Das lyrische Werk des deutsch-jüdischen Dichters Paul Celan gilt als Höhepunkt und Vollendung der klassischen Moderne. Celan verstand sein Schreiben stets auch als ein poetologisch reflektierendes Experiment mit der Sprache. Die ersten Arbeiten entstanden bereits in der frühen Bukowiner Phase ( bis 1945 ) und in Bukarest, wohin der Autor nach Kriegsende geflohen war. Nach kurzer Redaktionszeit kam er 1947 nach Wien, wo 1948 sein erster Gedichtband Der Sand in den Urnen erschien. Es folgten Mohn und Gedächtnis ( 1952 ), Von Schwelle zu Schwelle ( 1955 ), Sprachgitter ( 1959 ), Die Niemandsrose ( 1963 ), Atemwende ( 1967 ) und Fadensonnen ( 1968 )2. Das hier zu interpretierende Gedicht "Wortaufschüttung" ist eines der letzten Gedichte im Zyklus der "Atemwende". In Celans Spätwerk ( zu dem auch "Atemwende" gehört ) dominiert die "Einsamkeit" des Gedichts, an die Stelle von Chiffren tritt nun die "Wortaufschüttung" die das Alltagsgerede belauscht, dokumentiert und damit brüskiert. Sinnentleerte Worte ohne Wahrheit, aber dennoch so einnehmend, dass die wirklich bedeutsamen Worte ungehört bleiben müssen, da sie einfach "überrauscht" werden.
Inhaltsverzeichnis
-Wortaufschüttung, Ich kenne Dich, Weggebeizt
Einleitung
Hauptteil
Strophe 1
Strophe 2
Strophe 3
Schluss
Literaturverzeichnis
Wortaufschüttung, Ich kenne Dich, Weggebeizt
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
WORTAUFSCHÜTTUNG, vulkanisch,
meerüberrauscht.
Oben
der flutende Mob
der Gegengeschöpfe: er
flaggte - Abbild und Nahbild
kreuzen eitel zeithin.
Bis du den Wortmond hinaus-
schleuderst, von dem her
das Wunder Ebbe geschieht
und der herz-
förmige Krater
nackt für die Anfänge zeugt,
die Königs-
geburten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
( ICH KENNE DICH, du bist die tief Gebeugte,
ich, der Durchbohrte, bin dir untertan.
Wo flammt ein Wort, das für uns beide zeugte?
Du - ganz, ganz wirklich. Ich - ganz Wahn. )
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
WEGGEBEIZT vom
Strahlenwind deiner Sprache
das bunte Gerede des An-
erlebten - das hundert-
züngige Mein-
gedicht, das Genicht.
Aus-
gewirbelt,
frei
der Weg durch den menschen-
gestaltigen Schnee,
den Büßerschnee, zu
den gastlichen
Gletscherstuben und -tischen.
Tief
in der Zeitenschrunde,
beim
Wabeneis
wartet, ein Atemkristall,
dein unumstößliches
Zeugnis[1].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Einleitung
Das lyrische Werk des deutsch-jüdischen Dichters Paul Celan gilt als Höhepunkt und Vollendung der klassischen Moderne. Celan verstand sein Schreiben stets auch als ein poetologisch reflektierendes Experiment mit der Sprache. Die ersten Arbeiten entstanden bereits in der frühen Bukowiner Phase ( bis 1945 ) und in Bukarest, wohin der Autor nach Kriegsende geflohen war. Nach kurzer Redaktionszeit kam er 1947 nach Wien, wo 1948 sein erster Gedichtband Der Sand in den Urnen erschien. Es folgten Mohn und Gedächtnis ( 1952 ), Von Schwelle zu Schwelle ( 1955 ), Sprachgitter
( 1959 ), Die Niemandsrose ( 1963 ), Atemwende ( 1967 ) und Fadensonnen ( 1968 )[2]. Das hier zu interpretierende Gedicht "Wortaufschüttung" ist eines der letzten Gedichte im Zyklus der "Atemwende". In Celans Spätwerk ( zu dem auch "Atemwende" gehört ) dominiert die "Einsamkeit" des Gedichts, an die Stelle von Chiffren tritt nun die "Wortaufschüttung" die das Alltagsgerede belauscht, dokumentiert und damit brüskiert. Sinnentleerte Worte ohne Wahrheit, aber dennoch so einnehmend, dass die wirklich bedeutsamen Worte ungehört bleiben müssen, da sie einfach "überrauscht" werden.
Hauptteil
1. Strophe
Wortaufschüttung, vulkanisch,
meerüberrauscht.
So beginnt das Gedicht "Wortaufschüttung" von Paul Celan. Es ist eigentlich das vorletzte Gedicht im Zyklus "Atemwende". Chronologisch wird es von dem Gedicht "Weggebeizt" gefolgt. Allerdings wurde von Paul Celan zwischen diese beiden Gedichte ein Vierzeiler eingefügt, der als Widmung für den gesamten Zyklus gilt.
Zwischen den beiden Gedichten "Wortaufschüttung" und "Weggebeizt" steht der eingeklammerte Vierzeiler, der nach dem Wort fragt, das Zeugnis gibt für das Du, das im Zyklus von Anfang an angesprochen wird, und für das entsprechende Ich, den Dichter[3].
Im Gedicht "Wortaufschüttung" tritt das "Ich" besonders in der zweiten Strophe hervor, es manifestiert sich räumlich gleich zu Beginn ( "oben" II, 1 ). Es ist der Beobachter, der seinen Wahrnehmungen über dem Wasser Ausdruck verleiht. Das "Du" findet sich in der dritten Strophe wieder, deutlich angesprochen durch den Appell Bis du den Wortmond heraus- / schleuderst, [...] ( III, 1-2 ). Es ist das Agens, es muss handeln, den Wortmond herausschleudern und so die Anfänge für die Königsgeburten erschaffen. Hierauf wird im folgenden noch näher einzugehen sein.
[...]
[1] Um den Einschub des in Klammern gesetzten Vierzeilers und die damit verbundene bewusste Trennung Celans der beiden Gedichte "Wortaufschüttung" und "Weggebeizt" deutlich zu machen sind hier der Vollständigkeit halber diese mit aufgeführt. Im Weiteren kann dies aber nicht ausführlicher behandelt werden.
[2] Walter Jens (Hg.) ; Kindlers Neues Literaturlexikon; Kindler Verlag GmbH ; München ; 1998 ; Band 3
[3] Otto Pöggeler ; Spur des Wortes; Verlag Karl Alber ; Freiburg im Breisgau / München ; 1986 ; S.211
- Arbeit zitieren
- Frank Bothe (Autor:in), 2003, Interpretation zu Paul Celans "Wortaufschüttung", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17330
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