„Räume sind nicht, Räume werden gemacht!“ Mit dieser These des Berliner Geographie-Historikers Hans-Dietrich Schultz wurde ein Paradigmenwechsel in der Raumtheorie -im Rahmen der Geopolitik- vorangetrieben. Die Intention dieser Aussage war eine stärkere Fokussierung auf die Auswirkungen von Raum auf soziale Prozesse.
Der Begriff „spatial turn“ entstand ab 1989 im Zuge der aufkommenden „cultural turns“ und wurde ursprünglich von einem Geographen geprägt.
Der Osteuropahistoriker Frithjof Benjamin Schenk hat vor dem Hintergrund der spatial turn-Debatte angeregt, „den Blick auf die Diskussion über mental maps und europäische Geschichtsregionen zu lenken.“ Als „mental map“ versteht Schenk eine
„kognitive Landkarte“, die es ermöglicht, sich gewisse Vorstellungen über eine bestimmte Region zu machen. Die entstehenden „Landkarten“, also mental maps, sind subjektiv und hängen von der jeweiligen individuellen Perspektive ab.
Ausgegangen vom spatial turn und den von Schenk entwickelten mental maps über Russland bzw. Osteuropa, soll in dieser Arbeit der Frage nachgegangen werden, wie im 18. Jahrhundert der „Raum“ Sibirien konstruiert wurde. Vor dieser Zeit, also vor der Aufklärung, waren Vorstellungen über Sibirien überwiegend von Sagen und Mythen geprägt. Als Quellen dienen die Reiseberichte von den deutschen Naturkundlern Johann Georg Gmelin und Peter Simon Pallas. Da es sich um sehr umfangreiche Berichte handelt, kann auf sie im Rahmen dieser Arbeit nicht in vollem Umfang eingegangen werden. Grundlage ist bei Gmelin der zweite Teil seiner Zweiten Kamčatka-Expedition (1735, 1736, 1737), bei Pallas der Zeitraum von 1772 bis zum Januar 1773 seiner 6jährigen „Reise durch verschiedene Provinzen des Russischen Reiches“.
Im ersten Kapitel dieser Arbeit erfolgt ein Blick auf die Erkundungen Sibiriens vor der Aufklärung, damit die Voraussetzungen und die Ausgangslage für die Expeditionen im Zeitalter der Aufklärung deutlich werden. Das zweite Kapitel umfasst eine Untersuchung der Reiseberichte Gmelins und Pallas‘ bezogen auf die Frage, wie der „Raum“ Sibirien in diesen Berichten aufgrund der geographischen Begebenheiten und vor allem aufgrund der beschriebenen, dort lebenden Völker bzw. Stadt- und Dorfbewohner geschaffen bzw. konstruiert wird.
Die Arbeit schließt mit einem Fazit, das die Ergebnisse zusammenfasst und die hier formulierte Fragestellung beantwortet.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1. Die Erforschung Sibiriens - Die Ausgangslage
- 2. Der „Raum“ Sibirien im 18. Jahrhundert - Die Reiseberichte Johann Georg Gmelins und Peter Simon Pallas
- 3. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Konstruktion des „Raumes“ Sibirien im 18. Jahrhundert anhand ausgewählter Reiseberichte. Ausgehend vom „spatial turn“ und dem Konzept der „mental maps“ wird analysiert, wie geographische Gegebenheiten und die Darstellung der dort lebenden Bevölkerung die Wahrnehmung Sibiriens prägten. Die Arbeit beleuchtet die Entwicklung der Vorstellungen von Sibirien vor und während der Aufklärung.
- Der „spatial turn“ und seine Relevanz für die Geschichtswissenschaft
- Das Konzept der „mental maps“ und die Konstruktion geographischer Räume
- Die Erforschung Sibiriens vor und während der Aufklärung
- Analyse der Reiseberichte von Johann Georg Gmelin und Peter Simon Pallas
- Die Darstellung Sibiriens und seiner Bevölkerung in den Reiseberichten
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik des „spatial turn“ ein und erläutert dessen Bedeutung für die Raumtheorie. Sie stellt das Konzept der „mental maps“ vor und begründet die Wahl Sibiriens als Untersuchungsgegenstand im 18. Jahrhundert. Die Arbeit kündigt die Analyse der Reiseberichte von Gmelin und Pallas an, um die Konstruktion des „Raumes“ Sibirien zu untersuchen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Arbeit: Die Konstruktion des „Raumes“ Sibirien im 18. Jahrhundert
Was ist das Thema der Arbeit?
Die Arbeit untersucht, wie der „Raum“ Sibirien im 18. Jahrhundert konstruiert wurde. Sie analysiert ausgewählte Reiseberichte, um zu verstehen, wie geographische Gegebenheiten und die Darstellung der dortigen Bevölkerung die Wahrnehmung Sibiriens prägten.
Welche theoretischen Konzepte werden verwendet?
Die Arbeit basiert auf dem „spatial turn“ und dem Konzept der „mental maps“. Der „spatial turn“ betont die Bedeutung von Raum für historische Prozesse, während „mental maps“ die subjektive Wahrnehmung und Konstruktion von Räumen beschreibt.
Welche Reiseberichte werden analysiert?
Die Arbeit konzentriert sich auf die Reiseberichte von Johann Georg Gmelin und Peter Simon Pallas aus dem 18. Jahrhundert. Diese werden im Kontext früherer Berichte, wie denen von Hans Schiltberger und Siegmund von Herberstein, betrachtet.
Welche Epochen werden betrachtet?
Die Arbeit beleuchtet die Entwicklung der Vorstellungen von Sibirien vor und während der Aufklärung, angefangen von frühen Berichten aus dem 15. Jahrhundert bis hin zu den systematischen Erforschungen im 18. Jahrhundert.
Was ist die Zielsetzung der Arbeit?
Die Arbeit zielt darauf ab, die Entwicklung der Wahrnehmung Sibiriens im 18. Jahrhundert zu verstehen und aufzuzeigen, wie diese Wahrnehmung durch Reiseberichte und die Interpretation geographischer und sozialer Gegebenheiten geprägt wurde.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel über die Erforschung Sibiriens als Ausgangslage, ein Kapitel zur Analyse der Reiseberichte von Gmelin und Pallas und ein Fazit.
Was wird in der Einleitung behandelt?
Die Einleitung führt in die Thematik des „spatial turn“ und der „mental maps“ ein. Sie begründet die Wahl Sibiriens als Untersuchungsgegenstand und kündigt die Analyse der Reiseberichte von Gmelin und Pallas an.
Worum geht es im Kapitel „Die Erforschung Sibiriens – Die Ausgangslage“?
Dieses Kapitel beleuchtet frühe Reiseberichte über Sibirien (z.B. Schiltberger, Herberstein) und analysiert die bestehenden Vorstellungen über Sibirien vor der systematischen Erforschung im 18. Jahrhundert. Es schafft den Kontext für die Analyse der Reiseberichte aus der Aufklärung.
- Quote paper
- B. A. Sören Lindner (Author), 2011, Die "Mental Map" Russland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/171125