Abstract
Flaggen sind seit der Französischen Revolution immer mehr zu Staatssymbolen geworden. Seither korrespondiert die Hochachtung vor einem Staat eng mit der Ehrung seiner Flagge. In der Weimarer Republik versinnbildlichte die Auseinandersetzung um die Farben der Reichsflagge auch den Streit um die Staatsform. Die schwarz-rot-goldene Flagge war im öffentlichen Bewusstsein eng mit der neuen republikanisch-demokratischen Verfassung verbunden. Die Gegner der neuen Staatsform, die noch der Monarchie nachtrauerten, projizierten ihren Hass daher verstärkt auf die neuen schwarz-rot-goldenen Reichsfarben. Für sie wurde die schwarz-weiß-rote Flagge des Kaiserreiches zum Symbol der „guten alten Zeit“. Die Auseinandersetzung um die schwarz-rot-goldene und die schwarz-weiß-rote Trikolore zog sich wie ein roter Faden durch die gesamte Zeit der Weimarer Republik. Sie wurde zudem unter großer Anteilnahme der Bevölkerung geführt. Die Staatsflagge übte also keine einende und überparteiliche Funktion aus, sondern wirkte vielmehr polarisierend und in den Augen der Republikgegner parteipolitisch aufgeladen. Gleichzeitig war die schwarz-weiß-rote Trikolore für die staatstragenden Schichten zum Inbegriff von Militarismus, Terror und Reaktion geworden, wozu nicht zuletzt deren Verwendung durch die Freikorps beigetragen hatte. Aufgrund der Emotionalität der Debatte blieben Ausgleichsbemühungen in Richtung einer paritätischen Verwendung beider Farbkonstellationen, wie sie die bürgerlichen Reichskabinette Mitte der 1920er Jahre anregten, erfolglos. So begannen, vor allem in der Endphase der Republik, sich die einzelnen Parteien immer stärker mit eigenen Fahnen zu identifizieren, die sie als eine Art Heeresbanner zur gegenseitigen Abgrenzung nutzten. Zu schwarz-rot-gold bekannten sich SPD, Zentrum und DDP, während schwarz-weiß-rot die Farben der DNVP und der DVP waren. Auch die NSDAP bediente sich in ihrer Parteifahne dieser Kombination, allerdings in Form der roten Fahne mit dem schwarzen Hakenkreuz im weißen Kreis. Und die KPD benutzte mit der roten Fahne der Sowjetunion sogar die Staatsflagge eines anderen Landes als Parteifahne.
Die vorliegende Arbeit zeichnet den Diskussionsverlauf des Flaggenstreites im Verlauf der Weimarer Republik nach, wobei sie schwerpunktmäßig die Debatte in der Nationalversammlung und die Hintergründe und Folgen der Flaggenverordnung von 1926, die zum Sturz der Regierung Luther führte, beleuchtet.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Hauptteil
1.) Fahnen- und Flaggensituation in der Weimarer Republik
2.) Die Flaggendebatte in der Nationalversammlung
3.) Der schwarz-weiß-rote Kapp-Putsc
4.) Die Flaggenordnung Eberts
5.) Rechtsextremer Terror und Republikschutzgesetz
6.) Hindenburgs Wahl als Kompromissmöglichkeit
7.) Die Flaggenverordnung Hindenburgs
8.) Der Flaggenstreit zur Zeit der Regierung Marx
9.) Von Schwarz-Rot-Gold zur Hakenkreuzfahne
III. Zusammenfassung
IV. Literaturverzeichnis
V. Quellenverzeichnis
I. Einleitung
Der Begriff „Flagge“ wird vom „Brockhaus“ als „... aus Stoff gefertigtes, meist langrechteckiges Zeichen, um die Zugehörigkeit zu einer Körperschaft, besonders einer Nation, erkennen zu lassen“ definiert. Wenn man aber die geschichtliche Entwicklung von Flaggen betrachtet, so zeigt sich, dass - ausgehend von der Französischen Revolution - Flaggen immer mehr zu Symbolen des sie benutzenden Staates wurden. Diese enge Verknüpfung führt dazu, dass die Hochachtung vor einem Staat mit der Hochachtung vor seiner Nationalflagge korrespondiert.1
Dieses Denkmodell kann helfen, den auf den ersten Blick grotesk anmutenden Streit zu verstehen, der in der Weimarer Republik über die Farben der deutschen Reichsflagge ausgetragen wurde. Eine Auseinandersetzung, die sich wie ein roter Faden durch die gesamte Zeitspanne dieser Epoche zog2 und ein Thema war, dass das Gros der Bevölkerung bewegte und in zwei Lager spaltete: die Befürworter der schwarz-rot- goldenen, bzw. der schwarz-weiß-roten Trikolore, die mit ihrer jeweiligen Präferenz ihr zustimmendes, bzw. ablehnendes Verhältnis zur neuen republikanischen und demokratischen Staatsform ausdrücken wollten.
Die Brisanz dieser Auseinandersetzung wird durch die große Resonanz deutlich, die z.B. die Debatte über den Flaggenartikel der Verfassung in der Nationalversammlung oder die Flaggenverordnung Hindenburgs ausgelöst haben.
Die vorliegende Arbeit möchte den Diskussionsverlauf des Flaggenstreites im Verlauf der Weimarer Republik nachzeichnen und die symbolische Bedeutung der durch die verschiedenen Flaggen und Fahnen verdeutlichten Zerrissenheit der Bevölkerung hervorheben. Schwerpunktmäßig sollen dabei die Flaggendebatte in der Nationalversammlung und die Hintergründe und Folgen der Flaggenverordnung von 1926, die zum Sturz der Regierung Luther führte, beleuchtet werde. Obwohl die Auseinandersetzung um die Reichsfarben eine weitreichende Symbolik für die innere Spaltung des deutschen Volkes in der Zwischenkriegszeit und die Unzufriedenheit von Teilen der Bevölkerung mit der neuen demokratisch- republikanischen Staatsform in sich trägt, ist die Sekundärliteratur zu diesem Thema eher spärlich. Dies wird aber ausgeglichen durch die gute Quellensituation. Die Arbeit stützt sich hierbei vor allem auf die Stenographischen Berichte der Parlamentsdebatten, die edierten Akten der Reichskanzlei, normative Quellen (Gesetzestexte und Verordnungen) sowie zeitgenössische Zeitschriftenartikel.
II. Hauptteil
1.) Fahnen- und Flaggensituation in der Weimarer Republik
Der Artikel 3 der Weimarer Reichsverfassung regelte die offizielle Flaggenordnung der Republik: Schwarz-rot-gold wurden als Reichsfarben festgelegt. Die Handelflagge sollte zwar die Farben schwarz-weiß-rot tragen, allerdings mit einer Gösch in den Nationalfarben, d.h. einem kleinen Randfeld in schwarz-rot-gold.3
Neben der Nationalflagge gab es auch weiterhin die 18 Flaggen der Gliedstaaten und die Flaggen der einzelnen Provinzen sowie diverse kommunale Flaggen. Das Hissen und Zeigen dieser Farben erfolgte z.T. auch, um den Protest gegenüber Schwarz-Rot- Gold auszudrücken. So beschreibt z.B. ein Augenzeuge, dass beim Abzug der französischen Soldaten aus Wiesbaden, am 30. Juni 1930, zwar die Stadt einem Fahnenmeer glich, aber das Schwarz-Weiß Preußens und das Blau-Orange Nassaus gegenüber den Reichsfarben deutlich überwog.4
Neben den offiziellen Flaggen identifizierten sich einzelne Parteien und Gruppierungen teilweise aber auch mit anderen Farben, denen sie eine bestimmte Bedeutung zumaßen. Diese Fahnen, die im folgenden näher differenziert werden sollen, wurden bei Demonstrationsmärschen und Festumzügen von den Mitgliedern getragen oder von Sympathisanten gehisst. Dabei ist zu beachten, dass die Identifikation mit einer bestimmten Farbgebung auch gleichzeitig das Verhältnis zum Gesamtstaat, bzw. zur Verfassung oder republikanisch-parlamentarischen Regierungsform, wiederspiegelte. Einige Parteien und Verbände, wie die Repräsentanten der Weimarer Koalition (SPD, Zentrum und DDP), bekannten sich zu den Reichsfarben Schwarz-Rot-Gold und damit auch zum neuen Staat. Versinnbildlicht wurde dies durch die Bezeichnung des im Februar 1924 als republikanische Schutzorganisation gegründeten „Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold“, das hauptsächlich von Sympathisanten der SPD und der DDP getragen wurde.
Diese Farbzusammenstellung wurde wahrscheinlich ursprünglich durch die Uniform des Lützowschen Jägerkorps während der Befreiungskriege inspiriert, da dessen Angehörige schwarze Uniformen mit roten Aufschlägen und goldenen Knöpfen trugen. Angeblich sollen dies auch die Farben des Alten Reiches gewesen sein, das aber diese Kombination nicht explizit kannte, sondern lediglich die rote Reichssturmfahne und den schwarzen Adler auf silbernen Grund als Kaiserfahne führte. Eine Trikolore aus diesen drei Farben wurde erstmals von den oppositionellen Burschenschaften und der liberalen großdeutschen Einigungsbewegung im Vormärz getragen. Dieser Vorgang kulminierte in der Verwendung dieses Banners in der Revolution von 1848. Folglich verbinden die Sympathisanten von Schwarz-Rot-Gold mit dieser Farbkombination die Ideale eines liberalen Einheitsstaates mit rechtsstaatlicher Verfassung. Einen Staat, für dessen Errichtung man gekämpft hat (sei es 1848 oder 1918/19) und für dessen Erhalt man bereit war zu kämpfen, was z.B. das Lied des „Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold" beweist: Dort hieß es - mit den Worten Ferdinand Freiligraths aus dem Jahre 1848 - „Pulver ist schwarz, ..., Blut ist rot, ..., golden leuchtet die Flamme (bzw. die Sonne)."5
Anhänger der DNVP, der nationalliberalen DVP und des Frontkämpferbundes „Stahlhelm" zeigten eine schwarz-weiß-rote Fahne, die aber im Gegensatz zur verfassungsmäßig garantierten Handelsflagge keine Gösch trug, d.h. die Farben des untergegangenen Kaiserreiches. Auch in den Parteiprogrammen von DNVP und DVP fand sich explizit das Bekenntnis zur Wiederherstellung der alten Reichsfarben.6 Deren Farbzusammenstellung entstand durch eine Kombination der preußischen Landesfarben (schwarz-weiß) und den inoffiziellen Hansefarben (rot-weiß).7 Mit dem Zeigen dieser Farben symbolisierte der Träger seine ablehnende Haltung gegenüber der neuen Staatsform und sein Sehnen nach der alten Ordnung. Charakteristisch hierfür ist die Äußerung eines Zeitzeugen über das politische (nationalliberale) Empfinden seiner Eltern in der Weimarer Republik: „Für meine Eltern ... war ‚Schwarz-Weiß-Rot' das Symbol der deutschen Gleichberechtigung, des industriellen Aufstiegs und des tapferen Kampfes der deutschen Soldaten im Ersten Weltkrieg. ‚Schwarz-Rot-Gold' galt als das Symbol der Niederlage und Erniedrigung, der Erfüllungspolitik, der inneren Unordnung und des ökonomischen Rückgangs."8 Kurz, im Bekenntnis zu Schwarz- Weiß-Rot manifestierte sich für diese Familie - die sicherlich kein Einzelfall war - das Zurücksehnen der verklärten Vorkriegszeit angesichts der Geburtswehen der Weimarer Republik. Ähnliche, sehr anschauliche Beobachtungen nennt auch der Politikwissenschaftler Theodor Eschenburg, der einer freikonservativen bis nationalliberalen Lübecker Patrizierfamilie entstammte, in seinen Jugenderinnerungen. So berichtet er, dass sein Vater kein Wirtshaus oder Geschäft aufsuchte, „das Schwarz-Rot-Gold geflaggt hatte“.9 Und Wolfgang Stresemann, der Sohn des langjährigen Reichsaußenministers und DVP-Vorsitzenden, erzählt von seinem Vater, dass dieser zwar vor dem Krieg durchaus mit der schwarz-rot-goldenen Fahne sympathisierte, in der er eine Anknüpfung an die liberalen Ideale der Revolution von 1848 sah. Dieses „Symbol geschichtsträchtigen Strebens nach Freiheit und Größe des deutschen Vaterlandes, die Farben seines burschenschaftlichen Wirkens“ sei ihm „unlösbar ans Herz gewachsen“ gewesen.10 Einen Flaggenwechsel nach dem verlorenen Krieg habe Stresemann jedoch als Desertion empfunden.11 Auch die KPD lehnte die neue Staatsform ab, da sie ihr nicht revolutionär genug war: Ihre Mitglieder und Anhänger trugen die rote Fahne mit Hammer und Sichel, d.h. die Staatsflagge der Sowjetunion. Hiermit sollte der Wunsch nach der Übernahme der dortigen Staats- und Wirtschaftsform und die Hoffnung auf die proletarische (Welt-) Revolution bekundet werden. Außerdem symbolisierte die Farbe das Bekenntnis zur Tradition der Arbeiterbewegung.12
Rot war auch die Fahne der NSDAP und der völkischen Bewegung, allerdings mit einem weißen Kreis mit schwarzem Hakenkreuz. Möglicherweise lehnte sich diese Bewegung bewusst an die schwarz-weiß-rote Flagge der Kaiserreiches an, um bei rechtsgerichteten bürgerlichen Kreisen Vertrauen zu wecken. Hitler begründete jedenfalls die Farbzusammenstellung 1925 in „Mein Kampf" folgendermaßen: Rot als Symbol des Sozialismus, Weiß für Nationalismus und das schwarze Hakenkreuz als Zeichen der „Mission des Kampfes für den Sieg des arischen Menschen".13
Aber nicht nur bei Demonstrationsveranstaltungen wurde anhand der oben angeführten Fahnen die politische Gesinnung offen gezeigt. Mehrere Zeitzeugen berichten, dass in den unterschiedlichen Badeorten der Nord- und Ostsee die Strandburgen mit schwarz- rot-goldenen oder schwarz-weiß-roten Fähnchen verziert wurden. Sowohl Wolfgang Stresemann als auch Wilhelm Krelle wissen dabei zu berichten, dass die Farben der Republik dabei deutlich in der Minderheit waren.14 Antonius John berichtet für die Sommerferien des Jahres 1930 im Ostseebad Graal-Müritz von folgendem Verhältnis:
„Nahezu die Hälfte schwarzweißrote ‚Feldzeichen', mehr als ein Drittel Hakenkreuzfähnchen. Nur wenige Mutige riskierten, Schwarz-Rot-Gold zu hissen. Die aber mussten befürchten, dass ihnen ihre Wimpel heruntergerissen wurden."15 Diese Zitate verdeutlichen die skeptische Haltung großer Teile der oberen Mittel- und Oberschicht - denn diese Kreise konnten sich in erster Linie einen Urlaub an der See leisten - gegenüber der Republik. Von der Insel Sylt wird sogar berichtet, dass dort die schwarz-rot-goldene Reichsflagge häufig entwendet oder beschädigt wurde. Die örtliche Polizeiverwaltung sah sich deshalb „genötigt, öffentlich auf die ‚politische Neutralität des Strandes‘ hinzuweisen.“16
2.) Die Flaggendebatte in der Nationalversammlung
Wie schon erwähnt, nahm die Bevölkerung durch Zeitungsartikel und Eingaben an die Nationalversammlung regen Anteil an der Diskussion über die Reichsfarben. Der deutschnationale Abgeordnete Wilhelm Laverrenz bezeichnete diesen Aspekt sogar als „die volkstümlichste Frage des ganzen Verfassungswerkes".17 Vor allem zeigte auch die Bevölkerung Deutsch-Österreichs reges Interesse an der Debatte, da dort, so der Gesandte Ludo Hartmann, Schwarz-Weiß-Rot als Farben Kleindeutschlands unpopulär waren, während die Wahl von Schwarz-Rot-Gold als ein Bekenntnis zur Vereinigung von Deutschland und Österreich gewertet wurde, für die sich sowohl die deutsche als auch die österreichische Nationalversammlung aussprachen.18
Am 2. Juli 1919 wurde der die Reichsfarben betreffende Artikel der Reichsverfassung diskutiert, die namentliche Abstimmung erfolgte einen Tag später. Den Abgeordneten lagen drei Anträge zur Flaggenfrage vor.19 Der erste Antrag („Antrag Agnes und Genossen"), der nur von der USPD unterstützt wurde, lautete: „Die Reichsfarbe ist rot. Die Ausgestaltung der Handelsflagge wird durch Reichsgesetz bestimmt." Die Fraktionen der DNVP, der DVP und die Mehrheit der DDP beantragten: „Die Reichsfarben sind schwarz-weiß-rot." („Antrag Dr. Heinze, Arnstadt und Genossen"). Der dritte Antrag, der so genannte „Kompromissantrag Dr. Quarck, Katzenstein, Molkenbuhr, Gröber, Trimborn", der von der MSPD, dem Zentrum und Teilen der DDP unterstützt wurde, lautete: „Die Reichsfarben sind schwarz-rot-gold. Die Handelsflagge ist schwarz-weiß-rot mit einer Gösch in der oberen inneren Ecke." Im ursprünglichen Entwurf von Hugo Preuß (DDP) war die Regelung der Handelsflagge nicht enthalten gewesen, sondern nur das Bekenntnis zu den Farben der Revolution von 1848. Im Verfassungsausschuss wurde der zweite Satz jedoch als Kompromiss angefügt, um wenigstens innerhalb der Koalition eine Mehrheit für die Flaggenneuordnung zu erhalten.20
In der sich anschließenden Debatte legten die einzelnen Fraktionen ihren Standpunkt dar und begründeten ihr Abstimmungsverhalten.
Reichsinnenminister Eduard David (MSPD) sprach für die Reichsregierung. Er sprach sich für den Kompromissantrag aus und argumentierte gegen die beiden anderen Anträge. Dem Antrag der USPD hielt er entgegen, dass die rote Fahne das Banner der Sozialistischen Internationale sei und somit nicht als Nationalflagge tauge. Außerdem sei sie eine Parteifahne. D.h. David erkannte, dass die Identifikation der gesamten Bevölkerung mit diesem Symbol unmöglich erreicht werden konnte. Dieses Argument hielt er auch dem Antrag der Rechten auf Schwarz-Weiß-Rot entgegen, da diese Farben von der Arbeiterschaft als „feindliches Symbol" empfunden würden.21 Außerdem bemerkte er, dass nationalistische und reaktionäre Gruppierungen diese Fahne als „Kampfbanner" gegen Republik und Demokratie benutzten.22 Er warb für das Bekenntnis zu Schwarz-Rot-Gold als Symbol der großdeutschen nationalen Zusammengehörigkeit. Eine Konzession an Schwarz-Weiß-Rot sei bloß bei der Handelsflagge wegen der besseren Erkennungsmöglichkeit auf hoher See möglich. Ähnlich äußerte sich auch sein Genosse Hermann Molkenbuhr, der die Stellungnahme der MSPD-Fraktion vortrug. Dieser unterstrich, dass durch die schwarz-rot-goldene Gösch der demokratische Wandel auch bei der Handelsflagge verdeutlicht werde.23
Für den Kompromissvorschlag sprach sich auch der Abgeordnete Ludwig Quidde aus, der die Argumente der Fraktionsminderheit der DDP vortrug. Er erläuterte, dass durch eine schwarz-rot-goldene Reichs- und eine schwarz-weiß-rote Handelsflagge die Versöhnung von Sozialdemokratie und Bürgertum erreicht werden könnte. SchwarzRot-Gold wertete er als Symbol für Zukunft und Wiederaufbau.24
Die Meinung der Fraktionsmehrheit der DDP wurde von Senator Carl Petersen aus Hamburg wiedergegeben. Seine Rede war - nachvollziehbar für einen Repräsentanten einer See- und Handelsstadt - von außenwirtschaftlichen Aspekten geprägt. Petersen verband die schwarz-weiß-rote Fahne, für deren Erhalt er eintrat, mit der wirtschaftlichen Stärke des Kaiserreiches. Diese Farben symbolisierten seiner Meinung nach im Ausland deutsche Kraft und Tüchtigkeit; sie seien quasi ein Gütesiegel für deutsche Waren. Außerdem widersprach er dem Argument, dass durch Schwarz-Rot-Gold dem Ausland die Demokratisierung Deutschlands verdeutlicht werde, denn der politische Wandel käme schon durch das gesamte neue Verfassungswerk zum Ausdruck. Einen Flaggenwechsel wertete er vielmehr als ein Eingeständnis der deutschen Kriegsschuld, die von allen Parteien bestritten wurde.25
Auch die Abgeordneten der Rechtsparteien, Wilhelm Kahl (DVP) und Wilhelm Laverrenz (DNVP) sprachen sich vehement gegen einen Farbenwechsel aus, vor allem aber gegen ein Zweiflaggensystem, wie es der Kompromissantrag vorsah, da dies im Ausland auf Unverständnis stieße.26 Beide betonten die nationalen Gefühle, die durch die Abschaffung der schwarz-weiß-roten Flagge verletzt würden, so z.B. der für diese Farben Gefallenen des Weltkrieges oder der Bewohner der durch den Versailler Vertrag abgetrennten Gebiete, die sich diesen Farben verbunden fühlten. Während Kahl in seiner Rede zwar eindeutig für die Beibehaltung der bisherigen Flagge eintrat aber keine Argumente gegen Schwarz-Rot-Gold anführte, äußerte Laverrenz in seiner emotionsgeladenen Rede starke Bedenken gegen eine solche Farbwahl. Seiner Meinung nach hätten seine jüngeren Zeitgenossen keinen Bezug mehr zu diesen Farben, während bei den Älteren Erinnerungen an die „Bruderkämpfe der Jahre 1848 und 1866" wach würden, was angesichts der bestehenden revolutionären Lage leicht einen Bürgerkrieg entfachen könne.27
Für die Fraktion der USPD begründete der Abgeordnete Oskar Cohn den Antrag auf eine rote Nationalflagge als Symbol für Revolution und Freiheitsbewegung und als einen bewussten Bruch mit der Vergangenheit, deren Farben Schwarz-Weiß-Rot für preußische Machtpolitik und Militarismus stünden.28
Dieser Antrag hatte aber aufgrund der bürgerlichen Mehrheitsverhältnisse in der Nationalversammlung29 keine Chance auf Durchsetzung: Er wurde in offener Abstimmung abgelehnt.30
[...]
1 Vgl. Derkwillem Visser; Flaggen, Wappen, Hymnen, S. 7.
2 Eine gute und knappe Zusammenfassung für den Zeitraum bis 1928 bietet aus liberaler Sicht Fritz Poetzsch-Heffters Handkommentar der Reichsverfassung.
3 Vgl.
„Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11.8.1919", Seite 4. Wie der oben erwähnte
Kompromiss entstanden ist, wird im Kapitel 2 dieser Arbeit erläutert.
4 Vgl. Rudolf Pörtner (Hrsg.); Alltag in der Weimarer Republik, S. 557-558.
5 In: „Liederbuch des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold", S. 6.
6 Vgl.
„Grundsätze der Deutschen Volkspartei“ vom Oktober
1919, bzw.
„Grundsätze der
Deutschnationalen Volkspartei“ von 1920, abgedruckt im Quellenteil von Detlef Lehnert; Die Weimarer Republik, S. 365 bzw. S. 374.
7 Eine andere Theorie erklärt die Kombination rot-weiß mit den Farben Brandenburgs.
8 Rudolf Pörtner (Hrsg.); Alltag in der Weimarer Republik, S. 523.
9 Theodor Eschenburg; „Also hören Sie mal zu“, S.118.
10 Wolfgang Stresemann; „Mein Vater Gustav Stresemann“, S. 150.
11 Ebd., S. 151.
12 Vgl. Hilmar Hoffmann; „Und die Fahne führt uns in die Ewigkeit.", S. 40 - 41.
13 Ebd., S. 28 - 29.
14 Vgl. Rudolf Pörtner (Hrsg.); Alltag in der Weimarer Republik, S. 102/103 und S. 533.
15 Ebd., S. 650.
16 Harald Voigt; Der Sylter Weg ins Dritte Reich, S. 21.
17 Vgl. den Stenographischen Bericht der 44. Sitzung der Nationalversammlung vom 2. Juli 1919, S. 3002.
18 Vgl. Paul Löbes Beitrag in „Deutsche Einheit, Deutsche Freiheit".
19 Vgl. den Stenographischen Bericht der 45. Sitzung der Nationalversammlung vom 3. Juli 1919, S. 3040 - 3041.
20 Vgl. Hagen Schulze; Weimar. Deutschland 1917-1933, S. 92.
21 Vgl. ebd., S. 2993.
22 Vgl. ebd., S. 2994.
23 Vgl. ebd., S. 3017.
24 Vgl. ebd., S. 3018 - 3019.
25 Vgl. ebd., S. 3007 - 3009.
26 Vgl. ebd., S. 2999, bzw. 3002.
27 Vgl. ebd., S. 3004 - 3005.
28 Vgl. ebd., S. 3012 - 3013.
29 Sitzverteilung nach Jürgen Falter u.a.; Wahlen und Abstimmungen in der Weimarer Republik, S. 44: MSPD 163; Zentrum (inklusive BVP) 91; DDP 75; DNVP 44; USPD 22; DVP 19; Sonstige 7.
30 Vgl. den Stenographischen Bericht der 45. Sitzung der Nationalversammlung vom 3. Juli 1919, S.
- Arbeit zitieren
- Jens Menge (Autor:in), 1997, Der Flaggenstreit in der Weimarer Republik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17046
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.