Wieviel Schuld trägt der Mensch - im Fall der vorliegenden Untersuchung speziell der Xerxes` des Aischylos - an seinen Handlungen und deren Konsequenzen? Während der moderne Mensch aus Gründen der Gesellschaftsraison mehr Verantwortung tragen muß als er möglicherweise kann, ist diese Frage aus antiker Sicht, so scheint es, sehr viel offener.
Diese universelle Frage soll in der vorliegenden Untersuchung im Sinne der Zeitgenossen des Aischylos betrachtet werden, das heißt, daß „DIE PERSER“ hier nicht als Beitrag zum generellen Prozeß der menschlichen Selbster-kenntnis, sondern als Mittel zum Verständnis antiker Vorstellungen dienen werden.
Um jedoch von einer Frage von moralischem Charakter zu einer von histo-risch-analytischem zu gelangen, muß, statt von Schuld, von Verantwortung die Rede sein, da dieser Terminus die Ursächlichkeit von Konsequenzen in den Handlungen eines klar definierbaren Subjekts hervorhebt. Ein modernes populäres Antikenbild, wie es etwa die oben zitierte Autorin vertritt, soll damit kritisch hinterfragt werden.
Als Analyseinstrument dient der Untersuchung eine Synthese der vorzustel-lenden Thesen von Rosenbloom und Schmitt zur griechischen Tragödie im Allgemeinen und zu „DIE PERSER“ von Aischylos im Speziellen. Es wird eine Aufgabe dieser Arbeit sein, die stückimmanenten Entscheidungsspiel-räume Xerxes‘ auszuloten, um zu klären inwieweit Aischylos dem Perser-könig Schuld, bzw. Verantwortung zuschreibt.
Zusammenfassend gesagt, soll die vorliegende Untersuchung also zwei konkrete Fragen klären, nämlich erstens, ob Xerxes im Sinne Rosenblooms als Personifikation eines historischen Zustandes gelten kann und zweitens inwieweit ihm in „DIE PERSER“ als Verkörperung dieses Zustandes Ent-scheidungsspielräume gegeben sind, das heißt ob er Schuld bzw. Verant-wortung am eigenen Verderben trägt. Zunächst aber soll ein kurzer Über-blick über Stand und Probleme der Forschung zur Person des Xerxes und zum griechischen Perserbild gegeben werden. Weitere für diese Arbeit wichtige Fragestellungen und Phänomene werden im Verlauf exkursorisch erörtert.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Einschätzung des Forschungsstandes zu Xerxes und den Persern
- Xerxes in der Forschung
- Das Perserbild der Griechen
- Die griechische Tragödie und die Perser
- Eine Einordnung
- Hybris - ein Exkurs
- Xerxes - ein Verhandlungsfall
- Verantwortung in der griechischen Tragödie
- Vermessenheit und Übermaß – Motive als Indizien
- Xerxes als Warnung an Athen?
- Xerxes und Verantwortung – Versuch eines Herleitens
- Herodot als Folie
- Exkurs zur Glaubwürdigkeit Herodots
- Xerxes zwischen Herodot und Aischylos - Ein Vergleich
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Untersuchung widmet sich der Frage nach der Verantwortung des Xerxes in Aischylos' Tragödie „Die Perser“. Im Zentrum steht die Analyse, ob Xerxes in der antiken Vorstellungswelt für seine Handlungen und deren Folgen verantwortlich gemacht werden kann und inwieweit Aischylos ihm Entscheidungsspielräume zugesteht. Die Untersuchung analysiert das Werk im Kontext der antiken Konzepte von Verantwortung und Hybris, die im Spannungsfeld zur modernen Rechtskonstruktion der Schuldfähigkeit stehen.
- Analyse von Xerxes' Rolle in „Die Perser“ im Hinblick auf die antiken Vorstellungen von Verantwortung und Hybris
- Untersuchung der Entscheidungsspielräume, die Aischylos Xerxes in der Tragödie zugesteht
- Gegenüberstellung der antiken Vorstellung von prädestinierender Einmischung höherer Mächte mit der modernen Vorstellung der Schuldfähigkeit des Individuums
- Kritik an einem modernen populären Antikenbild, das antike Helden als schicksalsgebunden und schuldunfähig darstellt
- Interpretation von „Die Perser“ als Beitrag zum Verständnis antiker Vorstellungen von Verantwortung und menschlicher Handlungsfreiheit
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik der Untersuchung ein, die sich mit der Frage nach der Verantwortung des Xerxes in Aischylos' „Die Perser“ beschäftigt. Sie beleuchtet den aktuellen Forschungsstand und die Rezeption des Dramas sowie die Problematik der Unterscheidung zwischen moderner und antiker Verantwortungsethik.
- Einschätzung des Forschungsstandes zu Xerxes und den Persern: Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die Forschungsgeschichte zum Perserkönig Xerxes und dem Perserbild der Griechen. Es analysiert kritisch die verfügbaren Quellen und die vorherrschende Interpretation Xerxes' als unwürdigen Nachfolger seines Vaters, geprägt von Fanatismus und Schwäche.
- Die griechische Tragödie und die Perser: Dieses Kapitel setzt sich mit den Grundzügen der griechischen Tragödie und ihrem Verhältnis zu den Persern auseinander. Es beleuchtet die Rolle des Hybris-Motivs in der Tragödie und analysiert die Bedeutung der Perser als Gegenbild zur griechischen Kultur.
- Xerxes - ein Verhandlungsfall: Dieses Kapitel widmet sich der Analyse der Rolle des Xerxes in „Die Perser“. Es untersucht, inwieweit Aischylos dem Perserkönig Verantwortung für seine Handlungen zuschreibt und welche Entscheidungsspielräume ihm in der Tragödie gegeben sind. Des Weiteren wird die Frage nach der Schuld- und Verantwortungsfrage in der griechischen Tragödie im Allgemeinen beleuchtet.
- Herodot als Folie: Dieses Kapitel analysiert Herodot's Darstellung des Xerxes im Kontext der Tragödie "Die Perser". Es untersucht die Glaubwürdigkeit Herodots als Quelle und stellt den Vergleich zwischen der Perspektive Herodots und Aischylos' auf Xerxes' Persönlichkeit und Handlungsweise an.
Schlüsselwörter
Die Untersuchung beschäftigt sich mit zentralen Themen wie Verantwortung und Schuld, Hybris, die griechische Tragödie, "Die Perser" von Aischylos, die Perser in der antiken griechischen Literatur, die Figur des Xerxes, das Verhältnis zwischen Antike und Moderne, sowie die Rezeption des Antikenbildes in der modernen Welt.
- Quote paper
- Ullrich Müller (Author), 2008, Der Perserkönig - Die Frage nach der Verantwortung des Xerxes für den persischen Fehlschlag in „Die Perser“ des Aischylos, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/170653