In der hier vorliegenden Studie wird das `Schicksal´ der Möglichkeiten auf sokratisch-problematische Bildung für den Neuplatonismus untersucht, weil dieser die wesentliche Gelenkstelle bildet zwischen Platon und dem `Vater des Abendlandes´, Augustin. Die Untersuchung des Neuplatonismus auf die Chancen des sokratisch-problematischen Wissens und sokratisch-problematischer Bildung konzentriert sich auf die Philosophie Plotins. Denn erstens ist Plotin als dessen Begründer die zentrale Gestalt des Neuplatonismus, bedeutender als alle Späteren. Dies gilt auch für seinen Einfluss auf das frühe christlich-theologische Denken. Wegen der Zugänglichkeit seiner Philosophie über das Schrifttum wurde „die große klassische Philosophie der Griechen, insbesondere die Platos, von den Vätern der christlichen Kirche mit Plotins Augen gelesen []. Plotins Einfluß begegnet uns von Augustin an auf Schritt und Tritt.“
Plotin ist daher äußerst wichtig für das, was `der abendländische Platonismus´ genannt werden kann, und zwar für die „gesamte Tradition des Platonismus, bis in die neueste Zeit hinein“.
Durch Plotin kommt es zu dem, was man mit einer Ausdrucksweise Gadamers als `platonisch-plotinische Wirkungseinheit´ bezeichnen kann. Diese wurde erst durch das „Aufkommen des historischen Bewusstseins und die Entwicklung des historischen Sinnes im 19. Jahrhundert“ „zur Auflösung“ gebracht. „Die neue Benennung `Neuplatonismus´ ist ein sprechender Ausdruck dafür, daß man jetzt erst zwischen Plotin und Plato einen wesentlichen Unterschied erkannt hatte.“
Selbst Hegel „gehört noch in vollem Umfange in die Wirkungsgeschichte Plotins“.
Zum zweiten gilt, was C. Horn feststellt: „Das Corpus Plotinianum bildet einen überlieferungsgeschichtlichen Glücksfall; im Fall Plotins besteht die einzigartige Situation, daß das gesamte schriftliche Werk eines antiken Philosophen tradiert ist. Mehr noch, ein zeitgenössischer Editionsbericht, die porphyrische Vita Plotini, gibt uns die chronologische Folge der Schriften und wichtige Umstände ihrer Entstehung an.“
Inhalt
1. Die Philosophie Plotins und die Chancen des sokratischen Problemwissens
1.1 Einführung
1.2 Plotin als `Platoniker´
1.3 Das Philosophieren Plotins als Aufstieg zum absolut
transzendenten Einen
1.4 Das Problemwissen nach Plotin und der Verlust des sokratisch qualifizierten Problemwissens
1.5 Sokratisch-kritische Anfrage an die Philosophie Plotins
1.6 Sokratisch-kritische Bewertung der Philosophie Plotins
1.7 Sokratisch-kritische Bewertung der Folgen der Philosophie
Plotins für die weiteren Chancen sokratisch-problematischer
Bildung
Anmerkungen
Literatur
1. Die Philosophie Plotins und die Chancen des sokratischen Problemwissens
1.1 Einführung
In der hier vorliegenden Studie wird das `Schicksal´ der Möglichkeiten auf sokratisch-problematische Bildung für den Neuplatonismus untersucht, weil dieser die wesentliche Gelenkstelle bildet zwischen Platon und dem `Vater des Abendlandes´, Augustin. Die Untersuchung des Neuplatonismus auf die Chancen des sokratisch-problematischen Wissens und sokratisch-problematischer Bildung konzentriert sich auf die Philosophie Plotins. Denn erstens ist Plotin als dessen Begründer die zentrale Gestalt des Neuplatonismus, bedeutender als alle Späteren. Dies gilt auch für seinen Einfluss auf das frühe christlich-theologische Denken. Wegen der Zugänglichkeit seiner Philosophie über das Schrifttum wurde „die große klassische Philosophie der Griechen, insbesondere die Platos, von den Vätern der christlichen Kirche mit Plotins Augen gelesen[wurde]. Plotins Einfluß begegnet uns von Augustin an auf Schritt und Tritt.“[i]
Plotin ist daher äußerst wichtig für das, was `der abendländische Platonismus´ genannt werden kann, und zwar für die „gesamte Tradition des Platonismus, bis in die neueste Zeit hinein“.[ii]
Durch Plotin kommt es zu dem, was man mit einer Ausdrucksweise Gadamer s als `platonisch-plotinische Wirkungseinheit´ bezeichnen kann. Diese wurde erst durch das „Aufkommen des historischen Bewusstseins und die Entwicklung des historischen Sinnes im 19. Jahrhundert“ „zur Auflösung“ gebracht. „Die neue Benennung `Neuplatonismus´ ist ein sprechender Ausdruck dafür, daß man jetzt erst zwischen Plotin und Plato einen wesentlichen Unterschied erkannt hatte.“[iii]
Selbst Hegel „gehört noch in vollem Umfange in die Wirkungsgeschichte Plotins“.[iv]
Zum zweiten gilt, was C. Horn[v] feststellt: „Das Corpus Plotinianum bildet einen überlieferungsgeschichtlichen Glücksfall; im Fall Plotins besteht die einzigartige Situation, daß das gesamte schriftliche Werk eines antiken Philosophen tradiert ist. Mehr noch, ein zeitgenössischer Editionsbericht, die porphyrische Vita Plotini, gibt uns die chronologische Folge der Schriften und wichtige Umstände ihrer Entstehung an.“[vi]
1.2 Plotin als `Platoniker´
Plotin bezieht direkte und indirekte, innerakademische (insbesondere prinzipienspekulative[vii]), Platonüberlieferung aufeinander.[viii] Im Zuge dessen identifiziert er die `Idee des Guten´ der Politeia Platon s,[ix] die, wie es im Sonnengleichnis heißt, „jenseits des Seins“ (epekeina tes usias; Resp. 509b) ist,[x] in der Tradition der innerakademischen Prinzipienspekulation unmittelbar mit dem unbestimmbaren schlechthin Einen der ersten Hypothese des Parmenides (137c – 142a) und versteht es als dessen in der Politeia zurückgehaltenes Wesen.[xi]
Das Eine-Gute[xii] ist absolut transzendent in einem Sinne, wie dies im Parmenides Platon s aufgewiesen wird.
Die Identifikation des unbestimmbaren reinen Einen mit der anhypothetos arche[xiii], von der im Liniengleichnis Platons gesprochen wird[xiv], und mit dem Guten selbst noch `jenseits des Seins´, von dem in gleichnishaft-metaphorischer Sprache im Sonnengleichnis der Politeia die Rede ist, ist für Plotins Platonverständnis und für sein eigenes Philosophieren grundlegend.[xv]
Plotin begreift die Transzendenz des Agathon bei Platon anders als im sokratischen Sinn skeptisch-kritischer Abständigkeit. Die Transzendenz der Idee des Guten als der anhypothetos arche bei Platon ist verschieden von der Transzendenz des Einen-Guten Plotins, die Letztbegründung der Ideen aus jener ist nicht die Begründung der Ideen aus dieser, das Prinzip Platon s unterscheidet sich vom obersten Prinzip Plotins.
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die Aussage Plotins, das absolute Eine sei das agathon, in zeichenhaft-hinweisender, nicht aber in seinsbestimmender Bedeutung zu verstehen ist. Das absolute `Eine´ ist als Absolutes, d.h. als von Allem `Ab-gelöstes´, an sich selbst völlig unbestimmbar.[xvi] Es steht noch jenseits der Möglichkeit durch menschliche Bestimmungen und Benennungen getroffen zu werden.
Das absolut transzendente Eine-Gute ist als solches auch noch jenseits des (Selbst-) Denkens des Geistes[xvii], also auch jenseits der Nushypostase.[xviii]
Für Plotin ist die erste Hypothese (137c-142a) des Parmenides -Dialoges die Durchführung der in Resp. 534bf. geforderten negativen Dialektik bzw. `negativen Theologie´[xix], nämlich die Auslegung der Seinstranszendenz des Guten selbst des Sonnengleichnisses.
Für das Philosophieren Plotins, der in der Tradition sogenannter `mündlicher Lehren´ Platon s steht und neben dem Mittelplatonismus[xx] zudem u.a. an Auffassungen des Neupythagoreismus und Philon s von Alexandrien anknüpft, wie für den gesamten Neuplatonismus[xxi] kommt dem Parmenides -Dialog Platon s, der in spezifischer, nämlich positiv einheitsmetaphysischer Weise interpretiert wird, von allen Werken Platon s das weitaus größte Gewicht zu.[xxii]
Bei Plotin wie für den an ihn anschließenden Neuplatonismus spielt der in seinem Gehalt positiv einheitsmetaphysisch im Sinne einer Metaphysik des überseienden[xxiii] Einen selbst und seiner Entfaltung in das Gesamt des Seienden, das sich hierarchisch-hypostatisch[xxiv] stuft, gedeutete Dialog geradezu die Rolle eines „Grundbuchs des Platonismus“[xxv].
Nun zeigt aber die vielfältige und divergente, ja in sich höchst widersprüchliche Auslegungstradition des zweiten Teiles des Parmenides -Dialoges Platons[xxvi] seit der Antike, dass die Deutung dieses Dialoges durch Plotin und die an ihn anschließende Tradition[xxvii] eindeutig im Sinne einer Metaphysik des überseienden unbestimmbaren Einen selbst, das sich in die Vielheit des Seienden hierarchisch entfaltet, gerade in und wegen ihrer Eindeutigkeit fragwürdig ist. Der Parmenides -Dialog ist nicht in erster Linie wegen seines ersten Teiles mit seiner Kritik einer Ideenlehre bestimmter Ausprägung, sondern vor allem aufgrund seines zweiten Hauptteiles zweifellos eines der geheimnisvollsten, vieldeutigsten und am schwersten zu lösenden Rätsel der Philosophiegeschichte. Gerade diejenigen Deutungen, die dem zweiten Dialogteil lediglich logische Relevanz im Sinne konsequenter Aporetizität in der Bedeutung einer spielerisch-ironischen Entkräftung der Einheitsmetaphysik des Eleatismus zubilligen, die in der literarischen Fiktion der dialektischen „Übung“[xxviii] als implizite Kritik und als Selbstwiderlegung gestaltet ist,[xxix] oder die ihm logisch-propädeutische Funktion zuerkennen als Vorführung dessen, welche argumentative Fähigkeit durch Sokrates bzw. durch jemanden, der die `Ideenlehre´ argumentativ zu verteidigen imstande sein soll, mittels Übung auszubilden ist,[xxx] stellen die neuplatonische[xxxi] einheitsprinzipialistische metaphysische Interpretation des Parmenides nach dem `Plotintyp´[xxxii] in Frage. Dennoch findet sie auch auch heute noch immer wieder entschiedene Anhänger[xxxiii].
Diese Interpretation nimmt den zweiten Teil des Parmenides als Metaphysik des überseienden Einen selbst und seiner Ausfaltung in die Totalität des Seienden, die sich hierarchisch-hypostatisch stuft. Unter dem Einfluss des Platon zugeschriebenen innerakademischen dogmatisch-lehrhaften Prinzipiensystems, das, wie angenommen wird, die dialektische Übung des zweiten Hauptteils des Parmenides verschlüsselt enthüllt, sieht diese neuplatonische Interpretation in der ersten Hypothese eine negative Theologie des absolut transzendenten reinen Einen und in den übrigen Hypothesen den Abstieg von diesem absoluten Prinzip zum Prinzipiierten[xxxiv].
Ob man den zweiten Hauptteil des Parmenides, wie in der Tradition des Platonismus überwiegend geschehen, neuplatonisch bzw. eng verwandt deutet, oder ob man ihn etwa logisch-aporetisch betrachtet, hängt wesentlich davon ab, wie man die Negationen versteht, zu denen die erste Hypothesis, in der das Eine absolut gesetzt wird, führt . Entweder man versteht sie im Sinne transzendierender Negationen negativ-theologisch und kann so zu einer Parmenides -Deutung des `Plotintyps´ gelangen, nach dem die Negationen der Durchführung der ersten Hypothesis dazu dienen, die absolute Transzendenz des reinen Einen auszudrücken und sein Nichtsein als Übersein zu indizieren, oder aber man begreift sie privativ, und kann zu einer logisch-aporetischen Deutung kommen im Sinne des Erweises, dass die Absolutsetzung des Einen als des schlechterdings Einen widersinnig ist, da der Versuch, das Eine absolut zu setzen, notwendig zu seiner Selbstaufhebung führt.[xxxv]
Plotin erhebt für sein Philosophieren keinen Originalitäts- und Neuerungsanspruch[xxxvi], sondern beruft sich für den Zentralgehalt seiner philosophischen Theorie explizit auf Platon[xxxvii]. Plotin sieht sich als Ausleger Platon s.[xxxviii]
Dieser hat in seinem Philosophieren eine Zentralstellung. Plotin will lediglich zur Klarheit bringen, was dieser bereits gesagt und gelehrt hat[xxxix].
1.3 Das Philosophieren Plotins als Aufstieg zum absolut transzendenten Einen
Plotin unternimmt den Versuch, die Wirklichkeit in ihrer Vielheit als Henophanie, genauer als die immerwährend-bestehende, nämlich zeitlos-ewige[xl] prohodos[xli] des Einen als ihrem Urgrund zu begreifen, die vielheitliche Wirklichkeit radikal von einer Option her zu fassen, die die Wirklichkeit und ihre Mannigfaltigkeit durch Rückführung auf eine ihr vorgängige vielheitsbegründende voraussetzungslos-ursprüngliche Einheit, von der sie abhängig ist, zu erklären versucht[xlii], die sie als absolutes Eines[xliii] und als absolute Transzendenz versteht.[xliv]
Die absolute Transzendenz, die wegen ihrer Unsagbarkeit bloß indiziert wird[xlv], meint die Jenseitigkeit gegenüber allem[xlvi], also gegenüber dem Sein[xlvii], einschließlich gegenüber dem Geist und seinen Erkenntnismöglichkeiten.[xlviii]
Das jeden Totalitätshorizont des Seins noch übersteigende[xlix], da absolut transzendente Eine, das überhaupt nichts als von ihm Verschiedenes und als von ihm zu Unterscheidendes hat, kann eigentlich nicht einmal angemessen als Eines bezeichnet werden, weil auch die Einheitsbestimmung ihm nicht beigelegt werden kann. Denn durch diese Attribution wird es bereits in den Bereich des vielheitlich Seienden hineingezogen. Weder ist es als absolut Transzendentes etwas, noch ist es etwas, als das es bestimmt werden könnte (und zwar als Eines).[l]
Plotin vertritt mit seiner prinzipientheoretischen Einheitsmetaphysik eine philosophische Position, die als einheitsprinzipialistische metaphysische Option charakterisiert werden kann: Das Wesentliche und Entscheidende jedwedes Wirklichen wie überhaupt ausnahmslos aller Wirklichkeit ist die Einheitsverfasstheit.[li]
Damit etwas überhaupt sein kann sowie denk-, erkenn- und verstehbar wie auch ansprechbar ist, muss es Eines sein.[lii]
Die durchgängige Einheitsverfasstheit aller Wirklichkeit aber gründet im absoluten Urgrund aller Einheit, im absoluten Einen[liii], das als alle Bestimmbarkeit und Bestimmtheit erst ursprünglich stiftendes Eines noch über alle Bestimmungen und Bestimmbarkeiten hinausliegt. Die vielheitliche und als vielheitliche zugleich stets einheitsverfasste Wirklichkeit selbst verweist auf das einfachhin Eine[liv] als ihren absoluten Ursprung und Urgrund, der die Seinstotalität begründet.
Es geht Plotin darum, den philosophisch-transzendierenden Auf- und Überstieg[lv] im weitest möglichen philosophisch-rationalen Überschreiten bis zu dem, was nicht mehr überschreitbar ist[lvi], nämlich bis zum überseienden absoluten Einen zu vollziehen durch Rückführung jeglicher Mannigfaltigkeit auf das transzendente schlechthin Eine[lvii], das als einheitsstiftender Grund und Ursprung jedwede Vielheit begründet und eint, selbst aber absolut einfach ist.
Die Philosophie Plotins als „Philosophie über das Eine“[lviii] (wie des Neuplatonismus insgesamt) kann als eine entschiedene Metaphysik des Einen, näherhin des tranzendenten absoluten und vielheitsbegründenden schlechterdings Einen bezeichnet werden.[lix]
Jedwedes Vielheitliche wird im Philosophieren Plotins in Einheitsstufungen auf das möglichkeitsbedingende Ur-Eine zurückgeführt. Dies geschieht im henologisch-rückschrittigen und vielheitsnegierenden Verfahren als sogar noch die Totalität, die der nus ist, überschreitendes und zielführendes Anlangen beim jenseitigen Ur-Einen.
Das reine Eine selbst, das am Ende des philosophisch-rationalen und henologisch-reduktiven Aufstieges[lx] augenblickshaft[lxi] „berührt“[lxii] werden kann, ist für Plotin undenkbar.[lxiii] Denn alles Denken kann am bestimmungstranszendenten absolut Einen nur scheitern[lxiv], weil Denken stets wesentlich Zu- und Absprechen von Bestimmungen, mithin Unterscheiden ist.[lxv]
Das vollkommen Eine aber ist gnoseologisch wie – als jenseits noch des Seins[lxvi] – auch ontologisch schlechterdings unerreichbar, da absolut transzendent.[lxvii] Erst die als einheitliche Gesamtheit von Sein und Denken hervorgegangene erste Hypostase des schlechterdings jenseitigen Einen, der Geist (nus)[lxviii], der sich selbst als das Sein weiß, steht im Einzugsbereich des dem Denken als solchem Zugänglichen und ist nicht mehr von der absoluten gnoseologischen wie auch ontologischen Transzendenz des unterschiedslosen Einen.[lxix]
Vom absoluten Einen muss alles von ihm Bedingte unterschieden werden[lxx], auch wenn der Weg zu seiner Erkenntnis zunächst über das Bedingte führt.[lxxi]
Das bestimmungsüberschreitend-unbestimmbare Ur-Eine kann lediglich noch via negationis behelfsmäßig mittelbar-verweisend bestimmt und als bestimmungsgründender Grund indirekt indiziert werden.[lxxii]
Negativ bestimmt werden kann das über alle Bestimmungen hinausliegende absolute Eine, das aller Wirklichkeit zugrunde liegt, durch eine als Selbstüberwindung dialektischen Denkens zu verstehende negative Dialektik.[lxxiii] Sie erweist das schlechthin Eine im dialektischen Regress als undenkbar, indem sie zeigt, dass es „jenseits von allem“ ist[lxxiv]. Alle Denk- und Seinsbestimmungen sind dem absoluten Einen unattribuierbar, weil sie von ihm prinzipiiert sind. Sie können ihm daher selbst nicht zugesprochen und beigelegt werden.[lxxv]
Im philosophisch-rationalen Aufstieg[lxxvi] überschreitet sich für Plotin das einheitssuchende Denken selbst zu seinem es bedingenden, an sich relationslosen, zugleich aber relationierenden Ursprung, auf den es ausgerichtet ist. Es vollzieht dabei den Versuch[lxxvii] durch die Überwindung der auch in der Einheit des Sich-selbst-Denkens noch verbliebenen Zweiheit von Denkendem und Gedachtem[lxxviii] eine Rückbeziehung auf und eine rückkehrende Hinwendung[lxxix] in das ihm als Ursprung selbst zu Grunde liegende ursprüngliche Eine zu realisieren, das der schlechthin einfache und unbezügliche Urgrund von allem, mithin auch des Denkens, ist. Das Denken gelangt in der augenblickshaft und unverfügbar sich ereignenden Erfahrung des absoluten Einen sich selbst überschreitend und überhöhend zu seiner überrationalen Erfüllung.
In der Transzendenzbewegung geht auch noch das selbstbezügliche Denken in seiner Zweiheit über sich selbst hinaus. Das Resultat ist die Aufhebung jeder Denkmöglichkeit. Diese geschieht via negationis.[lxxx] Zugleich kommt es damit zur ekstatisch-befreienden[lxxxi] Selbstaufhebung des Denkens in der Einung mit dem absoluten Einen.[lxxxii] Das Denken übersteigt sich selbst sogar noch als das unmittelbar und intuitiv erfassende Denken des Geistes bzw. der Vernunft im `hintergehenden´ Überstieg zur `Schau´ des Einen[lxxxiii], in der sogar die Zweiheit von Schauendem und Geschautem überstiegen ist, und die ekstatisch-henotisch zu verstehen ist.
In der Transzendenzbewegung wird so die Vielheitsstruktur (auch) des Dafürhaltungsstrukturiert-Aussagenhaften („etwas als etwas“) wie des Sprachlichen überhaupt überstiegen und es kommt zur unsagbaren[lxxxiv], nichtdenkenden und differenzlosen Einung[lxxxv], sofern diese, sich in plötzlicher Intuition[lxxxvi] als mystische Erfahrung ereignend, gelingt und das Denken so sein höchstes und letztes Ziel erreicht; das Denken findet Erfüllung der in ihm angelegten Strebebewegung.[lxxxvii]
Die ekstatische Einung als mystische Erfahrung des absoluten Einen wird bei Plotin – ganz anders als dies bei Platon-Sokrates der Fall sein könnte – als Ziel des philosophisch-rationalen Transzendierens gedacht, als Erfüllung und Vollendung.[lxxxviii][lxxxix]
Während die Aufstiegsbewegung zum Einen[xc] als solche für Plotin philosophisch-rational explizier- und argumentativ begründbar, sowie im positionell-affirmativen Sinne lehr- und lernbar ist, ist dies nicht so mit ihrem Gipfelpunkt, nämlich der Erfahrung der Einung mit dem ursprünglich Einen. Diese ist in einem strikten Sinne unsagbar wie auch inkommunikabel und entzieht sich damit auch jeder philosophisch-rationalen, etwa spekulativ-dialektischen Ausweisbarkeit sowie jeglicher positionell-affirmativen Lehr- und Lernbarkeit.[xci]
Den Aufstiegsweg (der ein Rückweg ist) kann philosophisch verstehen und gehen auch der, der das Ziel (noch) nicht erreicht (hat). Um den Gipfelpunkt der überrationalen Einung mit dem Einen erreichen zu können, muss jedoch die via negationis zuvor zurückgelegt worden sein. Nicht die vorgängige mystische Erfahrung ist Möglichkeitsbedingung und Grund der Metaphysik des Einen, sondern die Metaphysik des Einen und ihr Nachvollzug qua Auf- und Rückstieg sind für Plotin Möglichkeitsbedingung der mystisch-ekstatischen henosis-Erfahrung,[xcii] die das wahre Glück ist.
Dem jedwede Denkbarkeit und Sagbarkeit transzendierenden Einen kann man sich nur dialektisch-transzendierend via negationis, analogiae und supereminentiae[xciii] durch indirekt-uneigentliche Indizierung[xciv] annähern.
Das Negieren hat bei Plotin die Funktion, das Transzendieren zu ermöglichen, nämlich zu initiieren, zu befördern und weit möglich zum Ziel zu führen. Die negative Dialektik bei Plotin[xcv] soll das epekeina, das `Darüber-hinaus´[xcvi] des absoluten Einen über die jeweils negierte Bestimmung im dialektischen Denken deutlich machen.
Die negative negative Dialektik, die dem hen selbst in seiner strengen Einfachheit alles abspricht, dient bei Plotin letztlich zur Verdeutlichung, dass das ursprungshafte Ur-Eine nicht das Prinzipiierte ist, sondern dieses noch auf dessen Ur-Grund hin übersteigt. Sie soll zeigen, dass die vom Ur-Einen fundierten Bestimmungen ungeeignet dazu sind, Bestimmungen des Ur-Einen selbst zu sein. Vom Standpunkt des Prinzipiierten aus erscheint das prinzipiierende Ur-Eine so als das Nichts (des Prinzipiierten bzw. des Entsprungenen).[xcvii]
Vom Standpunkt des Prinzipiierten ist das prinzipiierende Ur-Eine Nichts,[xcviii] allerdings kein nichtiges Nichts, sondern das Nichts von allem, nämlich der absolut jenseitige Ursprung von allem. Das reine Eine ist Macht bzw. Kraft (dynamis), arche und Quelle von allem.[xcix]
Das reine hen selbst, das ohne jegliche Andersheit ist, steht, wie Plotin betont und als Problem klar erkennt,[c] als jedwede Denkbarkeit transzendierend nicht mehr im Zugriffsbereich des Denkens.[ci]
Gleichwohl unternimmt er den philosophischen Versuch, es auf dem Weg philosophisch-rationalen Denkens zu erfassen soweit dies geht. Dies aber kann nur in einem Versuch einer `Ergreifung´ noch des durch das Denken nicht mehr direkt Be- und Ergreifbaren geschehen.
Was auf begrifflich-argumentativem, dialektisch-spekulativem Weg rational begründbar ist, ist die schlechthinnige Jenseitigkeit des absoluten Einen. Dieser Weg bereitet im Scheitern die mystische Erfahrung der ekstatischen Einung vor, nämlich als vorgängig zurückzulegender dialektisch-spekulativer Weg zu ihr, auf dem das Denken durch Selbstaufhebung überwunden wird. Es ist der Weg, den Plotin in seinem Philosophieren als den gebotenen[cii] zu gehen und allgemein nachvollziehbar im positionell-affirmativen Sinne darzulegen versucht, um so schließlich die henotisch zu verstehende `Schau´ zu ermöglichen, die die henologische Intention des Denkens erfüllt. Das Denken versucht sogar, die in ihm auch in der Einheit des Sich-selbst-Denkens noch verbliebene Zweiheit von Denkendem und Gedachtem in einer `zweiheitshintersteigenden´ negativ-dialektischen Ergreifung der hier zugrundeliegenden absoluten Einheit hinter sich zu lassen und scheitert dabei.
Der dialektisch-denkende Aufstieg und der Versuch der Ergreifung des durch das Denken nicht mehr Be- und Ergreifbaren sind für Plotin rationale Voraussetzung der mystisch-ekstatischen henosis-Erfahrung als unio mystica plotiniana mit dem ur-gründigen Einen.
Obwohl das reine hen absolut transzendent ist, unternimmt Plotin also den Versuch, dem absolut transzendenten Einen im philosophisch-dialektischen Denkaufstieg so nahe wie möglich zu kommen. Dies ist für ihn die unerlässliche rationale Voraussetzung der mystisch-ekstatischen henosis-Erfahrung, die im Scheitern die Erfüllung des denkenden Aufstiegs zum Einen als dem Urgrund alles Wirklichen ist.
Den Ausgang für den philosophisch-dialektischen Auf- und Überstieg nimmt Plotin, indem er zunächst die Einheitsbestimmtheit jedweden Seienden als sein Sein fundierend[ciii] darlegt. Er versucht aufzuzeigen, dass diese Einheitsverfasstheit des Seienden in einem `ur-sprünglichen´ Sinn herrührt aus dem reinen Einen, so dass die durchgängige (wenngleich auf den verschiedenen hypostatischen Stufen (Welt, Seele, Geist) graduell differente)[civ] Einheitsverfasstheit des Seienden[cv] stets Einheit in der Vielheit ist[cvi], hindeutend auf das seinsjenseitige und seinsstiftende hen selbst.
Plotin bereitet so dem henologisch-reduktiven und negativ-dialektischen Auf- und Überstieg mit dem Ziel der Zugänglichkeit des wirklichkeitsbegründenden transzendenten Einen den Weg.[cvii] Dessen erste Stufe besteht im Rückgang vom sinnenhaften Einzelnen, von der zerstreuten Mannigfaltigkeit des sinnlichen Seienden und der empirischen Erfahrungswelt auf die sie vermittelnd begründende Seele. Diese eint alle Dinge durch ihr Wirken[cviii], ohne selbst schon das ursprüngliche absolute und differenzbegründende Eine zu sein[cix]. Dessen zweite Stufe vollzieht sich im Rückgang auf das Welt und Seele vermittelnd begründende Intelligible, im nus als Inbegriff der Ideen, der in höherem Maße Einheit ist als die Seele, aber ebenfalls abgeleitet und so noch nicht das Eine.[cx]
Die denkende Zuwendung des Geistes (nus) zu sich selbst nun stellt zugleich eine Zuwendung zum voraussetzungslosen geistbegründenden Einen selbst dar. Der Geist wendet sich dem Einen zu als dem vorgängigen, ihn prinzipiierenden transzendenten Grund. Der Geist ist auch in der (durch das transzendente Eine gestifteten) Einheit des Selbstbezuges als sich in der Ausrichtung auf seinen Ursprung selbst denkender Geist[cxi] noch in die Zwiefalt von Denkendem und Gedachtem auseinandergefaltet bzw. entzweit.[cxii]
An die zweite Stufe des Aufstieges[cxiii] kann und muss sich deshalb die entscheidende dritte Stufe auf den allbegründenden Ursprung anschließen. Sie führt noch über den Bereich des intelligiblen Seins bzw. des nus hinaus und ist der dialektisch-ausgreifende Rückgang auf das überseiende und allbegründende Prinzip allen Seins.
Gerade die die Vielheit als Totalität umfassende lebendige Einheit des Geistes lässt es einsichtig erscheinen, dass der Geist selbst noch nicht das erste Eine sein kann, sondern in der ihm jenseitigen absoluten Einheit gründet.[cxiv]
Die Einheit des Geistes ist wesentlich Einheit von Denkendem und Gedachtem, nus und noeton bzw. von Denken und Sein.[cxv]
Der einheitliche Geist ist mithin durch Zweiheit konstituiert. Da die Einheit aber früher als die Vielheit ist[cxvi], ergibt sich die Notwendigkeit des Rückgangs auf die differenzbegründende zugrundeliegende Einheit, die jenseits des nus[cxvii] ist.
Die Zuwendung zum Ursprung bedeutet Erfüllung des Denkens.[cxviii]
Diese Erfüllung des Denken s geschieht dadurch, dass es zur noesis aktualisiert wird.[cxix] Das Denken ist zunächst als unbestimmtes Sichten im Sinne einer bloßen Intention zu sehen nur eine reine und noch unbestimmte Strebebewegung auf die absolute Einheit hin.[cxx]
Das zu sich selbst kommende, d.h. sich zu sich selbst als sich-selbst-denkender Geist erhebende Denken wird in seiner Zuwendung zum transzendenten Einen in seiner Über-Mächtigkeit und Über-Fülle in der einheitsbildenden dynamis in Richtung auf Einheit bestimmt. Dies ermöglicht es ihm erst,[cxxi] den erhaltenen Einheitscharakter zu konturierter Vielfalt in bestimmter Weise zu generieren bzw. zu aktualisieren, nämlich als einheitsbestimmte Vielfältigkeit der Ideen, die als Erfüllung des Denkens zu verstehen ist. Das Denken erfüllt sich mit der selbst erzeugten Ideenvielfalt als der eidetischen Vielheit des Seins.[cxxii]
War das Denken anfangs als bloß unbestimmtes Sichten eine reine Strebebewegung in Richtung auf einheitsbestimmtes Denken, kommt es über das Denken der Ideen, die es selbst ist,[cxxiii] und die es als selbstgeschaffen erkennt, in ihrer geeinten Fülle erst eigentlich zu sich.[cxxiv] Im Erhalt der einheitsbildenden dynamis aus der Zuwendung zum transzendenten allbegründenden Einen ist das transzendente Eine so trotz der Selbst erzeugung des Geistes[cxxv] Möglichkeitsbedingung für das Denken, sich als Geist selbst zur Bestimmtheit und zur Deutlichkeit des Sich-selbst-Denkens zu erheben.[cxxvi]
Das Denken als sich-selbst-denkender Geist[cxxvii], von Plotin gefasst als Konstitution des Seins in seiner Bestimmtheit, entsteht als Sein ursprünglich aus dem transzendenten Einen als dem absoluten Urgrund.[cxxviii]
Das Denken findet, nachdem es seinen Ursprung, das transzendente unterschiedslose Eine nicht selbst zu erkennen vermag,[cxxix] die Erfüllung seines Einheitsstrebens darin, dass es, auf der Grundlage der aus der Übermächtigkeit des Einen empfangenen einheitsbildenden dynamis, selbst einheitsbildend tätig wird. Es erzeugt die Fülle denkbarer Einheiten, die die intelligiblen Ideen sind. So erschafft es sich als erfülltes Denken.[cxxx]
Gerade das schlechterdings Eine als der transzendente Ursprung[cxxxi], auf den die Denkintention gerichtet ist, bewirkt im Entzugscharakter seiner Undenkbarkeit daher das schöpferisch-spontane Zu-sich-selbst-Kommen des Denkens.[cxxxii]
Der Möglichkeit nach findet der philosophisch-rationale und transzendierend-regressive Aufstieg zuletzt seine Grenze und gipfelt zuhöchst in der Berührung der als Nichts erscheinenden[cxxxiii] absoluten Transzendenz[cxxxiv], d.h. in der mystisch-ekstatischen[cxxxv] Einung mit dem ursprünglichen, Geist und Sein übersteigenden, selbst nicht mehr übersteigbaren Einen. Dieses ist, wie auch die henotische Erfahrung, unsagbar. Will man sich dennoch nicht jeglicher Aussagen enthalten, so kann auf es in seiner absoluten Transzendenz über alles nur noch durch die radikale `theologia´ negativa als Mittel zum Erreichen des reinen Einen, von dem jede Bestimmung wegzunehmen ist[cxxxvi], durch allumfassende Negation hingewiesen werden. Auf diese Weise kann für Plotin im Übersteigen der Denkbarkeit der undenkbare Urgrund aller Wirklichkeit erfahrbar werden.[cxxxvii]
Das Denken in seiner Angewiesenheit auf Bestimmbarkeit durch identifizierendes Unterscheiden auf dem Hintergrund vorausgesetzter Einheitsbestimmtheit kann dem absolut Einen[cxxxviii] schlechterdings nicht gerecht werden. Es kann es lediglich im notwendigen Scheitern seiner Bemühung – und die Notwendigkeit dieses Scheiterns vermag das Denken noch einzusehen und zu begründen – als die absolute Grenze des Denkens denken und als Aufhebung des Denkens als das schlechterdings `Undenkbare´ in der mystisch-ekstatischen henosis erfahren.[cxxxix]
1.4 Problemwissen nach Plotin und der Verlust des sokratisch qualifizierten Problemwissens
Wie die Ausführungen belegt haben, kann Plotin hinsichtlich der Thematik des hen wie der damit zusammenhängenden Fragen und Probleme keineswegs als philosophisch naiv bezeichnet werden. Vielmehr zeugt sein Denken diesbezüglich durchaus von einem beachtenswerten Problembewusstsein. Dieses zeigt sich inbesondere in den auf das schlecherdings Eine bezogenen Vorbehalten Plotins. Plotin weiß sogar vom Gewinn, den die Aporie mit sich bringt. So findet sich bei Plotin etwa angesichts der, wie es scheint, unlösbaren Schwierigkeiten des Unterfangens, die Relation von hen und Sein zu denken und rational zu begreifen, der Einfall bzw. die kluge Einsicht, dass es auch ein Gewinn ist, das Unlösbare zu kennen.[cxl]
Das unterschiedenheitslose Eine selbst ist in seiner absoluten Transzendenz über jedwede logisch-ontologische Relation, die aussagbar und erkennbar wäre, hinaus.
Das als solches stets unterscheidende und mithin Andersheit und damit Zweiheit voraussetzende apophatische Sagen und Denken des Einen hat als suchend aporetische Aufstiegsbewegung[cxli] indikatorische Funktion. Es umspielt das reine Eine, das jenseits aller positiven Aussagemöglichkeit ist, gleichsam von außen und ist daher nicht sinnlos[cxlii]. Es hat seine absolut unübersteigbare Grenze im Mysterium der absoluten Transzendenz angesichts der völligen Unsagbarkeit, Unnennbarkeit und Unerkennbarkeit des Einen (auch) via negationis. Die via negationis gipfelt im Vollzug konsequenten Verneinens wegen ihrer Unangemessenheit betreffs des absolut transzendenten reinen Einen in ihrer äußersten Konsequenz sogar noch in der Verneinung der Negation und des Negierens selbst, und zwar am Ende negativ-dialektischen[cxliii] Transzendierens bis zum unhinterschreitbar Transzendenten bzw. nichtprivativen, nämlich der Intention und Funktion nach transzendenzaufweisenden (das heißt das schlechthinnige Übermaß des absoluten Einen selbst), Negieren.
In der Aufhebung von allem angesichts der absoluten Undenk- und Unsagbarkeit langt der Transzendenzvollzug schließlich an beim absoluten arrheton, demgegenüber es angemessenerweise und genaugenommen nur noch die Haltung wissenden Nichtwissens[cxliv] und einsichtsvoll-erfahrenen und erfüllten Schweigens gibt.[cxlv] Das Denken und Sagen langt in der Selbstüberschreitung zur scheiternd-erfüllten Selbstaufhebung im Ursprung an, aus dem es als dem unbedingt gründenden Grund hervorgegangen ist. Als entsprungene, prinzipiierte Wirklichkeit kehrt es in der Rückwendung bzw. epistrophe zu ihm zurück, ihn nunmehr berührend.[cxlvi]
Das durch seine absolute Einfachheit jedweder Vielheit enthobene Eine kann nicht bestimmt werden, da es sonst nicht mehr einfachhin Eines wäre. Denn jede Bestimmung würde eine In-Beziehung-Setzung des Einen entweder zu sich selbst oder zu etwas anderem bedeuten und es in die Vielheit hineinziehen.
Streng genommen darf das Eine noch nicht einmal als Prinzip bezeichnet werden, weil es dadurch in eine Relation zu dem von ihm Prinzipiierten gebracht wird. Es ist so nicht Prinzip, sondern gewissermaßen `Überprinzip´, ist nicht Ursprung, sondern `vor- bzw. überursprünglich´.[cxlvii]
Das Eine als `Prinzipiierendes´ ist grundsätzlich verschieden von dem durch es Prinzipiierten. Es kann daher auch nicht bestimmt werden durch Eigenschaften, wie sie dem Prinzipiierten zukommen, weil es sonst nicht mehr das absolute `Prinzipiierende´ wäre.
Unter dem Gesichtspunkt des sokratischen Problemwissens, der die vorliegende Untersuchung leitet, besteht der wesentliche Mangel der `platonischen´ Selbst-deutung Plotins wie auch der gleichwohl verdienstvollen Forschungsarbeiten, die dieses Selbstverständnis Plotins wie auch die Bezüge Plotins auf das Philosophieren Platon s überhaupt thematisieren, darin, dass sie nicht ausarbeiten, inwiefern das `platonische´ Selbstverständnis Plotins, dass er lediglich die `Philosophie´ Platon s angemessen auslege, und die Art seiner Platonbezüge inadäquat oder zumindest sehr problematisch sind. Plotin versteht sich zwar als Interpret Platon s, doch gelingt ihm eine adäquate Interpretation des Philosophierens Platon s weit weniger, als er dies meint, weil ihm die eminente Bedeutung des sokratischen Problemwissens für Platon s gesamtes Philosophieren weitest gehend entgeht. Plotins Selbstdeutung wäre nur adäquat, sofern man sie (nur) auf (angebliche) dogmatisch-lehrhafte und systematische Teilstücke bezieht,[cxlviii] die sich in Platon s Philosophieren identifizieren[cxlix] lassen als mögliche einzelne Elemente positionell-affirmativen Wissens.[cl] Hierbei darf nicht übersehen werden, dass es sich bei Plotins Platoninterpretation,[cli] aber auch schon bei der vorangegangenen wie auch noch der nachfolgenden Tradition des `Platonismus´[clii] um ein interpretatives Lehrkonstrukt handelt, das in seiner Vereindeutigung des Philosophierens Sokrates-Platon s nicht nur eine Ver einseitigung, sondern in seiner spezifischen Akzentuierung des Transzendenzgedankens geradezu eine Verformung dieses Philosophierens (und damit auch der `Unsagbarkeitsthematik und -problematik´ bei Platon) darstellt[cliii] in Richtung auf positionalitätsaffirmatives Wissen mit dem zentralen Fokus auf dem positionalitätserschlossenen (Höchst-) Wissen vom absolut transzendenten Einen, das als höchstpositionales nichtwissendes Wissen wegen der `Unerkennbarkeit´ und Unsagbarkeit dieses schlechterdings Einen selbst unsagbar ist.[cliv]
Diese Vereindeutigung des Philosophierens von Platon-Sokrates zeigt sich bereits äußerlich in der Absens der Sokratesgestalt.[clv]
Im vorliegenden Zusammenhang kann man – um eine glücklich gewählte Ausdrucksweise von Walter Bröcker zu gebrauchen[clvi] – für Plotin von einem „Platonismus ohne Sokrates“ sprechen.[clvii]
Mit dieser Vereinseitigung des Philosophierens Platon s geht die für das Philosophieren Sokrates-Platon s umgreifende Dimension des sokratischen Problemwissens verloren, nämlich des spezifisch sokratischen nichtwissenden Wissens bzw. wissenden Nichtwissens als sokratisch-atopisch, aporetisch-epochetisches Problemwissen, sieht man einmal von seiner via `platonistischer´ Platoninterpretation erfolgten schwundstufig-restresidualen Transformation in das (doch) höchstpositionale nichtwissende Wissen vom absolut transzendenten und schlechterdings reinen Einen ab, das in der Tradition des Platonismus und `platonistischen´ Philosophierens – und damit auch `platonistischen´ Bildungsdenkens (vgl. bes. das Bildungsdenken Eckhart s und seine Folgewirkungen) – fortan noch eine gewichtige Rolle spielt. In der ultimativen Erfahrung der henosis als Erfahrung des Einen selbst ist die Aporie des Denkens, das an seine äußerste Grenze stößt, im Überstieg noch über die Grenze des Denkens, das an seiner Vielheitsverfasstheit scheitert, für Plotin letztlich überwindbar und wird in der ultimativen übervernünftigen Erfahrung auch gewiss überwunden, während die Aussicht auf eine vernünftige Überwindung der Aporie beim Sokrates Platon s eine vernunft optimistische Hoffnung ist, die das sokratische Suchen, Prüfen und Erörtern trägt und motiviert.
Gerade deshalb, weil es im Wesentlichen nur noch um eine weltflüchtige[clviii] `platonistische Restresidualität´ sokratischen Problemwissens geht, kann dieses nach den wirkmächtigen Überlegungen Plotins auch als erfahrungsweltbezogene Bildungsgestalt im abendländischen bildungsphilosophischen Denken nicht mehr angemessen berücksichtigt werden. Sokratische skeptisch-kritische Abständigkeit als Bildungsziel tritt nicht mehr angemessen in den Blick und wird nicht als eigene Bildungsgestalt konzeptualisierbar.[clix]
Bei Plotin und bei manchen in der plotinisch-neuplatonischen Tradition stehenden `Platonikern´ handelt es sich um Philosophen bzw. um Vertreter der philosophisch-rationalen Mystik, denen es gelungen ist, hinsichtlich des als letztes ur-gründiges Prinzip aller Wirklichkeit angesetzten Einen eine spezifisch-qualifizierte Art von Problemwissen zu erwerben, zu dem sie, soweit möglich, auch anderen verhelfen wollen.[clx] Allerdings unterscheidet sich diese Art von Problemwissen, das auf das höchste Eine bezogen ist, vom sokratisch qualifizierten Problemwissen Platon s, auch wenn eine gewisse Nähe zu ihm noch erhalten ist. Sokratisch qualifiziertes Problemwissen und Problemwissen des `Plotintyps´ sind nicht genau dasselbe. Handelt es sich bei Plotin um das Wissen bezüglich des bloß problematisch erkennbaren absoluten Einen – auch diesem kommt, wie auszuführen ist, nicht eigentlich der Rang sokratisch -problema-tischen Wissens zu –, so geht es bei Sokrates-Platon um ein Wissen bezüglich dessen, was wirklich ist, überhaupt. Dieses ist, so scheint sich immer wieder zu erweisen, bloß problematisch-vernünftig erkennbar.
Wird bei Plotin etwas vor allem am äußersten Ende der Aufstiegsbewegung, das unsagbare Eine betreffend, erfahren, so geht es bei Sokrates-Platon für gewöhnlich um eine Erfahrung, die ganz alltäglich gemacht werden kann (jedoch normalerweise nicht gemacht wird wegen der Absens der Sokratesgestalt) anlässlich von Alltagssituationen, gleichsam auf Schritt und Tritt, beim Versuch, das, was unthematisch als gehabtes Wissen auftritt bzw. vorausgesetzt wird, zu thematisieren und als verfügtes bzw. verfügbares Wissen zu erweisen und sokratisch-skeptisch zu untersuchen. Immer wieder erweist sich so, dass es sich allem Anschein nach noch nicht um wirkliches Wissen handelt, jedenfalls nicht um ein Wissen, das die Person, die es für sich beansprucht, als Wissen sokratisch-skeptischen Fragen und Untersuchungen gegenüber auch als Wissen tatsächlich auszuweisen vermag. Geht es um `Sokratisches´, um `sokratische Erfahrungen´, befindet man sich im Regelfall durchaus mitten im Felde philosophischen begrifflich-diskursiven Denkens, nicht an dessen Grenze oder gar darüberhinaus. Schon der Versuch, ganz `Alltägliches´ zu sagen, auszudrücken und sokratischer Infragestellung gegenüber zu verteidigen, scheitert. Im sokratischen Problemwissen wird für gewöhnlich um das alltäglich Ungewusste gewusst, im Problemwissen des Plotintyps wird auf bestimmte Weise um das Unwissbare gewusst, und zwar in erster Linie spezifisch bezogen auf das vollkommen Eine.
Gerade dadurch, dass Plotin auf das geistige und das hypernoetische Erkennen fokussiert,[clxi] das nicht diskursiv erworben wird, sondern unmittelbares Erkennen ist, das nicht dafürhaltungsstrukturiert ist, kann er dem sokratischen Problemwissen als nicht dafürhaltungsstruktureller Wissensgestalt nicht gerecht werden. Er nimmt im Wesentlichen nur das, wie Plotin annimmt, nicht dafür-haltungsstrukturierte Erkennen des Geistes[clxii] in den Blick und was seiner Auffassung nach dieses Erkennen noch übersteigt, nämlich das ungeistige, das übernoetische Erkennen des Einen, die hypernoetische Erfahrungserkenntnis des Guten selbst, die die Sonder- wie Höchstform und die allein bedeutsame Gestalt des intuitiven Wissens (bzw. Gestalt des in der unio plotiniana erfüllten wissenden Nichtwissens) ist. So kann das sokratische Problemwissen nicht wahrgenommen werden als weitere Gestalt philosophischen Wissens, das ebenfalls nicht dafürhaltungsstrukturell ist. Das sokratische Problemwissen als nicht dafürhaltungsstrukturelles Wissen, das aber dennoch kein intuitives Wissen im Sinne eines direkten und unmittelbaren Erfassens ist, wird nicht gesehen.
Es handelt sich beim auf das höchste Eine bezogenen Problemwissen des `plotinschen´ Typs zudem auch nicht um den auf das höchste Eine bezogenen Spezial- und Sonderfall des originären sokratischen Problemwissens, auch nicht in seiner positionalitätsaffirmativen Form als sokratisch-problemqualifiziertes positionalitäts erschlossenes Wissen. Das Problemwissen vom `Plotintyp´ ist grundsätzlich anderer Art als das sokratisch qualifizierte Problemwissen skeptisch-kritischer Abständigkeit. Denn das Problemwissen des Plotintyps, das, wie das die Ideen als (wie genau auch immer) `Realia´ ansetzende sokratisch problembewusste Philosophieren Platon s, auf dem Boden des `objekttheoretisch-objektivistischen Paradigmas´ steht, ist mit einer auf das höchste Eine bezogenen, Positionalitätsüberzeugung verknüpft.[clxiii] Diese ist hinsichtlich des Einen selbst und seiner Erfahrung nicht mehr in der sokratischen Bedeutung skeptisch-kritisch[clxiv] fundiert wie auch nicht erfahrungsweltbezogen-erkenntnis-funktionell rückgebunden.[clxv] Das plotinsche Wissen gipfelt der Möglichkeit nach unverfügbar-augenblickshaft in der diese Positionalitätsüberzeugung bestätigenden ekstatisch-henotischen Schau[clxvi] bzw. in der mystisch-ekstatischen Einung, die nur schwer erreichbar ist[clxvii]. Sie ist nicht getragen durch die und umgriffen von der skeptisch-kritischen problemerfahrenen Abständigkeit der hochgradigen sokratischen Ausprägungsgestalt. Zu dieser ist das Problemwissen des Plotintyps allenfalls auf dem Wege.
Der unsagbaren Positionalitätserfahrung und der entsprechenden Positionalitätsüberzeugung gegenüber würde der Sokrates Platon s in der dialogischen Prüfung eines personalen Gegenübers, das mit ihr auftritt, aufzuzeigen versuchen, dass, wer sie vertritt, seiner philosophischen Positionalerfahrung noch zu wenig skeptisch-kritisch ist. Der Sokrates Platon s würde sich darum bemühen, seinem Gegenüber unter Maßgabe des auf das Gute selbst bezogenen problemqualifizierten und erfahrungsweltdienlichen Wissens zu größerer skeptisch-kritischer Abständigkeit zu verhelfen[clxviii] hinsichtlich seiner einheitsprinzipialistischen philosophischen Überzeugung wie auch im Umgang mit der als selbstevidente Bestätigung dieser Überzeugung durch unmittelbare intuitive Schau verstandenen ekstatisch-henotischen Erfahrung.[clxix]
Die ekstatisch-henotische Erfahrungserkenntnis stellt nicht eine Gestalt sokratisch-atopisch, aporetisch-epochetischen Problemwissens (`erstes Unsag-bares´ bei Platon) dar, sondern eine Gestalt dessen, was hier einmal als `zweites Unsagbares´ bezeichnet sein mag. Die schlechthinnige Unsagbarkeit des `zweiten Unsagbaren´ der plotinisch-neuplatonischen und mystischen Erfahrungserkenntnis ist von der `gewöhnlichen´, auf die Ideen bezogenen Entdeckungserfahrung, die ebenfalls eine Gestalt des `zweiten Unsagbaren´ darstellt, zu unterscheiden. Dies sei hier kurz dargelegt:
`Zweites Unsagbares´ bezeichnet allgemein die Erfahrung der Entdeckung von Ideen (-positionalität).
Hier sind zwei Erfahrungsgestalten zu unterscheiden, je nachdem, worauf sie sich beziehen:
a) die `normale´, nicht auf das schlechterdings Eine bezogene Gestalt der unmittelbaren intellektuellen Wesenserkenntnis (`Ideenschau´): Sie ist als Erfahrung unsagbar im Sinne von nicht direkt mitteilbar, aber auf ihr können zutreffende Behauptungsaussagen aufruhen (jedoch prinzipiell auch falsche Behauptungsaussagen, obwohl die Erfahrung als solche `echt´ ist, sie also eine wirkliche Entdeckungs erfahrung ist). Will man ihr gerecht werden, so ist die Möglichkeit zu berücksichtigen, dass jedwede Erfahrung, mithin auch eine derartige (`Prädikatenbedeutungs´)-Erfahrung, die selbst als aprädikativ angenommen werden könnte, bereits prädikativ verfasst ist.
b) die `außergewöhnliche´, vorbereitbare, letztlich aber `gnadenhaft-unverfüg-bare´[clxx] und punktuell-plötzliche, auf das schlechterdings Eine bezogene Entdeckungserfahrung: Sie ist schlechterdings unsagbar.[clxxi] Denn auf ihr können wegen der schlechthinnigen Einfachheit des absoluten göttlichen Einen keine zutreffenden Behauptungsaussagen basieren, da jedwede Behauptungsaussage, ob zutreffend oder nicht, bereits Vielheit voraussetzt und daher das schlechterdings Eine prinzipiell nicht erreichen kann.
[...]
[i] Gadamer, H. G.: Denken als Erlösung. Plotin zwischen Plato und Augustin, in: ders.: Gesammelte Werke 7: Griechische Philosophie III: Plato im Dialog, Tübingen 1991: 408f.. Vgl. zum Neuplatonismus: „Platons Philosophie ist in der Geschichte fast durchgehend in der Interpretation vermittelt worden, die ihr die Neuplatoniker der Spätantike gegeben haben. Der Neuplatonismus, von Hegel als Vollendung der antiken Philosophie apostrophiert, zählt zu den intellektuellen Fundamenten Europas; er war von gar nicht zu unterschätzendem wirkungsgeschichtlichen Einfluss auf Philosophie, Theologie, Literatur und Kunst der Spätantike, des Mittelalters und der Neuzeit.“ (Khoury, R. G./Halfwassen J. (Hrsg.): Platonismus im Orient und Okzident. Neuplatonische Denkstrukturen im Judentum, Christentum und Islam. Heidelberg 2005: 8.)
[ii] S. Gadamer. H. G.: Denken als Erlösung. Plotin zwischen Plato und Augustin, in: ders.: Gesammelte Werke 7: Griechische Philosophie III: Plato im Dialog. Tübingen 1991: 408-410 (Zitat: 409). Vgl. Jens Halfwassen: „Plotin ist neben Platon und Aristoteles der größte, einflußreichste und wirkungsmächtigste Denker der Antike. Der von ihm begründete Neuplatonismus bestimmte die letzte Epoche der antiken Philosophie, war darüber hinaus aber von größtem Einfluß auf die gesamte weitere Geschichte der Philosophie wie der Theologie. Eine innere Affinität verbindet ihn mit dem spekulativen Deutschen Idealismus, also dem Denken von Fichte, Hegel und Schelling. Wo immer nach Plotin metaphysisch gedacht wurde, waren Motive und Denkformen neuplatonischer Herkunft im Spiel. Jede Einheitsdeutung der Wirklichkeit bleibt dem Platonismus verpflichtet und greift schon mit dem Primat der Einheit auf ihn zurück.“ (Halfwassen, J.: Plotin und der Neuplatonismus. München 2004: 9.)
[iii] Ebenda: 409.
[iv] Gadamer, H. G.: Denken als Erlösung. Plotin zwischen Plato und Augustin, in: ders.: Gesammelte Werke 7: Griechische Philosophie III: Plato im Dialog. Tübingen 1991: 409. Dem trägt Rechnung die Habilitationsschrift von Jens Halfwassen: Halfwassen, J.: Hegel und der spätantike Neuplatonismus. Untersuchungen zur Metaphysik des Einen und des Nous in Hegels spekulativer und geschichtlicher Deutung. Bonn 1999.
Auch für das bildungsphilosophische Denken der deutschen Klassik (bes. Herder, Schiller, Goethe) und des deutschen Idealismus von Fichte über Schelling bis Hegel war Plotins Denken inspirierend. Insofern kommt man auch unter bildungsphilosophischem Aspekt nicht darum herum, sich mit diesem Autor, der für die deutsche bildungsphilosophische Tradition so überaus wirkmächtig geworden ist, eingehender auseinanderzusetzen. Leider ist das Bewusstsein hierum derzeit, wie es scheint, zunehmend im Schwinden begriffen. Zum Verhältnis zwischen Platonismus und deutschem Idealismus s. bes.: Beierwaltes, W.: Platonismus und Idealismus, in: Philosophische Abhandlungen 40. Frankfurt/M. 1972 (bes. 83-153); Mojsisch, B./Summerell, O. F. (Hrsg.): Platonismus im Idealismus. Die platonische Tradition in der klassischen deutschen Philosophie. München – Leipzig 2003.
Zum Einfluss des Platonismus, insbesondere des Neuplatonismus und Plotins auf die Philosophie des deutschen Idealismus, insbesondere auf Schelling: Beierwaltes, W.: Das wahre Selbst. Studien zu Plotins Begriff des Geistes und des Einen. Frankfurt/M. 2001, Kapitel: `Plotins Gedanken in Schelling´ (182ff.); s. zum durch die Geschichte des abendländischen Platonismus vermittelten Platon-Verständnis in Tübingen um 1790 auch: Franz, M.: Schellings Tübinger Platon-Studien, in: Neue Studien zur Philosophie; 11. Göttingen 1996. V.a. zu Schelling s Interpretation Plotins und zu seiner durch die `neuplatonische Brille´ bestimmten Platoninterpretation (insbesondere zum Einfluss von Platon s so gedeuteten Sophistes auf die schellingsche Vorstellung von Dialektik) s. auch: Leinkauf, T.: Schelling als Interpret der philosophischen Tradition. Zur Rezeption und Transformation von Platon, Plotin, Aristoteles und Kant. Münster – Hamburg – London 1998. Allgemein zur Bedeutung und Wirkung Plotins s. auch: Henry, P.: Plotinus’ place in the history of thought, in: MacKenna, S. (Hrsg.): Plotinus. The Enneads. London 3. revised ed. 1962: XXXIII-LI.; ferner: Henry, P.: Plotin et l’ Occident. Louvain 1934.
[vi] Horn, C.: Plotin über Sein, Zahl und Einheit. Eine Studie zu den systematischen Grundlagen der Enneaden, in: Beiträge zur Altertumskunde; 62. Stuttgart – Leipzig 1995: 7.
[vii] Plotin bezieht innerhalb dieser Tradition eine strikt prinzipienmonistische Position (s. z.B. V 1, 5, 6-8); zu den Gründen Plotins s. bes. II 4, 15, 17-20; V 4, 1, 5; V 4, 1, 15-19; s. in diesem Zusammenhang auch: V 1, 9, 13-20; V 1, 9, 23-27; V 3, 12, 9-13; vgl. ferner: II 4, 2, 10; V 1, 5, 6f.; V 3, 12, 9-14; V 3, 16,12f.; V 6, 4, 11-13; VI 2, 2, 31; VI 7, 17, 42f..
[viii] Hieraus rührt zu einem Gutteil seine Tendenz, die für ein angemesseneres Verständnis ganz zentralen dialogischen Aspekte wie auch den sokratisch-vorbehaltlichen Gesichtspunkt der Schriften Platon s bei seiner Platonexegese zu vernachlässigen bzw. diesen Gesichtspunkt für seine religiöse Platondeutung zu vereinnahmen und die Dialoge Sokrates-Platons wie philosophische Lehrschriften zu lesen.
[ix] Siehe zu Plotins Identifikation des Einen mit dem Guten in Platon s Dialogen im Sinne einer Platonexegese, die die `Idee des Guten´ aus der Politeia, die epekeina tes usias ist (Resp. 509b), identifiziert mit dem Einen aus der ersten Hypothese des Parmenides (Parm. 137c-142a), und zu Plotins Identifikation des Einen mit dem Guten s. bes. II 9, 1, 1-6: s. e.g. auch I 6, 9, 41 (Gutes) zusammen mit V 4, 1, 10 (das Eine). In Anknüpfung an metaphysische Deutungen des Parmenides im Mittelplatonismus und Neupythagoreismus (s. in diesem Zusammenhang bes. Bechtle, G.: The Anonymous Commentar on Plato´s Parmenides. Bern 1999) sieht Plotin die erste Hypothese als negative Theologie.
Den Parmenides fasst Plotin, einer bereits länger bestehenden Auslegungstradition folgend, als theologischen Traktat auf (vgl. die Hinweise auf die Auslegungstraditionen im Kommentar des Proklos, der selbst eine theologische Deutung des Parmenides -Dialoges bietet und sich im Blick auf den zweiten Parmenides teil auf die erste Hypothese beschränkt. S. dazu Halfwassen, J.: Hegel und der spätantike Neuplatonismus. Untersuchungen zur Metaphysik des Einen und des Nous in Hegels spekulativer und geschichtlicher Deutung. Bonn 1999; Halfwassen, J.: Der Aufstieg zum Einen. Untersuchungen zu Platon und Plotin, in: Beiträge zur Altertumskunde; 9. Stuttgart 1992. Zu Plotins Aufnahme des Parmenides s. e.g. auch: Varessis, E.: Die Andersheit bei Plotin [...] Stuttgart 1996: 50-53. Zur `negativen Theologie´ Plotins s. ebenda: 70-86.
Im Zusammenhang seiner theologischen Interpretation Platons versteht Plotin Transzendenz anders als Platon, nämlich im Sinne einer äußersten Transzendenz, die religiös zu fassen ist. Vgl. Gadamer: „Auch wenn wir erkennen, daß die platonische Philosophie mit der religiösen Tradition des Griechentums auf enge Weise und fruchtbar zusammenhängt, wird doch niemand den völlig neuen Sinn religiöser Transzendenz verkennen, der im späteren Altertum zur Entfaltung kam und den neuen Anschluß an Plato bewirkte. Niemand wird daher diese Inanspruchnahme des platonischen Werkes [des Parmenides, und zwar durch den Neuplatonismus; R. M.] auf eine unmittelbare Weise akzeptieren können. Denn bei Plato ist es trotz aller Feierlichkeit des Aufschwungs das philosophische Denken selber und die Beharrlichkeit der sokratischen Rechenschaftsforderung, was über alle herkömmlichen religiösen Gestaltungen spekulativ hinausweist, auch wenn auf der anderen Seite dieses Denken durch Sanktionierung der religiösen Volksüberlieferung sich dem Aufklärungszug des griechischen Denkens bewußt entgegenstellt: Beides ist von dem religiösen Pathos des 3. Jahrhunderts nach Christi Geburt durchaus verschieden […].“ (Gadamer, H. G.: Der platonische ` Parmenides ´ und seine Nachwirkung, in: ders.: Gesammelte Werke 7: Griechische Philosophie III: Plato im Dialog. Tübingen 1991: 314.) Man kann annehmen, dass gerade das religiöse Verständnis Platon s durch Plotin erheblich dazu beigetragen hat, dass das sokratische Problemwissen und die in diesem Zusammenhang stehende Transzendenz nicht in das Blickfeld Plotins und des Neuplatonismus gerieten, ja nicht einmal geraten konnten. Schon allein deshalb musste auch der Platonismus der spätantiken und der mittelalterlichen Theologie ein `Platonismus ohne Sokrates´ (Walter Bröcker), nämlich ein Platonismus ohne sokratisches Problemwissen, gleichsam ein im sokratischen Sinne unproblematischer Platonismus und ein dogmatisch-religiöser Platonismus sein.
U.a. Hegel ist Plotin und den Neuplatonikern in ihrer theologischen Interpretation des Parmenides, den er sehr schätzte, später gefolgt. S. in diesem Zusammenhang Halfwassen, J.: Hegel und der spätantike Neuplatonismus. Untersuchungen zur Metaphysik des Einen und des Nous in Hegels spekulativer und geschichtlicher Deutung. Bonn 1999.
Sieht Plotin die erste Hypothese als negative Theologie, ist ihm die zweite Hypothese mit ihrem Eins-Seienden (Parm. 142a-155e) der Geist bzw. das sich in seiner Einheit ins Vielfältige differenzierende Sein. Die dritte Hypothese (Parm. 155eff.) macht die Seele vorstellig und die weitere Stufe von Zerstreuung ins Viele. Zu Plotins Auffassung des zweiten Parmenides hauptteiles s. bes. V 1, 8, 26; vgl. Parm 144e; Parm 155. – Wie später angedeutet wird, besteht aber die Möglichkeit, den zweiten Hauptteil des Parmenides im Sinne sokratischer Vorbehaltlichkeit und sokratischen Problemwissens zu deuten und wohl mit größerem Recht als es einer theologischen Deutung zuzubilligen ist. Zu dem, was als Platons `Prinzipienlehre´ bezeichnet wird, mit ihrer Irreduzibilität der zwei obersten Prinzipien als zentralem Gehalt, ist zu sagen: Ihr `harter Kern´ dürfte, allgemein gesprochen, darin bestehen, dass Platon-Sokrates erkannt hat, dass Vielheit nicht ohne Einheit, Einheit aber auch nicht ohne Vielheit gedacht, erkannt und gesagt werden kann. Platon-Sokrates war sich bewusst, dass Ein-Prinzipien-Theorien sensu stricto, d.h. in strenger Durchführung, scheitern müssen. – Die Bezeichnung des absoluten Prinzips als einerseits das Gute und andererseits als das Eine meint bei Plotin zwei verschiedene Zugangsweisen zum absoluten Prinzip (Gutes: Zielaspekt; Eines: Ursprungsaspekt). Weder der Begriff des Guten noch der Begriff des Einen bezeichnet das Wesen des absoluten Prinzips, sondern es handelt sich lediglich um den Versuch, das Verhältnis, in dem sich das Sein zu ihm befindet, möglichst begreifbar zu machen: vgl. e.g.: VI 9, 3, 49-54; vgl. ferner VI 7, 41, 28-31; VI 9, 6, 39-42. Das Gute kann bei Plotin in Anlehnung an die Diotima-Erzählung von Platon s Symposion auch unter dem Titel des absolut Schönen auftreten: s. bes. I 6 (Über das Schöne; bes. I 6, 7-9); VI 7, 32f.; die Schönheit und deren Betrachtung spielt beim Aufstieg zur Schau eine wichtige Rolle (s. eben I 6, bes. I 6, 1, 18-21 und I 6, 2, 9-11). Das hen ist das Überschöne, s. VI 7, 33, 20; vgl. VI 7, 32, 29; vgl. ferner V 8, 8, 5. S. aber auch die Differenzierung vom Einen-Guten in V 5, 12 und V 8; zum Verhältnis des Guten zum Schönen s. auch VI 7, 32, 28-39. S. Müller, H. F.: Zur Lehre vom Schönen bei Plotin, in: Philos. Monatshefte 12 / 1876: 211-217; Müller, H. F.: Die Lehre vom Schönen bei Plotin, in: Sokrates 3 / 1915: 593-602.
Die Benennung des absoluten Prinzips als `Gutes´ trifft dieses nicht eigentlich (s. III 8, 9, 16-18). Es ist daher auch das `Übergute´ (s. VI 9, 6, 40). Eine vergleichbare Schwierigkeit gibt es bei der Bezeichnung des absoluten Prinzips als `das Eine´. Die Bezeichnung `Eines´ bedeutet für Plotin lediglich, dass das Viele aufgehoben ist; s. V 5, 6, 26. Zur Schwierigkeit, über `Ex´ zu sprechen bes. eindrücklich: V 3, 14, 1-8.
Zum möglichen Anhalt zur Bestimmung des Guten als das Eine bei Platon und in der Alten Akademie: s. bes. Arist. Metaph. 14, 4, 1091b 13-15 (=Test. Plat. 51, in: Gaiser, 1968); Arist. Eth. Eud. 1, 8, 1218a 17-21; s. auch: Aristox. Harm 2, 30 (= Test. Plat. 7, in: Gaiser, 1968).
Zur Bedeutung und Auffassung des Guten bei Plotin, dessen gesamte Philosophie als `Philosophie des Guten´ überschrieben werden kann (vgl. Siegmann: 12): Siegmann, G.: Plotins Philosophie des Guten. Eine Interpretation von Enneade VI 7, in: Epistemata, Würzburger wissenschaftliche Schriften. Reihe Philosophie; 82). Würzburg 1990.
Zur Hauptdifferenz bezüglich des Guten zwischen Plotin und Platon meint Gadamer treffend: „Aber Plato weicht in seinen Dialogen vor jeder genauen Aussage über das Eine, über das Gute, das notwendig nicht nur Eines, sondern auch Vieles ist, zurück. […]. […] anders als Plato richtet Plotin die ganze Wucht seines Denkens darauf, das Eine von allen determinierenden Bestimmungen völlig abzulösen und es selbst von dem `Denken´ ganz abzurücken, das wesensmäßig nicht das Eine sein könne, weil es in die Zweiheit des Denkenden und des Gedachten zerfalle. Der negative Weg im Denken des Einen, den er verfolgt, macht ihn so zum Vater der negativen Theologie, zum Eröffner der sogenannten via negativa. Das Denken vermag der Eminenz des Göttlichen nur dadurch gerecht zu werden, daß es das Göttliche durch universelle Verneinungen umschreibt. Das ist die neuplatonische Theologie, die die erste `Hypothese´ in dem platonischen Dialog ` Parmenides ´ im gleichen Sinne als ein Dokument negativer Theologie deutete […]. Plotins immer wiederkehrendes Grundproblem ist diese Notwendigkeit, das Eine zu denken und nicht denken zu können.“ (Gadamer, H. G.: Denken als Erlösung. Plotin zwischen Plato und Augustin, in: ders.: Gesammelte Werke 7: Griechische Philosophie III: Plato im Dialog. Tübingen 1991: 413f..)
[x] Zum Verhältnis zwischen dem Geist und dem Guten im Sinne einer Auslegung von Resp. 509b bei Plotin, wonach das Gute nicht Sein, sondern noch jenseits des Seins ist (vgl. VI 7, 40, 26): VI 7. Das Gute kann nicht Geist sein: VI 7, 36-42. Zum Guten als Ziel menschlichen Handelns bes. VI 7, 24-30. – Es soll an diesem Ort der Hinweis genügen, dass die `Idee des Guten´ bei Platon u.a. auch als `das Glänzendste unter dem Seienden´ (Resp 518c: tu ontos to phanotaton) bezeichnet wird. Sie erscheint hier selbst wiederum als Seiendes. Zudem ist die Idee des Guten, wenn sie in welchem Sinne auch immer Seiendes ist, nicht unerkennbar: s. 477a, wo es heißt, dass das vollkommen Seiende auch vollkommen erkennbar ist, während das, was auf keine Weise ist, auch ganz und gar unerkennbar ist. Die Idee des Guten Platon s ist weder unerkennbar noch einfachhin transzendent im Sinne Plotins. Zudem taucht sie bei Platon öfter als Idee unter anderen Ideen auf, in einer Reihe mit diesen, s. e.g. Resp. 507b; Phaid. 65d; Phaid. 75c; Phaid. 76d; Phaid. 77a; Phaid. 100b; (Parm. 129aff.).
[xi] Vgl. Resp. 506df. und 509c – eine potentielle `Verschweigungsstelle´ für die Vertreter der `ungeschriebenen Lehre/n´. - Vgl. bes. II 9, 1, 5-8; vgl. e.g. auch VI 7, 15, 10.
[xii] Da das Gute Prinzip ist, muss es mit Notwendigkeit absolut einfach sein, s. e.g. V 5, 13.
[xiii] Resp. 510 b.
[xiv] Vgl. to anhypotheton, he tu pantos arche, 511b.
[xv] Zu Plotins Bemühen einen Begriff vom Einen zu erlangen via analogiae mittels einer Exegese von Platon s Sonnengleichnis (Resp. 507a-509c) s. V 5, 7 (vgl. VI 7, 16, 24-35). Vgl. dazu bes. Beierwaltes, W.: Plotins Metaphysik des Lichtes, in: C. Zintzen (Hrsg.): Die Philosophie des Neuplatonismus. Darmstadt 1977, bes. 87-89. 97-100.
[xvi] Plotin bleibt hierbei dem Vorstellungsdenken des Sonnengleichnisses in der Politeia verhaftet und versucht von diesem Denken aus, das der dritten Wissensstufe des Liniengleichnisses entspricht, das Gute selbst und die auf es bezogene Erkenntnis zu erreichen. – Dass das reine hen völlig unbestimmbar ist – darin liegt das spezifische antidogmatische Moment seines Denkens –, betont Plotin immer wieder. Hegel hingegen interpretiert in einem philosophischen Missverständnis, das wohl aus der eigenen spekulativen Voreingenommenheit resultiert, das unerkennbare Eine Plotins, das er für verzichtbar erachtet, in aristotelisierender Weise `nus-haft´ als das `reine Sein´. Gerade dies aber ist der wesentliche Punkt der Kritik Plotins an Aristoteles; s. V 1, 9, 7.
Zu Plotins Aristotelesrezeption und -kritik: Hager, F. P.: Die Aristotelesinterpretation des Alexander von Aphrodisias und die Aristoteleskritik Plotins bezüglich der Lehre vom Geist, in: Archiv f. Geschichte d. Philos. 46.2 / 1964: 174-187. Zum Verhältnis Hegel s zum Neuplatonismus s. bes.: Halfwassen, J.: Hegel und der spätantike Neuplatonismus. Untersuchungen zur Metaphysik des Einen und des Nous in Hegels spekulativer und geschichtlicher Deutung. Bonn 1999.
[xvii] Zur Geisttranszendenz des absoluten Einen verweist Plotin auf Platon als Gewährsmann: VI 7, 37, 23f..
[xviii] S. z.B. III 9, 9, 12-15. Zu den Stufen der Transzendenz s. e.g. V 5, 6, 17-21; VI 7, 17, 3-11. Es besteht ein Verweisungszusammenhang von allem, was ist, auf ein `jenseits´ von ihm Seiendes, selbst für das Sein als solches und ganzes. – Bei Plotin hat die absolute Transzendenz des einfachen Einen (s. e.g.: I 7, 1, 7; I 7, 1, 19f.), auch gegenüber den Ideen `im´ nus, die wichtigste Rolle inne, während Platon den Unterschied (nicht die Scheidung!) zwischen intelligiblem `Bereich´ (bzw. dem intelligiblen Aspekt der einen Wirklichkeit, der `ewigen (Seins-) Welt´des `wirklich´ Seienden, nämlich die immerseiend-unveränderlichen Ideen in diesem Aspekt-Sinn genommen) und sinnlich erfahrbarem und veränderlichem `Bereich´ (`empirischer´ Aspekt der einen Wirklichkeit, `veränderlich-wechselhafte (Werde-) Welt´ der Erfahrung, nämlich empirischer Kosmos als die Welt des Werdens und Vergehens in diesem Aspektsinne genommen) aus erkenntnisfunktionellen Gründen im Blick auf die Erkenntnis der Erfahrungswelt.
Die Unterscheidung der Bereiche interpretiert Plotin im Sinne einer Trennung; er versteht den chorismos „der Ideen allzu wörtlich“ und teilt mit den anderen Neuplatonikern, dass sie „in dieser Frage schlechte Platoniker sind“ (Gadamer, H. G.: Der platonische Parmenides und seine Nachwirkung, in: ders.: Gesammelte Werke 7: Griechische Philosophie III: Plato im Dialog. Tübingen 1991: 313; s. Gadamer dazu ausführlich: Gadamer, H. G.: Die Idee des Guten zwischen Plato und Aristoteles, in: ders.: Gesammelte Werke 7: Griechische Philosophie III: Plato im Dialog. Tübingen 1991: 136ff..)
Gadamer stellt fest: „Durch seine [= Aristoteles; R. M.] Art der Kritik hat er […] das richtige Lesen der platonischen Dialoge sehr lange blockiert. In einer ganz anderen, späten, innerlich gewordenen Seelenhaltung hat dann Plotin die Zweiweltenlehre, die Aristoteles polemisch zuspitzt, und die er eben dadurch, daß er sie bekämpft, dogmatisch verfestigt hat, ganz neu gedeutet und zum Schauplatz eines großartigen Welt- und Seelendramas erhoben [...].“ (Gadamer, H. G.: Die sokratische Frage und Aristoteles, in: ders.: Gesammelte Werke 7: Griechische Philosophie III: Plato im Dialog, Tübingen 1991: 379.) „Es ist also nicht Plato, sondern Aristoteles der Urheber der Zweiweltenlehre, auf ihn geht zurück, was über den Neuplatonismus das Platobild dauerhaft entstellt.“ (ebenda: 380).
Plotin und die an ihn anschließende Tradition hätte u.a. gerade durch den Parmenides erfahren können, dass die Position einer Zweiweltenlehre eben nicht die Position Platon s ist; vgl. zum Problem prägnant Gadamer: „Plato war kein Platoniker, der zwei Welten lehrte.“ (Gadamer, H. G.: Zur platonischen `Erkenntnistheorie´, in: ders.: Gesammelte Werke 7: Griechische Philosophie III: Plato im Dialog. Tübingen 1991: 331; vgl. dazu auch Gadamer, H. G.: Die Idee des Guten zwischen Plato und Aristoteles, in: ders.: Gesammelte Werke 7: Griechische Philosophie III: Plato im Dialog. Tübingen 1991: 136ff..)
[xix] Vor allem auf dieser ersten Hypothese des Parmenides basiert Plotins negative Dialektik bzw. Theologie VI 9, 1-6; vgl. bes. VI 9, 3, 42-45 mit Parm. 138b, 139b, 141a.
Zum `platonischen Ursprung´ der negativen Theologie Plotins s. bereits E. R. Dodds: Dodds, E. R.: The Parmenides of Plato and the origin of the Neoplatonic `One´, in: CQ 22 / 1928: 129-142; Charrue, J. M.: Plotin. Lecteur de Platon. Paris 1978: 43-84; Bréhier, É.: Le Parménide de Platon et la théologie négative de Plotin, in: Sophia 6 / 1938: 33ff.; s. auch: Frenkian, A. M.: Les origines de la théologie négative de Parménide à Plotin, in: Rivista Classica 15 / 1943: 11-58; ferner Whittaker, J.: Neupythagoreismus und negative Theologie, in: Zintzen, C. (Hrsg.): Der Mittelplatonismus, in: Wege der Forschung 70. Darmstadt 1981: 169-186 (zuerst 1969 (engl.)).
[xx] Besondere Bedeutung erlangt die mittelplatonische Philosophie dann bei Plotins Schüler Porphyrios, der durch seine vereinheitlichende Sicht der platonischen Tradition u.a. für Jamblich und Proklos einflussreich geworden ist.
[xxi] Für die Bezeichnung `Neuplatonismus´ gilt: „Wenn wir vom Neuplatonismus reden, so verwenden wir zwar einen Namen, der erst von der neuzeitlichen historischen Wissenschaft geprägt wurde. Dieser Name soll indessen nicht nur einen objektiven Befund, sondern zugleich auch die Selbstdeutung der so gekennzeichneten Epoche ausdrücken.“ So Wolfgang Wieland in: Geschichte der Philosophie in Text und Darstellung Band 1: Antike, hrsg. von W. Wieland. Stuttgart 1978: 364. Zu dieser Selbstdeutung unter: `Das philosophische Selbstverständnis Plotins´. Diese Einführung geschah, genauer terminiert, in der deutschen Philosophiegeschichtsschreibung des 18. Jahrhunderts auf dem Hintergrund des aufkommenden Bewusstseins von der Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischem ursprünglichem Platon bzw. Platonismus und spätantikem Platonismus. Vgl. dazu H. Meinhardt, Art. `Neuplatonismus´, in: J. Ritter u.a. (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd. 6. Basel (u.a.) 1984: 754-756. Mit dem Terminus `Neuplatonismus´, der keine Selbstbezeichnung ist, werden im Folgenden vor allem Plotin und die im engeren Sinne in seiner Tradition stehenden Denker bezeichnet, also diejenigen Denker, die wie Plotin unter Aufgriff von Ansätzen, die sich bei Platon finden, die Wirklichkeit als eine eigentlich unsagbare göttliche Einheit spiritueller Art, die für sie das `Schöne´ bzw. `Wahre´ bzw. `Gute´ selbst ist, verstehen, und zwar unter Rückgriff auf `die Philosophie´ Platon s, die unter Maßgabe des Gedankens der Einheit verstanden, akzentuiert und im Kontext einer gestuften Hypostasen- und `Emanations´- sowie epistrophe- (d.h. `Rückkehr´-) Auffassung mehr oder weniger systematisiert wird. Für den Menschen geht es neuplatonischen Auffassungen gemäß darum, durch Entmaterialisierung, Entsinnlichung und Vergeistigung die epistrophe, d.h. die Rückkehr zum nus und schließlich zum göttlichen Einen selbst, das noch jenseits des Geistes ist, zu vollziehen und so die Entäußerung des Geistes in die sinnlich-materielle Welt für sich aufzuheben. Diese Auffassungen sind, wie zu zeigen ist, von großem Einfluss auf Augustin und auf Eckhart. Zur Bezeichnung `Neuplatonismus´ s. auch Gadamer: „Mit dem Aufkommen historischer Denkweise wurde die einheitliche Traditionsfigur des Platonismus zur Auflösung gebracht und der originäre Plato hinter seiner wirkungsgeschichtlichen Figur aufgesucht. Damit empfing dieser spätere Platonismus selber erstmals ein eigenes Profil, und das kam in der Namengebung `Neuplatonismus´ zum Ausdruck.“ (Gadamer, H. G.: Der platonische ` Parmenides ´ und seine Nachwirkung, in: ders.: Gesammelte Werke 7: Griechische Philosophie III: Plato im Dialog. Tübingen 1991: 313.)
[xxii] Für die Philosophie Plotins, und damit auch für die späteren Neuplatoniker wie auch für den abendländischen `Platonismus´, sind, wählt man nur das Allerwichtigste aus, neben dem zweiten Teil des Parmenides (135cff., v.a. 137cff.; siehe speziell die Stelle, wo dem absolut Einen am Ende der Durchführung der 1. Hypothesis (137c-142a) explizit jede Erkenn- und Sagbarkeit abgesprochen wird: 141d-142a (bes. 142a); s. aber aus dem 1. Teil dieses Dialoges auch insbes.: 131bf.; 132a; 133b; 135bf.) v.a. folgende Dialogpartien und -stellen bei Platon besonders bedeutsam: Resp. 505a-511e (bes. 507b-509c; s. davon wiederum bes. 508b; 511b); ferner Resp. 476a, 479a; 490b; 533d; 534bf.; 540a; 596a; Soph. 243e-245e; 248b-249a; 249e-250d; 251bf.; 253df.; 254d-257c; Polit. 284b; Tim. 29e; 30cff.; 34b-35b; 37d; 39ef.; 41c; 42e; Symp. 206bff.; 210e; 211b-e; 212a; 240bf.; Phileb: 14c-18d; 20b-21e; 23d; 26bff.; 27b; 28c-31a; 60c; 63b; 64e; Theait.: 184aff.; Phdr. 245cf. (interpretatorisch regelhaft im Verbund mit, plotinisch verstanden, Resp. 508b) (vgl. z.B. Enn. VI 6, 9, 39f.; VI 7, 23, 21; VI 9, 11, 31; und öfter.; s. auch VI 7, 12, 24); 247d-e; 249c; 250a-c; Phd. 74a-75c; 79d; 97c-99d; 103cff.; Ep. VII: 341b-e (insbes. im Verbund mit Parm. 142a); 342d; 343e; 344b; Ep. II: 312d-313a; Ep. VI: 323d..
[xxiii] S. dazu e.g. VI 8, 14, 42.
[xxiv] Zum Begriff der Hypostase s. bes.: Dörrie, H.: Hypostasis. Wort- und Bedeutungsgeschichte, in: Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Phil.-hist. Klasse 1955: 35-92. Zu Plotins Versuch einer stufenweisen Ableitung der Wirklichkeit aus dem hen, das von Andersheit vollkommen frei ist, so, dass es entsprechend zu einer Zunahme von Vielheit kommt:
Atkinson, M. (Hrsg. u. Übers.): Plotinus: Ennead V.1. On the three principal Hypostases. A Commentary with translation by M. Atkinson. Oxford (1983) 2. Aufl. 1985; Varresis, E.: Die Andersheit bei Plotin, in: Beiträge zur Altertumskunde; 78. Stuttgart – Leipzig 1996 (Einige Aufschlüsse zum wirkungs- und entwicklungsgeschichtlichen Aspekt dessen, was als `die Prinzipienlehre Platon s´ bezeichnet wird, im Vorneuplatonismus (bes. Speusipp und Neupythagoreer). Unternehmen der Untersuchung der Andersheit als Vielheitsprinzip bei Plotin als Grund von Mannigfaltigkeit und Heterogenität unter Bezugnahme auf die `ungeschriebene Prinzipien-Lehre´ Platon s (aber auch des in ihrem Lichte betrachteten Dialogwerks Platon s (bes. Parmenides, aber auch Timaios: Vorgeschichte der Hyle-Lehre Plotins; Einbeziehung auch der hyle-Lehre des Aristoteles)) und insgesamt der Vorgeschichte der neuplatonischen Einheitsmetaphysik seit Platon und ihre Interpretation durch die Alte Akademie seit Speusipp sowie im Neupythagoreismus. Darstellung der Metaphysik des transzendenten Einen bei Plotin sowie seiner Hyle-Lehre. These der Kombination von `exoterischem´ und `esoterischem´ Platon bei Plotin insbesondere „im Rahmen seiner Lehre über die Andersheit“ (12). Kritische Anknüpfung und erweiternde Fortführung bes. der Arbeit von H.-R. Schlette: Schlette, H. R.: Das Eine und das Andere. Studien zur Problematik des Negativen bei Plotin. München 1966. S. auch die Literaturverweise bei Varessis zur einschlägigen Forschung.
Zu Plotins Auseinandersetzung mit der Frage, warum es außer dem Einen überhaupt noch etwas sonst geben kann und muss s. e.g. IV 8, 6, 1-6; V 2, 1, 7-9; V 3, 16, 1f.; V 4, 1, 21-38. Plotin lässt die Frage nach einem das Eine zum Wirken bestimmenden Grund eigentlich nicht zu (s. bes. VI 8, 10, 19), weil das hen sonst nicht mehr das absolute Eine wäre, das mit jedweder Vielheit im strikten Sinne unverträglich ist. Er beschränkt sich daher auf Bilder, in denen er das Wie des Hervorganges bzw. des `Abstieges´ des Einen in anschaulicher Weise nachvollziehbar zu machen versucht. Zur Frage danach, wie der Hervorgang geschehen ist, in spezifischer Verbindung mit der vorigen Frage s. V 3, 15. Das, was nach dem Einen kommt, ist nicht mehr mit ihm identisch, es ist nicht besser, sondern geringer und damit bedürftiger.
[xxv] Vgl. Volkmann-Schluck, K. H.: Plotin als Interpret [...]: 143. Vgl. Gadamer: „Der Dialog wurde als Grundbuch einer negativen Theologie gelesen, das heißt, man entnahm ihm im Wesentlichen Beweisführungen für die absolute Transzendenz des Einen bzw. des Göttlichen.“ (Gadamer, H. G.: Der platonische ` Parmenides ´ und seine Nachwirkung, in: ders.: Gesammelte Werke 7: Griechische Philosophie III: Plato im Dialog, Tübingen 1991: 313.)
Nicht zuletzt auf diesem Part, den der in spezifischer Weise gedeutete Parmenides im neuplatonischen Philosophieren spielte, beruht – im Mittelalter stark in Verbindung mit Interessen spezifisch christlich-theologischer Provenienz (insbes. negative Theologie) – auch seine Bedeutung, die ihm in der Folgezeit sogar noch in der neuzeitlichen Philosophie bis hin zu Schelling und Hegel und das an sie anknüpfende Philosophieren bis in die Gegenwart zukommt. Zur Wirkungsgeschichte des Parmenides unter besonderer Berücksichtigung der Wirkung seiner Interpretation im Neuplatonismus während des Mittelalters und der Renaissance-Zeit: Klibansky, R.: Plato´s Parmenides in the Middle Ages and the Renaissance. Medieval and Renaissance Studies 1.2 London 1943: 281-330. S. auch: Klibansky, R.: The Continuity of the Platonic Tradition during the Middle Ages. New York 1982 (EA London 1939). – Zum Einfluss des Parmenides in seiner neuplatonischen Deutung auf Hegel s. Halfwassen, J.: Hegel und der spätantike Neuplatonismus. Untersuchungen zur Metaphysik des Einen und des Nous in Hegels spekulativer und geschichtlicher Deutung. Bonn 1999. Zum Einfluss des Parmenides auf Hegel in seinen verschiedenen Denkstadien s. auch: Künne, W.: Hegel als Leser Platos, in: Hegel-Studien 14 / 1979: 109-146; Düsing, K.: Ontologie und Dialektik bei Plato und Hegel, in: M. Riedel (Hrsg.): Hegel und die antike Dialektik, Frankfurt/M. 1990: 169-191; Düsing, K.: Hegel und die Geschichte der Philosophie. Ontologie und Dialektik in Antike und Neuzeit. Darmstadt 1983: 55-96.
[xxvi] Parm. 135cff., v.a. 137cff..
[xxvii] Am eindrucksvollsten hat eine derartige (Teil-) Deutung des `Plotintyps´ (bzw. `Proklostyps´) neben E. A. Wyller (S. bes. Wyller, E. A.: Platons Parmenides in seinem Zusammenhang mit Symposion und Politeia. Interpretationen zur platonischen Henologie. Oslo 1960; Wyller, E.: Platons Parmenides. Form und Sinn, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 17 / 1963: 202-226; Wyller, E. A.: Der späte Platon. Hamburg 1970) in neuerer Zeit Jens Halfwassen vorgelegt: Halfwassen, J.: Der Aufstieg zum Einen. Untersuchungen zu Platon und Plotin, in: Beiträge zur Altertumskunde; 9. Stuttgart 1992. Auf diese Arbeit Halfwassens wird zu exemplarisch-veranschaulichenden Zwecken im Folgenden daher öfter Bezug genommen.
[xxviii] gymnasia, Parm. 135d. Diese dialektische `Übung´ bildet den zweiten Hauptteil des Parmenides -Dialoges (137c-166c).
[xxix] Die in der vorliegenden Abhandlung vorgenommene Typisierung der Parmenides -Deutungen der neueren Philosophie lehnt sich, da sie für den vorliegenden Zusammenhang besonders gut geeignet ist, an an die Halfwassen s (Halfwassen, J.: Der Aufstieg zum Einen. Untersuchungen zu Platon und Plotin, in: Beiträge zur Altertumskunde; 9. Stuttgart 1992: 267-275), der sich wiederum an derjenigen orientiert, die sich im Parmenides -Kommentar des u.a. für Hegel und Schelling wichtigen Proklos findet. Bei den in der vorliegenden Abhandlung den verschiedenen Deutungstypen zugeordneten Parmenides -Interpretationen handelt es sich um solche, die vom Autor der vorliegenden Abhandlung selbst überprüft wurden. Darauf, dass sich bei Halfwassen, der diesbezüglich zuverlässig ist, weitere Literatur findet, wird jeweils eigens verwiesen. – Besonders eindrücklich Deutungen des logisch-aporetischen Typs, der evtl. auf die akademische Skepsis zurückgeht (so auch Wundt, W.: Platons Parmenides, in: Tübinger Beiträge zur Altertumswissenschaft; 25. Stuttgart – Berlin 1935: 10; Halfwassen 1992: 268 mit Anm. 11 (weitere Belege für diese Vermutung)), vertreten z.B. H. F. Cherniss (Cherniss, H. F.: Parmenides and the Parmenides of Plato, in: Am. Journal of Philology 53 / 1932: 122-138); W. G. Runciman (Runciman, W. G.: Plato´s Parmenides, in: Harvard Studies in Class. Philol. 64 / 1959: 89-120); M. Schofield (Schofield, M.: The Antinomies of Plato´s Parmenides, in: C.Q. N. S. 27 / 1977: 139-158); H. G. Zekl (Zekl, H. G.: Der Parmenides. Untersuchungen über innere Einheit, Zielsetzung und begriffliches Verfahren eines platonischen Dialogs. Marburg 1971); R. E. Allen (Allen, R. E.: Plato´s Parmenides. Translation and Analysis. Minneapolis 1983); R. P. Hägler (Hägler, R. P: Platons ` Parmenides ´. Probleme der Interpretation. Berlin – New York 1983); vgl. Halfwassen 1992: 268 Anm. 10 (mit weiterer Literatur). Unter dem Aspekt der Destruktion der Ontologie, in der er das Hauptanliegen, das Platon mit dem Parmenides verfolgt, sieht, hat das aporetische Moment G. Figal betont: Figal, G.: Platons Destruktion der Ontologie. Zum Sinn des Parmenides, in: Antike und Abendland 39 / 1993: 29-47.
[xxx] Eine Deutung des logisch-propädeutischen Typs findet sich z.B. bei G. Ryle (Ryle, G.: Plato´s Parmenides, in: Mind 48 / 1939: 129-151. 302-325) und bei W. D. Ross (Ross, W. D.: Plato´s Theory of Ideas. Oxford 1951: 92-101); vgl. Halfwassen 1992: 269, Anm. 15 mit weiterer Literatur zu Interpreten, die der Meinung sind, es werde, über den bloß logischen Aspekt hinaus ex negativo eine bestimmte Ontologie vorbereitet – die diese Interpreten je anders bestimmen (z.B. Ontologie des Sophistes (Düsing), des Philebos (Sayre), der Idealzahlenlehre (Suhr)). Bereits diese hier angedeutete Vielfalt an `Ontologien Platons´ lässt es als fraglich erscheinen, ob Platon wirklich in dem systematischen und dogmatisch-lehrhaften Sinne, wie hier und anderswo angenommen, `Ontologe´ ist. (Unter diesem Gesichtspunkt ist, auch wenn man insgesamt zu einer abweichenden Einschätzung kommen mag, instruktiv zu lesen die schon genannte Abhandlung von Günter Figal: Figal, G.: Platons Destruktion der Ontologie. Zum Sinn des Parmenides, in: Antike und Abendland 39 / 1993: 29-47.)
[xxxi] Die neuplatonische Interpretation knüpft, so kann man vermuten, an neupythagoreische Vorformen an, die wiederum in Zusammenhang stehen mit Lehren der alten Akademie, vor allem vielleicht Speusipps, dem Nachfolger Platons in der Leitung der Akademie, der vielleicht auch der eigentliche Stammvater der einheitsmetaphysischen Parmenides -Deutung des `Plotintyps´ ist. S. dazu und insgesamt zur Entwicklungslinie vom Parmenides Platons zur Einheitsmetaphysik des Neuplatonismus die Arbeit von Dodds, auf die bereits verwiesen wurde: Dodds, E. R.: The Parmenides of Plato and the origin of the Neoplatonic `One´, in: C. Q. 22 / 1928: 129-142. S. auch Halfwassen: 1992: 271-274; vgl. auch 287.
[xxxii] Hier besonders zu nennen ist zuförderst Proklos mit seiner Schule.
[xxxiii] Moderne Vertreter einer Deutung des `Plotintyps´ sind u.a.: J. Wahl (Wahl, J.: Étude sur le Parménide de Platon. Paris 1926 (2. Aufl. 1951); M. Wundt (Wundt, W.: Platons Parmenides, in: Tübinger Beiträge zur Altertumswissenschaft; 25. Stuttgart – Berlin 1935), A. Speiser (Speiser, A.: Ein Parmenides kommentar. Studien zur platonischen Dialektik. Stuttgart 1937 (2. Aufl. 1959)); E.A. Wyller (S. bes. Wyller, E. A.: Platons Parmenides in seinem Zusammenhang mit Symposion und Politeia. Interpretationen zur platonischen Henologie. Oslo 1960; Wyller, E.: Platons Parmenides. Form und Sinn, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 17 / 1963: 202-226; Wyller, E. A.: Der späte Platon. Hamburg 1970); F. P. Hager (Hager, F. P.: Der Geist und das Eine. Untersuchungen zum Problem der Wesensbestimmung des höchsten Prinzips als Geist oder als Eines in der griechischen Philosophie, Bern – Stuttgart 1970: 130-159); C. F. von Weizsäcker (Weizsäcker, C. F. v.: Parmenides und die Quantentheorie, in: ders.: Die Einheit der Natur. München 1971 (3 Aufl. 1983): 441-465; erneut in: ders.: Ein Blick auf Platon. Ideenlehre, Logik und Physik. Stuttgart 1981: 46-75); J. N. Findlay (Findlay, J. N.: Plato. The Written and Unwritten Doctrines. London 1974); s. Halfwassen: 1992: 274 mit Anm 30: Die angegebene Literatur auch ebenda sowie weitere Interpreten mit zugehörigen Literaturangaben. Zudem besonders H. J. Krämer (Krämer, H. J.: Arete bei Platon und Aristoteles. Zum Wesen und zur Geschichte der platonischen Ontologie. Heidelberg 1959 (2. Aufl. Amsterdam 1967); Krämer, H. J.: Der Ursprung der Geistmetaphysik. Untersuchungen zur Geschichte des Platonismus zwischen Platon und Plotin. Amsterdam 1964 (2. Aufl. 1967); G. Reale (Reale, G.: Per una nuova interpretazione die Platone. Rilettura della metafisica dei grandi dialoghi alle luce delle `Dottrine non scritte´. Milano 1984). Die Arbeit von Halfwassen: Halfwassen, J.: Der Aufstieg zum Einen. Untersuchungen zu Platon und Plotin, in: Beiträge zur Altertumskunde; 9. Stuttgart 1992, wurde im vorigen besonders hervorgehoben. Denn Halfwassen vertritt neben E. A. Wyller mit seiner fast rigiden henologischen Auffassung Platons (s.o.) eindrucksvoll und in entschiedener Weise eine Deutung des zweiten Hauptteiles des Parmenides, die dem `Plotintyp´ (und zugleich `Krämertyp´) folgt. Bei seiner Interpretation ergeben sich ganz erstaunliche Konvergenzen zum Parmenides -Kommentar des Proklos. J. Halfwassen, der sich im Grundsätzlichen hier an Krämer anschließt (Vgl. z.B. Krämer: Arete bei Platon und Aristoteles [...]: 135. 261) stellt einerseits fest: (Halfwassen: 1992: 275): „[...] der Text selbst läßt sich in jeder dieser Richtungen deuten (!; R.M.), ohne daß jedoch eine von ihnen eine definitive Bestätigung an ihm erführe [...]“, erhebt andererseits aber den Anspruch, das Rätsel des Parmenides durch seine Einbeziehung der innerakademischen Prinzipienlehre Platons zu lösen und zu erweisen, „daß diese Prinzipienlehre von Platon in keinem anderen Dialog so weitgehend enthüllt wird wie im dialektischen Teil des Parmenides “, wobei sie „dabei allerdings insoweit verschlüsselt (bleibt; R.M.), als der Leitfaden zur Entschlüsselung der antinomischen Dialektik der Hypothesen im Dialog selber nicht mitgeteilt wird. [...] Das angemessene Verständnis der Hypothesen über das Eine“ – so Halfwassen – „setzt darum die Kenntnis der ungeschriebenen Lehre Platons voraus, ohne welche jene ein im Letzten nicht auflösbares Rätsel bilden und vielleicht auch bilden sollen. Berücksichtigt man dagegen, daß der Parmenides die Prinzipientheorie als innerakademischen Hintergrund der Dialoge voraussetzt, so erschließt er sich einer fundierten und konkreten – und weder experimentellen noch spekulativen – interpretatorischen Durchdringung; [...] die Zeugnisse der indirekten Überlieferung und Platons eigene Aussagen im prinzipientheoretisch verstandenen zweiten Teil des Parmenides passen zusammen wie Schlüssel und Schloß, sie bestätigen und ergänzen einander wechselseitig.“ (Halfwassen: 1992: 275f.; vgl. e.g. auch 264). Halfwassen, der jedenfalls eine gewichtige Deutung des `Plotintyps´ zu in erster Linie wichtigen Passagen des zweiten Hauptteiles des Parmenides vorlegt, ist, obwohl er die Möglichkeit all dieser Deutungen an sich konzediert, von seiner den Parmenides in problematischer Weise vereindeutigenden `Lösung´ des Parmenides -Rätsels, zu dem er gelangt durch Einbezug der „ungeschriebenen Prinzipientheorie Platons“, so sehr überzeugt, dass er – wie im Übrigen keine der angeführten Parmenides -Interpretationen – nicht die Möglichkeit erwägt, dass die Vielfalt divergierender Deutungstypen – von denen im übrigen jeder je für sich nicht voll befriedigen kann – von Platon beim Verfassen des zweiten Hauptteiles des Parmenides (wie auch bei seinem 1. Teil) bewusst intendiert wurde im Sinne einer bewussten und gezielten Mehrdeutigkeit und absichtlichen Epochetik sokratischer Vorbehaltlichkeit.
[xxxiv] Neben Deutungen dieser beiden Grund-Typen gibt es außer Deutungen des `Plotintyps´ noch metaphysisch-ontologische Deutungen des 2. Parmenides -Teiles im Sinne einer „Lehre vom Seienden oder eine(r; R.M.) ontologische(n; R.M.) Dialektik der reinen Ideen“ (Halfwassen: 1992: 269). S. dazu Halfwassen: 1992: 269 mit Anm. 17 und 270 mit Anm. 18 (Literaturangaben zu Interpreten, die diesem Typ zugeordnet werden können (u.a. E. Zeller, P. Natorp, J. Stenzel, F. M. Cornford, B. Liebrucks, G. Huber). Zur Verunsicherung derartiger Deutungen kann wiederum nützlich sein: Figal, G.: Platons Destruktion der Ontologie. Zum Sinn des Parmenides, in: Antike und Abendland 39 / 1993: 29-47.
[xxxv] S. bes. Parm. 142a. - Auch wenn auf die Untersuchung Halfwassen s hier nicht ausführlich eingegangen werden kann, sei in diesem Zusammenhang doch gesagt: Das `Widerspruchs-Argument´, das Halfwassen gegen die Auslegung der ersten Hypothesis als reductio ad absurdum des absolut Einen anführt (Halfwassen: 1992: 277-279), setzt voraus, dass Platon überhaupt positionell-affirmativ und im dogmatisch-lehrhaften Sinne eine Theorie des Einen (-Guten: Das Eine, das mit dem Guten der Politeia in gewissem Sinne gleichzusetzen ist) vertreten hat. Dies aber ist, weit mehr als die Vertreter der `mündlichen Lehre/n´ Platons glauben, die Frage. Das Argument Halfwassens setzt die Richtigkeit der eigenen Position bereits voraus und ist daher ungeeignet, die Angemessenheit der eigenen Interpretation erst zu begründen. Gegen das `Widerlegungs-Argument´, das Halfwassen anführt (Halfwassen: 1992: 279-281), wiederum können folgende Anfragen eingewendet werden: Wäre ein ironisch-aporetisches Spiel, das positionelle Ansprüchlichkeiten, wie sie innerhalb der Akademie evtl. Speusippos vertreten hat, relativiert oder zu relativieren vorgibt und so eine sokratische `Lerngelegenheit´ im Sinne des Erwerbs oder der Bewährung von sokratischem Problemwissen anbietet, wirklich unplatonisch? Wäre dies wirklich eine absurde Vorstellung? (vgl. Halfwassen: 1992: 280) Müsste dies wirklich „einfach verständnislos“ sein? (vgl. Halfwassen: 1992: ebenda). Wäre nicht sogar eine entsprechende Selbst ironie Platon s geradezu Ausdruck der bei Sokrates-Platon omnipräsenten sokratischen Vorbehaltlichkeit? Könnte nicht eben die Vieldeutigkeit des Parmenides, auch hinsichtlich seines zweiten Hauptteiles, Ausdruck des sokratischen Problemwissens Platons sein und eine letzte sokratische Positional-Epochetik Platon s hinsichtlich seines eigenen einheitsprinzipialistischen Philosophierens signalisieren? Ist es außerdem undenkbar, dass Platon mit dem zweiten Parmenides -Teil zu größerer skeptisch-kritischer Abständigkeit hinführen wollte, auch philosophische Weggefährten wie Speusippos und Aristoteles, die sein einheitsmetaphysisches Philosophieren zu dogmatisch-lehrhaft verstanden und rezipierten? Könnte nicht die Deutungspolyvalenz des Parmenides von Platon als Anstoß für den Leser gedacht sein, selbst im Blick auf einheitsprinzipialistisches Philosophieren (wie auch im Blick auf die Ideenannahme) Problemwissen zu erwerben, und zwar gerade wegen des Changierens zwischen Positionalität und Aporetik als Ausdruck einer spezifischen sokratischen Epochetik Platon s? Ist eine Deutung des Parmenides, die eben im Blick auf die dialektische Übung, die der alte Parmenides exerziert, nicht das Moment skeptisch-kritischer Potenz ins Zentrum stellt, nicht absolet?
Halfwassen hat Recht, dass man Schwierigkeiten hat, die erste Hypothesis einfachhin im Sinne einer Eleatismuswiderlegung anti-eleatisch zu deuten. Doch wird man gerade dem Aspekt, dass der zweite Hauptteil als Ausdruck parmenideisch-zenonischen eleatischen Philosophierens in der Gestaltung Platon s zu deuten ist, anders als Halfwassen dies tut, bei einer gründlichen Interpretation nicht nur nachrangige Bedeutung zuerkennen dürfen. Dafür spricht eindeutig allein schon die literarische Gestaltung dieses Dialoges durch Platon. Die genannten Aspekte ironisch-aporetischen Vorbehaltlichkeits-Spieles gegenüber eigenen `akademischen´ einheitsmetaphysischen (Möglichkeits-) Positionen sind bei einer Parmenides -Interpretation zusammenzudenken mit dem gewichtigen Interpretationsaspekt, die Hypothesen des zweiten Hauptteiles als Ausdruck parmenideisch-zenonischen eleatischen Philosophierens und parmenideisch-zenonischer Dialektik (vgl. Parm. 135d), wie Platon sie gestaltet, zu deuten. Diese von Platon gestaltete Dialektik parmenideisch-zenonischen Typs ist jedenfalls nicht unmittelbar als die sokratisch-platonische Dialektik Platon s anzusehen, auch wenn in der Tradition des `Platonismus´ und in besonders eindrucksvoller Weise im Neuplatonismus seit Plotin in folgenreicher Weise (auch) für das Bildungsdenken (und mit Auswirkungen bis hinein in die wirkungsmächtige Dialektikkonzeption Hegel s (s. dazu bes.: Halfwassen, J.: Hegel und der spätantike Neuplatonismus. Untersuchungen zur Metaphysik des Einen und des Nous in Hegels spekulativer und geschichtlicher Deutung. Bonn 1999), die wiederum selbst wirkmächtig geworden ist) eine Deutung im Sinne der Dialektik Platon s geschehen ist. Es ist daher nicht einfach so, dass die „Prinzipiendialektik des Parmenides [...] vom Dialektikprogramm der Politeia aus in ihrem systematischen Ort genau bestimmt werden“ kann (Halfwassen: 1992: 296). Man wird dem Parmenides in seiner Vieldeutigkeit jedenfalls nicht wirklich gerecht, wenn man ohneweiters glaubt, „daß in ihm die Prinzipienlehre weitgehend enthüllt und dabei zugleich vom Eleatismus – trotz der Anknüpfung an diesen – abgegrenzt wird [...].“ (Halfwassen: 1992: 289). Liest man die genannte Habilitationsschrift Halfwassens unter der Perspektive der vorliegenden Untersuchung zum sokratischen Problemwissen, so kann man manchen Aufschluss darüber erhalten, inwiefern das bei Plotin in seiner streng durchgeführten via negationis im Blick auf die Erkenntnis des Einen gewahrte `restsokratische Momentum´ bei Hegel weiter restringiert wird. Hegel hätte sich mit einer negativen Theologie als äußerster Möglichkeit der Vernunfterkenntnis selbst niemals zufrieden gegeben.
[xxxvi] So auch T. A. Szlezák (Szlezák, T. A.: Platon und Aristoteles in der Nuslehre Plotins. Basel – Stuttgart 1979: 14-51) und J. Halfwassen (Halfwassen: 1992: 183-185). Gegen A. Eon (Eon, A.: La notion plotinienne d’ exégèse, in: Revue internationale de Philosophie 24 / 1970: 252-289, bes. 263f.. 276. 283) und J. M. Rist (Rist, R. M.: Plotinus. The road to reality. Cambridge 1967: 169-287 („The originality of Plotinus“)); zu diesen Angaben vgl. Halfwassen: 1992: 183 Anm 2.
[xxxvii] Vgl. bes. V 1, 8f.; zusammenfassend V 1, 8, 1-14; vgl. II 9, 6, 23-28; zur Bezugnahme speziell auf die `Theorie vom Einen´ in Platon s Parmenides unter Abgrenzung gegen die eleatische Lehre von der All-Einheit: V 1, 8, 23-27; vgl. zu Plotins spezifischer positiv-inhaltlicher Bezugnahme auf den Parmenides e.g. auch die Stellen III 8, 10, 22; V 3, 12, 51.). Bereits in dieser Frühschrift, die von den drei Hypostasen handelt, wird das dogmatisch-lehrhafte Platonverständnis Plotins deutlich, das er, abgesehen von der akademischen Skepsis der mittleren und jüngeren Akademie, mit dem `Platonismus´ teilt, das der essentiellen Relevanz des sokratischen Problemwissens für das Philosophieren Platon s nicht Rechnung trägt. (Vgl. zu den Angaben auch Halfwassen: 1992: 183). Die vorliegende Abhandlung hingegen versucht Platon und `Platonismus´ in diesem entscheidenden Punkt deutlich zu unterscheiden. Sie legt den Akzent nicht auf den Unterschied zwischen `genuin Sokratischem´ und bereits dogmatisch `Platonischem´, sondern auf die Unterscheidung von (immer noch) `sokratisch´ zu verstehendem Platon – nämlich unter Maßgabe der von ihm literarisch gestalteten Sokratesfigur – und `Platonismus´ mit seinem `dogmatischen Platon´. Mutatis mutandis ist dies auch der die kritische Tradition verratende politisch totalitäre Platon Popper s, während der für ein weit gehendes Festhalten am Gedanken grundsätzlicher Fallibilität menschlichen Denkens, Erkennens und Handelns einstehende (und genuine) `sokratische´ Platon für einen möglichst freiheitlichen Denk- und Handlungsraum eintritt.
Im Unterschied zum Dogmatismus der Akademie nach Platon erscheint die Hinwendung zu einer skeptischen Einstellung im 3. und 2. Jahrhundert vor Christus (v.a. in der Person des Arkesilaus (mittlere Akademie) und des Karneades (Beginn der jüngeren Akademie)) als eine spezifische Form der (Wieder-) Aktualisierung und Weiterführung des wirkmächtigen `sokratischen Impulses´, der im Denken Platon s, entgegen der gängigen Auffassung stets die entscheidende Rolle spielt. Augustin versucht diesen Impuls dann in Gestalt der akademischen Skepsis gültig zu überwinden (bes. in seiner Schrift De academicis) und meint zeitlebens, dass ihm dies, soweit möglich, auch gelungen sei.
Die Absage an und Stoßrichtung gegen den Platon in einseitiger, nämlich systematisierend-verkürzender und problemwissensverkennender Weise zugeschriebenen metaphysischen Dogmatismus der akademischen Skepsis realisiert das essentielle Moment des problematischen Vernunftgebrauches bei Platon in spezifischer Weise. Es handelt sich mithin nicht einfach um eine Abkehr vom genuin platonischen Denken innerhalb der Akademie selbst (allerdings sehr wohl um eine Abkehr vom `platonistischen´ Denken, das Platon in einseitiger Weise und entgegen seiner eigenen Intention dogmatisiert). Die skeptische Einstellung der Akademie des 3. und 2. Jh. v. Chr. trägt der Tatsache Rechnung, dass das Ideal absoluter Wahrheit und vollkommenen Wissens bei Platon erkenntnisleitende, regulativ-heuristische Funktion hat. Die akademischen Skeptiker knüpfen also sehr viel mehr an Platon an als (in unserer `platonistisch´ geprägten Tradition) gemeinhin angenommen wird, allerdings ohne dass die dogmatische Spielart der Skepsis, die sie begründen, die sokratisch-platonische wäre. Auch der akademischen Skepsis ist es nicht gelungen, die Eigenart des sokratischen Problemwissens angemessen zu erfassen.
Der (zwar transformierte, aber doch in gewisser Weise) `sokratische Impuls´ wird (beginnend, wie es scheint, mit Antiochus) dann wieder zum Vorteil einer dogmatischen Platonrezeption im Mittel- und Neuplatonismus aufgegeben zugunsten der Annahme der Erreichbarkeit des Ideals prinzipiell erfahrungsunabhängigen, absoluten Wissens und zugunsten falsch verstandener bzw. rezipierter `platonischer´ Positionen und dogmatisch-inhaltlich bestimmter metaphysischer Aussagen. Diese Form des traditionellen `Platonismus´ erliegt dann aufgrund der Fixiertheit an eine Bewusstseinsstufe, die dem dritten Abschnitt des Liniengleichnisses zugeordnet werden kann, der Gefahr, die Erscheinungswelt gegenüber der angenommenen transzendenten Wirklichkeit, deren man, da auf rationale Weise nicht mehr zugänglich, in einer Art mystischer (`quasi-religiöser´) Schau gegenwärtig werden könne, zu entwerten.
[xxxviii] S. bes. V 1, 8, 9f; II 9, 6, 23-28.
[xxxix] S. dazu Halfwassen: 1992, bes. 183-185. Betont wurde diese Zentralstellung Platons für Plotin bereits bei E. Zeller (Zeller, E.: Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung dargestellt, Bd. III 2. Leipzig 4. Aufl. 1903 (Neudr. Hildesheim 1963): 474f.); W. Theiler (Theiler, W.: Plotin und die antike Philosophie, in: Mus. Helv. 1 / 1944: 214; Theiler, W.: Plotin zwischen Plato und Stoa, in: Les Sources de Plotin. Entretiens sur l’Antiquité Classique; 5. Hrsg. v. E. R. Dodds. Vandoeuvres – Genève 1960: 66); H. R. Schwyzer (Schwyzer, H. R.: Art. Plotinos, in: RE Bd. 20.1 / 1951: 441-591, bes.: 547-554, hier vor allem: 550; Schwyzer, H. R.: Plotin und Platons Philebos, in: Revue internationale de philosophie 24 / 1970: 181-193, bes. 192; H. J. Krämer (Krämer, H. J.: Der Ursprung der Geistmetaphysik. Untersuchungen zur Geschichte des Platonismus zwischen Platon und Plotin. Amsterdam 1964 ( 2. Aufl. 1967): 292f.); A. H. Armstrong (Armstrong, A. H.: Plotinus, in: The Cambridge History of Later Greek and Early Medieval Philosophy, Cambridge 1967: 213f.; K. H. Volkmann-Schluck (Volkmann-Schluck, K. H.: Plotin als Interpret der Ontologie Platos, in: Philosophische Abhandlungen; 10. Frankfurt/M. 3. Aufl. 1966: 130-147 („Die platonische Selbstdeutung Plotins“), bes. 135f.; geht anhand der platonischen Selbstauslegung Plotins als methodischem Leitfaden seiner Plotin-Interpretation (s: 1) besonders auf den Zusammenhang ein zwischen der prinzipienmonistisch-derivationstheoretischen Wirklichkeitsauslegung (v.a. Nuslehre Plotins) mit Gedanken, die sich beim späten Platon finden, die er als `Ontologie´ Platons versteht (insbes. Parmenides und Sophistes)); T. A. Szlezák (Szlezák, T. A.: Platon und Aristoteles in der Nuslehre Plotins. Basel – Stuttgart 1979: 18-41, bes. 19f., 31ff., 38ff.). Zu diesen Angaben vgl. auch Halfwassen: 1992: 183 Anm. 3.
Gadamer (Gadamer, H. G.: Der platonische ` Parmenides ´ und seine Nachwirkung, in: ders.: Gesammelte Werke 7: Griechische Philosophie III: Plato im Dialog. Tübingen 1991: 316) stellt zu Plotins Verhältnis zu Platon zutreffend heraus: „[…] können wir mit Bestimmtheit sagen, daß seine Selbstanknüpfung an Plato nicht bedeutet, daß er sich bloß in sekundärer Explikation platonischen Denkens Genüge getan hat. Vielmehr ist Plotin ganz auf seine eigenen Denkerfahrungen gegründet, und wenn er auf Plato zurückweist, dient ihm das mehr der Bestätigung seiner eigenen Gedanken, als daß es deren Ausgangspunkt darstellte. Obendrein ist klar, daß er auch dann noch mit seinen eigenen Fragen an Plato herantritt, wenn er sich auf ihn ausdrücklich bezieht. Nicht selten zieht er dabei als Bestätigung heran, was wir nicht als eine solche anerkennen können. Weder das berühmte epekeina [im Original gr.!; R. M.] der Politeia noch die mythische Redeweise, die sich im Phaidros und vor allem im Timaios findet, und dort insbesondere die Verlegung der Ideen in den nus [im Original gr.!; R. M.] (für die er sich auf Tim. 39e7 beruft!), lassen in unseren Augen Plato zum Zeugen der plotinischen Lehre werden.“
Die vorliegende Abhandlung, die den für Platon überragenden Aspekt des sokratischen Problemwissens akzentuiert, kann das, was Gadamer positiv anfügt, allerdings nicht uneingeschränkt unterstreichen: „Nun ist meine These: Trotzdem ist die plotinische Selbstanknüpfung an Plato nicht einfach gezwungen – sie reicht weit über jede ausdrückliche Bezugnahme hinaus und läßt Plato selbst, freilich in einem neuen Lichte und unter veränderten, in neue Richtungen ausgezogenen Bezügen, sichtbar werden.“ (Gadamer, H. G.: Der platonische Parmenides und seine Nachwirkung, in: ders.: Gesammelte Werke 7: Griechische Philosophie III: Plato im Dialog. Tübingen 1991: 316f..) Zwar sind es „doch echte platonische Impulse, die bei Plotin ihre Fortentwicklung finden“ (Gadamer: 326), doch geht dadurch, dass Plotin das Philosophieren Platon s, insbesondere auch in den von sokratischer Vorbehaltlichkeit getragenen mythisch-erzählenden Passagen, als dogmatisch-lehrhafte Philosophie nimmt, der für das Philosophieren Platon s ganz essentielle sokratische Impuls – zum Schaden auch der philosophischen `Sache´ Plotins – weitest gehend verloren. Zur Bewertung dieses `platonischen´ Selbstverständnisses Plotins unter dem Aspekt sokratischen Problemwissens als (wenigstens) teilweise inadäquat s. die nachfolgende Plotinkritik.
Zu Plotins platonischem Selbstverständnis stellt Siegmann differenzierend fest: „Plotins Philosophieren vollzieht sich […] durchgängig als eine Interpretation Platons. Das Sachproblem erscheint immer auch als ein Problem der Interpretation der platonischen Überlieferung. […] Daß Plotin „Interpret der Ontologie Platons“ (Volkmann-Schluck) ist, bedeutet […] nicht, daß es ihm um eine literarische Platonexegese geht, und erst recht nicht, daß es Plotin um die dogmatische Selbstbehauptung der platonischen Lehrmeinung bzw. um autoritative Bekräftigung seiner eigenen Gedanken geht. Plotin wendet sich einzig deshalb an die Philosophie Platons, weil das in ihr Gedachte ihn angeht als eine überlieferte Möglichkeit der Welt- und Selbstauslegung, die sein Fragen nicht mehr loslässt. Deshalb drängt Plotin so entschieden auf wenige problematische Hauptstücke des platonischen Denkens, und deshalb sucht er, ohne Rücksicht auf ihre literarische Einordnung, ihren sachlichen Zusammenhang. Deshalb geht er über das von Platon Gesagte hinaus, deshalb zieht er, wo es ihm für das Problem angemessen erscheint, unvermittelt auch Fragestellungen und Argumente aus der nicht-akademischen Tradition heran (vorzüglich Gedanken des Aristoteles).“ (Siegmann, G.: Plotins Philosophie des Guten. Eine Interpretation von Enneade VI 7 (Epistemata, Würzburger wissenschaftliche Schriften. Reihe Philosophie Bd. 82). Würzburg 1990: 30.)
[xl] Vgl. bes. V 1, 6, 19-22.
[xli] S. z.B. IV 8, 5, 33; IV 8, 6, 5 ; vgl. auch V 2, 1, 27; vgl. in diesem Zusammenhang terminologisch ferner auch II 3, 7, 23-26; IV 18, 4, 29; V 2, 1, 20; V 2, 1, 26; V 2, 2, 1; V 3, 7, 32; V 3, 10, 19; V 3, 10, 21; V 3, 12, 15; vergleichbar öfter. Die prohodos der Seinshypostasen als derivative Entfaltungsstufen aus dem jenseitigen reinen Einen und auseinander stellt das Grundproblem des plotinischen `Systems´ bzw. (besser) systematisch orientierten Philosophierens dar (Plotin bietet in seinen Schriften nicht selbst in direkter Weise ein philosophisches System dar, dieses steht aber allenthalben im Hintergrund). Plotin knüpft damit inhaltlich an wohl bereits altinnerakademische Problemstellungen an. Generell gesprochen geht es Plotin darum, das Problem des Verhältnisses von Einheit und Vielheit der Erfahrungswirklichkeit zu lösen. (s.o.). Die prohodos ist nicht zeitlich zu verstehen (s. e.g. V 1, 6, 19f.). Sie hat immer schon stattgefunden (s. e.g. III 2, 2, 18; III 2, 4, 18; III 2, 13, 25).
[xlii] Vgl. e.g. V 3, 15, 11-18; vgl. auch V 4 Überschrift und V 4, 1, 23. Mit der Erklärung der Gesamtwirklichkeit aus dem absoluten Einen unternimmt Plotin einen philosophischen Versuch, den, von transzendentalphilosophisch-subjektivitätstheoretischen Ausgangsvoraussetzungen aus, auf besonders eindrückliche und gewagte Weise zuletzt Fichte, Schelling und Hegel unternommen haben.
[xliii] Vgl. e.g. III 8, 10, 22; V 1, 7, 20; V 3, 12, 51; V 4, 1, 8. 12; V 5, 4, 2. 6f.; VI 2, 9, 6. Vom Einen kann stricto sensu sogar nicht einmal als `Eines´ gesprochen werden, sondern es ist unsagbar: vgl. V 4, 1, 8f.; V 5, 6, 28-30; VI 9, 5, 30-33; VI 9, 6, 13-15; s. auch V 3, 13, 1-5; V 3, 12, 50-52; V 3, 15, 15-17; V 5, 4, 6-9; V 5, 6, 24-26; s. u.a. auch II 9, 1, 5-12; V 3, 13, 1-5; V 3, 14, 1-8; V 4, 1, 8f.; V 5, 6, 11-13; VI 7, 38, 1-9; VI 8, 8, 3-8; VI 9, 4, 11-13.
[xliv] Vgl. e.g.: III 8, 10, 14-19; vgl. ferner III 8, 9, 39-54; III 8, 10, 26-31; V 2, 1, 1-9; V 3, 11, 16-30; V 4, 1, 5-15; V 4, 2, 37-43; V 5, 6, 6-10; V 5, 12, 47-50. Das absolute Eine ist von allem völlig unterschieden; s. V 3, 10, 50.
[xlv] Vgl. e.g. II 9, 1, 7f.; III 8, 10, 74f.; V 3, 13, 1-6; V 5, 5, 27; V 5, 6, 6-13; V 5, 6, 23-25; VI 9, 5, 38-41; vgl. z.B. auch VI 2, 17, 4f.; VI 7, 38, 3f.; VI 9, 3, 53; VI 9, 4, 11-16. Im Zusammenhang der Unsagbarkeit des Einen s. das Problem der Mitteilbarkeit der mystisch-henotischen Erfahrung: e.g.: V 5, 10, 7-10; VI 9, 10, 1-11. Vgl. in diesem Zusammenhang Schroeder, F. M.: Form and Transformation. A Study in the Philosophy of Plotinus, Montreal 1992: 66-71. In Differenz zu Augustin ist das Eine für Plotin höchstens erfahrbar, keinesfalls aber denkbar und sagbar. Die henotische Erfahrung ist als Einswerdung gerade sprachlich unbeschreibbar, nicht mitteilbar und nicht ausdrückbar. Die Rede vom streng Einen und von der auf es bezogenen Erfahrung ist aus der Perspektive Plotins dennoch sinnvoll, weil sie nicht als Aussageform gegenständlich-bestimmenden Urteilens zu verstehen ist. Es geht in ihr nicht um gegenständliches Erkennen und Bestimmen, sondern um eine Erfahrungserkenntnis, in der auch noch die Zweiheit von Erkennendem und Erkanntem wie auch die von Erkenntnis und Erkenntnisgegenstand überwunden ist, indem die Einung mit dem göttlichen Einen vollzogen wird. Zu ihr will die Rede vom Einen ohne jede Andersheit hinführen, indem es auf sie verweist.
[xlvi] Vgl. z.B. I 7, 1, 19f.; ; III 8, 9, 50-54; V 1, 6, 13; V 3, 13, 2; V 4, 2, 39f.; V 3, 13, 2f.; V 5, 13, 33-35; vgl. auch III 8, 9, 44-54.; III, 8, 10, 26-32; III 9, 4, 7; V 1, 6, 13; V 1, 7, 18-22; V 2, 1, 1-9; V 3, 11, 16-25; V 3, 12, 50 – 13, 5 (bes. u.a. V 3, 13, 2); V 4, 1, 5f.; V 4, 2, 41-42; V 5, 6, 8 – 13; V 5, 12, 48; V 5, 13, 19-36; VI 7, 32, 5-14; VI 7, 32, 29; VI 7, 37, 30; VI 7, 42, 12; VI 8, 9, 43-45; VI 8, 21, 24-34; VI 9, 3, 37-40; VI 9, 6, 55 – 7, 1; VI 9, 11, 35 u.ö.; als einfachhin Eines ist das Eine jenseits von allem, vgl. e.g. auch: III 9, 4, 7; V 1, 6, 12f.; V 1, 7, 20; V 2, 1, 3 – 5; V 3, 4, 1 – 7; V 3, 11, 19 – 30; V 3, 12, 47 – 13, 6 (bes. V 3, 12, 47 – 52; V 3, 13, 2 – 5); V 3, 15, 15 – 18; V 4, 1, 5-10; V 5, 10, 3; V 5, 13, 33 – 36; V 6, 3, 1 – 4.16f.; V 6, 4, 7-10; VI 2, 9, 5 – 8; VI 7, 37, 29 – 31; VI 8, 14, 42; VI 8, 21, 29 – 33; VI 9, 3, 30 – 33. Das absolute Eine ist nichts von allem, da schlechthin jenseits von allem: Vgl. e.g.: III 8, 9, 40f. ; III 8, 9, 53f.; III 8, 10, 27; V 1, 6, 13; V 2,1, 1 – 6; V 3, 11, 18 – 25; V 3, 13, 2; V 4, 2, 38 – 43; V 5, 12, 48 – 50; V 5, 13, 19 – 21; V 5, 13, 35f.; VI 8, 21, 24 – 26; VI 9, 2, 44 – 47; VI 9, 11, 35. Alles ist von ihm wegzutun: z.B.: V 3, 17, 38; VI 8, 21, 25f.. Da es Prinzip von allem ist, ist es dennoch nicht bloß nichtiges Nichts (s.u.). Die schlechthinnige Einheit übersteigt jedwede Immanenz und Bezugshaftigkeit. Vgl. auch: III 8, 9, 53f.; V 1, 7, 18 f.; V 3, 11, 19-25; V 4, 2, 40f.; V 5, 13, 28; VI 7, 32, 12f.; VI 8, 21, 24ff.; VI 9, 3, 39f.; VI 9, 6, 55; VI 9, 11, 35.
[xlvii] V 4, 1, 1-15 (s. ganz bes. 10); V 5, 6, 5-13; V 5, 11, 10f.; VI 8, 16, 34; vgl. dazu Platon, Resp. 509b. – Die Seinstranszendenz des reinen Einen wird, so legt jedenfalls die Quellenlage nahe, im Platonismus vor Plotin wohl nur bei Speusippos mit ähnlicher Konsequenz vertreten wie bei Plotin; V 5, 6, 1-14 (ganz bes. 11) u. ö.; vgl. auch III, 8, 10, 30f.; VI 8, 8, 14; VI 8, 8, 20; VI 8, 14, 42; die Aussage der Seinstranszendenz des schlechterdings Einen selbst ist nicht als das Eine bestimmende Aussage zu verstehen, sondern soll seine Transzendenz über jede Bestimmung aufweisen, vgl. dazu V 3, 13, 1-5; V 5, 6, 11-13; V 5, 6, 26. Wittaker, J.: `Epekeina nou kai ousias´, in: Vigiliae Christianae 23 / 1969: 91-104.
[xlviii] Vgl. z.B. I 7, 1, 19f.; III 8, 9, 9f.; III 8, 11; III 9, 9 (bes. III 9, 9, 10-15.); V 3, 10; V 3, 12, 47 – 13, 6 (bes. V 3, 12, 47f.; V 3, 13, 1); V 3, 14, 2f.; V 3, 13 (bes. V 3, 13, 36); V 4, 2, 44; V 5, 6, 17-20; V 6, 2-6 (bes. V 6, 5, 1-5; V 6, 6, 2-6; V 6, 6, 30-32); VI 7, 37-41 (bes. VI 7, 37, 5-31; VI 7, 38, 1-25; VI 7, 39, 1-5; VI 7, 39, 20-34; VI 7, 40, 24-29; VI 7, 41, 9-14; VI 7, 41, 25-37); VI 8, 12, 28-37; VI 8, 16, 34; VI 9, 6, 42-52. Zur Unerkennbarkeit des Einen selbst für den Geist s. bes. auch: III 8, 8, 30-34; V 1, 7, 1-26; VI 7, 15, 13-22; VI 7, 17, 1-27. Der Geist scheitert beim Versuch, das Eine zu erkennen, und seine Erkenntnisart ist nach Plotin gerade das Resultat dieses Scheiterns. Dem Einen kommen nicht die `Kategorien´ der intelligiblen Welt zu wie Sein, Identität, Differenz, Bewegung und Stillstand: s. bes. V 5, 10; VI 9, 6. Zu den `Kategorien´ des intelligiblen Bereichs in Anlehnung an den Sophistes Platon s s. bes. V 1, 4, 30-43; s. für den größeren Zusammenhang VI 1-3. In seiner Noologie knüpft Plotin an die Ausarbeitung der megista gene an durch den Fremden aus Elea im Sophistes bzw. an die Tradition dieser `Lehre´ Platon s im Vorneuplatonismus und entwickelt sie weiter. S. zu diesem Aspekt ausführlicher Volkmann-Schluck, K.-H.: Plotin als Interpret der Ontologie Platos [...], bes.: 112-118. Zum Zusammenhang des `platonischen´ Kategoriensets (fünf megista gene aus (v.a.) Platon s Sophistes), das für Plotin im Wesentlichen dasjenige der intelligiblen Welt ist, und des `aristotelischen´, das für Plotin aufs Ganze gesehen das der sensiblen Welt ist, bei Plotin im Kontext eines Derivationsdenkens: Horn, C.: Plotin über Sein, Zahl und Einheit. Eine Studie zu den systematischen Grundlagen der Enneaden. Stuttgart – Leipzig 1995. – Den Transformationsprozess der Idee bei Platon in der neuplatonischen Lehre vom nus versucht darzulegen: Nebel, G.: Plotins Kategorien der intelligiblen Welt, Tübingen 2. Aufl. 1929.
[xlix] Vgl. hierzu bes. Huber, G.: Das Sein und das Absolute. Studien zur Geschichte der ontologischen Problematik in der spätantiken Philosophie. Basel 1955: 58f..
[l] Um diesen Sachverhalt sprachlich wenigstens zu indizieren, könnte man auch vom `Über-Einen´ sprechen.
[li] Plotin geht vom Postulat des absoluten Vorranges des Einen vor jeglicher Vielheit aus, womit er, wie es scheint, an innerakademische Überlegungen anknüpft.
[lii] Vgl. VI 9, 1, 4-8; vgl. auch V 3, 15, 14f..
[liii] Vgl. VI 9, 1, 1; vgl. ferner V 3, 12, 9f.; V 3, 15, 11f..
[liv] Zur absoluten Einfachheit des als Urgrund die Seinstotalität begründenden Einen s. e.g. II 9, 1, 8; III 8, 9, 17; III 8, 10, 33; V 3, 11, 27; V 3, 13, 34; V 3, 16, 16; V 9, 14, 3.
[lv] Zu Plotins Philosophie der Transzendenz und des Transzendierens s. außer Halfwassen auch im Zusammenhang einer allgemeineren Auseinandersetzung mit dem Thema der Transzendenz: Struve, W.: Philosophie und Transzendenz. Eine propädeutische Vorlesung. Freiburg – Breisgau 1969.
[lvi] Vgl. VI 9, 11, 35.
[lvii] anagoge eis hen, III 8, 10, 20; V 5, 4, 2.
[lviii] VI 9, 3, 14.
[lix] So bereits Zeller, E.: Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung dargestellt, Bd. III 2. Leipzig 4. Aufl. 1903 (Neudr. Hildesheim 1963): 469ff., 531ff..
[lx] S. zur aphairesis und zur Wegnahme bzw. Ablegung aller Andersheit als Übung des Geistes im Sinne einer Vorbedingung der henosis mit dem Geist bzw. dem Sein als Erlangung gewissermaßen als Erlangung absoluter Selbsterkenntnis und dann, darüber hinaus und in ihrer `radikalsten´ Form (aphele panta: s. e.g. I 6, 8, 24f.; V 3, 17, 38; V 5, 13, 97f.; VI 8, 21, 26; vgl. zur aphairesis auch z.B.: V 8, 4, 1-6; V 8, 9, 1-7; VI 4, 4, 39-41; VI 5, 12, 22-27; VI 9, 11, 11f. und VI 9, 7, 12-16; vgl. auch VI 9, 11, 23), auch noch mit dem Einen selbst als der unterschiedslosen und relationslosen Ausschließung von Vielheit: V 8, 9, 1-14; V 8, 11; VI 5, 7, 9-17; VI 5, 12, 7-27; zur Zurückführung des sinnenhaft Vielen auf das gänzlich Eine s. V 3, 12, 9-14; V 3, 15, 11-15; V 3, 16, 12-14; V 3, 17, 6-15; V 6, 3, 1-25; V 6, 4, 6-13. Vgl. Beierwaltes, W.: Selbsterkenntnis und Erfahrung der Einheit. Plotins Enneade V 3. Frankfurt/M. 1991: 165ff. 250-253 und Beierwaltes, W.: Denken des Einen. Studien zur neuplatonischen Philosophie und ihrer Wirkungsgeschichte. Frankfurt/M. 1985: 130f.; Kobusch, T.: Metaphysik als Einswerdung. Zu Plotins Begründung einer neuen Metaphysik, in: L. Honnefelder/W. Schüßler (Hrsg.): Transzendenz. Zu einem Grundwort der klassischen Metaphysik. Paderborn 1992: 93-114. Die aphairesis erscheint als Methode fortschreitender und konsequenter Entdifferenzierung. In Differenz zur negativen Theologie (s. zu diesem Verfahren z.B. III 8, 10, 28-35; III 8, 11, 8-16; VI 9, 3, 36-54; VI 9, 6) meint die aphairesis als geistiger Vollzug vor allem das existentiell-personale Moment, das am Ende zum existentiellen Erfahren der henosis, die das wahre Glück des Menschen ist, führt bzw. führen kann, während die negative Theologie bzw. das negativ-theologische Verfahren auf philosophisch-rationale Weise einen `Begriff´ des Einen erreichen bzw. vermitteln will. Zum Problem von Gegenwärtigkeit und Transzendenz des Einen und dazu, wie das gegenwärtige Eine, das doch transzendent ist, durch Einswerdung mit ihm, nämlich durch Vereinfachung des Selbst bis hin zur absoluten Einfachheit, erkannt werden kann (im rational-mystischen Sinne): VI 9, 7-11. Für den Erkennenden geht es dabei darum, sich aufstiegsweise zunächst des `oben´ im Geist verbliebenen Seelenteiles bewusst zu werden: vgl. V 1, 10, 22-24; V 1, 12. Der Erkenntnisaufstieg der Seele bei Plotin verläuft vom Sinnenfälligen, von dem es sich abzuwenden gilt, über die Seele und den nus zum Einen. Zum Aufstiegsweg bei Plotin, der eine Wendung nach innen voraussetzt, um dann vom Rückstieg ins eigene Innere zum inneren Überstieg zu gelangen: VI 9, 1, 1-VI 9, 3, 54; dieser Aufstiegsweg ist stets ein Weg ins Innere des Menschen: vgl. z.B. VI 9, 2, 35f.; VI 9, 3, 20f.. Die Wendung nach innen (eis to eiso) und das Schließen der Augen (myein!) für die Realisierung eines anderen als des gewöhnlichen Sehens sind die Voraussetzung dafür, den Aufstieg zum Göttlichen vollziehen zu können, um schließlich der Möglichkeit nach mit ihm vereinigt zu werden. Zur Wendung nach innen, zur Einung mit dem Göttlichen und zum anschließenden Abstieg s. bes. VI 8, 1, 1-11. Zum Herausfallen der Seele aus der henosis und ihrem Abstieg s. e.g. IV 8. Zum Abstieg der Seele s. e.g. auch IV 3, 10. Wenn Plotin von einer Verpflichtung auszugehen scheint, den anderen vom Erlebnis der Schau zu berichten, damit sie selbst zum Aufsteigen bewegt werden, knüpft er an ein Motiv an, das sich v.a. in Platon s Politeia findet, s. VI 9, 7, 21; vgl. ferner auch IV 7, 13. Nicht zuletzt hieraus scheint das Bemühen Plotins zu resultieren, das, was eigentlich unsagbar ist, zu sagen und mitzuteilen. Obwohl das Eine als `Geschautes´ wie auch die henotisch zu verstehende Schau selbst nicht mitteilbar sind, soll durch das widersprüchliche Unterfangen des Redens hierüber und über das, was damit in Zusammenhang steht, dazu angeregt werden, selbst, als Adressat der Mitteilungen, den inneren Auf- und Überstieg zu vollziehen, so weit es an einem selbst liegt, und so die Bedingungen dafür zu erfüllen, die Erfahrung der henosis im Glücksfalle selbst zu machen.
Strenggenommen lässt sich von diesem Wesentlichen weder reden noch lässt sich von ihm schreiben, wie Plotin an Platon s VII. Brief anklingend, formuliert. Redet bzw. schreibt er davon, so will er lediglich zu ihm hinleiten, aus den Begriffen (logoi) zum Schauen erwecken und sozusagen dem, der etwas schauen will, den Weg weisen. Denn die Belehrung reicht nur bis zum Weg bzw. zum Aufbruch, die Schau dagegen ist das Werk dessen, der den Willen hat zu sehen; s. VI 9, 4, 12-16.
Plotin drängt es dazu, anderen von dem, was er selbst als und in der henotischen `Schau´ erfahren hat und was ihm selbst unmittelbare innere Gewissheit ist, Mitteilung zu machen. – Das Eine selbst ist in uns selber anzutreffen: vgl. e.g. V 1, 10, 5f.; V 1, 11, 6f.; VI 9, 3, 20f..
Zur Einung der Seele mit dem Geist bzw. dem Einen und zur Frage der Erhaltung der Individualität der Seele: III 8, 6, 25; IV 3, 5, 3-6; V 1, 5, 3; V 3 passim; V 8 passim; VI 7, 35, 4f.; VI 9, 10, 15; VI 9, 11, 38f.. Diese Stellen deuten insgesamt darauf hin, dass die Seele bei der Einswerdung, sei es nun mit dem Geist oder mit dem gänzlich Einen, nicht in ihrer Individualität ausgelöscht wird in dem Sinne, dass sie in ihnen völlig aufgeht, nichtig wird. Es ist hier darauf zu achten, dass das von Plotin oft verwendete Wort hoion hier auch distanzierend-restringierende Funktion hat (s. e.g. III 8, 6, 25; V 1, 5, 3; VI 7, 35, 4f.; VI 9, 10, 15; vgl. Plotin. Seele-Geist-Eines. Enneade IV 8, V 4, V 1, V 6 und V 3. Hrsg. von K. Kremer. Hamburg 1990: XXII (Einleitung Kremers)). – Zum metaphysischen Aufstieg als Weg des Menschen zu Gott und als Bewegung philosophisch-rationalen Denkens: s. e.g. III 8, 10, 34f.; III 8, 11, 19-38; V 3, 14, 1-14; V 3, 17, 1-7; VI 7, 36, 4-8; VI 8, 11, 7f.; VI 9, 5, 31-35. Der Weg zur Erkenntnis des Urgrundes alles Wirklichen ist dabei ein Weg der Wendung nach innen: s. e.g.: V 1, 10, 1-31; V 8, 11, 8f.; VI 5, 7, 11f. et passim.
[lxi] exaiphnes, vgl. dazu V 3, 17, 29(-32); V 5, 7, 34; VI 7, 34, 13; VI 7, 36, 19; vgl. V 5, 3, 13; bei Plotin stehen hier im Hintergrund bes. Platon Symp. 210e und VII. Brief 341c, aber auch Parm. 156df.; Resp. 515c; Resp. 516a; Resp. 5126e.
[lxii] Vgl. z.B.: V 1, 11, 13; V 3, 10, 42; V 3, 10, 44; V 3, 17, 25f.; V 3, 17, 34; V 6, 6, 35; VI 5, 10, 27f.; VI 5, 10, 41; VI 7, 30, 3; VI 7, 36, 4; VI 8, 21, 29; VI 9, 4, 27; VI 9, 7, 4; VI 9, 9, 19; VI 9, 9, 55 et passim.
[lxiii] Dieser folgt dem Leitgedanken, dass das, was Ursprung von jedwedem ist, einfacher ist als dieses (= das Prinzipiierte) selbst; s. V 3, 16, 7f. (bes. he arche hekaston haplustera e auta); zum Prinzip und Vorgehen des henologisch-reduktiven Aufstieges s. auch bes. III 8, 10, 14-32.; vgl. auch III 8, 9, 42f.. Jedwede Vielheit wird auf das transzendente einfachhin Eine zurückgeführt.
[lxiv] Selbst das Denken des Geistes bzw. der Vernunft ist nicht imstande, das von ihm als Erkenntnis erstrebte Eine zu erreichen: vgl. V 3, 13, 36; V 6, 5, 5-11; VI 7, 35, 44f.; VI 9, 6, 42-54; VI 9, 11, 11f..
[lxv] Wegen seiner absoluten Einfachheit kann das erste Eine vom geistigen Erkennen nicht erreicht, sondern nur verfehlt werden: s. z.B. III 8, 9, 29-32; VI 7, 38, 10-25. Es gibt so nur die Möglichkeit, sich ihm auf negativ-theologische Weise anzunähern. Plotin ist der Meinung, sich hierfür auf die erste Hypothese des Parmenides -Dialoges Platon s berufen zu können (vgl. z.B. V 1, 8, 23-27). Hier wird die Hypothese „dass Eines ist“ in einer Weise durchgeführt, dass dem Einen alle möglichen Prädikate, ja sogar schließlich auch das Sein abgesprochen werden (Parm. 137c-142a). Die zweite Hypothese „dass Eines ist “ beschreibt für Plotin die Totalität des Seins.
[lxvi] S. V 5, 6, 9-13; s. auch III 8, 10, 29-31.
[lxvii] Zur absoluten Jenseitigkeit bzw. Transzendenz des Einen, das Plotin geradezu als „das Jenseitige“ (to epekeina) bezeichnen kann (s. I, 6, 9, 41; V 1, 8, 7; V 3, 11, 1; V 3, 13, 2; vgl. ferner auch die Überschriften von V 3 und V 6; s. e.g.: III 8, 9, 50-54; III 9, 4, 7; V 1, 6, 12f.; V 3, 10, 50; V 3, 11, 18-25; V 4, 1, 5-7.; V 4, 2, 40f.; V 5, 10, 3; V 5, 13, 33-35; V 6, 3, 4. 16f.; VI 7, 37, 30; VI 7, 42, 12; VI 9, 11, 35..
[lxviii] Zur Entstehung des nus s. bes. V 1, 6, 16-19; V 1, 7, 5f.; V 3, 11, 1-16. Zur Vielheit des nus s. e.g. V 4, 2, 10f.; V 6, 2-7. Zum nus als Inbegriff der Ideen: V 1, 7, 28-35; V 4, 2, 44-48; VI 9, 2, 26f.; s. auch V 5 und V 9, 8, 16f.. (Zur Frage, inwiefern die Ideen und das Seiende ein Erzeugnis des Einen sind: e.g. V 3, 12; VI 2, 8.) Zum nus als der allumgreifenden Einheit von Sein (=Inbegriff all dessen, was wahrhaft seiend ist und alle Ideen als lebendige Einheit gegliedert umfasst) und Denken s. I 8, 2, 16; III 8, 8, 42; III 8, 9, 32ff.; V 1, 4, 21; V 4, 2, 39; V 9, 6, 1; V 9, 8, 22; V 9, 9, 15f.; VI 4, 5, 8f.; VI 2, 18, 13f. u.ö.. Zur Verbindung von Denken, Leben und Sein im nus: e.g. V 8, 4, 31-37. Zum Zusammenfall von wahrem Sein und eigentlichem Denken im nus: V 1, 4, 26-33; V 3, 11, 14; V 3, 13, 22-34; V 4, 2, 43f.; V 6, 6, 18-23. Zur im nus gegebenen Identität von Denken und Sein s. bes.: Volkmann-Schluck, K. H.: Plotin als Interpret [...]: 39 ff.; sowie Beierwaltes, W.: Denken des Einen. Studien zur neuplatonischen Philosophie und ihrer Wirkungsgeschichte. Frankfurt/M. 1985: 43ff., 55ff. Vgl. zum nus auch: Beierwaltes, W.: Identität und Differenz, in: Philosophische Abhandlungen; 49. Frankfurt/M. 1980: 28ff.. Zu genaueren Bestimmungen des nus bei Plotin s. bes. I 8, 2, 15-19; III 8, 8, 40-48; VI 2, 21, 3-11; VI 7, 14, 11ff.. Zur Selbsterkenntnis des nus: V 1, 4, 8f.; V 3, 5-13; V 4, 2, 10-14; V 6. Zur Differenz des ersten Einen von Geist, Seele und Sein bes.: VI 9: 1f.. Zum Blicken auf das Eine als Wesen des nus: e.g. V 3, 10, 7. Zur Rückwendung des nus zum hen als seinem Ursprung s. e.g. VI 9, 2, 35. Zur Nusauffassung Plotins s. bes. Szlezák, T. A.: Platon und Aristoteles in der Nuslehre Plotins. Basel – Stuttgart 1979, bes.: 120ff.; Halfwassen: 1992, bes. 130-149; 157-182; Armstrong, A. H.: The Architecture of the Intelligible Universe in the Philosophy of Plotinus. Cambridge 1940. Zum Verhältnis des Einen zum nus: Bussanich, J.: The One and its Relation to Intellect in Plotinus. A commentary on selected texts. Leiden 1988.
[lxix] Plotin greift in seiner Konzeption des nus einschlägige Platon stellen, die er in seinem Sinne interpretiert (s. insbes. Soph. 248eff.; 253df., 254d-257c und Parm 142ef., 144e-145c, 157c-158d sowie Tim 30cff.), sowie platonisch-innerakademische Koinonia- und Dihairesisreflexionen (s. u.a. VI 2, 20-22 und VI 7, 14, 11-22) auf. Er bezieht sich also nicht nur auf Nus-Reflexionen des Aristoteles. S. zum Verhältnis von Intellekt und Einem e.g. Halfwassen: 1992, und Bussanich, J.: The One and its Relation to Intellect in Plotinus, in: Philosophia antiqua; 49. München 1990.
[lxx] Eindrücklich zur Absolutheit und vollkommenen Unabhängigkeit ([...] autarkestaton [...] hapanton [...]; V 4, 1, 12f.) des originären, vielheitslos-einfachen Einen, von dem, als jenseits des Seins (vgl. e.g. V 3, 17, 13f.; s. e.g. auch VI 2, 17; VI 8, 8 (dem hen kommt kein Sein zu)), es keine Aussage und keine Erkenntnis gibt, da es als schlechthin Einfaches enthoben ist jedweder Vielheit auch bloß im Denken, und das als transzendentes Eines, obzwar unvermischt mit dem von ihm Prinzipiierten, doch auch die Fähigkeit besitzt, diesem trotz seiner Unbezüglichkeit als transzendentes, unbestimmtes, strukturloses und einfachhin Eines zuzukommen ohne seine Jenseitigkeit aufzugeben (vgl. z.B. V 5, 9, 22f.): V 4, 1-15. Ohne Verlust seiner Jenseitigkeit vermag es für das Viele, das von ihm selbst strikt unterschieden ist, grundgebend anwesend zu sein (tois allois pareinai dynamenon; V 4, 1, 7f.) Zur Bedeutung der schlechthinnigen Einfachheit des Einen als Enthobenheit von jeglichem Vielheitlichem: V 4, 1, 11.
[lxxi] E.g. V 3, 14, 7f.; VI 9, 5, 24-34; vgl. auch V 3, 14, 1f..
[lxxii] Die negativen Aussagen über das urgründige Eine sind zu verstehen als Negation aller Attribute, die mit der schlechthinnigen Einfachheit und absoluten Transzendenz nicht vereinbar sind. Aus diesem Grunde bedeutet die Negation eines bestimmten Prädikates nicht, dass dem Einen das gegenteilige Prädikat zugesprochen würde, sondern dass man über diesen Gegensatz noch hinausgehen muss auf eine Erkenntnisstufe, bei dem dieser als unerheblich überwunden ist, weil erkannt ist, dass dem Einen weder das eine Prädikat noch dessen Gegenteil zuzusprechen ist.
[lxxiii] Zu Plotins Verständnis von Dialektik s. e.g. I 3, 4.
[lxxiv] S. z.B. III 8, 9, 53f.; V 1, 6, 13; V 3, 13, 2; V 4, 2, 39f. S. auch oben.
[lxxv] Vgl. z.B. V 3, 17, 38; III 8, 10, 28-31; VI 8, 21, 26; VI 9, 4, 52f.; vgl. zur Unattribuierbarkeit einzelner Bestimmungen u.a.: I 7, 1, 19f.; III 8, 9, 53f.; III 8, 10, 28-31; III 8, 11, 14; III 9, 9, 12f.; V 1, 6, 13; V 3, 12, 48; V 3, 13, 2; V 4, 1, 8f.; V 4, 2, 39f.; V 6, 5, 4f.; VI 8, 8, 14; VI 8, 8, 20; VI 8, 10, 37; VI 9, 2, 45-47. Diese negative Dialektik (s. bes.: III 8, 10, 14-32) wird für die christlichen, vom Neuplatonismus stark beeinflussten Autoren zum Anknüpfungspunkt `negativer Theologie´.
[lxxvi] Dieser ist eine zum Urgrund strebende anagogisch-dialektische Bewegung.
[lxxvii] Dieser Versuch, sich selbst zu `hintersteigen´, stellt die äußerste Möglichkeit des Denkens dar.
[lxxviii] Zum Denken als Zweiheit und Einheit in der Zweiheit in der Selbstreflexion: e.g. III 8, 9, 5-11; V 3, 5, 21-48; V 3, 13, 9f.; V 5,1f.; V 6, 1, 5-13; V6, 1, 23; V 6, 6, 10-29; V 9, 5, 6-10; vgl. z.B. Kremer (Kremer, K.: Plotin. Seele – Geist – Eines. Enneade IV 8, V 4, V 1, V 6 und V 3. Einleitung, Bemerkungen zu Text und Übersetzung und bibliographische Hinweise. Hamburg 1990: 163): „Das Denkobjekt von Vernunft bzw. Geist (Nus) ist […] nichts anderes als die Vernunft bzw. der Geist selber, mit den darin sich befindenden geistigen Formen, den Ideen oder Urbildern der sinnlichen Dinge. Fallen daher beim Geist Denksubjekt und Denkobjekt der Sache nach in eins, so bleibt dennoch festzuhalten: Als Denkender ist der Geist nicht das Gedachte, und als gedachter ist der Geist nicht Denkender. Trotz der sachlichen Identität bleibt eine Unterscheidung, ja eine gewisse Entzweiung im Geist bestehen.“ Der nus Plotins hat große Ähnlichkeit mit dem aristotelischen unbewegten Beweger. S. dazu: Szlezák, T. A.: Platon und Aristoteles in der Nuslehre Plotins. Basel – Stuttgart 1979. Anders als bei Aristoteles kann er aber für Plotin nicht das oberste Prinzip sein. Dieses muss auch noch jenseits der dualen Verfasstheit des Selbstdenkens stehen. Denn auch das intuitive Denken des Geistes bzw. der Vernunft, das unmittelbar erfasst und ein Sich-Selbst-Denken ist (vgl. V 3, 5, 43-48), ist der Entzweiung noch nicht enthoben. Das Eine kann nicht, wie der Geist, Denken seiner selbst sein. Das Sichselbstdenkende ist, wie Plotin auch vor dem Hintergrund mittelplatonischer Gleichsetzungen von `jenseitigem´ erstem Prinzip (epekeina tes ousias: Resp. 509b) Platons und sich selbst erkennendem Geist besonders betonen zu müssen glaubt, nicht gleichzusetzen mit dem ersten Prinzip, wie dies Aristoteles tut; vgl. VI 7, 37-41; VI 9, 6, 42-55. Gleichwohl ist die Plotinische Nuslehre als Lehre vom sich selbst erkennenden Geist der Prinzipientheorie des Aristoteles (s. bes. Metaph. 12, 7) und dessen Psychologie verpflichtet (s. bes. De anima (v.a. 3, 4f.).).
[lxxix] S. z.B. VI 9, 2, 35f..
[lxxx] Die `Methode´ der Charakterisierung via negationis kann man auch bei Platon angedeutet finden, und zwar, sieht man vom zweiten Teil des Parmenides sowie den Ausführungen im Zusammenhang der `Idee des Guten´ ab, die beide für Plotin so überaus bedeutsam sind, dort, wo es darum geht, die Idee in der ihr eigentümlichen, raum- und zeitenthobenen Seinsweise und in ihrer nur dem philosophischen Denken eigentlich zugänglichen Wirklichkeit zu charakterisieren (vgl. z.B. in Bezug auf die Idee des Schönen Symp. 210e-211b.). Dies kann so verstanden werden, dass Platon-Sokrates den Versuch unternimmt, das erfahrungsweltlich gebundene Denken und Sprechen zu transzendieren, indem er es in negierender Weise in Gebrauch nimmt bzw. sich seiner bedient.
[lxxxi] S. e.g. VI 9, 11, 23; zur unio mystica (s. I 6, 8, 25-27 (myein! – es geht um eine neue Weise des Sehens, die jeder realisieren kann, wenn es auch nur wenige Menschen tun)) plotiniana, die als eine unio exstatica zu verstehen ist, s. e.g. VI 9, 11, 16. Zur Bedeutung der unio exstatica für die Philosophie Plotins s. bes. Trouillard, J.: La purification plotinienne. Paris 1955.
[lxxxii] Diese wird von Plotin anschaulich und eindrucksvoll beschrieben VI 7, 34, 2-38; vgl. auch bes. V 3, 17; V 5, 10f.; VI 7, 35f.; VI 9, 3-11.
[lxxxiii] Zur `Schau´ s. z.B. VI 9, 10, 1; IV 8, 1, 1-11. Zur Einswerdung von Sehen und dem, was gesehen wird: vgl. V 5, 7, 19-35. Die höchste Henosis, die Einung mit dem reinen Einen, kann auch als Berührung beschrieben werden, da dieses Bild die räumliche Trennung als Bestandteil weniger mit sich führt; vgl. dazu: V 3, 17, 25f.; vgl. e.g. auch: V 1, 11, 13; V 6, 6, 35; VI 5, 10, 27f.; VI 5, 10, 41; VI 7, 30, 3; VI 8, 21, 29. Auf ihrem Charakter als henosis und der damit verbundenen Ununterschiedenheit von Schauendem und Geschautem resultiert auch die Schwierigkeit, die Schau des Einen, nachdem sie vorüber ist, zu charakterisieren: vgl. bes. V 3, 17, 21-38; VI 7, 36,11; VI 7, 36, 17-22; VI 9, 3, 12f.; VI 9, 9, 55f.; VI 9, 10, 17-21; VI 9, 11, 4-7. Plotins Metaphysik kann man im angeführten Sinne gewissermaßen als Metaphysik der unvermittelt-intuitiven `Schau´ verstehen. Die Anstrengung philosophischen Denkens führt idealerweise zur intuitiven, henotisch zu verstehenden Schau; s. dazu bes. VI 9, 4, 24-26.
[lxxxiv] Vgl. VI 9, 10, 18 – 21; vgl. zur Unsagbarkeit des Einen auch V 3, 12, 47 – 13,6 (bes. V 3, 13, 1; V 5, 6, 24; VI 9, 4, 11f.; vgl. auch VI 8, 8, 6f.. Weder bejahende noch verneinende Dafürhaltungen können das absolute Eine als arrheton nicht treffen. Denn von ihm kann es überhaupt keine `richtigen´ Dafürhaltungen geben.
[lxxxv] S. VI 9, 9, 33; s. auch VI 9, 10, 11-11, 7.
[lxxxvi] Vgl. II 8, 9, 19-22; vgl. außerdem VI 9, 4, 1-3; V 3, 14, 1-19. S. zur `Plötzlichkeit´ bei Plotin e.g. auch: V 5, 3, 12-15 (der `große König´ tritt plötzlich selbst in Erscheinung); V 5, 7, 33f.; VI 7, 34, 12-16. Der Plötzlichkeit der Schau korrespondiert eine gewisse Plötzlichkeit des Herausfallens aus der Schau. Aus der `Schau´ bleibt dabei ein `Abbild´ des Einen erhalten (s. VI 9, 11, 9), das zusammen mit der Erinnerung an die henosis dazu beiträgt, den Wiederaufstieg zu unterstützen und zu erleichtern. Zur Überschreitung des diskursiven Denkens hin auf die intuitive `Schau´ s. VI 9, 4, 1-3.
[lxxxvii] Diese streckt sich noch über die für das (Selbst-) Denken konstitutive Zweiheit des Vernunftdenkens hinaus aus nach dem absoluten Einen als seinem transzendenten Urgrund.
Zu der für das Denken bzw. für den Geist (nus), der die Alles umgreifende Einheit von Denken und Sein ist, immer noch konstitutiven Vielheit und zu seiner Verwiesenheit auf das ursprüngliche Eine im Einzelnen: vgl. VI 9, 2, 32-44. Das einfachhin Eine kann auch nicht Geist oder Denken sein, da diese noch vielheitlich sind. Das vielheitlich Seiende, dem auch Geist oder Denken zugehören, fordert ontologisch `vorgängig´-voraussetzungshaft das Eine: vgl. e.g. V 6, 3, 1-22.
[lxxxviii] Vgl. z.B. VI, 11, 45ff..
[lxxxix] Sein Philosophieren ist ja das Bemühen um ein weitest mögliches Transzendieren der Vielheit der Erfahrungswirklichkeit in Richtung auf das schlechtin einfache, wirklichkeits- und (mithin auch) vielheitsbegründende Eine. Von hier her bestimmt sich auch das, was für Plotin Erfüllung und Vollendung ist.
[xc] Die Annäherung an das Eine kann als bedrohlich und als schmerzlich erlebt werden: s. z.B.: V 5, 6, 24f.; VI 9, 3, 1-10; VI 9, 3, 51-54. Das Motiv der Bedrohung und des Schmerzes findet sich auch in Platon s Höhlengleichnis. Zum erotischen Aspekt im Zusammenhang der henosis s. e.g. I 6, 9; VI 7, 31-36 (bes. VI 7, 34, 13-16); VI 8, 15, 1; VI 9, 9-11 (bes. VI 9, 9, 38-41). Die Seele ist, wenn sie ihrem erotischen Streben folgt, das ihr als angeborenes innewohnt, dazu imstande, noch über das Sein den Geist und sich selbst hinauszugelangen und augenblickshaft die mystische henosis mit dem Einen-Guten zu erreichen. Es geht darum, sich vom Eros emportragen zu lassen. Zur Bedeutung von Liebe, Philosophie und Musik für den Aufstieg s. e.g. I 3.
[xci] Vgl. VI 9, 4, 15f..
[xcii] Zum Verhältnis von philosophisch-rationalem Aufstieg und mystisch-henotischer Erfahrung des absoluten Einen bei Plotin s. e.g. die eindrücklichen Stellen: V 3, 17, 37f.; VI 7, 36, 3-8; VI 9, 4, 12-16. Zum Verständnis der henosis s. e.g. Miller, C. L.: Union with the One: Ennead 6, 9, 8-11, in: New Scholasticism 51 / 1977: 182-195.
[xciii] Vgl. VI 7, 36, 6-8.
[xciv] Vgl. V 3, 14, 6f.; vgl. ferner VI 8, 8, 4-8. Da das wirklichkeitsbegründende reine Eine nicht eigentlich aussagbar ist, kann nur via negationis vorgegangen werden: Es kann von ihm nur ausgesagt werden, was es nicht ist.
[xcv] S. zur negativen Dialektik bzw. `negativen Theologie´ e.g. V 3, 13; V 5, 6; VI 7, 38, 1-6; VI 9, 6.
[xcvi] Zum epekeina bei Plotin im Zusammenhang mit dem Einen-Guten bzw. dem Ersten s. auch die weiteren Stellen unter a) zu epekeina, in: Sleeman, J. H. / Pollet, G.: Lexicon Plotinianum. Leiden 1980: 402f..
[xcvii] Vgl. e.g. III 8, 10, 14-32; s. auch III 8, 10, 74f..
[xcviii] Die Negation, die zum Nichts des Prinzipiierten führt, hat für Plotin nichtprivativen, aber auch keinen bestimmt-positiven, sondern transzendierenden bzw. transzendenzaufweisenden Charakter, eben weil sie zur absoluten Transzendenz hinleitet. Vom Einen selbst ist alles wegzutun (vgl. aphele panta: V 3, 17, 38f. (Zitat: 38); s. e.g. auch I 6, 8, 24f.; III 8, 10, 31; V 3, 17, 38; V 5, 6, 20f.; V 5, 13, 11; VI 7, 35, 7; VI 8, 8, 9-20; VI 8, 11, 34f.; VI 8, 15, 22f.; vgl. auch VI 8, 21, 24-28). Allerdings kann Plotin ausnahmsweise selbst versuchen, das Eine auf quasiprädizierende Weise positiv zu fassen (s. v.a. VI 8, 13-21), doch auch dann nur in hinweisender und nichtdogmatisch-uneigentlicher Weise (s. bes.: VI 8, 13, 1-5; VI 8, 13, 47-53; vgl. z.B. auch VI 8, 8, 1-8; VI 8, 11, 1-13; VI 8, 7, 47ff.; VI 8, 13, 6ff.; s. auch: 8, 13, 4; VI 8, 13, 48), deren Sinn auch hier die Negation ist (vgl. e.g. VI 8, 8, 6-22; VI 8, 9, 37-49; VI 8 11, 34-37; VI 8, 12, 25-37; VI 8, 19, 1-4; VI 8, 19, 12-20; VI 8, 21, 19-28; vgl. Huber, G.: Das Sein und das Absolute. Studien zur Geschichte der ontologischen Problematik in der spätantiken Philosophie. Basel 1955: 82; Henry, P.: Le problème de la liberté chez Plotin, in: Revue Néoscolastique 33 / 1931: 318ff. und 336ff.; Halfwassen: 1992: 97).
[xcix] Vgl. e.g. III, 8, 10, 27. Zu dieser Kraft (dynamis (panton)) des transzendenten Einen s. e.g. III 8, 10, 1; III 8, 10, 25-31; III 9, 7, 1; IV 8, 6, 11ff.; V 1, 7, 9f.; V 1, 7, 18f.; V 2, 1, 14; V 3, 15, 32f.; V 4, 1, 24f.; V 4, 2, 36-39; V 5, 10, 12f.; V 5, 13, 28; VI 7, 15, 23; VI 7, 32, 12f.; VI 8, 9, 44f.; VI 8, 10, 33; VI 8, 21, 24f.; VI 9, 3, 39f.; VI 9, 5, 36ff.; VI 9, 6, 55. Der im Hintersteigen jeder Denkbarkeit erfahrbar werdende Urgrund aller Wirklichkeit ist nur insofern Nichts, als er jenseits von allem, was durch ihn begründet wird, anzusetzen ist. `Nichts´ ist dieser Urgrund daher nur, weil er strikt getrennt vom Begründeten gleichsam `über´ all dem steht, dessen Sein er begründet. Als allbegründender Ur-Grund ist er so `Nichts´, nämlich Nichts von allem. Das Eine selbst ist so einerseits Alles insofern es Ursprung von allem ist, andererseits aber auch Nichts, da alles, als von ihm herkommend, später ist als es selbst (VI 7, 32, 12-14; s. auch III 8, 9, 39-54; V 1, 7, 18-20; V 2, 1, 1-3; VI 9, 3, 39f.; VI 9, 6, 55). Gerade wegen seiner Unbestimmtheit kann das Eine die dynamis zu allem sein (dynamis panton; s. V 1, 7, 9; V 3, 15, 33; V 3, 16, 2). Dynamis ist dabei für Plotin nicht nur im aristotelischen Sinne Möglichkeit (Potenz in Differenz zur Energeia als Wirklichkeit bzw. Akt), sondern ist im Sinne positiv sich auswirkender `Mächtigkeit´ zu verstehen. (Gerade dies ist es, was das bestimmungslose reine Eine von der hyle/Materie unterscheidet, s. bes: V 3, 15, 33f..) Zum hen in Bezug auf alle Dinge als Gesetz und Notwendigkeit: VI 7, 1, 57; VI 8, 10, 34. Zum hen als Ur-Sprung von allem: V 2, 1, 1; III 8, 9, 38f.; V 5, 13; VI 8, 18. Zum hen als Überfülle: V 2, 1 (s. bes. zur `Emanation´ des Einen aus seiner Überfülle: V 2, 1, 7-9).
[c] Vgl. e. g. V 3, 12, 47f.; III 8, 9,19 – 22; VI 9, 4, 1 – 3; V 3, 14, 2f.; außerdem s. e.g. auch: V 3, 13, 36; V 3, 14, 1 – 19; V 6, 5, 4f.; I 7, 1, 19f.; III, 9, 9, 12f.; (VI 7, 40, 24 – 29).
[ci] Zum hen orientierend: Beierwaltes, W.: Art. `Hen´, in: Reallexikon für Antike und Christentum. Stuttgart 1987: 445-472 (zum hen bei Plotin bes. 454-458).
[cii] Vgl. III 8, 9, 1ff.; V 5, 4, 1ff.; VI 9, 5, 34ff. u.ö..
[ciii] Vgl. bes. VI 6, 13, 50-52; vgl. auch: VI 6, 1, 20. – Vielheit setzt für Plotin generell stets Einheit voraus. Jegliche einheitliche Vielheit ist nach Plotin bestimmt durch ihre Beziehung auf eine transzendente Einheit, die ihr gleichwohl in gewisser Weise immanent ist. Nur deshalb kann sie eine komplexe Einheit sein. Vgl. V 3, 16, 1-16
[civ] Vgl. zur Stufung der Einheit in der Sphäre des Einzelnen z.B. VI 2, 10, 3f; VI 2, 11, 8 u. 16; V 5, 4, 31; VI 6, 13, 25ff..
[cv] Das Seiende wird doch auf all den hypostatischen Stufen auch durch Vielfältigkeit bestimmt.
[cvi] Dies gilt auch noch für den intelligiblen Bereich: vgl. z.B. V 1, 8, 26; V 3, 15, 11. 22; V 4, 1, 21; VI 2, 15, 14; VI 2, 17, 25; VI 6, 13, 53; VI 7, 14, 12. s. ferner VI 4, 11, 15 – 20; VI 5, 9, 36f..
[cvii] III 8, 11, 19 – 23; V 5, 5, 13f. Vgl. hierzu auch VI 9, 1f..
[cviii] Vgl. VI 9, 1, 17-19.
[cix] S. z.B. VI 9, 1, 26-43.
[cx] Vgl. bes. VI 9, 2, 1-44; vgl. auch I 7, 1, 20; III 8, 9, 9f.; III 8, 11, 25; V 4, 2, 44; V 5, 5, 16 – 19; V 6, 5, 10-1; V 6, 2, 2; VI 9, 5, 20-24; vgl. zudem auch: VI 7, 17, 42f.; VI 7, 37, 23f.; VI 7, 39, 34; sowie III 8, 9, 39-54; V 1, 7, 18-22; V 3, 11, 16- 5; V 4, 2, 38-42; V 5, 13, 20f.; VI 9, 2, 44-47; VI 9, 3, 39f. u. ö..
[cxi] Vgl. V 6, 5, 12-17; VI 9, 2, 35-43.
[cxii] Vgl. V 6, 5, 16f.; VI 9, 2, 35f..
[cxiii] Dies ist diejenige zum nus, der wesentlich Einheit und Vielheit zugleich, nämlich als vielheitliche Einheit noch Einheit in der Vielheit ist Vgl. VI 9, 2, 32-44.
[cxiv] S. hierzu bes. III 8, 9, 1-6.
[cxv] Vgl. e.g. V 1, 4, 26 – 33; V 3, 5, 43 – 45; V 3, 13, 9f.; V 4, 2, 43f.; V 6, 1, 10 – 14; V 6, 2, 2 – 20; V 6, 6, 10 -27; VI 9, 2, 36f..
[cxvi] Vgl. z.B. III 8, 9, 3; V 3, 12, 9f.; V 3,16, 12.
[cxvii] Vgl. III 8, 9, 9f..
[cxviii] Des Denkens, das sich-selbst-denkender Geist ist, Geist, der die Ideenvielfalt des durch die Hinwendung zum jedwede Denkbarkeit übersteigenden, da absolut transzendenten und einfachen Einen konstituierten Seins als sein eigenes Wesen denkt.Vgl. bes. V 3, 10, 50 – V 3, 11, 22.
[cxix] Diese Aktualisierung ist die Folge des Intelligiblen als noeton, das als Folge des aus der Zuwendung zum Einen selbst als einheitsbildende dynamis empfangen und dadurch in seiner Bestimmtheit selbst geschaffen wird.
[cxx] Es ist noch nicht das die intelligiblen Ideen in ihrer Gesamtheit im Geist als intelligible Fülle des Seins sehende Sehen des Geistes. Hierzu und zum Folgenden s. v.a.: III 8, 8, 30-33; III 9, 4, 8f.; V 2, 1, 9-13; V 3, 11, 1-16; V 3, 15, 1-3; VI 7, 15, 19-24; VI 7, 16, 10-35; VI 7, 17, 1-25.
[cxxi] Da das transzendente Eine selbst ihm unerreichbar ist, `kompensiert´ das Denken gleichsam die Unerreichbarkeit des ursprungshaften einfachhin Einen, das als seinen absoluten Ursprung zu erblicken ihm versagt bleibt.
[cxxii] Mithilfe der vom transzendenten Einen über die Zuwendung zu ihm erhaltenen einheitsbildenden dynamis, auf deren Grundlage das Denken die einige Ideenvielfalt als einheitsbestimmte eidetische Vielfalt des Seins erzeugt, kommt das Denken zu sich selbst.
[cxxiii] Die Gegenstände des geistigen Erkennens sind innerhalb des Geistes selbst, s. bes. V 5, 1f.. In der „Versetzung der Ideen in den nus [im Original gr.!; R. M.]“ kann man die „entscheidende Wendung zum neuplatonischen Denken“ sehen, die bereits zu Beginn der alten Akademie (Speusipp und Xenokrates) vorgezeichnet ist in der Ansiedelung der „mathematischen Gebilde im nus [im Original gr.!; R. M.].“ In gewisser Weise kann man daher „die Anfänge des Neuplatonismus bis auf die Akademie“ zurückdatieren. (Gadamer, H. G.: Der platonische Parmenides und seine Nachwirkung, in: ders.: Gesammelte Werke 7: Griechische Philosophie III: Plato im Dialog. Tübingen 1991: 315.)
[cxxiv] Im sehenden Sehen als Sich-selbst-Denken kommt es zu sich als sich selbst denkend betrachtender nus.
[cxxv] Diese vollzieht sich, wie dargelegt, in der Zuwendung auf das absolute Eine.
[cxxvi] Sich zu erheben durch das Denken mittels der einheitlichen Vielfältigkeit der von ihm selbst generierten Einheiten, den Ideen als dem intelligiblen Sein.
[cxxvii] Dies bezeichnet das Denken in seiner Eigentlichkeit.
[cxxviii] S. bes. V 1, 5, 17f.; V 3, 11, 12-15; V 1, 7, 13-22; ferner VI 7, 16, 33ff.. – Zur Selbstkonstitution des Geistes durch seinen Bezug auf das höchste, absolut differenzlose Prinzip s. e.g. III 8, 9-11. Zur Erkenntnis- und Wissensform des Geistes s. e.g. V 8, 3-6. Zur Möglichkeit unseres Denkens, den Geist durch Aufhebung der zeitlichen wie räumlichen Differenziertheit und darüber hinaus auch noch durch die Aufhebung der Differenz zwischen sich und dem nus zu erkennen s. e.g. V 8, 9-11. Zur inneren Dynamik des Geistes s. e.g. V 8, 4, 1-6.
[cxxix] Zum Versuch des Denkens mit seinen originären Mitteln über sich selbst als Denken hinauszugelangen s. e.g. VI 4f.. Zur Unerkennbarkeit der Einheit des Einen für den Geist s. e.g. III 8, 8, 31-38; VI 7, 15, 20-22; VI 7, 16, 10-14.
[cxxx] III 8, 11, 22 – 26; III 8, 11, 41 – 44; V 1, 7, 30 – 35; VI 7, 16, 15 – 22; VI 7, 16, 31 – 35. Das Denken wird so selbst erst zum eigentlichen Denken, zum denkenden Denken als erfülltes.
[cxxxi] Das einfachhin Eine (Vgl. III 8, 10, 22) als Ursprung des Geistes kann noch am ehesten mit `das Eine´ benannt werden, da diese Bezeichnung jedwede Vielheit für das Eine negiert. Als überseiendes absolutes Einheitsprinzip aber kann es eigentlich auch nicht `das Eine´ genannt werden, da es namenlos und unnennbar ist, wie Plotin immer wieder betont. S. e.g. II 9, 1, 5 – 12; V 3, 12, 50 – 52; V 3, l3, 1 – 5; V 3, 14, 1 – 8; V 3, 15, 15 – 17; V 4, 1, 8f.; V 5, 4, 6 – 9; V 5, 6, 11 – 13; V 5, 6, 24 – 26; VI 7, 38, 1 – 9; VI 8, 8, 3 – 8; VI 9, 4, 11 – 13; VI 9, 5, 30 – 33.
[cxxxii] Das Eine bewirkt dieses Zu-sich-selber-Kommen des Denkens als Erfüllung seines unabdingbaren, vom Einen herrührenden Einheitsstrebens. – Es ist schon erstaunlich, in welchem Umfang Plotin hier positional wird. Von sokratischer Vorbehaltlichkeit und sokratischen Selbstinfragestellungen und Konsequenzen ist er, je näher man dem Zentrum seiner Philosophie kommt, weit entfernt, und zwar trotz aller Transzendenzbetonung im Blick auf das Eine. Er geht so weit, über das absolut jenseitige Eine eine Art von Eigentlichkeit des Denkens zu konstruieren.
[cxxxiii] Vgl. III 8, 10, 26 – 31; VI 9, 3, 4 – 6.
[cxxxiv] S. VI 9, 11, 35.
[cxxxv] Für ein angemessenes Verständnis des Philosophierens Plotins ist es wichtig zu beachten, dass es ihm vorwiegend um die philosophisch-denkerische Konzeptualisierung und Explikation des `Ab-soluten´ als des reinen Einen geht, also nicht vornehmlich um die ekstatische Henosiserfahrung als solche (vgl. VI 7, 31-36, bes. VI 7, 36, 6.). Der Nachvollzug dieser philosophisch-denkerischen Theorie des absoluten Einen setzt nicht voraus, dass ihm die ekstatisch-henotische Schau vorausgegangen ist. Allerdings ist es, um zur ekstatisch-henotischen Erfahrung gelangen zu können, bei Plotin (wie auch später in Eckhart s Bildungsspekulation) notwendig, die philosophisch-rationale, regressiv-dialektische und `henologische´ Aufstiegsbewegung bis zur Endgestalt negativer Dialektik als scheiternd-erfüllter Selbstaufhebung dialektischen Denkens überhaupt zuvor vollzogen zu haben. Aufs Ganze gesehen ist das Verhältnis von Metaphysik und Mystik bei Plotin als komplementär anzusehen (vgl. Kremer, K.: Plotin. Seele – Geist – Eines. Enneade IV 8, V 4, V 1, V 6 und V 3. Einleitung, Bemerkungen zu Text und Übersetzung und bibliographische Hinweise. Hamburg 1990: 182: „Die Mystik ist einerseits auf das metaphysische Denken als ihre Voraussetzung angewiesen, andererseits übersteigt sie die metaphysische Erkenntnis Gottes dadurch, daß sie nicht mehr wie diese im Bereich der bloß mittelbaren Gotteserkenntnis bleibt, sondern Gott unmittelbar `schaut´ bzw. `berührt´. Sie krönt daher den im metaphysischen Weg begonnenen Aufstieg durch die unmittelbare Gottesbegegnung. Mystik ohne Metaphysik würde nach Plotin zur bloßen Schwärmerei entarten, Metaphysik ohne den Gipfel der Mystik würde einen wesentlichen Teil menschlicher Erfahrungsmöglichkeiten ausblenden.“).
Zum mystisch-rationalen Moment bei Plotin bes.: Beierwaltes, W: Reflexion und Einung. Zur Mystik Plotins, in: Beierwaltes, W./Balthasar, H. U. v./Haas, A. M.: Grundfragen der Mystik. Einsiedeln 1974: 7-36; Beierwaltes, W.: Denken des Einen. Studien zur neuplatonischen Philosophie und ihrer Wirkungsgeschichte. Frankfurt/M. 1985: 123-147 (`Henosis. I Einung mit dem Einen oder die Aufhebung des Bildes: Plotins Mystik´). Weitere Literatur s. Halfwassen: 1992: 15 (Anm.: 24). In Bezug auf Plotin sollte man keinen Gegensatz konstruieren zwischen Plotin als Philosoph und Plotin als Mystiker, vielmehr fordert das philosophische Denken Plotins zwingend die Möglichkeit der mystischen Henosiserfahrung. S. in diesem Zusammenhang zum Verhältnis zwischen philosophischer Erkenntnis und personaler Veränderung bei Plotin bes. V 5, 6, 21; V 8, 11, 13-19; VI 7, 36, 1-10; VI 9, 4, 11-16. Sowohl bei Plotin wie etwas anders bei Platon-Sokrates beansprucht Philosophieren die ganze Person und verändert sie idealerweise. Der philosophisch-rationale Nachvollzug des hierarchisch-hypostatischen Aufbaus der Wirklichkeit und der personale Vollzug des inneren Aufstiegsweges bis zur henosis mit dem Einen selbst sind für Plotin auseinanderzuhalten: vgl. e.g. VI 7, 36, 3-10; VI 9, 10, 1-7. Der philosophisch rationale Nachvollzug des gestuften Wirklichkeitsaufbaus hat lediglich vorbereitenden Charakter für den inneren Aufstieg, der auf die Erfahrung der henosis zielt. Wirkliche Erkenntnis wird für Plotin auf jeder Stufe erst erlangt, wenn man auch den inneren Aufstieg zu dieser Stufe vollzogen hat und mit ihr geeint ist: s. e.g. VI 7, 15, 24-32. Der Akzent liegt bei Plotin mithin auf der unmittelbar-direkten und personalen Erfahrungserkenntnis als nicht dafürhaltungsstrukturierter Erkenntnis. Aussagengestaltige Dafürhaltungen können stets nur eine Außenseite, gleichsam eine Objektibilitätsform dieser personalen Erfahrungserkenntnis darstellen, auf die es eigentlich ankommt, und auf dem die Objektibilitätsform des Wissens aufruht. Zum inneren Aufstieg zum Guten s. VI 7, 31-34, der durch philosophische Untersuchungen (des Typs wie sie unmittelbar davor in VI 7, 24-30 erfolgen) (lediglich) vorbereitet werden kann.
[cxxxvi] Vgl. e.g. VI 8, 21, 24-28; V 3, 17, 38f.; s. e.g. auch I 6, 8, 24f.; III 8, 10, 31; V 5, 6, 20f.; V 5, 13, 11; VI 7, 35, 7; VI 8, 8, 9-20; VI 8, 11, 34f.; VI 8, 15, 22f; s. auch oben.
[cxxxvii] Plotin unternimmt den Versuch, sich dem jedwede Denkbarkeit überschreitenden vielheitsenthobenen Urgrund in denkendem Aufstieg soweit als möglich denkend anzunähern und so das Denken selbst noch durch Denken zu `hintersteigen´ auf das die Einheitlichkeit des Denkens begründende, selbst undenkbare Prinzip hin. Dieser Versuch, das Denken durch Denken noch über sich zum das Denken und alle Vielheit Begründenden hinauszuführen, ist für ihn die notwendige Möglichkeitsbedingung der mystischen Erfahrung der ekstatischen Einung als augenblickshaft-erfahrungshafte Ergreifung des absoluten Prinzips. Dies aber ist nur als Scheitern des Denkens und des philosophisch-rationalen Aufstiegs möglich.
[cxxxviii] Treffender – und doch wiederum unzulänglich – kann es als das `Über-Eine´ indiziert werden.
[cxxxix] Zusammenfassend lässt sich sagen: Plotins Dialektik soll zum schlechthin nicht-vielen Einen als dem begründenden, selbst unbedingt-absoluten (vgl. e.g. VI 8, 20, 6; vgl. auch V 1, 9, 2; V 1, 10, 7; VI 2, 9, 29) und als solcher absolut-transzendenten, aber alles bedingenden wirklichkeitsbegründenden Urgrund allen Seins führen. Seine Dialektik ist strikt ausgerichtet auf den Aufstieg und Rückgang zum absoluten Urgrund als dem schlechterdings Unbedingten-Allbedingenden (vgl. I 3, 1, 1 – 4 zusammen mit V 5, 6, 6 – 10 und VI 8, 11, 8f.), das absolut transzendent sein muss (vgl. bes. III 8, 9, 39 – 54; III 8, 10, 26 – 31; V 4, 1, 1 – 15 ( bes. 5 – 15); V 4, 2, 37 – 43; V 5, 6, 6 – 10), im henologisch-reduktiven (vgl. dazu programmatisch bes. V 5, 4, 1 – 6) Rückweg der Vereinfachung (haplosis; VI 9, 11, 23) zum einfachhin (to haplos hen; III 8, 10, 22) Einen (anagoge eis hen, III 8, 10, 20; V 5, 4, 1) selbst, das als das reine Eine (to katharos hen; V 5, 4, 6), das als Nicht-Vieles alle Vielheit als von ihm herkünftig begründet, das wahrhaft Eine ist (to alethos hen; V 5, 4, 2).
[cxl] S. IV 3, 1, 3.
[cxli] Zu den `Mitteln´ und `Methoden´ des Aufstieges (Analogie, Negation, Übersteigerung/Übertreibung) vgl. VI 7, 36, 6-8.
[cxlii] Vgl. e.g. VI 9, 3, 51-54.
[cxliii] Die negative Methode führt bei Plotin letztlich zu ihrer Selbstaufhebung und führt als Denkmethode das Denken per Negation der Negation zuletzt hinaus über sich selbst, da sie angesichts des Aufweises der Unsagbarkeit und Unerkennbarkeit des absoluten Einen selbst schließlich in der Selbstaufhebung von Denken und Denkbarkeit, von Sagen und Sagbarkeit ihre eigene Unzulänglichkeit erkennt. Die negative Dialektik Plotins ist als eine Selbstüberwindung bzw. Selbstaufhebung dialektischen Denkens aus sich selbst heraus zu verstehen, die das schlechthin Eine, das aller Wirklichkeit zugrunde liegt, als undenkbar und unbestimmbar erweist, da dieses wegen seiner absoluten gnoseologischen und ontologischen Transzendenz alle Denk- und Seinsbestimmungen übersteigt, und so über alle Bestimmungen und Bestimmungsmöglichkeiten hinausliegt.
Die Negationen, die schließlich in der `negatio negationis´ gipfeln, sollen die absolute Transzendenz und Einfachheit des göttlichen Einen indizieren. Sie sind in bestimmtem Sinne sind sie eine Aufhebung der völligen Unsagbarkeit des absoluten Einen durch die einzige Art, in der sinnvoll über das absolute Eine gesprochen werden kann, indem so die Grenzen der Sagbarkeit durch eine konsequent negativ-dialektische Art des Sagens aufgewiesen werden und auf das absolute Eine in seiner Unsagbarkeit gedeutet wird.
Die Negationen sind als Transzendenzaussagen zu verstehen. Es soll durch sie jeweils auf das `Über´ und `Jenseits´ dessen, was durch sie verneint wird, hingewiesen werden.
Die zwar sokratisch-platonischen Maßstäben nicht (bzw. noch nicht) genügende, jedoch dennoch sehr konsequente (bis hin zur Konsequenz, das absolute Eine als `Nichts´ zu denken: vgl. e.g. III 8, 10, 28f.; s. in diesem Zusammenhang e.g. auch die Aufforderung, alles (vom Einen) hinwegzunehmen, um der absoluten Transzendenz und Jenseitigkeit des Einen gerecht zu werden: V 3, 17, 38; VI 8, 21, 26) negative Dialektik Plotins wurde für die christlichen, vom Neuplatonismus beeinflussten Autoren zum Anknüpfungspunkt `negativer Theologie´. Das undenkbare `göttliche´ Eine wird in der negativen Theologie via negationis umkreist, nämlich durch die fortwährende Verneinung aller Bestimmungen im Blick auf das schlechterdings Eine, um dann letztendlich auch diese Verneinungen noch aufzuheben durch Verneinung derselben (negatio negationis).
Zur negativen `Theologie´ im Neuplatonismus, insbes.: Beierwaltes, W.: Denken des Einen. Studien zur neuplatonischen Philosophie und ihrer Wirkungsgeschichte. Frankfurt/M. 1985; Beierwaltes, W.: Proklos. Grundzüge seiner Metaphysik, in: Philosophische Abhandlungen; 24. Frankfurt/M. 1965, 2. erweiterte Aufl. 1979: 339-366; Huber, G.: Das Sein und das Absolute. Studien zur Geschichte der ontologischen Problematik in der spätantiken Philosophie. Basel 1955: 49-88. Zur indirekten Erkenntnis des göttlichen Einen über die `Geschöpfe´ bei Plotin s. e.g. VI 9, 5, 33-38.
Wenn das reine Eine als das `Eine´ bezeichnet wird, so bedeutet dies nur die Negation jeder möglichen Prädikation, nicht aber in der positiven Bedeutung eine Zuschreibung von Einheit: s. bes. V 5, 6, 26-28. Aus diesem Grunde ist am Ende bezüglich des `Einen´ sogar die negatio negationis zu vollziehen, nämlich dem Einen ist sogar noch das Eine abzusprechen: vgl. V 2, 1, 1.
[cxliv] Dies ist (auch) Voraussetzung für die Möglichkeit der mystischen Einung: Die Seele muss jedwedes Wissen `fahren lassen´, auch das Wissen um sich selbst: Vgl. VI 7, 34, 3f.; VI 9, 4, 8-10; VI 9, 7, 18-20. Vgl. die Aufforderung `alles wegzutun´ (aphele panta: V 3, 17, 38f. (Zitat: 38)). Zu beachten ist, was das wissende Nichtwissen Plotins und der an ihn anschließenden Tradition (e.g. auch die docta ignorantia des Kusaners) vom sokratischen wissenden Nichtwissen unterscheidet: Das plotinsche wissende Nichtwissen ist positionalitäts entdecktes bzw. - erfahrenes Nichtwissen, bezogen auf das göttliche Eine. Das sokratische Nichtwissende hingegen ist Nichtwissen, das, auch wenn es sich auf das Gute bzw. Eine bezieht, in der skeptisch-kritischen Abständigkeit, die für es charakteristisch ist, immer noch positionalitäts suchend ist, obgleich und gerade weil es problematizitäts erfahrenes und problem qualifiziertes Nichtwissen ist.
[cxlv] Es wäre interessant dieses erfüllte Schweigen bei Plotin und das erfüllte Schweigen bei Wittgenstein (These 7 im Tractatus logico-philosophicus: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen.“) ausführlich miteinander in Beziehung zu setzen. Insgesamt lässt sich sagen, dass Wittgenstein sich abgesehen von der Aufforderung, hinsichtlich des Unsagbaren zu schweigen, darum bemüht, die Region dessen, worüber sich mit Sinn sprechen lässt, möglichst klar vom Unsagbaren abzugrenzen. Plotin legt einen etwas anderen Akzent: Er redet im Bewusstsein der Widersinnigkeit dieses Tuns immer wieder vom Unsagbaren selbst (vgl. zu Nähe wie Differenz zum frühen Wittgenstein des Tractatus: Tractat. logico-philos. 6.522 und 6.53) und unternimmt es, das Undenkbare zu denken und an diesem Denken Anteil zu geben so weit es sich bis zum Scheitern des Denken am Denken des Einen denken lässt. Seine Rede vom Einen soll lediglich zum Einen, von dem sich eigentlich weder reden noch schreiben lässt (Plotin bezieht sich in spezifischer Weise besonders auf Platon s 7. Brief: 341a-e-344d), hinleiten und aufwecken zur `Schau´ des Einen. Seine Rede soll den Weg zur `Schau´ weisen. Bis dahin, nämlich bis zum Zeigen des Weges, kann die Belehrung reichen; gehen muss ihn jeder selbst. Die `Schau´ als solche muss von jedem selbst erreicht werden (VI 9, 4).
In manchem vergleichbar der sprachkritischen Restriktion des Sag- und Denkbaren bei Wittgenstein versucht Kant bei der Untersuchung der Bedingungen der Möglichkeit von Gegenstandserfahrung in seiner Kritik der reinen Vernunft den Bereich möglicher Erfahrung als Bereich der Erkenntnis abzugrenzen von dem, was die Grenzen möglicher Erfahrung, da erfahrungstranszendent, übersteigt und kein Gegenstand möglicher Erkenntnis ist (`Ding an sich´). Vergleichbar mit Kant wendet sich Wittgenstein gegen die Möglichkeit von `Metaphysik´ als Erkenntnis. Nach ihm ist allerdings, im Unterschied zu Kant, weder eine sinnvolle transzendentale Untersuchung der Bedingungen der Möglichkeit noch eine sinnvolle Reflexion auf sie im Sinne Kant s möglich (vgl. das Unsinnigkeitsverdikt gegen Ende des Tractatus gegenüber dem im Tractatus Gesagten: „6.54: Meine Sätze erläutern dadurch, daß sie der, welcher mich versteht, am Ende als unsinnig erkennt, wenn er durch sie – auf ihnen – über sie hinausgestiegen ist. (Er muß sozusagen die Leiter wegwerfen, nachdem er auf ihr hinaufgestiegen ist.) Er muß diese Sätze überwinden, dann sieht er die Welt richtig.“) Bezeichnenderweise bedient sich der frühe Wittgenstein des Tractatus aber der `Methode der Philosophie´, die er gebraucht und nicht der Methode, die er eigentlich für die richtige Methode der Philosophie hält (s. dazu Tractat. logico-philos. 6.53).
[cxlvi] Zum plotinschen Problemwissen hinsichtlich der Sagbarkeit des absoluten Einen: s. bes. V 3, 12, 47- V 3, 13, 6; zur Negation auch der Negation bzw. zur Inadäquanz jedweder Aussage, auch der verneinenden vgl. e.g. V 3, 14, 1-7; V 3, 15, 17f.; V 5, 6, 31-33; VI 8, 8, 6-8.
[cxlvii] Vgl. Plotin, Enn. V 5, 9, 7; s. auch VI 8, 8, 9-15 und VI 9, 3, 49-51. Das Eine kann in bestimmter Hinsicht auch als das `Übergute´ bezeichnet werden, s. dazu e.g. VI 9, 6, 42-46 (bes. VI 9, 6, 40). Das Eine ist nicht an sich selbst, sondern für das, was nach ihm ist, das Gute.
[cxlviii] Dies hätte zu geschehen unter fast vollständiger Vernachlässigung des sokratischen Problemwissens, das bei Platon stets im Hintergrund auch derartiger Bruchstücke steht, sie trägt und umgreift.
[cxlix] Identifizieren lassen im Sinne einer Identifikation per (Re-) Konstruktion.
[cl] Und zwar, soweit sich dies auf die Dialoge Platon s bezieht, zumeist unter kaum zulässiger oder wenigstens fragwürdiger Vernachlässigung der Einbettung dieser Elemente in den situativ-dialogischen Gesprächszusammenhang.
[cli] Diese ist dem Selbstverständnis Plotins nach explizierend, jedenfalls aber konstruktiv-entfaltend und systematisierend-entwickelnd. Zum Verhältnis von Platon s Philosophie zu der Plotins vgl. „In Plotins Denken erfuhr Platons Philosophie eine doppelte Umdeutung: ins `Systematische´ (eines Stufenbaus) und ins `Mystische´ (einer übergeistigen Transzendenz.). […] In der so gestifteten Tradition des `Platonismus´ erscheint Platon fortan im Licht der plotinischen Deutung. […]“ So Georg Siegmann (Siegmann, G.: Plotins Philosophie des Guten. Eine Interpretation von Enneade VI 7, in: Epistemata, Würzburger wissenschaftliche Schriften. Reihe Philosophie; 82. Würzburg 1990: 11). Diese Umdeutung Platon s hatte für die Möglichkeiten sokratischen Problemwissens deutlich negative Folgen. Zur aus seinem systematisch-philosophischen Interesse herrührenden Glättungstendenz hinsichtlich der Dialoge Platon s, die er domatisch-lehrhaft versteht, s. e.g. IV 8, 1, 27f..
[clii] Mutatis mutandis reicht diese bis zu den Bemühungen der Platonforschung der Gegenwart um die `ungeschriebene(n) Lehre(n)´ Platon s, vor allem insofern diese Bemühungen zudem in die Richtung tendieren, einen letzten Prinzipien monismus Platon s anzunehmen. – Zur Nähe Plotins, der wohl an die Tradition der innerakademischen Prinzipienphilosophie in seiner unmittelbaren Gleichsetzung des Guten selbst mit dem absoluten Einen anknüpft, zur, wie es heißt, `ungeschriebenen Lehre´ Platon s s. bes.: I 7, 1, 7-15; I 8, 2, 2-4; VI 7, 41, 28f.; VI 9, 6, 39-43. Zur Thematik aus Sicht der Vertreter der `ungeschriebene/n Lehre/n´ Platons: Halfwassen, J.: Monismus und Dualismus in Platons Prinzipienlehre, in: Bochumer Philosophisches Jahrbuch für Antike und Mittelalter 2 / 1997: 1-21. Halfwassen untersucht, ausgehend von der Forschungslage, das Verhältnis von Monismus und Dualismus in `Platons Prinzipientheorie´ und argumentiert anhand verschiedener Indizien in Platon s Dialogen und in der indirekten Platonüberlieferung zugunsten einer letztlich monistischen Position Platon s im Sinne eines „den Dualismus nicht eliminierenden, sondern hintergreifenden letzten Monismus Platons“ (11). Zu Plotins Benutzung speusippscher Denkfiguren s. Halfwassen, J.: Speusipp und die Unendlichkeit des Einen, in: Archiv für Geschichte der Philosophie 74 / 1992: 43-73. s. auch: Merlan, P.: Beiträge zur Geschichte des antiken Platonismus 1, in: Philologus 89 / 1934: 35-53.
[cliii] Dies hat unter vielen anderen Jens Halfwassen nicht gesehen, vgl. dazu prägnant seinen Aufsatz: Halfwassen, J.: Philosophie als Transzendieren. Der Aufstieg zum höchsten Prinzip bei Platon und Plotin, in: Bochumer Philosophisches Jahrbuch für Antike und Mittelalter 3 / 1998: 29-42 (bes. 29f.). Die Miss- und Fehlverständnisse Plotins in Bezug auf das Philosophieren Platon s sind wegen der fehlenden Dimension des Sokratischen noch tiefgreifender als sich bei Dietrich Roloff andeutet: Roloff, D.: Die Großschrift III 8 – V 8 – V 5 – II 9. Berlin 1971. In der Verkennung der Dimension des Sokratischen für das Philosophieren Platon s besteht das mit Abstand grundlegendste Fehlverstehen Platon s durch Plotin.
[cliv] Zum Problem der Unerkennbarkeit und Unsagbarkeit des schlechterdings Einen s.o..
[clv] Sokrates dient Plotin stets nur als prominentes Beispiel für etwas, für das er auch substituierbar wäre.
[clvi] Bröcker, W.: Platonismus ohne Sokrates. Ein Vortrag über Plotin, in: Wissenschaft und Gegenwart; 33. Frankfurt/M. 1966. Wenn hier eine Ausdrucksweise von Walter Bröcker gebraucht wird, so bedeutet dies nicht, dass in Bezug auf Plotin alles das angemessen ist, was Bröcker in dem Vortrag, in dem er diese Wendung als Titel gebraucht, polemisch zugespitzt vorträgt.
Auch wenn der scharfen Kritik von Werner Beierwaltes (Beierwaltes, W.: Selbsterkenntnis als sokratischer Impuls im neuplatonischen Denken, in: H. Kessler (Hrsg.): Sokrates. Geschichte, Legende, Spiegelungen. Sokrates-Studien; 2 (Die Graue Edition). Kusterdingen 1995: 113 Anm. 1) insofern zuzustimmen ist, dass es sich bei Walter Bröcker s Vortrag nicht um eine Stellungnahme handelt, die um eine ausgewogene Würdigung der Philosophie Plotins bemüht ist, so ist Bröcker doch darin zuzustimmen, dass es sich unter sokratisch-platonischem Aspekt, nämlich unter dem bei Bröcker unausgesprochen im Hintergrund seiner Wertung stehenden und sie leitenden, aber nicht ausgearbeiteten Aspekt des sokratischen Problemwissens, bei der ganzen plotinschen Philosophie nur um Meinung, nicht aber um philosophisches Wissen handelt (s. bes. 9; zur Begründung aus der Sicht Bröckers siehe den gesamten Vortrag).
Wolfgang Wieland stellt unpolemisch fest (Wieland, W., in: Geschichte der Philosophie in Text und Darstellung Band 1: Antike, hrsg. v. W. Wieland. Stuttgart 1978: 366): „Will man Plotin in seiner Beziehung auf Platon gerecht werden, so kann man zweifellos zunächst einmal alle Elemente seines Denkens markieren, zu denen sich eine Entsprechung bei Platon finden läßt. Man kann ferner die Elemente kennzeichnen, die aristotelischen Ursprungs sind, die aber von Plotin, gemäß der neuplatonischen Überzeugung von der Harmonie zwischen Platon und Aristoteles, als platonische Elemente rezipiert worden sind. Viel wichtiger jedoch ist es, auf alle die Elemente der Philosophie Platons zu achten, die von Plotin nicht rezipiert worden sind: dazu gehören die gesamte Staats- und Rechtsphilosophie Platons und der größte Teil seiner Ethik und seiner Handlungstheorie. Vor allem aber gehört dazu der Inbegriff alles dessen, was bei Platon durch die Figur des Sokrates symbolisiert wird. Der Neuplatonismus Plotins ist, wie es einmal treffend formuliert wurde, ein `Platonismus ohne Sokrates´. Was von Platon bleibt, wenn man das sokratische Element seines Denkens gleichsam subtrahiert, das kann man an Hand der Schriften Plotins allerdings deutlich erkennen.“ Von der beständigen, hartnäckigen und unbeirrbaren Forderung des sokratischen logon didonai, wie es Platon-Sokrates in seinen Dialogen vor Augen stellt, jedenfalls ist kaum mehr etwas zu merken. – Die Philosophie Plotins erscheint, zugespitzt formuliert, im Vergleich zum Philosophieren Sokrates-Platon s als privatistischer selbsterlösungstendierender Rückzug in die Innerlichkeit im Aufstieg, jedenfalls aber als eine Philosophie, die deutlich einer derartigen Gefährdung ausgesetzt ist. (Wie das Beispiel Eckhart s zeigt, muss sich diese Gefährdung in der Tradition eines derartigen Philosophierens allerdings nicht realisieren, wenn sie durch andere Einflüsse (christlicher Schöpfungsglaube und dergl.) abgemildert bzw. `in Schach gehalten´ wird.) Ausdruck dieser Gefährdung ist gerade die Marginalisierung des Sokratischen bei Plotin und seinen Nachfolgern. Dies ist zu konstatieren trotz der relativierenden Bemerkungen und Aufweisungen von Werner Beierwaltes, die einer Verkennung des Sokratischen, nämlich des politischen, des dialogischen und des Selbsterkenntnis-Momentes in der Philosophie Plotins zu wehren suchen, in Beierwaltes, W.: Selbsterkenntnis als sokratischer Impuls im neuplatonischen Denken, in: H. Kessler (Hrsg.): Sokrates. Geschichte, Legende, Spiegelungen, in: Sokrates-Studien; 2 (Die Graue Edition). Kusterdingen 1995: 97-116. Beierwaltes weist mit Recht auf, dass „sokratische Momente in neuplatonischem Denken nicht vollständig aufgehoben oder verdrängt sind.“ (97f.) Zu Beierwaltes s. auch andernorts. Zum dialogischen Moment in Plotins Traktaten s. bes. deutlich z.B.: III 8 und VI 7. Zu Recht betont Gadamer, dass die Lehrvorträge Plotins „wie Selbstgespräche sind: „Fragen stellend, abbrechend, neu einsetzend, Einwände vorbringend und in subtilste Dialektik ausspinnend.“ (Gadamer, H. G.: Denken als Erlösung. Plotin zwischen Plato und Augustin, in: ders.: Gesammelte Werke; 7: Griechische Philosophie III: Plato im Dialog. Tübingen 1991: 413 (vgl. Platon s Bestimmung des Denkens als Gespräch der Seele mit sich selbst: Soph. 263e; Theait. 189e.). Zum (Rest-) Moment des Politischen im Neuplatonismus: O’Meara, D. J.: Aspects of Political Philosophy in Iamblichus, in: H. J. Blumenthal/E. G. Clark (Hrsg.): The Divine Iamblichus. Philosopher and Man of Gods. London 1993: 65-73. – Zur katharsis als eine Voraussetzung der (Selbst-) Erlösung im inneren Aufstieg s. e.g. I 6, 6, 1-16 (kathartische Tugenden zur Lösung der Seele vom Körper und vom Sinnlichen unter Anknüpfung an Platon; die Tugenden gelten Plotin als Reinigung der Seele für den inneren Aufstieg zur `Schau´). Die katharsis durch die Tugenden ist die Vorbedingung für den Aufstieg, s. e.g. I 2, 3, 12-19; I 2, 6, 20 – I 2, 7, 13; I 6, 5, 30 – I 6, 6, 33. Es fällt auf, dass Plotin in Differenz zu Platon an den bürgerlichen und sozialen Tugenden kein besonderes Interesse hat. Dies hängt damit zusammen, dass ihn das Leben des Menschen im Zuge seiner spezifischen Transzendenzausrichtung wenig interessiert. Auch das gesellschaftliche und politische Handeln des Menschen ist für ihn als etwas nur Vorläufiges und Uneigentliches etwas zu Überwindendes. Eckhart akzentuiert hier etwas anders. Zum Aspekt der Reinigung bei Plotin s. bes. Trouillard, J.: La Purification Plotinienne. Paris 1955. Für die henosis bedarf es der katharsis, der Verinnerlichung, der intellektuellen Anstrengung und auch des Wartens. Übung ist hilfreich, da sich durch sie die Kraft zum Aufstieg vergrößert. Bei Plotin findet sich im Verbund von Verinnerlichung, philosophisch-denkerischer Anstrengung, Reinigung und geduldigem Warten (als Einschränkung des Selbsterlösungsmomentes) auf die sich angesichts dieser Vorbereitungen der Möglichkeit nach augenblickshaft ereignende mystische unio, ein Konnex, der trotz mancher Akzentverschiebungen in allen Ausprägungen abendländischer `intellektueller Aufstiegsmystik´ anzutreffen ist. Es geht darum, den inneren Aufstieg zu vollziehen, indem man sich vom Sinnlichen und Körperlichen löst, sich nach innen wendet und im Inneren emporsteigt, und zwar so weit, bis man durch mühsame intellektuelle Betätigung transzendierend und abstraktiv-reduktiv alle Andersheit bis hin zur letzten Zweiheit von Subjekt und Objekt als die Grenze der Möglichkeiten des Denkens in Ablegung jeglicher Andersheit überwindet und übersteigt, bis es, nach einer unbestimmten Zeit des Wartens in reiner Empfänglichkeit, augenblickshaft unverfügbar dazu kommt, das Göttliche zu tangieren und sich in der unio mystica mit ihm zu vereinigen.
[clvii] Theiler hat Plotin, auch mit Blick auf das weit gehende Fehlen des Sokratischen in seiner Philosophie, als einen „Plato dimidiatus“ bezeichnet (Les Sources de Plotin. Entretiens sur l’ Antiquité classique. Tome 5. Dix exposés et discussions par E. R. Dodds, W. Theiler, P. Hadot, H.-C. Puech, H. Dörrie, V. Cilento, R. Harder, H.-R. Schwyzer, A. H. Armstrong, P. Henry, Vandoeuvres 21.-29.8. 1957. Genève 1960: 67).
[clviii] Der Philosoph soll nach Plotin, der religiös monistisch-henozentrisch ausgerichtet ist, aus der Welt fliehen: I 6, 8; vgl. VI 9, 7, 29-31; VI 9, 9, 23f.; VI 9, 11, 51. Die Zuwendung des Menschen zum Einen im inneren Aufstieg hat den Charakter der Flucht: s. III 4, 2, 12 (pheugein dei pros to ano). Auch wenn interpretatorisch die Kontexte der Aussagen zu berücksichtigen ist, zeigt sich hier doch deutlich das `Weltfluchtmotiv´. Durch Eckhart wird dieses dann wieder deutlich eingegrenzt. S. später.
Plotin geht es in Differenz zu Platon um die Betrachtung des (Über-) Guten-Einen, darum, dass die Seele das Eine berührt (zur Berührung des Einen als Ziel der Seele s. e.g. V 3, 17, 34; zum inneren Weg der Seele zu sich selbst als Weg zum `Allerheiligsten´ s. e.g. I 6, 7, 6f.; V 1, 6, 13; VI 9, 11, 18). Dies intendiert er ebenso wie die Hinführung anderer zu dieser Schau. Akzentuiert lässt sich sagen, dass sich für ihn die Bedeutung der `Schau´ in der Schau selbst erschöpft. Sie geht nicht auf Realisation des Guten in der Welt der sinnenfälligen Erfahrung. Zur universalen Relevanz der Kontemplation bei Plotin s. III 8.
Die Kontemplation hat bei Plotin geradezu umfassende Bedeutung, wenn er davon ausgeht, dass alles, was vom Einen ausgeht, innerhalb der hypostatischen Ordnung und auch im sinnlichen Kosmos kontempliert und zeugt, und, während es (mit Ausnahme der Materie) einerseits ein `Bild´ von sich selbst aus sich hervorbringt, andererseits simultan nach `oben´ zu dem strebt, dessen `Bild´ es selbst ist. Da das Handeln in der Erfahrungswelt bei Plotin gegenüber der Kontemplation überhaupt ungünstig beurteilt wird (s. e.g. I 5, 10, 21; III 8, 4, 31f.; III 8, 4, 46f.; V 3, 6, 35; V 9, 1, 13; VI 8, 4, 8), fehlen bei ihm auch handlungstheoretische Aspekte sehr weit gehend. Denn Handeln und Tun sind für Plotin lediglich bedeutsam als Hinführung oder Ermöglichung des Eigentlichen, nämlich der anschauenden Versenkung in das Übersinnliche und für die vergöttlichende (s. bes. I 6, 9, 31-34; I 2, 1-3; I 2, 6, 3; I 2, 7, 24-30; I 3, 1) und (selbst-) erlösende (s. e.g. I 6, 8, 21-27; III 2, 9, 8-13) Einswerdung mit dem Göttlichen. Pointiert gesagt geht für Plotin das Transzendieren zum Einen-Guten auf eine der Intention nach bleibende Abwendung von der Erfahrungswelt, von der sich der Mensch selbst zu erlösen hat, indem er sich selbst vergöttlicht durch Anähnlichung an das Göttliche bis zur mystischen Einung. Diese Anähnlichung an das Göttliche kann nur alleine geschehen. Für Platon-Sokrates hingegen erfüllt sich die Transzendenzbewegung darin, dass sich das Gute erfahrungsweltlich `in der Höhle´, d.h. im Leben des Menschen und der Gemeinschaft, in der er zu leben hat, realisiert, soweit dies möglich ist. Zudem ist für Platon die personal-dialogische Bezogenheit für die sokratische Transzendenzbewegung wesentlich. Zwar kann das sokratische Problemwissen bei Sokrates-Platon nur erworben werden durch eigene Anstrengung. Jeder muss es für sich in eigener Anstrengung erwerben. Dieser Erwerb steht aber dennoch in Verwiesenheit auf das dialogische Gegenüber. Der Erwerb des höchsten Wissens bei Plotin, nämlich der henotischen Erfahrungserkenntnis des Einen-Guten hingegen wird erworben im Rückzug von den anderen und in der `Flucht des Einsamen zum Einsamen´ (vgl. VI 9, 11, 51).
Der sokratisch-platonische `Aufstieg´ erfolgt im Unterschied dazu in der dialogischen Bezogenheit auf das personale Gegenüber, auf den Gesprächspartner, im dialogisch-suchenden Bezug. Zudem sollen auch diejenigen Menschen, die nicht imstande sind, in eigener Person philosophierend den Aufstieg zu vollziehen, des Guten bzw. des Nutzens, den der Aufstieg mit sich bringt, teilhaftig werden. Bei Plotin taucht ein derartiges Moment nur auf, wo er andere `erwecken´ will (und evtl. in seinem Versuch, die Stadt Platonopolis zu gründen). Während Platon darauf zielt, den Menschen zu befähigen, ein möglichst gutes Leben in Gemeinschaft mit anderen Menschen zu führen, geht es bei Plotin letztlich darum, dieses hinter sich zu lassen, sich aus ihm so weit wie möglich zurückzuziehen, um das Leben der `Götter´ zu führen, vgl. I 2, 7, 24-30.
Plotins Weg zum Glück bzw. zur Glückseligkeit ist – ähnlich wie später der Augustins – als wirklichkeitseskapistischer Weg verschieden vom sokratischen Weg. Wer die Wirklichkeit als `Ausfluss´ des sich als jenseits alles Seienden jeder sprachlichen Vermittlung entziehenden und nur erfahrbaren, nicht aber eigentlich verstehbaren Einen begreift, weil er infolge der Realisation des rational-mystischen Aufstieges die Erfahrung der henosis mit dem vollkommen Einen gemacht hat, hat höchstes Glück erfahren, verbunden mit alle menschliche Verunsicherung und auch alle Unsicherheit des menschlichen Denkens überwindender Gewissheit. Das Unnennbare, Unbestimmbare und Undenkbare, mit den Mitteln des Verstandes und der Vernunft allein Unverstehbare, in dem alles Seiende und auch der Mensch als Teil gründet, wird in der ultimativen Schau bzw. henosis beseligend, bergend und beruhigend erfahren. Der Mensch kann sich zu dem, was alle menschliche Verzweiflung und Verlorenheit `im Grunde´ heilt und als Erfahrung der absolut zuverlässigen Quelle seiner Glückseligkeit intellektuelle Geborgenheit wie überdies auch emotionale Beruhigung bewirkt, selbst auf den Weg machen und er hat es auch zu tun.
Zur möglichen Anknüpfung des Weltflucht motivs an Platon s. Theait 176af.; s. auch Theait. 148c. Es ist hier auch daran zu denken, dass die `Philosophenkönige´ der Politeia zur Rückkehr in die `Höhle´ verpflichtet sind. In einer bestimmten Lesart können in diesem Zusammenhang auch Phaidon, Phaidros und Symposion genannt werden. Anders als für Platon kann man bei Plotin von einer sehr starken Tendenz zur Verinnerlichung und von einer wirklichkeitsflüchtigen Jenseitsbezogenheit sprechen, pointiert gesagt, von einer zwar philosophisch-denkenden, aber religiös getragenen und bestimmten, Jenseitssüchtigkeit, die Erlösung vom Erdenlos sucht, und von einem Ideal mystischer Entweltlichung. Hier besteht eine wichtige Differenz zu Eckhart. Plotin geht es um Erlösung vom irdischen, leiblich-zeitlichen Dasein und um Endzeitlichung des Menschen im inneren Rück- und Überstieg bis zur Einung, mithin um Überwindung der Endlichkeit, während es Sokrates-Platon darauf ankommt, dem Menschen in seiner Geschichtlichkeit und Endlichkeit gerecht zu werden im Sinne der Verwirklung des Guten in diesem Dasein. S. bes. III 2 und III 3. (Zur Frage, warum die Seele in die Leibeswelt abgestiegen ist und zur Freiwilligkeit bzw. Notwendigkeit dieses Abstieges: e.g. IV 8 (bes. IV 8, 2, 5f.; VI 8, 3, 27-30; IV 8, 4, 10-21 et passim; IV 8, 5, 8-11; IV 8, 5, 26-37 et passim; IV 8, 6, 6f; IV 8, 7, 2-4; IV 8, 7, 17-26 et passim); vgl. IV 3, 13, 17; V 1, 1, 5; V 2, 1, 25-27.)
Folglich stößt man, ganz in Differenz zu Platon, in Plotins Enneaden nicht auf eine politische Philosophie. Dies schließt eine politische Bereitschaft Plotins nicht aus, wie sie sich im Zusammenhang seines Versuches, die Stadt Platonopolis zu gründen, geäußert haben dürfte, auch wenn das Politische nicht in der `Stoßrichtung´ seiner Philosophie liegt. Weitere Gründe für die Nichtpräsenz des (im direkten Sinne) Politischen in den Enneaden dürften die Unüberschaubarkeit und Ausmaße der politischen Gebilde der damaligen Zeit sein, die Aussichtslosigkeit auf Einflussnahme auf sie von seiten der Vertreter der Philosophie und die Gefährlichkeit derartiger Ambitionen. Es lag schon von daher fern, das Politische theoretisch-philosophisch zu erörtern.
Plotin interpretiert den Aufstieg als erlösenden Aufstieg im Sinne umkehrender Rückkehr der aus der absoluten Einheit heraus-`gefallenen´ Seele in die ursprüngliche Heimat, nach der sie sich als ausgestoßene, im irdischen Erdendasein verloren umherirrend, zurücksehnt (vgl. Augustin!). Die menschliche Seele kann im denkend-rückkehrenden Aufstieg aus eigener Kraft schließlich ihre Erlösung in der mystischen henosis finden.
Dazu, inwiefern das „urplatonische Denkmotiv des Aufstiegs“ bei Plotin „eine neue Gestalt an[nimmt; R.M.]“, s. auch Gadamer, H. G.: Denken als Erlösung. Plotin zwischen Plato und Augustin, in: ders.: Gesammelte Werke 7: Griechische Philosophie III: Plato im Dialog. Tübingen 1991: 416f.. Plotin denkt überhaupt das ganze Sein als rückkehrendes. Gadamer (ebenda: 417): “Alles Seiende ist in der Rückkehr. Die plotinische Metaphysik ist eine Lehre vom Sein als dem Rückkehrenden, das auf seinen Ursprung zurückgewandt ist. Man hört die Sprache der christlichen Mystik. Man erinnert sich des Satzes von Meister Eckhart: „Warum gehet ihr aus? – Um heimzufinden.“.“ Plotin war, wie Gadamer feststellt, „ein religiöser Mensch und ein wirklicher Denker“ (Gadamer; H. G.: Denken als Erlösung. Plotin zwischen Plato und Augustin, in: ders.: Gesammelte Werke 7: Griechische Philosophie III: Plato im Dialog, Tübingen 1991: 413.) Allerdings, so ist hinzuzufügen, war er kein sokratisch-skeptischer Denker. Die vorliegende Abhandlung, die speziell vom Blickpunkt des sokratischen Problemwissens geleitet ist, gelangt hinsichtlich der Bewertung des Verhältnisses von Philosophieren Platon s, wie es seine Dialoge präsentieren, und der Philosophie Plotins, zu etwas anderen Resultaten als Gadamer, der zu erkennen glaubt, „daß es nicht eine künstliche Umdeutung oder Verzerrung war, die den spätantiken Denker Plotin in Plato sein geistiges wie sein religiöses Vorbild erblicken ließ.“ (Gadamer, H.G.: Denken als Erlösung. Plotin zwischen Plato und Augustin, in: ders.: Gesammelte Werke 7: Griechische Philosophie III: Plato im Dialog. Tübingen 1991: 412.)
[clix] Skepsis ist bei Plotin als solche und in ihrer Funktion aus der Perspektive sokratischer Skepsis stark eingeschränkt. So hat die (akademische) Skepsis z.B. eine Funktion zu erfüllen gegenüber sensualistischen Erkenntniskonzeptionen, s. e.g. V 5, 1, 12-19.
[clx] Da Plotin im Folgenden unter sokratisch-platonischem Maßstab vorwiegend negativ-kritisch beurteilt wird, sei hier extra betont, dass das wissende Nichtwissen um das absolute Eine als Kernpunkt der plotinschen Philosophie diese Philosophie des konsequenten epekeina des Absoluten immerhin bewahrt vor einem Abgleiten in den exaltiert-überdrehten Anspruch auf wirkliches, abgeschlossenes, vollendetes und so unübertreffbares metaphysisches Wissen bzw. auf im dialektischen Durchgang erlangte systematische und unfehlbare positiv-metaphysische Vernunft erkenntnis des Absoluten (verstanden als Selbst erkenntnis des Absoluten), wie es für Hegel und seine Philosophie kennzeichnend ist. Das Absolute, das ja gerade dasjenige ist, um das sich Plotin mit seinem Philosophieren bemüht, ist nicht per Vernunfterkenntnis habbar! Für Beierwaltes ist dies der Grund dafür, dem Denken Plotins einen „durchaus antidogmatischen Grundzug“ zuzuerkennen. Er stellt fest: „Die Überzeugung, daß das Eine selbst als Ziel des Denkens nicht unmittelbar und affirmativ begreif- oder wißbar sein kann, sondern eher als durch Negationen ausgrenzbar gedacht werden muß, verleiht diesem Denken einen durchaus antidogmatischen Grundzug.“ (Beierwaltes, W.: Selbsterkenntnis als sokratischer Impuls im neuplatonischen Denken, in: Herbert Kessler (Hrsg.): Sokrates. Geschichte, Legende, Spiegelungen, in: Sokrates-Studien; 2 (Die Graue Edition), Kusterdingen 1995: 98.) Aus sokratisch-platonischer Perspektive erscheint dies als Übertreibung. Jedenfalls aber liegt in dem, worauf Beierwaltes verweist, eines der `restsokratischen´ Momente bei Plotin, das einem falschen Dogmatismus hinsichtlich des Wissens des Absoluten wehren kann, aber stets in Gefahr steht, auch als solches vollends `eliminiert´ zu werden!
[clxi] Es ist eine strittige Frage, ob das übergeistige Sehen des Geistes bereits die mystische unio mit dem Einen ist oder lediglich dessen Vorstufe: s. z.B. III 8, 9, 32; V 5, 8, 22f.; VI 7, 35, 23-27. Zum Problem s. e.g.: O’Daly, G. J. P.: Plotinus’ Philosophy of the Self. Dublin 1981: 86f.; Bussanich, J.: The One and its Relation to Intellect in Plotinus. Leiden 1988: 145-148.
[clxii] Vgl. z.B. V 8, 4, 48-51; V 8, 5, 20f.; V 8, 6, 1-12; V 5, 2, 13-24; V 8, 7, 40-44. Zur Besonderheit des geistigen Erkennens und seines Erwerbs s. auch V 5, 2.
[clxiii] Diese ist schon gar nicht bloß subjektivistisch-gnoseologisch zu fassen.
[clxiv] Skepsis und Kritik beziehen sich nur noch auf die im dargelegten Sinne zu verstehenden Sag-, Erkenn-, Denk- und Bestimmbarkeit des reinen Einen.
[clxv] Vgl. dagegen das anhairein tas hypotheseis des 4. Linienabschnittes im Liniengleichnis beim Sokrates des Politeia -Gespräches.
[clxvi] Diese ist als henosis die unsagbare Positionalitätserfahrung hinsichtlich des absoluten Einen.
[clxvii] Vgl. e.g. VI 9, 5, 24-34.
[clxviii] Es ginge um Einheitsproblemqualifizierung.
[clxix] Um wiederum auf die Arbeit Halfwassen s (1992) Bezug zu nehmen: Unter dem Aspekt der Essentialität des sokratisch qualifizierten Problemwissens für das Philosophieren Platon s hat Halfwassen Unrecht, wenn er schreibt (184): „[...] es [i.e.: das Selbstverständnis Plotins] wird ferner durch die neuere Platon-Forschung grundsätzlich durchaus bestätigt [...]“. Denn die `neuere Platonforschung´, auf die Halfwassen rekurriert, berücksichtigt gerade diesen Aspekt nicht. Bei der Literatur, auf die sich Halfwassen bezieht, handelt es sich besonders um: Theiler, W.: Einheit und unbegrenzte Zweiheit von Platon bis Plotin, in: Isonomia. Berlin 1964: 89-109; Theiler, W.: Die Vorbereitung des Neuplatonismus. Berlin 1930 (ND. 1964); Volkmann-Schluck, K. H.: Plotin als Interpret der Ontologie Platos. 1941, 3. Aufl. Frankfurt/M. 1966; Armstrong, A. H.: The architecture of the intelligible universe in the philosophy of Plotinus. Cambridge 1940 (ND. 1967); Dodds, E. R.: The Parmenides of Plato and the origin of the Neoplatonisch `One´, in: CQ 22 / 1928: 129-142; Dodds, E. R.: Proclus. The Elements of Theology. A revised text with translation, introduction and commentary. Oxford 1933 (2. Aufl. 1963); Vogel, C. J. de: On the Neoplatonic Character of Platonism and the Platonic Character of Neoplatonism, in: Mind 62 / 1953: 43-64; Vogel, C. J. de: A la recherche des étapes précises entre Platon et le Néoplatonisme, in: Mnemosyne IV 7 / 1954: 111-122; Vogel, C. J. de: La théorie de l‘ apeiron [hier: Transkription, orig.: griech.; R. M.] chez Platon et dans la tradtion platonicienne, in: RPh 84 / 1959: 21-39; Rist, J. M.: Plotinus. The Road to Reality. Cambridge 1967; Rist, J. M.: The Indefinite Dyad and Intelligible Matter in Plotinus, in: CQ 56 / 1962: 99-107; Krämer, H. J.: Der Ursprung der Geistmetaphysik. Untersuchungen zur Geschichte des Platonismus zwischen Platon und Plotin. Amsterdam 1964, 2. Aufl. 1967; Dillon, J. M.: The Middle Platonists. A Study of Platonism 80 B.C. to A.D. 220. London 1977; Festugière, A.-J.: La Révélation d‘ Hermès Trismégiste. Bd. IV: Le Dieu inconnue et la Gnose. Paris 1954; Zintzen, C. (Hrsg.): Die Philosophie des Neuplatonismus, in: Wege der Forschung; 436. Darmstadt 1977; Zintzen, C. (Hrsg.): Der Mittelplatonismus, in: Wege der Forschung; 70. Darmstadt 1981; Burkert, W.: Weisheit und Wissenschaft. Studien zu Pythagoras, Philolaos und Platon. Nürnberg 1962 (erw. engl. Ausg. Cambridge Mass. 1972); Merlan, Ph.: From Platonism to Neoplatonism. Den Haag 1953, 3. Aufl. 1968; Szlezák, T. A.: Platon und Aristoteles in der Nuslehre Plotins. Basel – Stuttgart 1979. (Vgl. Halfwassen: 1992: 17f. (Anm. 30)) S. außerdem auch: Krämer, H. J.: Arete bei Platon und Aristoteles. Zum Wesen und zur Geschichte der platonischen Ontologie, Heidelberg 1959, 2. Aufl. Amsterdam 1967; Gaiser, K.: Platons ungeschriebene Lehre. Studien zur systematischen und geschichtlichen Begründung der Wissenschaften in der Platonischen Schule, Stuttgart 1963, 2. Aufl. 1968; Gadamer, H. G. / Schadewaldt, W. (Hrsg.): Idee und Zahl. Studien zur platonischen Philosophie. Heidelberg 1968; Les Sources de Plotin. Dix Exposés et Discussions par E.R. Dodds, W. Theiler, P. Hadot, H.-C. Puech, H. Dörrie, V. Cilento, R. Harder, H.R. Schwyzer, A.H. Armstrong, P. Henry. Entretiens sur l‘ antiquité classique V. Vandoeuvres – Genève 1960; Wippern. J. (Hrsg.): Das Problem der ungeschriebenen Lehre Platons. Beiträge zum Verständnis der Platonischen Prinzipienphilosophie, in: Wege der Forschung; 186. Darmstadt 1972; Findlay, J. N.: Plato. The Written and Unwritten Doctrines. London 1974; Krämer, H. J.: Platone e i fondamenti della metafisica. Mailand 1982, 3. Aufl. 1989; Vogel, C. J. de: Rethinking Plato and Platonism. Leiden 1986; Halfwassen, J.: Monismus und Dualismus in Platons Prinzipienlehre, in: Bochumer Philosophisches Jahrbuch für Antike und Mittelalter 2 / 1997: 1-21; Reale, G.: Zur einer neuen Intepretation Platons. Paderborn u.a. 1993 (2. Aufl. 2000; ital. Orig. EA 1989 (20. Aufl. 1997)); Schefer, C.: Platons unsagbare Erfahrung. Ein anderer Zugang zu Platon, in: Schweiz. Beitr. z. Altertumswiss.; 27. Basel 2001.
Wie im Prinzip ausnahmslos die von Halfwassen selbst angeführte Literatur, auf die er sich bei seinem Versuch, „die Frage nach dem Verhältnis der Philosophie Plotins zu Platon für die Metaphysik des absoluten Einen zu beantworten, indem sie [i.e.: die Abhandlung Halfwassens] diese auf Platon selbst zurückführt“ (Halfwassen: 1992: 17) bezieht, die als solche durchaus sehr verdienstvoll ist, unterliegt auch Halfwassen demselben dogmatisch-lehrhaften (Miss-) Verständnis des Philosophierens Platon s wie Plotin. Dieses Missverstehen beginnt bereits (spätestens) bei Platons Nachfolger in der Leitung der Akademie Speusipp (man denke aber auch an die Platonauffassung des Aristoteles). Die Metaphysik des Einen hat zwar ihren Ursprung im Philosophieren Platons, sie ist aber unter dem Aspekt der Essentialität des sokratischen Problemwissens für Platon eben nicht in genau dem Sinne, wie die vorherrschende (Neu-) Platonismusforschung (und besonders prägnant Halfwassen selbst) anzunehmen tendiert, „gerade kein neuer, sondern wirklich ein erneuerter – also in seiner Substanz genuiner – Platonismus, und das heißt, daß ihr Begründer nicht Plotin, sondern Platon ist.“ (Halfwassen: 1992: 17).
[clxx] `Gnade´ im plotinisch-neuplatonischen Sinne, noch nicht im Sinne des mittelalterlichen christlich-mystischen Gnadenbegriffes verstanden, für den Gnade christlich die gnadenhafte Zuwendung Gottes als Deszendenz Gottes zum Menschen meint. Zu einer derartigen Fehldeutung hinsichtlich des Sich-Ereignens der henosis bei Plotin und im Neuplatonismus neigt J. M. Rist (Rist, J. M.: Mystik und Transzendenz im Neuplatonismus, in: C. Zintzen (Hg.): Die Philosophie des Neuplatonismus, Wege der Forschung Bd 436, Darmstadt 1977: 373-390 (s. 375. 381. 389)). Als Fehlverständnis sieht dies auch Kremer: Kremer, K.: Plotin. Seele – Geist – Eines. Enneade IV 8, V 4, V 1, V 6 und V 3. Einleitung, Bemerkungen zu Text und Übersetzung und bibliographische Hinweise. Hamburg 1990: 170f..
[clxxi] Dem Verständnis des Einheits-Erfahrenen nach handelt es sich um die höchste Form von menschlicher Erfahrung und als philosophischer Erfahrungserkenntnis.
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- Roland Mugerauer, PD Dr. phil. habil. (Author), 2011, Plotin - Neuplatonismus als Entsokratisierung Platons, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/172705
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