"Mehrheitswahl führt zu Zweiparteiensystemen und Verhältniswahl führt zu Vielparteiensystemen"; diese einfache Formel fußt auf die von Maurice Duverger Mitte des 20. Jahrhunderts aufgestellten soziologischen Gesetze über die Wirkung von Mehrheits- und Verhältniswahl auf das Parteiensystem:
„ 1. Die Verhältniswahl führt zu einem Vielparteiensystem mit starren, unabhängigen und stabilen Parteien (außer im Falle von plötzlich aufflammenden Bewegungen). 2. Die Mehrheitswahl mit Stichwahl führt zu einem Vielparteiensystem mit elastischen, abhängigen und verhältnismäßig stabilen Parteien (in allen Fällen). 3. Die einfache Mehrheitswahl führt zu einem Zweiparteiensystem mit sich abwechselnden großen und unabhängigen Parteien.“
Grundlage für diese gesetzmäßige Zuweisung ist die Annahme, dass das Wahlsystem eine entscheidende Variable im Wirkungszusammenhang von Wahl- und Parteiensystem darstellt. Hierüber besteht Konsens; hinsichtlich Ausmaß und Intensität allerdings umso weniger. In der neueren Wahlsystemforschung geraten zusätzlich wirkende gesellschaftliche und politische Kontextfaktoren, sowie die Frage nach der Zirkularität von Wahl- und Parteiensystem in den Fokus der Betrachtung. Wurde bisher das Parteiensystem ausschließlich als abhängige und das Wahlsystem als unabhängige Variable betrachtet, bietet die umgekehrte Betrachtungsweise gerade bei der Entwicklung in jungen Demokratien neue Einblicke.
In dieser Arbeit wird der Frage nachgegangen welchen Einfluss das Wahlsystem auf das Parteiensystem unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Konfliktlinien hat. Der Kontext westlicher parlamentarischer Demokratien bildet für die Untersuchung den Rahmen. Folgende These wird überprüft: Der konzentrierende Effekt der relativen Mehrheitswahl zu einem Zwei-Parteiensystem – im Gegensatz zur fragmentierenden Wirkung der Verhältniswahl - wird durch ausgeprägte regionale Konfliktlinien konterkariert und ins Gegenteil verkehrt.
Zur Klärung dieser Frage wird mithilfe der Methodik des „most similar case design“ eine vergleichende Untersuchung angestellt. Dafür wird zunächst das Untersuchungsdesign vorgestellt, die Fallauswahl begründet, sowie die Variablen definiert und operationalisiert. Anhand der festgelegten Kriterien findet anschließend eine vergleichende Auswertung in den drei ausgewählten Untersuchungsländern Großbritannien, Kanada und Deutschland statt. Der Schlussteil dieser Arbeit fasst die gewonnen Erkenntnisse zusammen.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- 1 Einleitung
- 2 Untersuchung im „most similar case design“
- 2.1 Parteisystem
- 2.2 Wahlsystem
- 2.3 Gesellschaftliche Konfliktlinien
- 3 Vergleichende Auswertung
- 3.1 Großbritannien
- 3.2 Kanada
- 3.3 Deutschland
- 4 Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Diese Arbeit untersucht den Einfluss des Wahlsystems auf das Parteiensystem unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Konfliktlinien. Dabei wird die These überprüft, dass der konzentrierende Effekt der relativen Mehrheitswahl zu einem Zwei-Parteiensystem – im Gegensatz zur fragmentierenden Wirkung der Verhältniswahl - durch ausgeprägte regionale Konfliktlinien konterkariert und ins Gegenteil verkehrt wird. Der Fokus liegt dabei auf dem Vergleich westlicher parlamentarischer Demokratien.
- Einfluss des Wahlsystems auf das Parteiensystem
- Bedeutung gesellschaftlicher Konfliktlinien
- Vergleichende Untersuchung mittels „most similar case design“
- Analyse von Zwei- und Vielparteiensystemen
- Funktion der Partei als Institution im politischen System
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
- Kapitel 1: Einleitung: Diese Einleitung beleuchtet den Zusammenhang zwischen Wahlsystem und Parteiensystem. Sie stellt Duvergers Gesetze über die Wirkung von Mehrheits- und Verhältniswahl auf das Parteiensystem vor und diskutiert die aktuelle Forschungslage. Die Forschungsfrage und die These der Arbeit werden formuliert.
- Kapitel 2: Untersuchung im „most similar case design“: Dieses Kapitel erläutert die Methode des „most similar case design“ als Grundlage der Untersuchung. Es definiert die abhängige Variable (Parteisystem) und die unabhängigen Variablen (Wahlsystem, gesellschaftliche Konfliktlinien). Die Fallauswahl wird begründet und die einzelnen Länder (Großbritannien, Kanada, Deutschland) vorgestellt.
- Kapitel 2.1: Parteisystem: Dieses Kapitel definiert den Begriff des Parteisystems und erläutert seine Bedeutung im politischen System. Die Funktion der Partei als Institution und deren Rolle bei der Realisierung der Volkssouveränität werden beleuchtet.
- Kapitel 2.2: Wahlsystem: Dieses Kapitel befasst sich mit dem Einfluss des Wahlsystems auf das Parteisystem. Es werden die Unterschiede zwischen Mehrheits- und Verhältniswahl und deren Auswirkungen auf die Parteienlandschaft dargestellt.
- Kapitel 2.3: Gesellschaftliche Konfliktlinien: Dieses Kapitel untersucht die Rolle von gesellschaftlichen Konfliktlinien im Zusammenhang mit dem Wahlsystem und dem Parteiensystem. Es wird analysiert, wie diese Konfliktlinien die Parteienlandschaft beeinflussen können.
Schlüsselwörter (Keywords)
Die Arbeit befasst sich mit dem Zusammenhang zwischen Wahlsystem und Parteiensystem, insbesondere mit der Rolle gesellschaftlicher Konfliktlinien. Im Mittelpunkt stehen dabei Zwei- und Vielparteiensysteme, die durch die Methode des „most similar case design“ vergleichend untersucht werden. Wesentliche Begriffe sind: Wahlsystem, Parteiensystem, Mehrheitswahl, Verhältniswahl, gesellschaftliche Konfliktlinien, „most similar case design“, Großbritannien, Kanada, Deutschland.
- Quote paper
- Christian Weber (Author), 2011, Eine vergleichende Untersuchung der Abhängigkeit des Parteisystems vom Wahlsystem sowie der gesellschaftlichen Konfliktlinien im Kontext westlicher Demokratien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/172800