Spielfilme erzählen Geschichten, Dokumentarfilme zeigen die Wirklichkeit. Wie viel Wahres steckt (noch) in dieser Unterscheidung und wie sinnvoll und zulässig ist eine solche Grenzziehung überhaupt (noch)?
Filme die, wie Der Baader-Meinhof-Komplex1, vorgeben auf „wahren Begebenheiten“ zu beruhen, (vgl. Kap.3.2 Der „Baader-Meinhof-Komplex“) mussten sich schon immer der Frage nach ihrer Wirklichkeitsnähe stellen, stehen grundsätzlich unter dem Druck der Authentizitätserwartung des Publikums. Während eben dieses früher hauptsächlich ins Kino ging, um der realen Welt zu entfliehen, scheint seit einigen Jahren der Hunger nach Wirklichkeit auf der Leinwand oder dem Fernsehbildschirm immer größer geworden zu sein (vgl. Kap.2.3: Die Droge Wirklichkeit – Das Erfolgskonzept der Chimären).
Doch wird dieser angebliche „Boom“ von Filmen getragen, die das ursprüngliche Ideal des Dokumentarischen, nämlich nichts als die Wirklichkeit abzubilden, verfehlen: Auf etlichen Fernsehsendern geistern Vertreter dieser Gattung – wenn es denn (noch) eine ist – unter verschiedenen Labeln umher: „Doku-Drama“, „Fake-Doku“, „Doku-Soap“, Essayistischer (historischer) Film, dokumentarische Filmerzählung. Die Liste der Begriffe mit denen das Vordringen des Fiktionalen in die dokumentarischen Genres beschrieben wird, ist lang. Und offenbar haben sie einen Zugang zum Massenpublikum gefunden, der dem Dokumentarfilm immer verwehrt war. Ein Anliegen der vorliegenden Arbeit ist es, zu untersuchen, was diese Mischformen so erfolgreich macht. (Kap.2.3: Die Droge Wirklichkeit – Das Erfolgskonzept der Chimären)
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Fiktionalisierung des Dokumentarischen
- Definitions- und Abgrenzungsproblematik
- Wirklichkeit und Wahrheit im Film
- Exkurs zur Geschichte des neuen Dokumentarfilms: Eine neue Ehrlichkeit - Mut zur Subjektivität
- Die Droge Wirklichkeit – Das Erfolgskonzept der Chimären
- Geschichte im Film
- Vergangenheit als Kassenschlager
- Die fiktionale Auseinandersetzung mit (schmerzlichen) historischen Themen
- Der „Baader-Meinhof-Komplex“ - Lehrstück oder reine Unterhaltung?
- Die besondere Schwierigkeit des Stoffes
- Künstlerische Freiheit vs. Persönlichkeitsrecht
- Rechtliche Rahmenbedingungen und praktische Grenzen
- Wie nah kommen Eichinger und Edel wirklich an die Wirklichkeit?
- Kritik und Rechtfertigung
- Fazit zum Film
- Schlussbetrachtung
- Gefahren bei der Fiktionalisierung
- Das Spiel mit der Wirklichkeit – Dokumentarische Verantwortung
- Chancen der unterhaltenden Information
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die Vermischung von Dokumentar- und Spielfilm am Beispiel des Films „Der Baader-Meinhof-Komplex“. Sie untersucht die Frage, ob und inwiefern die Unterscheidung zwischen fiktionalen und non-fiktionalen Arbeiten angesichts des Aufkommens von Mischformen, wie dem dokumentarischen Spielfilm, an Relevanz verliert. Zudem werden die Chancen und Gefahren der filmischen Darstellung von historischen Ereignissen, insbesondere die Darstellung der RAF-Geschichte, beleuchtet.
- Die zunehmende Irrelevanz der Unterscheidung zwischen fiktionalen und non-fiktionalen Filmen
- Die Herausforderungen und Möglichkeiten der filmischen Darstellung historischer Ereignisse
- Die Balance zwischen künstlerischer Freiheit und historischer Authentizität
- Der Einfluss von Dokumentar- und Spielfilm auf das Bild der Wirklichkeit
- Die Bedeutung von Verantwortung und Ethik in der filmischen Gestaltung von Geschichte
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in das Thema der Vermischung von Dokumentar- und Spielfilm. Sie beleuchtet die Definition und Abgrenzungsproblematik beider Genres und untersucht den Einfluss der Geschichte des neuen Dokumentarfilms auf die Entwicklung dieser Mischformen. Im zweiten Kapitel wird die Geschichte im Film genauer betrachtet, insbesondere die fiktionale Auseinandersetzung mit historischen Themen. Das dritte Kapitel widmet sich dem Film „Der Baader-Meinhof-Komplex“ und analysiert die besonderen Herausforderungen, die mit der Darstellung dieses historischen Themas verbunden sind. Die Arbeit untersucht die künstlerische Freiheit, die der Film beansprucht, sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Frage nach der Wirklichkeitsnähe. Abschließend werden die Gefahren und Chancen der filmischen Darstellung des Historischen diskutiert und die Verantwortung der Filmemacher in Bezug auf die Darstellung von Geschichte reflektiert.
Schlüsselwörter
Dokumentarfilm, Spielfilm, Fiktionalisierung, „Der Baader-Meinhof-Komplex“, Geschichte im Film, historische Authentizität, künstlerische Freiheit, Verantwortung, Ethik, Mischformen, Docudrama, Fake-Doku, Doku-Soap.
- Quote paper
- Jill Grigoleit (Author), 2009, Die Vermischung von Dokumentar- und Spielfilm am Beispiel des Films „Der Baader-Meinhof-Komplex“, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/170617