)
Für Produkte dieser Art vergibt die Europäische Kommission das Siegel „Ökologischer Landbau" (Abbildung 3, links). Da dieses Zeichen auf dem Marktjedoch kaum eine Rolle spielt, wird hier ausführlicher auf das weit verbreitete Symbol „Bio nach EG-Öko-Verordnung" (Abbildung 3, rechts) eingegangen, welches vom BMELV auf Basis der gleichen Anforderungen vergeben wird. Es markiert derzeit circa 60.000 Produkte von über 3.500 Herstellern (BMELV 2010c) und garantiert, dass mindestens 95% der verwendeten Zutaten aus ökologischem Landbau stammen und sich alle an der Produktion beteiligten Unternehmen an die Vorgaben der EG-Verordnung halten.
Die wichtigsten Aspekte dieser Verordnung werden hier aufgeführt (BMELV 2010a):
Es wird kein Pflanzenschutz mit chemisch-synthetischen Mitteln betrieben, und Unkraut-Bekämpfungsmaßnahmen werden überwiegend mechanisch durchgeführt. Es dürfen keine leicht löslichen mineralischen Düngemittel benutzt werden. Das heißt, nur natürliche Methoden, wie Mistdüngung, oder der Einsatz von Stickstoff sammelnden Pflanzen erhöhen die Fruchtbarkeit des Bodens.
Die Viehhaltung ist streng an die Fläche gebunden. Tiere werden möglichst mit hofeigenem Futter ernährt, auf Antibiotika wird weitgehend verzichtet. Nur eine sehr begrenzte Anzahl von Zusatzstoffen ist erlaubt. Diese sind auf einer Positivliste aufgeführt (47 von über 300 Stoffen bei konventionellen Lebensmitteln) und müssen bis zu Kleinstmengen auf der Produktverpackung aufgeführt werden. Um die Einhaltung der Bestimmungen zu gewährleisten führen Behörden oder amtlich zugelassene private Kontrollstellen regelmäßig Kontrollen in den Unternehmen durch. Bio-Betriebe müssen über alle Betriebsmittel und Erzeugnisse, die ge- oder verkauft werden, genau Buch führen, um die Rückverfolgung sämtlicher Bestandteile der Produktion zu ermöglichen. Die zuständige Kontrollstelle muss auf den Produkten durch eine Codenummer des Schemas „DE-000-Nummer der Kontrollstelle" angegeben werden (Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz 2010b).
Abbildung 4: Beispiele verschiedener Eigenmarkenlabels
Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Neben diesem staatlichen Gütesiegel existiert auf dem Markt eine Vielzahl anderer Markierungen, um den Kunden auf die ökologische Herkunft des Lebensmittels hinzuweisen. Während die Eigenmarkenlabels (Abbildung 4) nicht durchgehend aussagekräftig bezüglich der wahren Qualität des Produktes sind, vergeben die ökologischen Anbauverbände ihre Siegel nach weitaus höheren Kriterien als den Grundanforderungen der EU.
In Deutschland gibt es acht solcher Verbände, welche sich wiederum zu einem Dachverband, der Arbeitsgemeinschaft ökologischer Landbau (AGÖL), zusammengeschlossen haben (Stiftung Ökologie und Landbau 2010). Nachfolgend sind die Logos der Erzeugerverbände Demeter, Bioland, Biokreis, Naturland, Ecovin, Gäa, Biopark und Ecoland chronologisch mit Gründungsjahr dargestellt (Abbildung 5).
Abbildung 5: Logos der deutschen Anbauverbände mit Gründungsjahr
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schultz (2008)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Richtlinien und Bestimmungen der Verbände zur Vergabe der jeweiligen Gütesiegel gingen auch in die EU-Verordnung 2092/91 ein. In vielen Punkten gehen sie aber weit über diese Mindeststandards der EU hinaus (Frühschütz 2003). Beispielhaft werden die wesentlichen Unterschiede des größten Verbandes Bioland und der EG-Öko-Verordnung in Tabelle 1 (nächste Seite) gegenübergestellt. Ob solch unterschiedliche Inhalte bezüglich der Vergabekriterien von Gütesiegeln Auswirkungen auf deren Wirkung auf das Konsumentenverhalten haben, wird in Kapitel 5 näher untersucht. Es ist aber anzunehmen, dass die Vielzahl an ähnlichen Markierungen am Markt für den Verbraucher unübersichtlich wirken muss (Langer, Eisend und Kuß 2008). Die EU führte daher zum Ol.Juli 2010 ein neues Zeichen ein (Abbildung 6), welches einheitlich auf allen Bio-Produkten europaweit sichtbar platziert werden muss. Die Labels der Länder und Verbände dürfen zusätzlich angebracht werden (BLE 2010). Ob diese Maßnahme geeignet ist, wie beabsichtigt die Verwirrung der Kunden zu bekämpfen, kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend bewertet werden.
Abbildung 6: Neues EU-Siegel ab dem Ol.Juli 2010
Quelle: Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (2010)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Vergleich der Anforderungen EG-Verordnung und Bioland
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Bioland (2010)
3 Der Bio-Markt aus Anbietersicht
Nachdem die Bio-Branche während des ersten Booms zum Ende des vorigen Jahrhunderts zum Teil zweistellige Wachstumsraten verzeichnete, ging der Umsatz an Bio-Lebensmitteln in Deutschland im Jahr 2009 um ca. 1,1% zurück. Da die gesamte Lebensmittelbranche aufgrund sinkender Preise im selben Jahr laut Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) mit einem Umsatzrückgang von 2,4% rechnen muss, nimmt der Marktanteil für Bio-Produkte im gesamten Einzelhandel leicht zu. Berücksichtigt man noch das Wachstum im Naturkost-Fachhandel von etwa 6%, so wird deutlich, dass eine detaillierte Analyse der Situation des Bio- Marktes notwendig ist um ihn adäquat einschätzen zu können. Europaweit ist der deutsche Bio-Markt mit ca. 5,8 Milliarden Euro der bedeutendste. Der Trend zu Bio lässt sich aber auch in anderen Ländern wie Frankreich oder Skandinavien an Umsatzsteigerungen von bis zu 20% erkennen (Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft 2010).
Diese Zahlen zeigen, dass sich die relativ junge Bio-Branche immer noch in einem sehr dynamischen Umfeld bewegt, das eine ständige Anpassung der Strategien aller beteiligten Akteure erfordert. Um adäquate Empfehlungen für das Konzept einer wirkungsvollen Markierung erarbeiten zu können, ist eine genaue Kenntnis der Branchenstruktur notwendig.
3.1 Porters Branchenstrukturanalyse
Um die Situation der Bio-Branche angemessen zu untersuchen, soll Porters Branchenstrukturanalyse zu Hilfe genommen werden. Sie ermöglicht eine systematische Analyse von Chancen und Risiken in der Unternehmensumwelt und findet als Basis für die Formulierung von Wettbewerbsstrategien in Wissenschaft und Praxis breite Anwendung. Als Rahmen werden vier Wettbewerbskräfte identifiziert (Abbildung 7), welche die Wettbewerbsintensität und somit die Struktur der Branche determinieren. Diese Kräfte beeinflussen die Preise, Kosten und den Investitionsbedarf und bestimmen somit die Attraktivität der Branche. Diese Struktur ist laut Porter (2004) verhältnismäßig stabil, kann sich mittelfristig jedoch auch verändern. Ändern sich die Beziehungen zwischen Konkurrenten, Kunden, Lieferanten, Ersatzprodukten (Substituten) und potentiellen neuen Wettbewerbern, wirkt sich das auf die Branchenrentabilität aus. Eine genaue Kenntnis sämtlicher Faktoren ist folglich notwendig um angemessene Strategien entwickeln zu können. Um die spezielle Bedeutung von Gütesiegeln in der verhältnismäßig jungen Bio-Branche zu verstehen, werden im Folgenden die relevanten Kräfte dargestellt.
Abbildung 7: Wettbewerbskräfte nach Porter
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Porter (2004)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3.1.1 Lieferanten
Die Verhandlungsstärke der Hersteller und Lieferanten bestimmt die Kosten für Bio-Produkte im Handel. Die hohe Nachfrage des Bio-Booms der letzten Jahre ließ auch den ökologischen Landbau in Deutschland an Bedeutung gewinnen. 2009 wurde die Fläche von 951.557ha ökologisch bewirtschaftet. Das entspricht einer Steigerung von 4,8% gegenüber dem Vorjahr. Auch die Zahl der Betriebe nahm in den letzten Jahrenj ährlich um etwa 5% zu (Tabelle 2).
Tabelle 2: Wachstum der Bio-Betriebe und Anbaufläche in Deutschland
Quelle: Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (2010)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Verbandsgebundene Betriebe konnten einen etwas größeren Flächenzuwachs verzeichnen als reine EU-Bio-Betriebe und so ihren Flächenanteil gegenüber diesen auf 69% erhöhen. Die Bedeutung der Verbände nimmt damit wieder zu, nachdem in den Jahren zuvor ein gegenteiliger Trend zu beobachten war. Grund für die hohen Zuwachsraten sind einerseits Subventionen der EU, zum anderen ist jedoch die hohe Nachfrage nach einheimischen Bio-Produkten zu nennen, welche noch in den Jahren 2007 und 2008 das Angebot überstieg (Bund Ökologischer Landwirtschaft 2008b). 2009 hat sich das Mengenwachstum angeglichen, was den überhitzten Markt etwas zur Ruhe kommen ließ (Bund Ökologischer Landwirtschaft 2010). Die weiter steigende Bedeutung des konventionellen Lebensmitteleinzelhandels in der Bio-Branche lässt die Verhandlungsmacht der Lieferanten zurückgehen, da der Handel als Großabnehmer inzwischen größeren Einfluss auf die Einkaufspreise nehmen kann. In einzelnen Produktkategorien, in welchen europaweit immer noch ein Angebotsdefizit herrscht, wie zum Beispiel Getreide oder Fleisch, kann der Einzelhandel jedoch nur begrenzt auf Importe ausweichen (Berlichin- gen 2006). Hier ist auch in den nächsten Jahren nicht mit sinkenden Preisen zu rechnen, da die Umstellung von Betrieben in diesen Bereichen vergleichsweise lange Zeit beansprucht.
Die steigende Nachfrage sowie die zunehmende Vermarktung von Bio-Produkten durch den Handel führen auch zu einem Wandel der Struktur im ökologischen Landbau (Niggli 2005). Engel, Kratochvil, Schumacher und Ulmer (2005) betonen besonders die positiven Veränderungen durch die Professionalisierung der Bio-Branche. Als Beispiel sind der erleichterte Zugang zu Bio-Lebensmitteln für den Konsumenten und die sinkenden Preise bei steigender Produktion zu nennen. Gleichzeitig wird aber auch von einer Konventionalisierung des Öko-Landbaus gesprochen, da er sich immer öfter Verfahren und Methoden des konventionellen Wirtschaftens bedient um die Nachfrage befriedigen zu können. Es kommt verbreitet zu einer Entideologisierung, das heißt zu einer Abkehr von ursprünglichen Grundwerten des ökologischen Landbaus (Bartel-Kratochvil, Lindenthal, Darnhofer und Zollitsch 2008). Diese „Konventionalisierungsfalle" wird zum Beispiel durch die Spezialisierung der Betriebe sichtbar. Die Sortenwahl und die Fruchtfolgen werden der Nachfrage entsprechend angepasst, was die nachhaltige Entwicklung der Böden negativ beeinflusst. Der Tierhaltung werden zugekaufte Futtermittel zugeführt, womit der Betriebskreislauf weiter geöffnet wird (Engel et al. 2005). Veränderungen wie diese werden von Anbauverbänden meist als Bruch mit den Idealen des Öko-Landbaus gesehen, weshalb ihre Anforderungen an Mitglieder in der Regel über die EG-Verordnungen hinaus gehen, um einer „Verwässerung" der ökologischen Qualität entgegenzuwirken. Diese Entwicklung hat auch direkte Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit von Bio-Produkten beim Endkonsumenten, dem es nur begrenzt möglich ist die Unterschiede der Produktion nachzuvollziehen. Hierdurch wird die Bedeutung von klar definierten Gütesiegeln am Markt deutlich, die dem Konsumenten eine Orientierung beim Einkauf geben können.
3.1.2 Aktuelle Wettbewerber und Gefahr potentieller Neueintritte
Da die im Rahmen dieser Arbeit behandelten Markierungen wie Gütesiegel und Handelsmarken überwiegend beim Absatz von Bio-Produkten an den Endverbraucher zum Einsatz kommen, sind es die für die Bio-Branche charakteristischen Absatzwege, welche als die wesentlichen Wettbewerber nach Porter einzuordnen sind (Abbildung 8). Ausgehend von den Einkaufsstätten der Verbraucher können drei Absatzkanäle unterschieden werden (Teriete 2007): Die Direktvermarktung der Landwirte auf dem Wochenmarkt oder am Hof, der konventionelle Lebensmitteleinzelhandel sowie der Fachhandel wie Reformhäuser und Bio-Supermärkte.
Abbildung 8: Absatzkanäle der Bio-Lebensmittel-Branche
Quelle: Eigene Darstellung nach Teriete (2007)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der traditionelle Weg der Direktvermarktung besticht dabei besonders durch die persönliche Beratung und die regionale Nähe zum Landwirt (Frike 1996). Das dadurch entstehende Kundenvertrauen in die Bio-Qualität führt dazu, dass Gütesiegel hier nur eine geringe Rolle spielen. In der Vergangenheit nahmen aber auch immer mehr Unternehmen des konventionellen Lebensmitteleinzelhandels Bio-Lebensmittel in ihr Sortiment auf, bis im Jahr 2008 rund 50% des Bio-Umsatzes Handelsketten und Discountern zuzurechnen waren. Besonders die niedrigeren Preise sowie die Möglichkeit des „One-Step-Einkaufs" bewegen Kunden dazu hier ihren Bedarf an Bio-Produkten zu decken. Meist kommen dabei neben dem EU-Gütesiegel vor allem eigene Bio-Handelsmarken zum Einsatz (Jonas 2005). Das Corporate Design dieser Marken verringert den Suchaufwand für die Konsumenten und steigert die Möglichkeit des Spontankaufs, wenn Bio-Produkte in der entsprechenden Produktkategorie neben den konventionellen Lebensmitteln platziert werden. Da es einige etablierte Fachhandelsmarken aus Furcht vor Imageverlust vermeiden wollen, ihre Produkte unter dem bekannten Label im Supermarkt zu verkaufen, werden in einigen Fällen alternative Handelsmarken für die Vermarktung genutzt (Faltins 2009). Das bedeutet, dass sich unter verschiedenen Labels unter Umständen Produkte derselben ökologischen Qualität befinden. Werden manche Premium- marken der Handelsketten vom Konsumenten durchaus noch vergleichbar wie bekannte Gütesiegel der Ökoverbände wahrgenommen, haben Bio-Produkte bei den Discountern ein Glaubwürdigkeitsproblem. So glaubt nur knapp ein Viertel der Verbraucher an die Echtheit der BioQualität bei den Discountern, so wenig wie in keinem anderen Absatzkanal (Thielicke 2006). Dies zeigt, dass insbesondere hier noch Bedarf an Verbesserung in der Vermarktung von BioLabels besteht. Der hier angesprochene Vertrauensmangel gegenüber Bio-Produkten wird im Kapitel 4.3 dieser Arbeit genauer dargestellt werden.
Im Jahr 2009 hat der Fachhandel als Absatzweg für Bio-Produkte wieder an Bedeutung gewonnen. Die Umsatzentwicklung blieb dabei weiterhin positiv, obwohl die gesamte BioBranche unter dem Preiskampf im konventionellen Einzelhandel zu leiden hatte. Discounter zum Beispiel senkten die Preise in der Krise um durchschnittlich 8% (Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft 2010). Der Konsument nutzt die Sortimentstiefe und die meist kompetente Beratung dieses Distributionskanals und nimmt dafür auch höhere Preise in Kauf. Aus diesem Grund sind hier auch die meisten der qualitativ hochwertigen Produkte der Ökologischen Landbauverbände wie Bioland, Demeter etc. zu finden. Besonders regelmäßige BioKonsumenten schätzen deren hohe Standards und vertrauen den Gütesiegeln der Verbände, auch wenn sie bezüglich deren Bedeutung häufig schlechter informiert sind als sie selber einschätzen (Volk-Uhlmann 2001). Der Distributionsweg des Fachhandels durchläuft in den letzten Jahren einen Wandel: Der Trend geht weg von kleinen Bio-Läden, hin zu großen Märkten mit breitem Sortiment - das neue Konzept des Bio-Supermarkts scheint die Kundenwünsche genau zu treffen und verspricht auch in den kommenden Jahren bis zur flächendeckenden Versorgung mit Bio-Vollsortimentern gute Wachstumschancen (Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft 2010).
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Bio-Branche durch einen dynamischen Wettbewerb gekennzeichnet ist. Preiskämpfe und Verdrängung von etablierten Distributionswegen und Marken stellen das Marketing von Gütesiegeln auf dem Bio-Markt regelmäßig vor neue Herausforderungen.
3.1.3 Substitute
Als weitere Wettbewerbskraft einer Branche nennt Porter (2004) die Bedrohung durch Ersatzprodukte. Gemeint sind Produkte, welche beim Verbraucher die gleiche Funktion erfüllen können wie das betrachtete Produkt. Im Falle von Bio-Lebensmitteln sind alle konventionellen Lebensmittel als Substitute in diesem Sinne zu sehen. Auch sie befriedigen das Bedürfnis Hunger und das Streben nach gesunder Ernährung. Wie in Kapitel 2.2 dargestellt wurde, ist ohnehin umstritten, inwiefern Lebensmittel von Bio-Qualität das Gesundheitsbedürfnis besser erfüllen können. Festgehalten werden kann in jedem Fall, dass der Substitutionsdruck durch Nicht-Bio-Lebensmittel je nach Abnehmergruppe unterschiedlich stark ausgeprägt ist (Faltins 2009).
Auf die verschiedenen Gruppen, welche Bio-Produkte abnehmen, wird in Kapitel 4 ausführlich eingegangen. An dieser Stelle ist als wesentlich zu betrachten, dass sich Bio-Lebensmittel von konventionellen Produkten maßgeblich hinsichtlich ihres potentiellen Zusatznutzens unterscheiden: Neben dem gesundheitlichen Aspekt können sich Lebensmittel aus ökologischem Anbau durch ihre nachhaltige Produktion auszeichnen (Villiger 2000). Dies wird von verschiedenen Käufergruppen als unterschiedlich wichtig bewertet und wirkt sich auch auf die Wahl der Einkaufsstätte aus (Schmitz und Kölzer 1996). Der Zusatznutzen ist in den verschiedenen Distributionskanälen folglich als verschieden bedeutend zu bewerten.
Um diesen Zusatznutzen glaubhaft zum Endkonsumenten transportieren zu können und sich von den Substituten klar zu differenzieren, spielen vertrauenswürdige Gütesiegel eine entscheidende Rolle, um einen Mehrpreis für die Bio-Produkte realisieren zu können.
3.1.4 Kunden
Nach Porter (2004) beeinflussen schließlich auch die Kunden die Rentabilität einer Branche, da sie mit zunehmender Verhandlungsmacht stärker auf den Preis einwirken können. Durch den Einstieg des konventionellen Lebensmitteleinzelhandels in die Bio-Branche ist nicht nur die Anzahl, sondern besonders die Verfügbarkeit der Bio-Produkte sprunghaft angestiegen. Konsumenten können heute zwischen einer Vielzahl von Bio-Produkten wählen und diese über verschiedene Absatzwege beziehen (Berlichingen 2006). Dies ist zusätzlich zu der in Abschnitt 3.1.1 angeführten Professionalisierung bei den Herstellern und der Wirtschaftskrise als weiterer Grund für die sinkenden Preise in 2009 anzuführen. Die Kundenstruktur bei Bio-Produkten ist sehr vielschichtig und von vielen Einflüssen geprägt (Katz 2002). Da die genaue Kenntnis der Kunden für die Gestaltung von Marketingmaßnahmen auf dem Lebensmittelmarkt als wesentlich betrachtet werden muss (Fricke 1996), soll der intensiven Betrachtung der Nachfrageseite in dieser Arbeit mit Kapitel 4 ein eigener Schwerpunkt gewidmet werden.
3.2 Die Rolle des Handels
Wie bereits angeführt, finden die für diese Arbeit bedeutenden Markierungen im Verhältnis zwischen Handel und Endkonsument Anwendung. Daher wird hier der Handel als Akteur der Anbieterseite untersucht.
In der Literatur wird verbreitet zwischen Handel im funktionalen und Handel im institutionellen Sinne unterschieden. Im Katalog E des Ausschusses für Begriffsdefinitionen aus der Handels- und Absatzwirtschaft (1995) findet sich auf Seite 28 folgende Definition:
„Handel im funktionalen Sinne liegt vor, wenn Marktteilnehmer Güter, die sie in der Regel nicht selbst be- oder verarbeiten (Handelswaren), von anderen Marktteilnehmern beschaffen und an Dritte absetzen. In der Praxis wird der Begriff im allgemeinen auf den Austausch von Sachgütern, noch häufiger auf den Austausch von beweglichen Sachgütern eingeschränkt.
Handel im institutionellen Sinne - auch als Handelsunternehmung, Handelsbetrieb oder Handlung bezeichnet - umfaßt jene Institutionen, deren wirtschaftliche Tätigkeit ausschließlich oder überwiegend dem Handel im funktionellen Sinne zuzurechnen ist. In der amtlichen Statistik wird eine Unternehmung oder ein Betrieb dann dem Handel zugerechnet, wenn aus der Handelstätigkeit eine größere Wertschöpfung resultiert als aus einer zweiten oder mehreren sonstigen Tätigkeiten."
Im Wesentlichen wird die Handelsfunktion in der Durchführung von räumlichen, zeitlichen, quantitativen und qualitativen Ausgleichsprozessen spezifiziert (Gutenberg 1984). Diese Prozesse behandeln dabei nicht nur Güterströme, sondern übernehmen auch eine Brückenfunktion für den Informationsfluss zwischen Herstellern und Konsumenten. Die überragende Bedeutung dieser Schlüsselrolle für die Bio-Branche soll nachfolgend erörtert werden.
3.2.1 Der Einzelhandel als Gatekeeper der Bio-Branche
Der Gatekeeper-Ansatz wurde von dem deutsch-amerikanischen Soziologen und Psychologen Kurt Lewin (1963) im Rahmen seiner Feldtheorie in den Sozialwissenschaften entwickelt und von Ursula Hansen (1988) Ende des letzten Jahrhunderts auf die Rolle des Handels im Marktweg übertragen. Gatekeeper bedeutet übersetzt Pförtner. Der institutionelle Handel übernimmt eine Vermittlungsfunktion zwischen den Herstellern und dem Konsumenten und hat die Macht Marktwege für Güter und Information zu öffnen oder zu schließen (Abbildung 9).
Durch diese spezielle Stellung im Absatzweg fungiert der Handel als Diffusionsagent für Bio-Lebensmittel (Faltins 2009). Laut Becker (1990) hat sich der Handel durch ausgeprägte Konzentrationsprozesse dabei zu einem mächtigen Initiator des Marktgeschehens gewandelt. Als solcher kann ihm auf dem Bio-Markt eine gestaltende Rolle zugerechnet werden.
Abbildung 9: Der Handel als Gatekeeper
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schultz (2008)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3.2.2 Ökologie-Push und Ökologie-Pull
Der Handel übt Impulse auf die vor- und nachgelagerten Stufen aus. Hansen (1988) spricht von „ecology-push" und „ecology-pull" Strategien.
Beim Ökologie-Pull nutzt der Handel seine Macht als Großabnehmer um die Hersteller zur Umstellung auf ökologischen Landbau zu bewegen. Die Macht steigt mit der quantitativen Menge, die vom Händler abgenommen wird. Durch die zunehmende Bedeutung des konventionellen Lebensmitteleinzelhandels ist der Bedarf an Bio-Produkten stark gestiegen und war teilweise höher als das Angebot. Die im Vergleich zu konventionell hergestellten Lebensmitteln höheren Preise machen den Umstieg auf Bio-Produkte attraktiv, so dass die Zahl der Betriebe in diesem Sektor konstant steigt (Bund Ökologischer Landwirtschaft 2010). Niggli weist zudem schon 2005 daraufhin, das die großen Ketten in der Lebensmittelbranche das positive Image des ökologischen Landbaus zur eigenen Profilierung nutzen wollen und sie daher auch eigenes Interesse am Engagement für Bio-Qualität haben.
Nutzt der Handel seine herausragende Stellung in der Absatzkette um das Verbraucherverhalten zu beeinflussen, wird vom Ökologie-Push gesprochen. Zum einen wird durch die Aufnahme von Bio-Produkten in das Sortiment deren Verfügbarkeit für den Konsumenten sichergestellt. Bei der Vorselektion der Produkte übernimmt der Handel die Rolle des „purchase agent". Werden die Produkte am Ort der Kaufentscheidung dann ansprechend präsentiert, steigt auch die Wahrscheinlichkeit von Spontankäufen. Durch passend gestaltete Werbung wird der Zusatznutzen von Bio-Lebensmitteln auch der breiten Bevölkerung vorgestellt, und durch kompetente Information und Beratung können eventuelle Berührungsängste bekämpft sowie Unsicherheiten auf Seiten des Endkonsumenten verringert werden (Hansen 1988).
Es ist zu beachten, das auch der Handel selbst Pull- und Push-Wirkungen unterliegt: Aus dem gesteigerten Qualitätsbewusstsein bei Kunden ergibt sich ein Ökologie-Pull für die Sortimentspolitik des Handels. Um am Markt bestehen zu können, muss er sich dem veränderten Kaufverhalten anpassen und vermehrt Bio-Produkte ins Programm aufnehmen (Faltins 2009). Eine Ökologie-Push-Wirkung kann sich aus gesetzlichen Regelungen ergeben, welche die Handlungsmöglichkeiten von Handelsunternehmen einschränken (Villiger 2000). Auch die Verbraucher üben Druck auf ihre Händler aus. So sind die meisten Konsumenten der Meinung, dass sich der Handel nicht ausreichend mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzt (Warschun und Rühle 2008). Hansen (1988) nennt des weiteren noch den Druck durch öffentliche Kritik oder durch Non-Profit-Organisationen.
Abschließend lässt sich feststellen, dass der Handel bei Erfüllung seiner Diffusions- und Informationsaufgabe bezüglich Produkten ökologischer Qualität auf glaubwürdige Siegel angewiesen ist. Zum einen sind sie gut geeignet dem Kunden diese Produkte kenntlich zu machen, zum anderen kann durch das Führen von starken Bio-Marken auch das eigene Profil am Markt positiv geschärft werden.
4 Der Bio-Markt aus Nachragersicht
Die Konsumenten nehmen bei Porter (2004) eine wesentliche Rolle ein. Auch für die Analyse der Wirkung von Gütesiegeln sind sie von zentraler Bedeutung, denn letztendlich entscheiden die Konsumenten über den Erfolg entsprechender Markierungen. Folglich ist die Betrachtung der Nachfragerseite auf dem Bio-Markt essentiell für die weiteren Aspekte dieser Arbeit. Durch die Kundenanalyse werden neben der quantitativen Bedeutung im Verkauf auch die Struktur der Nachfrager, mögliche Segmentierungskriterien und die Charakterisierung der Segmente untersucht (Köhler 1993). Der Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt zwingt Unternehmen sich mit ihren Kunden zu beschäftigen um am Markt zu überleben (Meffert 1998). Dies gilt auch, oder gerade, für den Einzelhandel, da dieser im direkten Kontakt zum Endkonsumenten steht. Die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden müssen hier Bestandteil jeder Unternehmensentscheidung sein, denn die Kundenzufriedenheit ist im Handel ein essentieller Aspekt des Erfolgs am Markt (Büttner 1986). Da die in dieser Arbeit behandelten Gütesiegel, wie bereits dargestellt, genau an der Schnittstelle zwischen Handelsbetrieb und Endverbraucher wirken, werden nachfolgend die Käufer von Bio-Produkten näher betrachtet.
4.1 Zahlen und aktuelle Trends des Bio-Markts
In den vergangenen Jahren erlebte der Öko-Markt ein zuletzt verlangsamtes, aber stetiges Wachstum. Zum einen konnten neue Kundenschichten für Öko-Produkte gewonnen werden, zum anderen erweiterten bestehende Kundengruppen ihren Konsum. In der Literatur werden Bio-Käufer zumeist in drei Kategorien eingeteilt, die in im Verlauf dieser Arbeit (Abschnitt 4.2.2.3) noch genauer definiert werden: Die Intensivkäufer, die Gelegenheits- oder Spontankäufer und die Nichtkäufer (Faltins 2009).
Die Intensivkäufer, die mindestens 20% ihrer Lebensmittelausgaben für Bio-Produkte ausgeben, sorgen insgesamt für 39% der gesamten Bio-Umsätze. Diese Zahl gewinnt noch an Bedeutung, wenn beachtet wird, dass der Bund Ökologische Landwirtschaft (2009) nur 3% der Haushalte zu dieser Gruppe zählt. Im Durchschnitt zahlen sie pro Jahr 730 € für Öko-Lebensmittel. Aufgrund der sich hieraus ergebenden Abhängigkeit der Branche muss dieser kleinen Gruppe besondere Aufmerksamkeit im Marketing gewidmet werden.
Das größte Wachstumspotential findet sich aber bei den Gelegenheits- und Nichtkäufern. Insgesamt griffen im Jahr 2008 rund 81% der deutschen Haushalte zumindest einmal zu einem Öko-Produkt, was zeigt, dass nur wenige Konsumenten komplett auf Bio-Lebensmittel verzichten. Gelegenheitskäufer greifen 1-3 Mal pro Monat zu ökologischen Varianten. Auch
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