„In dem selben Jahr (1147) war um das Fest des heiligen Petrus auf göttliche Eingebung und
Ermahnung des päpstlichen Stuhles und nach Aufforderung vieler Geistlicher eine große
Menge christlicher Streiter, welche das Zeichen des lebensspendenden Kreuzes angenommen,
gegen die nach Norden zu wohnenden Heiden ausgezogen, um sie entweder dem christlichen
Glauben zu unterwerfen oder mit Gottes Hilfe vollständig zu vertilgen.“1
Dieser Auszug aus den Magdeburger Annalen stellt den im Allgemeinen als Wendenkreuzzug
bezeichneten Feldzug der sächsischen Fürsten gegen die nördlich der Elbe lebenden
slawischen Stämme dar. Er wurde lange als einer der fragwürdigsten der Kreuzzüge
dargestellt. Aber ist das wirklich so? Wurde nicht gerade durch diesen Versuch der
christlichen Streiter, die „barbarischen Heiden“ zu bekehren, deutlich gezeigt, worum es in
Wirklichkeit in jedem Kreuzzug ging? Um territoriale Ansprüche, um Zugewinn an Macht,
materiellen Ressourcen und Untertanen?
Ein Kreuzzug ist auch immer eine Kampf zwischen den geistlichen und den weltlichen
Herrschern, sei es nun der des Christentums gegen die Heiden oder jener im Inneren der
christlichen Welt selbst.
Diesen Fragen und den möglichen Gründen und Ursachen des Wendenkreuzzuges wird diese
Arbeit nachzugehen und zu klären versuchen.
Auch wenn H. D. Kahl, F. Lotter und H. O. Gaethke sich bereits schon in zahlreichen
Abhandlungen und umfassenden Arbeiten dieses Themas angenommen haben, soll versucht
werden auch den Gedanken kleinerer Aufsätze nachzugehen, um vielleicht auch den ein- oder
anderen Ansatz zu schaffen.
1 Annales Magdeburgenses 1147
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Situation bis 1146
3. Der Aufruf zum Kreuzzug
4. Die wichtigsten Teilhabenden und deren Ambitionen
5. Verlauf des Wendenkreuzzuges
6. Ergebnis und Zusammenfassung
7. Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„In dem selben Jahr (1147) war um das Fest des heiligen Petrus auf göttliche Eingebung und Ermahnung des päpstlichen Stuhles und nach Aufforderung vieler Geistlicher eine große Menge christlicher Streiter, welche das Zeichen des lebensspendenden Kreuzes angenommen, gegen die nach Norden zu wohnenden Heiden ausgezogen, um sie entweder dem christlichen Glauben zu unterwerfen oder mit Gottes Hilfe vollständig zu vertilgen.“[1]
Dieser Auszug aus den Magdeburger Annalen stellt den im Allgemeinen als Wendenkreuzzug bezeichneten Feldzug der sächsischen Fürsten gegen die nördlich der Elbe lebenden slawischen Stämme dar. Er wurde lange als einer der fragwürdigsten der Kreuzzüge dargestellt. Aber ist das wirklich so? Wurde nicht gerade durch diesen Versuch der christlichen Streiter, die „barbarischen Heiden“ zu bekehren, deutlich gezeigt, worum es in Wirklichkeit in jedem Kreuzzug ging? Um territoriale Ansprüche, um Zugewinn an Macht, materiellen Ressourcen und Untertanen?
Ein Kreuzzug ist auch immer eine Kampf zwischen den geistlichen und den weltlichen Herrschern, sei es nun der des Christentums gegen die Heiden oder jener im Inneren der christlichen Welt selbst.
Diesen Fragen und den möglichen Gründen und Ursachen des Wendenkreuzzuges wird diese Arbeit nachzugehen und zu klären versuchen.
Auch wenn H. D. Kahl, F. Lotter und H. O. Gaethke sich bereits schon in zahlreichen Abhandlungen und umfassenden Arbeiten dieses Themas angenommen haben, soll versucht werden auch den Gedanken kleinerer Aufsätze nachzugehen, um vielleicht auch den ein- oder anderen Ansatz zu schaffen.
2. Die Situation bis 1146
Bereits seit dem neunten und zehnten Jahrhundert ist der Heidenkrieg im Abendland von größerer Bedeutung. Bedingt durch die ständigen Einfälle der Normannen, Slawen, Ungarn und Sarazenen kommt laut Bünding-Naukjoks den weltlichen Mächten eine Aufgabe zu, der vorerst nur sie gerecht werden können[2]. Denn der Kampf gegen die nicht-christlichen Feinde des Reiches ist Sache des König bzw. des Kaisers, auch wenn diese dem Einfluss der Kirche unterstehen[3]. Um diesen „pax christiana“[4] zu wahren, werden offensive wie defensive Maßnahmen auf ein Niveau erhoben. Die kriegerische Erweiterung des Reiches wird zum legitimen Mittel des eigenen Schutzes der christlichen Welt. Sehr schnell erkennen die weltlichen Herrscher jedoch, dass unter dem Motto, die ungläubigen, das Reich gefährdende Heiden zu vernichten oder zu bekehren, sehr wohl auch eigene Machtinteressen verborgen werden können. Besonders Otto dem Großen kommt eine bedeutende Rolle in der Ostpolitik zu[5]. Er verstand es, die Grenzgebiete zu befrieden, die heidnischen Stämme zur Tributpflichtigkeit zu bewegen[6] und das Christentum in den gewonnenen Gebieten einzuführen, bzw. die Bevölkerung derselben in die christliche Welt einzugliedern.
Nach dem Tod Ottos und dem Zusammenbruch der zentralen Verwaltung der Ostgrenze nach 983[7] kümmern sich nun Kleingruppen um die Politik an den Grenzen. Oftmals nur in ihren eigenen Interessen, was zu ideologischen Konflikten mit den Missionaren wie Brun von Querfurt führt: „Kein König hat mehr den Eifer, die Heiden zu bekehren, die eigene Ehre steht ihnen höher als der Vorteil Christi“[8]. Die Liutizischen Stämme befreiten sich vollständig vom christlichen Einfluss, was auch nicht durch die wiederholten Versuche des deutschen Königs und der Unterstützung Polens und Böhmen verhindert werden konnte[9]. Nach Abklingen dieser (erfolglosen) Bemühungen kehrten die Abodriten ebenfalls wieder zu ihrem ursprünglichen Glauben zurück.
Die Sachsen gingen nunmehr ihren innenpolitischen Streitigkeiten nach[10]. Den Preis dafür zahlten sie, als sie, die Christen, selbst vertrieben wurden oder Tribut leisten mussten[11]. Beendet wurde dieser Zustand erst im Jahre 1093, als Gottschalks Sohn Heinrich mit Hilfe sächsischer Truppen Kruto stürzte. Die Situation beruhigte sich und die Gebiete der Liutizen kamen langsam unter den Einfluss der Nachbarstämme[12], des Markgrafen der Nordmark und des Erzbischofs von Magdeburg. Die heidnischen Stämme erkannten großteils die Oberherrschaft des deutschen Herrschers an, und die Missionierung der Slawen ging langsam, aber friedlich voran.
Dies änderte sich auch nicht großartig, bis 1108 ein Aufruf zur Bekämpfung der Heiden durch den Erzbischof Adalbert[13] verfasst wurde. Dieser Aufruf hat ganz klar nur ein Ziel: die gewaltsame Aneignung der slawischen Gebiete, unter dem Vorwand der Verteidigung des Christentums. Die Auffassungen Beumanns[14] über diesen Aufruf unterscheiden sich stark von denen Bünding-Naujoks, weißt er doch auf verschiedene Fehler in der Interpretation hin. So sieht er in dem Aufruf kein vergleichbares Gegenstück zum Aufruf des 1. Kreuzzuges von Seiten des Papstes, sondern nur ein persönliches Interesse des Magdeburger Erzbischofs[15].
Über die Auswirkungen ist aufgrund mangelnder Quellen nur wenig bekannt, aber Boleslaw Chrobry wird in der Polenchronik als großer Heidenvernichter genannt, der frei nach der Devise „Vernichtung oder Bekehrung“ verfährt[16]. Diese wird im Zusammenhang mit Bernhard von Clairvauxs Aufruf zum Wendenkreuzzug wieder auftauchen.
Die späteren Hauptgegenspieler der sächsischen Kreuzfahrer erscheinen 1127 das erste Mal.
Pribislaw und Niclot, slawische Fürsten, setzen sich im Kern des alten Abodritenreiches durch, erkennen aber die deutsche Oberherrschaft an[17].
Bis auf konstante, aber wenige Einfälle der Slawen ist das Grenzland nun weitgehend sicher.
Lediglich die Vernichtung des Klosters von Segeberg 1137 ist als einer der größeren Übergriffe zu nennen.
3. Der Aufruf zum Kreuzzug
Nach dem Verlust Odessas an den Emir von Mossul 1144/45 hatte Papst Eugen III zu einem neuen Kreuzzug ins Heilige Land aufgerufen, um die Heiden zu vernichten und das Grab Christi zu befreien. Bernhard von Clairvaux wurde von ihm beauftragt, den König von Frankreich für diese Sache zu gewinnen. Hier zeigt sich die angespannte Stimmung zwischen dem Papst und dem deutschen Königtum, welches die Loslösung von Rom suchte. Der fränkische König dagegen war Eugen III treu ergeben. Aufgrund dessen hatte Bernhard auch keine Probleme damit, in Frankreich Verbündete für seine Sache zu finden. Vom Eifer gepackt kam der Geistliche zum Hofe Konrads III. , welcher dem Kreuzzuggedanken eher skeptisch gegenüberstand. Bernhard überzeugte ihn am 27. Dezember 1146 im Dom von Speyer[18] mit einer seiner feurigen Reden zur Teilnahme am zweiten Kreuzzug[19]. Helmolds Bericht bleibt nicht ganz ohne Kritik: „Jener Heilige begann, durch mir unbekannte Himmelszeichen erleuchtet, Fürsten und Völker der Christenheit aufzurufen, sie sollten nach Jerusalem ziehen, um die heidnischen Völker des Morgenlandes zu unterwerfen.“
Bereits hier erzählt Helmold, dass die Absicht bestand, dass ein Teil des Heeres zu den Slawen zieht. Es ist aber eher unwahrscheinlich, dass dies zu jenem Zeitpunkt beschlossen wurde. Es ist eher auf darauf zurückzuführen, dass Helmold seine Chronik erst nach Beendigung des Wendenkreuzzuges schreibt und allgemein von der Existenz der Idee ausgeht. Mit Konrad III. nimmt an diesem Tag noch Welf IV. das Kreuz. Von der Anwesenheit weiterer sächsischer Fürsten ist nichts bekannt. Ebenso nicht verzeichnet sind sächsische Fürsten beim Reichstag am 13. Februar 1147[20]. Auch hier findet sich noch keine Spur vom Gedanken eines Kreuzzuges gegen die Wenden. Inhalt des Reichstages war hauptsächlich der Weg des Heeres ins geheiligte Land. Nach dem Bericht Gaethkes ebenfalls anwesend ist jetzt Anselm von Havelberg, Lees jedoch geht von einer Anwesenheit Anselms am Hofes Konrads schon ab 1145 aus[21].
Beim Reichstag im März 1147 sind einige sächsischen Fürsten nun nachweisbar anwesend[22]. Auch wird jetzt zum ersten Mal der Gedanke des Wendenkreuzzuges kundgetan, was aber nicht ausschließt, dass dieser schon früher unter den sächsischen Fürsten in Erwägung gezogen wurde. Wer genau den Vorschlag zu einem Kreuzzug an die Elbe vortrug ist nicht bekannt, doch wird vor allem Heinrich der Löwe wiederholt als potentieller Initiator dieser Idee genannt[23]. Neben ihm stehen noch Albrecht der Bär und Konrad von Wettin zur näheren Auswahl[24].
Ihrer Begründung, dass ein Kreuzzug an der eigenen Grenze, wo die Heiden ihren Götzen huldigen[25], doch wesentlich nötiger ist als die Vernichtung der Ungläubigen in fernen Ländern, konnte sich Bernhard nicht wiedersetzen[26]. So verfasste er nach längerer Beratung mit geistlichen und weltlichen Oberen einen Aufruf[27], der den Wendenkreuzzug als vollwertiges Unternehmen proklamierte und den Kreuzfahrern dieselben Würden zukommen lies wie jene, welche sich mit dem Hauptheer ins heilige Land begaben.
Damit hatten die sächsischen Fürsten ihre Interessen durchgesetzt. Sie entzogen sich dem Einfluss der Staufer, hatten Gelegenheit ihre eigenen Grenzen zu erweitern und das alles mit dem Lohn des Sündenerlasses. Doch Bernhard von Clairvaux war sich der Ambitionen der Sachsen bewusst und nahm folgende Klausel mit in seinen Aufruf : „Denn das untersagen wir ganz und gar, dass sie auf irgendeine Art mit ihnen einen Vertrag schliessen; weder für Geld noch für sonstigen Tribut dürfen sie es tun, bis mit Gottes Hilfe entweder ihre Religion oder ihr Stamm vernichtet ist.“[28] Mit dieser Losung begründete Bünding-Naujoks ihre Auffassung, dass der Wendenkreuzzug eine Umsetzung des Aufrufes von 1108 ist[29].
[...]
[1] Annales Magdeburgenses 1147
[2] Bünding-Naujoks, Imperium Christianum, S. 9ff.
[3] Lotter, Konzeption, S. 45
[4] Bünding-Naujoks, Imperium Christianum, S. 11
[5] ausführlicher bei Bünding-Naujoks, Imperium Christianum, S.11ff.
[6] als Beispiel anzuführen: Lotter, Konzeption S.48. Die unterlegenen wendischen Stämme erkennen die Oberherrschaft des deutschen Herrschers an und erklären sich zu Tributzahlungen bereit. Laut Lotter um ihre eigene Autonomie weitgehend zu wahren. Bei Eidesbruch jedoch werden Pakte und Verträge aufgekündigt.
[7] Lotter, Konzeption, S44.ff
[8] Bünding-Naujoks, Imperium Christianum, S.17 Anm. 10
[9] Lotter, Konzeption S. 52
[10] Sachsen befand sich im Konflikt mit Heinrich IV
[11] Lotter, Konzeption S.54
[12] nach Lotter, Konzeption S.56:Nordwesten, Abodriten; Osten, Polen; Nordosten, Pommeranen; Norden, Dänen
[13] Bünding-Naujoks, Imperium Christianum, S.31; Adelgot bei Lotter, Konzeption S. 59
[14] Beumann, Kreuzzugsgedanke, S. 120ff
[15] im Grundgedanken bleiben aber beide beim Offensivkrieg
[16] Beumann, Kreuzzugsgedanke, S. 125; Lotter, Konzeption S. 62: Boleslaw III (1102-1138)
[17] Lotter, Konzeption, S.57
[18] Barz, S.65
[19] Helmold, c 59
[20] Gaethke, S.75; Berhardi S. 539 geht vom 16.-18 Februar aus.
[21] Lees, S.70ff
[22] nach Bernhardi, S. 545 waren folgende Personen anwesend: Heinrich von Mainz, Albero von Trier, Arnold on Köln, Bucco von Worms, Günter von Speyer, Burchard von Straßburg, Siegfried von Würzburg, Werner von Münster, Heinrich von Lüttich, Anselm von Havelberg, Eberhard von Bamberg, Wibald von Corvey, Friedrich von Schwaben, Konrad von Burgund, Heinrich von Sachsen, Herman bei Rhein, Friedrich von Sachsen, Albrecht von Brandenburg und seine Söhne, Konrad von Meissen, Hermann von Baden, Ulrich von Lenzburg, Adolf von Holstein
[23] Gaethke, S. 87
[24] Gaethke, S. 80
[25] Otto von Freising, Friedrich c. 40
[26] H.D. Kahl, Wie kam es ,S.294ff
[27] Bernhard epp. 457
[28] Bernhard epp. 457, Bernhard, Werke, S.893
[29] Bünding-Naujoks, Imperium Christianum, S. 35
- Quote paper
- Marcel Jablonka (Author), 2003, Heinrich der Löwe und der Wendenkreuzzug 1147, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17279
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