Warum gelang es der EU trotz ernstzunehmender Bemühungen bisher nicht, in Zentralasien rechtsstaatliche Strukturen zu schaffen?
Zur Beantwortung wird die Hypothese aufgestellt, dass die Union in der Rechtsstaatlichkeitsinitiative auf ihre normative Macht vertraut, aber die Bedingungen für deren Entfaltung nicht hinreichend erfüllt. Hierfür wird zunächst Manners Konzept der normative power EU erläutert, welche sich in ihrem Außenhandeln auf die Anziehungskraft ihrer Grundprinzipien stützen könne. Adressierte Akteure würden gleichsam „per se“ dazu veranlasst, diese zu übernehmen und in ihr politisches System zu integrieren. Es wird mit Tocci argumentiert, dass für die Entfaltungsmöglichkeit dieser Art von Macht, auch Umstände berücksichtigt werden müssen, die von der EU nicht unmittelbar beeinflussbar sind. Sie müssten mithin in die Gestaltung der europäischen Außenpolitik mit einfließen. Ein Vorschlag, wie dies geschehen könnte, wird auf theoretischer Ebene mit Bicchis Überlegungen zu „inclusiveness“ und "reflexivity“ gegeben. Notwendige Bedingung für normative Macht sei demnach ein bestimmtes Maß an Einbeziehung der Adressaten sowie die Fähigkeit, außenpolitische Maßnahmen ihrem Kontext entsprechend zu konzeptionieren und ggf. anzupassen. Angewandt auf die Rechtsstaatsinitiative der Zentralasienstrategie wird deutlich, dass die EU für diese einen
sehr inklusiven Ansatz wählt. Sie gestattet den zentralasiatischen Staaten selbst ihre Prioritäten aufzuzeigen, anhand derer die Projekte der EU und ihrer Mitgliedsstaaten geplant und koordiniert werden. In der weiteren Analyse wird ersichtlich, dass die Union es ver-
säumt hat, in ihre außenpolitischen Überlegungen die Verfasstheit der Staaten als konsolidierte Autokratien ausreichend zu berücksichtigen. Für diese ist „Rechtsstaatlichkeit“ gleichbedeutend mit „Machtverlust“, worin der Grund für ihre Ablehnung ernsthafter Reform zu sehen ist und was die Initiative gleichsam ins Leere laufen lässt.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Die normative power EU
- II.1 Rechtsstaatlichkeit in der Wertebasis europäischer Außenpolitik
- III. Bedingungsfaktoren für die Entfaltung normativer Macht
- III.1 Normative Macht durch „inclusiveness“ und „reflexivity“
- III.1.a Inclusiveness
- III.1.b Reflexivity
- IV. Die Rechtsstaatlichkeitsinitiative der EU in Zentralasien
- IV.1 In welchem Kontext?
- V. Die Initiative in Aktion
- V.1 Politischer Dialog…
- V.2 …mit beratungsresistenten Gesprächspartnern
- VI. Das Dilemma
- VII. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Frage, warum es der Europäischen Union (EU) bislang nicht gelungen ist, in Zentralasien rechtsstaatliche Strukturen zu etablieren. Sie analysiert die Rechtsstaatlichkeitsinitiative der EU im Kontext der Zentralasienstrategie und untersucht, inwieweit die EU auf normative Macht setzt, welche Voraussetzungen für deren Entfaltung notwendig sind und welche externen Faktoren deren Wirkung beeinflussen.
- Das Konzept der normativen Macht der EU
- Die Rolle der Rechtsstaatlichkeit in der Wertebasis europäischer Außenpolitik
- Die Bedeutung von „inclusiveness“ und „reflexivity“ für die Entfaltung normativer Macht
- Der Kontext der Rechtsstaatlichkeitsinitiative der EU in Zentralasien
- Die Herausforderungen der Initiative in der Praxis
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung stellt die Forschungsfrage, die Hypothese und den Aufbau der Arbeit dar.
- Kapitel II erläutert das Konzept der normativen Macht der EU und verortet Rechtsstaatlichkeit in deren Wertebasis.
- Kapitel III untersucht die Bedingungsfaktoren für die Entfaltung normativer Macht und stellt die Kriterien der „inclusiveness“ und „reflexivity“ vor.
- Kapitel IV skizziert den Kontext der Rechtsstaatlichkeitsinitiative der EU in Zentralasien und beschreibt die Rechtslage in der Region.
- Kapitel V analysiert die konkreten Maßnahmen der Initiative und die Herausforderungen, die sich aus dem Dialog mit autoritären Regimen ergeben.
- Kapitel VI diskutiert das Dilemma der EU im Umgang mit der Rechtsstaatlichkeitsinitiative und die Folgen für die EU als normative Macht.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen der normativen Macht der EU, Rechtsstaatlichkeit, Zentralasien, Rechtsstaatlichkeitsinitiative, „inclusiveness“, „reflexivity“, autoritäre Regime und die Herausforderungen für die EU als normativer Akteur.
- Quote paper
- Daniel Helwig (Author), 2010, Schönheit liegt im Auge des Betrachters, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/170075