Ziel dieser Arbeit ist es, einige Aspekte der Frauenpolitik des italienischen Faschismus und des „Austrofaschismus“ zu vergleichen. Wenn „Austrofaschismus“ hier unter Anführungszeichen steht, dann deshalb, weil diese Bezeichnung ebenso wie der Ausdruck „österreichischer Ständestaat“ bereits eine Bewertung beinhaltet.
Einige Schwerpunkte der Politik des jeweiligen Regimes werden herausgegriffen, soweit sie für die Einstellung gegenüber den Frauen relevant erscheinen: Frauenbild und Frauenideologie, Organisationen für Frauen, Bevölkerungs- und Beschäftigungspolitik sowie Eingriffe in die Freizeitverwendung, insbesondere in bezug auf Sportausübung. Ein Umstand, der den Vergleich erschwert, liegt in der wesentlich kürzeren Dauer des österreichischen Regimes, wodurch längerfristige Entwicklungen des italienischen Regimes in Österreich kein Pendant finden.
Wenn man versucht, die Frauenpolitik des italienischen Faschismus mit der des Austrofaschismus zu vergleichen, dann springen zuerst viele Ähnlichkeiten ins Auge. Sie betreffen vor allem die Ideologie von der Natur der Frau als Hausfrau und Mutter, die Verdrängung der Frauen vom Arbeitsmarkt, die Dominanz der Männer in allen Entscheidungsgremien. Aus dieser gemeinsamen Grundlage entspringen auch viele gleiche oder ähnliche Maßnahmen in den beiden Staaten, wie etwa das Verbot von Schwangerschaftsverhütung und –abbruch, die Schaffung eines Mütterhilfswerks, die gesetzlichen Verordnungen zum Abbau berufstätiger Frauen im öffentlichen Dienst oder die Propagierung erwünschter Verhaltensweisen von Frauen.
Sieht man jedoch genauer hin, dann fällt auf, dass die Analogie nur solche Einstellungen betrifft, die von der katholischen Kirche vertreten werden. Vieles davon deckt sich in Italien mit den faschistischen Grundsätzen, anderes mag von Mussolini als Zugeständnis der Kirche gegenüber gemeint gewesen sein. Was sich jedoch im italienischen Faschismus nicht mit der Ideologie der Kirche deckt – zum Beispiel die militaristische Einstellung, die Verherrlichung der Jugend, die zur Schau gestellte Virilität – fehlt in Österreich.
Die Ergebnisse dieser Arbeit zur Frauenpolitik stimmen daher mit der These Ernst Hanischs überein, dass es sich beim österreichischen Regime zwischen 1934 und 1938 nicht um Faschismus im eigentlichen Sinn, sondern „um ein faschistisch verkleidetes autoritäres Regime, um einen Imitationsfaschismus, bestenfalls um eine halbfaschistische autoritäre Diktatur“ gehandelt hat.
Inhalt
1. Einleitung
2. Frauenbild und Frauenideologie der beiden Regime im Überblick
3. Frauenorganisationen
3.1 Italien
3.2 Österreich
3.3 Gegenüberstellung
4. Bevölkerungspolitik
4.1 Reale und ideologische Hintergründe
4.1.1 Ökonomische Aspekte
4.1.2 Der Einfluss des Militarismus
4.1.3 Eugenik
4.1.4 Moralisch-ideologische Grundsätze
4.2 Bevölkerungspolitische Maßnahmen
4.3 Auswirkungen
5. Beschäftigungspolitik
5.1 Der Arbeitsmarkt
5.2 Ideologie
5.3 Maßnahmen
5.4 Reaktionen und Auswirkungen
6. Eingriffe in die Freizeitverwendung – mit besonderer Berücksichtigung des Sports
6.1 Einmischung des italienischen faschistischen Regimes in verschiedene Bereiche
6.2 Frauensport in Italien und Österreich
7. Zusammenfassung und Konklusionen
Bibliographie
1. Einleitung
In dieser Arbeit möchte ich einige Aspekte der Frauenpolitik des italienischen Faschismus und des Austrofaschismus vergleichen. Bereits beim Titel wird jedoch eine sprachliche Schwierigkeit manifest: es existiert keine „handliche“ Benennung für das österreichische Regime zwischen 1934 (bzw. 1933) und 1938, die nicht zugleich ein Urteil über sein Wesen beinhalten würde. Die Bezeichnung Austrofaschismus ordnet das österreichische Regime bereits unter die Faschismen ein, so dass man eigentlich nicht mehr darüber diskutieren könnte, ob es sich hier wirklich um einen Faschismus handelt. Der Gebrauch des Wortes Ständestaat weist den Verwender nicht nur als konservativ aus, sondern ist auch sachlich nicht richtig, da die Verwirklichung eines korporativen Staatswesens ja erst in den Anfängen stand.[1] Es bleiben also im Grunde nur umständliche Umschreibungen oder die Verwendung von Anführungszeichen. Der besseren Lesbarkeit wegen verzichte ich in meiner Arbeit meist auf die Anführungszeichen, doch sind diese wegen der Problematik der Einordnung immer mitgedacht.
Was die Einordnung betrifft, so hat meiner Meinung nach die Sprachregelung von Seiten der politischen Linken, nicht vom Nationalsozialismus, sondern vom deutschen Faschismus zu sprechen, die Debatte erschwert. Gebraucht wird höchstens das Wort „Nazismus“, was aber wegen seiner stark wertenden Aussage nicht von allen als in wissenschaftlichen Arbeiten akzeptabel betrachtet wird. Implizit steht dadurch hinter jeder Aussage, mit der etwas als faschistisch bezeichnet wird, die Aussage, es sei nationalsozialistisch. Und gerade wenn es um Österreich geht, in dem die nationalsozialistische (und die deutschnationale) Bewegung schon in dieser Zeitperiode stark war und das dann tatsächlich nach dem deutschen Einmarsch natio-nalsozialistisch wurde, liegt eine solche Assoziation besonders nahe.
Im Rahmen einer so kurzen Arbeit ist es mir selbstverständlich nicht möglich, das Thema umfassend zu behandeln. Ich greife daher einige Schwerpunkte der Politik des jeweiligen Regimes heraus, die mir für die Einstellung gegenüber den Frauen und für deren Situation besonders signifikant erscheinen. Im wesentlichen stehen sie in Zusammenhang mit der Bevölkerungs- und der Beschäftigungspolitik, auf die ich daher ausführlicher eingehe. Was die Seite des italienischen Faschismus in meinem Thema betrifft, so stütze ich mich dabei hauptsächlich auf die italienische Übersetzung des Buches „How Fascism Ruled Women“ von Victoria De Grazia, auf italienisch „Le donne nel regime fascista“. Dass ich eine italienische Ausgabe für meine Arbeit herangezogen habe, obwohl das Original in englischer Sprache geschrieben wurde, ist nicht nur darin begründet, dass diese Ausgabe für mich leichter zugänglich war. Ich halte es auch für einen Vorteil, Bezeichnungen von Organisationen u. ähnl. sowie Zitate nicht über eine dritte Sprache vermittelt zu bekommen. Für den Austrofaschismus konnte ich einige Arbeiten finden, die ausführlich auf Teilaspekte des behandelten Themas eingehen.
Als eine der größten Schwierigkeiten beim Vergleich der beiden Systeme erscheint mir die unterschiedliche Zeitspanne, in der diese Gelegenheit hatten, ihre Politik den Frauen gegenüber zu realisieren, und in der die Frauen Gelegenheit hatten, darauf zu reagieren. Während die Periode des Austrofaschismus nur vier bis fünf Jahre[2] dauerte, umfasst der italienische Faschismus einen Zeitraum von mehr als zwanzig Jahren – im Italienischen spricht man vom „Ventennio“. Bei De Grazia findet sich eine Fülle von Beschreibungen, wie sich verschiedene Entwicklungen innerhalb des italienischen Faschismus erst im Laufe der Zeit ergeben haben.
2. Frauenbild und Frauenideologie der beiden Regime im Überblick
Das Frauenbild des Austrofaschismus fasst Irene Schöffmann in Anlehnung an Doris Kaufmann kurz und prägnant mit folgenden Worten zusammen: „Während der Nationalsozialismus eine flexible und den wirtschaftlichen Bedürfnissen angepasste Frauenideologie entwikkelte, war bei den im Austrofaschismus Regierenden das Frauenbild festgelegt auf die katholische Hausfrau und Mutter, die mit ihrer qua definitionem selbstaufopfernden Tätigkeit in der Familie gegen die Moderne ankämpfen sollte.“[3]
Ergänzen könnte man noch mit B. Kirchmayer, dass dieses katholische Frauenbild im österreichischen „Christlichen Ständestaat“ besonders stark ideologisch überhöht, auf die „geistige Mutterschaft“ ausgedehnt und im „vaterländischen Sinn“ zum Bild der „österreichischen Frau“ hochstilisiert wurde.[4]
Das von Schöffmann geschilderte katholische Frauenbild findet sich auch in der in Italien von der Katholischen Kirche vertretenen Frauenideologie wieder, die sich in weiten Bereichen mit der faschistischen deckte, wodurch die Frauenpolitik in Italien zu einem der Gebiete wurde, in denen die Kirche dem Faschismus eine bedeutende Stütze war. Weit schwieriger ist es, aus dem umfangreichen Werk von De Grazia ein genuin faschistisches Frauenbild herauszuarbeiten bzw. die Frage zu beantworten, ob – und wenn ja, wie – sich das vom Regime vertretene Frauenbild vom katholischen unterschied. Dies mag an der Widersprüchlichkeit der faschistischen Ideologie liegen und an der Tatsache, dass im Laufe des „Ventennio“ realpolitische Forderungen – insbesondere im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg – vor der Ideologie Vorrang hatten bzw. diese veränderten. An einer Schlüsselstelle ihres Buches vergleicht auch De Grazia - wie Schöffmann - den italienischen Faschismus mit dem Nationalsozialismus, zieht jedoch eine Parallele. Da die Autorin den hier dargelegten Gedanken als einen bezeichnet, der „sich wie ein roter Faden durch die Arbeit zieht“, möchte ich diese etwas längere Passage hier wörtlich wiedergeben: „ Die Suche nach den Gründen, warum ein Regime, das durch totalitäre Repression und patriarchalische Reaktion gekennzeichnet ist, so sehr ambivalent erlebt wurde, stellt den roten Faden in dieser Arbeit dar. Sie beschäftigt sich im wesentlichen damit, den Konflikt zwischen dem Streben nach Modernität und dem Wunsch nach der Wiederherstellung der traditionellen Autorität zu erhellen, der die gesamte Geschichte des Regimes durchzieht. Mussolini wollte, ebenso wie Hitler, die wirtschaftliche Entwicklung vorantreiben, um das Volk zu stärken; gleichzeitig jedoch fürchtete und verdammte er die sozialen Veränderungen – und suchte sie zu einzugrenzen -, die mit der rapiden wirtschaftlichen Transformation seit dem Ende des 19. Jahrhunderts verbunden waren. Dieser Widerspruch war in der Haltung des Regimes den Frauen gegenüber besonders deutlich.“[5]
Die verschiedenen Facetten dieser hier nur in groben Umrissen skizzierten Frauenideologie der beiden Regime werden in den folgenden Kapiteln dieser Arbeit immer wieder angesprochen werden.
3. Frauenorganisationen
In Italien war das faschistische Regime das erste, das sich an die Frauen als soziale Gruppe mit spezifischen politischen Aktionen wandte und Massenorganisationen für sie schuf. Dies könnte den Anschein einer echten Aufwertung der Frauen durch das Regime erwecken und glauben machen, dass Frauen die Politik entscheidend beeinflusst hätten. Dies trifft jedoch nicht zu. Die leitenden Frauen in den faschistischen Organisationen erlangten niemals die Befugnisse, die den Leitern der männlichen Gruppierungen zugestanden wurden.[6] Wenn man die oben geschilderte Ideologie in Betracht zieht, verwundert dies eigentlich nicht. Allerdings trifft dies noch viel mehr auf den Austrofaschismus zu. Hier konnte nicht einmal der Anschein entstehen, dass Frauen in der Politik entscheidenden Einfluss gehabt hätten – „aufgewertet“ wurden sie nur verbal, in dem ihre (natürliche oder geistige) Mutterschaft in den Himmel gehoben wurde. Im folgenden möchte ich kurz die wichtigsten Daten zur Organisation der Frauen in Italien und Österreich wiedergeben.
3.1 Italien
Die vorher in Italien bestehenden bürgerlichen feministischen Organisationen überlebten noch - allerdings ohne eine starke Organisation – die ersten zehn Jahre des Faschismus. Die in dieser Tradition tätigen Frauen wandten sich sozialer Tätigkeit und Kulturaktivismus zu. In den dreißiger Jahren versuchten sie einen ideologischen Kompromiss mit dem Faschismus, der als „femminismo latino“ bezeichnet wurde.[7] Sie wurden jedoch sehr bald von zwei neuen Frauenbewegungen überholt, der katholischen und der faschistischen. Schließlich wurden sie im Jahr 1938 gesetzlich ausgeschaltet und der historische Feminismus schließlich auch „aus der Erinnerung gelöscht“.[8]
Die katholischen Vereinigungen nahmen in den 20er Jahren einen überraschenden Aufschwung, indem sie die Reaktionen in der Gesellschaft gegen die Moderne und den Liberalismus ausnützten. Sie starteten mit allen modernen Mitteln wie Radio, Kino und Presse eine Art „katholischer Gegenreformation“ zur Rechristianisierung Italiens. Die katholische Bewegung bot in den 20er Jahren eine klare Alternative zur faschistischen. Sie stellte sich jedoch nicht gegen den Faschismus.[9]
Erst mit der beginnenden Umformung der „fasci femminili“ in eine faschistische Massenorganisation – De Grazia setzt den ersten entscheidenden Schritt in diese Richtung im Jahr 1929 an – begannen Reibereien zwischen der Kirche und den Strukturen der faschistischen Partei. Verstärkt wurde die Transformation der faschistischen Bewegung 1933 durch den Befehl, überall dort, wo es eine männliche faschistische Sektion gab, auch eine weibliche einzurichten. Im Rahmen des Bestrebens nach wirtschaftlicher Autarkie, um den Sanktionen des Völkersbundes während des Äthiopienkrieges 1935/36 zu trotzen, folgte eine Intensivierung der Bemühungen, denn man wollte die Frauen als Verantwortliche für den Haushalt zur Verwendung einheimischer Produkte animieren. Schließlich startete im Jänner 1937 eine weitere Kampagne, die zum Ziel hatte, den Faschismus so stark wie möglich unter den Frauen zu verbreiten.[10]
In den Korporativismus wurden die Frauen weniger durch die faschistische Gewerkschaft, sondern durch ein Netz von parallelen Organisationen eingegliedert. Die erste dieser Institutionen waren die „massaiae rurali“, die „Hausfrauen auf dem Land“, die zweite die „Sezioni operaie e lavoranti a domicilio“ (SOLD), (Sektion der Arbeiterinnen und Heimarbeiterinnen), eine Organisation, die von der Faschistischen Partei am 12. 1. 1938 gegründet wurde. Die Aktivität der SOLD bezeugt, wie sehr die faschistischen Organisationen der Arbeiterinnen von denen für Männer verschieden waren. Die SOLD war nicht nur für die Fabriksarbeiterinnen und die Heimarbeiterinnen offen, sondern auch für die Ehefrauen der Arbeiter und andere weibliche Familienmitglieder. Da die Mitgliedschaft in der SOLD viel billiger als die Parteimitgliedschaft und weniger mit Ideologie beladen war, wuchs diese Bewegung sehr rasch an. Die SOLD beschränkte sich auf Unterstützungstätigkeit und kümmerte sich nicht um Arbeitsverträge; sie antwortete also auf die Interessen der Frauen aus der Arbeiterschaft in ihrer Eigenschaft als Mütter und weibliche Familienmitglieder, trug hingegen dazu bei, ihre arbeitsbezogenen Interessen zurückzudrängen.[11]
Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs zählten die Frauenorganisationen der Faschistischen Partei Italiens ca. 3.180.000 Mitglieder, und zwar 750.000 in den „fasci femminili“ (hauptsächlich aus dem bürgerlichen Milieu), 1,480.000 „massaie rurali“, ca. 500.000 Arbeiterinnen waren Mitglieder beim SOLD und 450.000 Mitglieder zählten die „giovani fasciste“. Insgesamt war dies ein Viertel der gesamten weiblichen Bevölkerung ab 20 Jahren. Die Frauen erhielten jedoch niemals die gleiche Machtbefugnis wie die Männer und wurden bei entscheidenden Fragen, die die Frauen betrafen, nicht gefragt. Sie erhielten nur neue Pflichten. Die Frauen zu mobilisieren bedeutete, über ihre Zeit, ihre Ressourcen, ja sogar über ihre Gefühle verfügen zu wollen.[12]
3.2 Österreich
In Österreich sah sich das austrofaschistische System bei der Mobilisierung der Frauen für seine Ziele demselben grundsätzlichen Dilemma gegenüber wie das faschistische in Italien: Es schrieb den Frauen den Rückzug in Haushalt und Familie vor und wollte sie gleichzeitig davon überzeugen, dass ihr Dienst an der Öffentlichkeit notwendig war. Zu diesem Zweck wurden sowohl bestehende katholische und bürgerlich-liberale Frauenorganisationen benützt als auch eigene Frauenorganisationen der Vaterländischen Front (VF), der Einheitsorganisation des austrofaschistischen Regimes, gegründet. Die dritte der traditionell in Österreich bestehenden Frauenbewegungen, die sozialdemokratische, wurde im Februar 1934 gemeinsam mit allen sozialdemokratischen Organisationen ausgeschaltet. Die bürgerlich-liberale Frauenbewegung (Bund österreichischer Frauenvereine) und die katholische sollten verschmolzen werden.[13]
Sowohl die katholischen als auch die bürgerlich-liberalen Frauen hofften zu Beginn des Regimes, aktiv am Aufbau der Staats mitwirken zu können. Die katholische Frauenbewegung brachte ihre Überzeugung zum Ausdruck, dass ein sich christlich nennender Staat „kein Männerstaat sein“ könne.[14] Beide wurden sehr bald enttäuscht. Kaum eine Frau erlangte eine führende Stelle. Die katholische Frauenorganisation wurde durch Umstrukturierung völlig entmachtet. Trotz teilweise oppositioneller Ansichten blieben aber beide Gruppen dem Staat gegenüber loyal.
Die drei wichtigsten zur Zeit des Austrofaschismus bestehenden Frauenorganisationen sollen hier kurz charakterisiert werden: das Frauenreferat der VF, das Mutterschutzwerk (MSW), das als „Frontwerk“ der VF gegründet wurde, und die Katholische Reichsfrauenorganisation (KRFOÖ), die nicht zur VF gehörte, jedoch mit deren Organisationen eng zusammenarbeitete und für diese viele Funktionärinnen stellte. Die KRFOÖ verfügte über gut ausgebaute organisatorische Strukturen, auf die das Regime zurückgreifen konnte.[15]
Der Aufbau des Frauenreferats, das ein Teil der Vaterländischen Front war, ging wie der gesamte Aufbau der VF nur schleppend voran. Fanny Starhemberg, die Präsidentin der Katholischen Reichsfrauenorganisation Österreichs, war seine erste Leiterin. Die katholischen Frauenvereine traten zwar geschlossen der VF bei, setzen jedoch ihre Vereinsarbeit wie gewohnt fort. Der Bund österreichischer Frauenvereine (BÖFV), der Dachverband der bürgerlich-liberalen Frauenvereine - der dem groß-deutschen Lager nahe stand, sich jedoch als unpolitisch bezeichnete - wurde angegliedert, bestand aber weiterhin als eigener Verein. Seine Vorsitzende, ihre Stellvertreterin und weitere Vorstandsmitglieder wurden Mitarbeiterinnen im Frauenreferat. Durch die Repressionen zur Zeit des Austrofaschismus kamen sich liberale und katholische Feministinnen näher – über die nationalsozialistische Bedrohung wurde in diesem Forum keine Auseinandersetzung geführt. Auf dem Papier hatte das Frauenreferat ein umfangreiches Arbeitsprogramm, in der Praxis wurde es auf karitative Aktionen zurückgedrängt. Mit der Gründung der Freizeitorganisation der VF „Neues Leben“ wurde ihm auch jede Eigeninitiative auf kulturellem Gebiet verboten.
Das Mutterschutzwerk, das aufgrund seiner Organisierung als „Frontwerk der VF“ etwas mehr Handlungsspielraum hatte, verstand sich als „Bollwerk im Kampf gegen alle familienzerstörenden Elemente“ und sollte sich bevölkerungspolitisch betätigen. Seine Leiterin, Mina Wolfring, hatte eine Studienreise nach Italien unternommen, um Informationen über den faschistischen „Nationalverband für Mütter und Kinderhilfe“[16] zu erhalten und in Österreich eine ähnliche Institution aufzubauen. Die Möglichkeiten, das italienische Modell nachzuahmen, stießen aber an Grenzen. Ähnliche Pionierarbeit auf dem Gebiet des Fürsorgewesens, wie sie die italienische Institution durchgeführt und damit zur Senkung der Kindersterblichkeit beigetragen hatte, war – besonders in Wien – inzwischen bereits durch das vorhergehende Regime geleistet worden, und für weitere Verbesserungen fehlte das Geld. Deshalb grenzte sich das MSW auch immer wieder von Fürsorge ab und betrieb im wesentlichen praktische und ideologische Schulung der Mütter.[17]
Die Katholische Reichsfrauenorganisation Österreichs (KRFOÖ) war die Dachorganisation der nach Diözesen gegliederten katholischen Frauenorganisationen (KFO) und verstand sich als „die allgemeine und Grundorganisation der katholischen Frauenbewegung“[18]. Anhand der Geschichte der KFO für die Erzdiözese Wien, die neben der oberösterreichischen KFO der mitgliederstärkste Zweigverein war, zeigt Schöffmann auf, wie die Amtskirche durch die Eingliederung des demokratisch organisierten katholischen Vereinswesen in die Katholische Aktion dieses zerstörte und damit dem austrofaschistischen Regime in die Hände spielte. Die KFO für die Erzdiözese Wien hatte sich unter der Leitung katholischer Akademikerinnen weitgehend von der Bindung an Klerus und Adel befreit. Der geistliche Konsulent, den sich die Organisation selbst aussuchen konnte, durfte nur in seelsorgerischen Angelegenheiten beratend tätig sein. Gegen den vehementen Widerstand der Funktionärinnen unter Leitung ihrer Präsidentin Alma Motzko wurde die KFO für die Erzdiözese Wien ebenfalls in die Katholische Aktion eingegliedert. Da diese die korporative Mitgliedschaft der Vereine nicht erlaubte, konnte auch die KFO ihre autonome Vereinsstruktur nicht beibehalten. Durch die Eingliederung in die streng hierarchisch geführte, „führerzentrierte“ Katholische Aktion wurde sie völlig klerikaler Führung unterstellt. Die Funktionärinnen wurden nicht mehr gewählt, sondern vom Kardinal bestimmt. Gegen Ende des Jahres 1935 wurde Alma Motzko, die wegen ihrer Beliebtheit noch eine Zeitlang als Funktionärin belassen worden war, zum Rücktritt gezwungen und in der Öffentlichkeit diskreditiert.[19]
3.3 Gegenüberstellung
Wenn man versucht, die Situation der Frauenorganisationen in den beiden Ländern nach den Kriterien Pluralität, Loyalität dem Regime gegenüber, Machtbefugnis und Attraktivität einander gegenüberzustellen, so ergibt sich folgendes Bild:
Das italienische faschistische Regime ging im Bestreben, eine einheitliche Massenorganisation der Frauen zu schaffen, viel vorsichtiger und langsamer vor als das austrofaschistische. Das musste es wohl auch, da die katholische Ideologie in Italien zwar in einigen wesentlichen Punkten – wie der Auffassung von der Frau als Hausfrau und Mutter – mit der des faschistischen Regimes übereinstimmte, aber dennoch die Organisationen nicht einfach integriert werden konnten, schon deshalb, weil es sich Mussolini nicht mit der Kirche verderben wollte. In Österreich, wo Regime und katholische Kirche so eng zusammenarbeiteten, dass ihr Einfluss stellenweise schwer zu trennen ist, fiel diese Rücksicht weitgehend weg, und die „Gleichschaltung“ ging sehr viel schneller und autoritärer vor sich.
Die bürgerliche Frauenbewegung arrangierte sich in beiden Ländern – so gut es ging – mit dem Regime und blieb loyal. In Italien tat sie es, indem sie ihre Aktivität auf Gebiete der Fürsorge und der Kultur verlegte; in Österreich war sie der Meinung, die Anliegen der Frauen unter jedem Regime vertreten zu können. Der Teil der katholischen Frauenbewegung, der für die Rechte der Frauen eintrat – insbesondere die KFO für die Erzdiözese Wien – scheiterte daran, dass er glaubte, dies mit der Loyalität der Amtskirche gegenüber vereinbaren zu können.[20] Die Loyalität der faschistischen und austrofaschistischen Frauenbewegung selbst wurde durch die untergeordnete Stellung der Frauen innerhalb der Organisation begünstigt. In keinem der beiden Länder kam Frauen eine führende Rolle zu. In beiden Ländern war auch nach Ausschaltung der Demokratie kein Ausbleiben weiblicher Wählerstimmen zu befürchten.
Was schließlich die Attraktivität der Organisationen für die Frauen betrifft, so war jene der Fraueninstitutionen der VF minimal, ebenso wie die der VF im ganzen gesehen. Die Mitgliedschaft, die offiziell freiwillig war, wurde häufig gewählt, um massiven Nachteilen zu entgegen; sie wurde z. B. für eine Beschäftigung im Bundesdienst strikte verlangt. Die katholische Reichsfrauenorganisation verlor ihre Anziehungskraft durch die Eingliederung in die Katholische Aktion. Wenngleich auch in Italien materielle Aspekte beim Eintritt in eine dieser Organisationen eine Rolle gespielt haben mögen, so kann den italienischen Frauenorganisationen, den katholischen wie den faschistischen, eine Anziehungskraft auf die Frauen nicht abgesprochen werden, wobei im Fall der letzteren sicher auch die Person des „Duce“ eine Rolle gespielt hat.
[...]
[1] Tatsächlich realisiert wurden in Österreich nur zwei Berufsstände: der öffentliche Dienst, der eigentlich kein Berufsstand im Sinn der korporativen Konzeption war, da er nur Arbeitnehmer umfasste, und der Berufsstand Land- und Fortwirtschaft (B. Ennsmann, 1993, S.12)
[2] Eine zusätzliche Komplikation stellt die Tatsache dar, das sich selbst in diesem kurzen Zeitraum das Regime nicht unwesentlich verändert hat – vgl. E. Hanisch, 1994, S.314
[3] I. Schöffmann, 19884, S.317
[4] B. Kirchmayer, 1996, S.25-29
[5] V. De Grazia, 1993, S.18, Übersetzung I. W. Im italienischen Originaltext: „La ricerca delle ragioni per cui un regime caratterizzato dalla repressione totalitaria e dalla reazione patriarcale sia stato vissuto in modo tanto ambivalente, rappresenta il filo conduttore di questo lavoro, essenzialmente rivolto a far luce su quel conflitto tra ansia di modernità e desiderio di restaurazione dell’autorità tradizionale che attraversa l’intera storia del regime. Mussolini, al pari di Hitler, intendeva promuovere lo sviluppo economico come mezzo per elevare la forza della nazione; ma al comtempo temeva, condannava e cercava di limitare i cambiamenti sociali, connessi alle rapida trasformazione economica iniziata alle fine dell’Ottocento. Questa contraddizione era particolarmente visibile nell’atteggiamento del regime verso le donne.”
[6] V. De Grazia, 1993, S.352
[7] ebd., S.313-316
[8] ebd., S.316-322
[9] ebd., S.322-326
[10] ebd., S.326-331 und S.352
[11] ebd., S.243-245
[12] ebd., S.351-353
[13] Zur Organisation der Frauen im Austrofaschismus siehe I. Schöffmann, 1986; dies., 19884, S.320-330; B. Ennsmann, 1993, S.14-30; B. Kirchmayer, 1996, S.31-45
[14] I. Schöffmann, 19884, S.320
[15] B. Kirchmayer, 1996, S.32-35
[16] I. Schöffmann, 19884, S.321. Offensichtlich handelte es sich um das 1925 gegründete „Opera nazionale per la maternità ed infanzia“ (OMNI)
[17] ebd., S.320-323 und 331
[18] I. Schöffmann, 1986, S.215
[19] dies., 19884, S.327
[20] ebd.
- Quote paper
- Ilsemarie Walter (Author), 2002, Frauenpolitik im italienischen Faschismus und im Austrofaschismus. Ein Beitrag zur vergleichenden Faschismusforschung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17385
-
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