In meiner Untersuchung widme ich mich am konkreten Beispiel der reformatorischen Theologie Martin Luthers einem sowohl bildungshistorischen wie bildungssystematischen Problem, nämlich der Frage, inwiefern bestimmte Auffassungen von Gerechtigkeit den Möglichkeiten auf Bildung historisch wie sachlich entgegen standen bzw. stehen.
Ich frage, inwiefern Luther durch seine Theologie ein Verständnis von Gerechtigkeit und von Bildung befördert, das sich knapp titulieren lässt als „obrigkeitsstaatliche Herrschaft durch (vermeintliche) Bildung – und diese Herrschaft als (angebliche) Gerechtigkeit.“
Luthers Theologie bietet sich als Exempel an, weil sie den Bildungsbereich im deutschsprachigen Raum (und weit darüber hinaus) stark beeinflusst hat.
Im ersten Teil meiner Untersuchung (1.) beschreibe ich politische und kulturelle Folgewirkungen von Luthers reformatorischer Theologie des Wortes Gottes und untersuche sie auf ihre Kompatibilität mit sokratisch-problematischer Bildung.
Politisch akzentuiere ich Luthers Bedeutung im Blick auf den Zusammenhang zwischen irdisch-äußerlicher Gerechtigkeit, Herrschaft und Bildung.
Kulturell akzentuiere ich Luthers Wirkung in Richtung einer veräußerlichten Auffassung von Wissen und Bildung, Lehren und Lernen.
Im zweiten Teil (2.), der die theologische Position Luthers fokussiert, widme ich mich der Frage, wie es zu den benannten Wirkungen kommen konnte.
Dafür skizziere ich kurz die für die Thematik Gerechtigkeit und Bildung relevanten Aspekte der Theologie Luthers, nämlich Luthers Verständnis der Rechtfertigung als Glaubensgerechtigkeit, seine Auffassung des Wortes Gottes sowie sein Verständnis der Vernunft und der beiden „Reiche“ bzw. „Regimente“ Gottes.
Im abschließenden Ausblick (3.) deute ich mögliche korrektive Konsequenzen an, die sich für die Bildungsphilosophie der Gegenwart aus der Bildungstradition, zu der Luther als prominenter Vertreter gehört, unter skeptisch-kritischer Perspektive ergeben, will sie den Zusammenhängen von Gerechtigkeit und Bildung in der sogenannten „modernen postindustriellen Wissensgesellschaft“ besser „gerecht“ werden als dies bisher der Fall zu sein scheint.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- Einleitung und Überblick
- Akzentuierungen zum Verständnis von Gerechtigkeit und von Bildung in der Ära seit Luther
- Politischer Akzent: Zusammenhänge zwischen irdischer, äußerer Gerechtigkeit, Herrschaft und Bildung
- Kultureller Akzent: Entwicklung zur veräußerlichten Auffassung von Wissen und Bildung
- Einschlägige Aspekte des theologischen Denkens Luthers
- zum Verhältnis von Gerechtigkeit und Bildung
- Luthers Verständnis der Glaubensgerechtigkeit zur Vergewisserung des Heils und seine Auffassung von der Rechtfertigung des Menschen
- Luthers Verständnis der heiligen Schrift und des Wortes Gottes. Seine Betonung der Äußerlichkeit und Leiblichkeit des heilswirksamen Wortes Gottes
- Luthers theologischer Objektivismus des Gotteswortes
- Konsequenzen für die Bildung des Menschen aus Luthers objektivistischem Verständnis des gerechtmachenden Wortes Gottes
- Gotteswort als Auftrag zum Erhalt der irdischen Gerechtigkeit (iustitia civilis) im Verhältnis zur Bildungsproblematik
- Die weltliche Aufgabe der Vernunft
- Die „Zwei-Reiche-Lehre“ im Hinblick auf die Aufgaben von Erziehung, Bildung und Schule
- zum Verhältnis von Gerechtigkeit und Bildung
- Schluss: Konsequenzen für eine Bildungsphilosophie mit Option auf skeptisch-kritische Bildung zur Ermöglichung eines problemerschlossenen Gerechtigkeitsverständnisses
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Die Arbeit befasst sich mit dem problematischen Verhältnis von Gerechtigkeit und Bildung am Beispiel Martin Luthers und ausgewählter Aspekte seiner Wirkungsgeschichte. Ziel ist es, dieses Verhältnis aus der Perspektive eines skeptisch akzentuierten Bildungsverständnisses zu untersuchen.
- Die Rolle der Gerechtigkeit im Denken Luthers und ihre Implikationen für die Bildung
- Der Einfluss von Luthers Theologie auf die Entwicklung von Bildung und Gesellschaft
- Die Bedeutung der "Zwei-Reiche-Lehre" für die Herausbildung einer skeptisch-kritischen Bildung
- Die Relevanz eines problemerschlossenen Gerechtigkeitsverständnisses für Bildungsphilosophie und Pädagogik
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
- Einleitung und Überblick: Die Einleitung stellt die Forschungsfrage und den theoretischen Rahmen der Arbeit vor. Sie skizziert den problematischen Zusammenhang zwischen Gerechtigkeit und Bildung, die Bedeutung des skeptisch-kritischen Bildungsverständnisses und den historischen Kontext der Untersuchung.
- Akzentuierungen zum Verständnis von Gerechtigkeit und von Bildung in der Ära seit Luther: Dieses Kapitel beleuchtet den Wandel im Verständnis von Gerechtigkeit und Bildung seit der Zeit Luthers. Es analysiert den politischen und kulturellen Akzent, der jeweils auf diese beiden Konzepte gelegt wurde.
- Einschlägige Aspekte des theologischen Denkens Luthers zum Verhältnis von Gerechtigkeit und Bildung: Das Kapitel widmet sich Luthers theologischem Verständnis von Gerechtigkeit und Bildung. Es untersucht Luthers Auffassung von der Glaubensgerechtigkeit, der heiligen Schrift und dem Gotteswort sowie die Implikationen dieser Konzepte für die Bildung des Menschen.
Schlüsselwörter (Keywords)
Die Arbeit thematisiert zentrale Konzepte wie Gerechtigkeit, Bildung, skeptisches Bildungsverständnis, Martin Luther, Theologie, "Zwei-Reiche-Lehre", Gotteswort, Rechtfertigung, iustitia civilis, Wirkungsgeschichte. Die Untersuchung zielt darauf ab, das problematische Verhältnis von Gerechtigkeit und Bildung in einem historischen und systematischen Kontext zu beleuchten und die Relevanz eines skeptisch-kritischen Bildungsverständnisses für die Herausbildung eines problemerschlossenen Gerechtigkeitsverständnisses aufzuzeigen.
- Quote paper
- PD Dr. phil. habil. Roland Mugerauer (Author), 2011, Gerechtigkeit und Bildung. Ihr problematisches Verhältnis bei Martin Luther und in seiner Wirkungsgeschichte, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/172780