1.Einleitung
Gewalt gibt es zuhauf und alltäglich auf der ganzen Erde, besonders Kriege und politisch-sozialer gewaltsamer Protest fallen auf. Medien berichten darüber, indem sie sich auf Ereignisse beziehen, sie tun dies zum Teil auch in spekulativer Absicht zur Erhöhung der Rendite in einem gnadenlosen kommerziellen Wettbewerb. Gewaltdarstellungen fesseln die Aufmerksamkeit, sind spannend, unterhalten. Ein friedensorientierter Ethiker bestreitet dies nicht, unterscheidet aber zwischen jenen Berichten, die geeignet sind Gewalt als etwas darstellen das bekämpft und zurückgedrängt werden muss und anderen Formen, die gewalthaltige Ereignisse für die kommerziellen Zwecke ausbeuten, ohne nach irgendwelchen Menschheitsanliegen zu fragen. Gewalt kann man nicht per se verurteilen, vielmehr muss man sehr genau differenzieren und auch die systemrelevanten Rahmenbedingungen im ökonomischen Feld miteinzubeziehen. Da, wie Wolfgang Wunden erkannt hat, besonders Kriege und politisch-sozialer gewaltsamer Protest auffallen, sollen die beiden praktischen Beispiele genau jene beiden Bereiche abdecken. Sowohl das Video des Todes der, bei Protesten im Iran, erschossenen Studentin Neda Soltan, als auch das Video der Erschießung zweier Reuters-Journalisten im Irak haben dabei in den Medien heftige Protestreaktionen auf Seiten der Medienethiker ausgelöst und zu kontroversen Debatten geführt. Einerseits muss der Informationsanspruch der Öffentlichkeit erfüllt werden , andererseits werden jene Bilder unter dem Aspekt des privatrechtlichen Persönlichkeitsschutzes und der Menschenwürde relevant. Die große Schwierigkeit liegt hierbei in der Abwägung zwischen den beiden Grundrechten Pressefreiheit und Menschenwürde. Dennoch bleibt die Frage, ob die Ausstrahlung von Fernsehbildern auf denen der detaillierte Tod von Menschen zu sehen ist, als ethisch verantwortbar gelten darf. Um eine Antwort darauf zu finden, wird dazu der Artikel 1 des deutschen Pressecodexes zu Rate gezogen. In der anschließenden Pro und Kontra Diskussion zu jenen sogenannten Schockbildern, werden sowohl Aspekte des individuellen Opferschutzes als auch berufsethische Überlegungen mit einbezogen. In einer abschließenden Definition von fünf elementaren Grundregeln für eine ethisch korrekte Krisen- und Kriegsberichterstattung wird der Versuch unternommen wirksame Leitlinien für den investigativen Journalismus festzulegen.
1.Einleitung
Gewalt gibt es zuhauf und alltäglich auf der ganzen Erde, besonders Kriege und politisch-sozialer gewaltsamer Protest fallen auf. Medien berichten darüber, indem sie sich auf Ereignisse beziehen, sie tun dies zum Teil auch in spekulativer Absicht zur Erhöhung der Rendite in einem gnadenlosen kommerziellen Wettbewerb. Gewaltdarstellungen fesseln die Aufmerksamkeit, sind spannend, unterhalten. Ein friedensorientierter Ethiker bestreitet dies nicht, unterscheidet aber zwischen jenen Berichten, die geeignet sind Gewalt als etwas darstellen das bekämpft und zurückgedrängt werden muss und anderen Formen, die gewalthaltige Ereignisse für die kommerziellen Zwecke ausbeuten, ohne nach irgendwelchen Menschheitsanliegen zu fragen.[1] Gewalt kann man nicht per se verurteilen, vielmehr muss man sehr genau differenzieren und auch die systemrelevanten Rahmenbedingungen im ökonomischen Feld miteinzubeziehen. Da, wie Wolfgang Wunden erkannt hat, besonders Kriege und politisch-sozialer gewaltsamer Protest auffallen, sollen die beiden praktischen Beispiele genau jene beiden Bereiche abdecken. Sowohl das Video des Todes der, bei Protesten im Iran, erschossenen Studentin Neda Soltan, als auch das Video der Erschießung zweier Reuters-Journalisten im Irak haben dabei in den Medien heftige Protestreaktionen auf Seiten der Medienethiker ausgelöst und zu kontroversen Debatten geführt. Einerseits muss der Informationsanspruch der Öffentlichkeit erfüllt werden , andererseits werden jene Bilder unter dem Aspekt des privatrechtlichen Persönlichkeitsschutzes und der Menschenwürde relevant. Die große Schwierigkeit liegt hierbei in der Abwägung zwischen den beiden Grundrechten Pressefreiheit und Menschenwürde. Dennoch bleibt die Frage, ob die Ausstrahlung von Fernsehbildern auf denen der detaillierte Tod von Menschen zu sehen ist, als ethisch verantwortbar gelten darf. Um eine Antwort darauf zu finden, wird dazu der Artikel 1 des deutschen Pressecodexes zu Rate gezogen. In der anschließenden Pro und Kontra Diskussion zu jenen sogenannten Schockbildern, werden sowohl Aspekte des individuellen Opferschutzes als auch berufsethische Überlegungen mit einbezogen. In einer abschließenden Definition von fünf elementaren Grundregeln für eine ethisch korrekte Krisen- und Kriegsberichterstattung wird der Versuch unternommen wirksame Leitlinien für den investigativen Journalismus festzulegen.
2. Hauptteil
Im Sektor des Kriegs und Krisenjournalismus, dienen Bilder primär der reproduktiven Verbilderung der Wirklichkeit. Dabei geht die Tendenz in Richtung einer Komprimierung der Realität, von Marshall Mc Luhan einst als ,,global village‘‘ beschrieben. Er bezieht sich dabei auf die moderne Welt, die durch elektronische Vernetzungen zu einem globalen Dorf zusammenwächst.[2] Egal, ob es sich nun um den Fall von Bagdad im April 2003 oder die Proteste im Iran 2009 handelt, durch systematisch ausgewählte Nachrichtenbilder und Videobeiträge soll dem Zuschauer das Gefühl vermittelt werden, zwar nicht physisch, aber psychisch involviert gewesen zu sein. Die ursprünglichen Informations- und Bildungsmedien verlieren dabei immer mehr ihre eigentliche Bedeutung und fallen der Quotenmentalität des kommerzialisierten Mediensystems zum Opfer. Dazu gehört auch, dass immer häufiger Gewaltdarstellungen als Instrument zur Steigerung der Quote eingesetzt werden. Die Reichweite, vor allem des Fernsehers, ist dabei erschreckend hoch: Täglich werden ¾ aller Erwachsenen über 14 Jahre via Kabel oder Satellit erreicht. Im Laufe der letzten vier Jahrzehnte stieg dabei die tägliche Verweildauer vor dem Fernseher von 113 Minuten (1970) auf 284 Minuten (13.09.2010). Die Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung beziffert die tägliche Sehdauer heute mit 203 Minuten, wobei die Verweildauer vor dem TV-Gerät hingegen 284 Minuten beträgt.[3] Demnach läuft der Fernseher täglich 81 Minuten nebenbei. Gewalt im Fernsehen wird somit nicht mehr schlicht linear-bewusst konsumiert , sondern findet auf subtile Art und Weise als Begleitinstanz Einlass in den Lebensalltag, und wird- wie neueste Studien zeigen- zunehmend nicht mehr als solche wahrgenommen. Der Zuseher wird somit an die Omnipräsenz des Leids gewöhnt. Um noch interessant zu sein, müssen als Folge dessen immer noch drastischere Aufnahmen gezeigt werden, wenn das „alltägliche Leid“ uninteressant geworden ist. Dramaturgische Techniken dominieren die journalistische Darstellung des Gezeigten. Dabei gilt: Personalisierung vor abstrakten Opferzahlen, ein Einzelschicksal erzeugt mehr Betroffenheit und Quote als eine Masse anonymer Opfer. Das Argument Kriegs- oder Katastrophenberichterstattung würde die Menschen dazu bringen, zu spenden, degradiert die gezeigten leidenden und sterbenden Menschen als Mittel zum Zweck. Dies entspricht weder dem Grundsatz Immanuel Kants ,,nach dem ein Mensch nie nur als Mittel, sondern stets zugleich auch als Zweck gesehen werden muss‘‘[4], noch ist es ethisch vertretbar oder gesellschaftlich akzeptiert. Eine kontroverse Debatte löste das YouTube Video der am 20. Juni 2009 bei einer Demonstration in Teheran getöteten Studentin Neda Agha Soltan aus. Über die Portale YouTube, Twitter, Twitpic und Facebook wurde das Video, das den Todeskampf der jungen Frau zur Schau stellt, in die ganze Welt verbreitet. Der Film tauchte als erstes über die sozialen Netzwerke Facebook und Twitter im Internet auf und wurde sofort massiv weiterverbreitet. Um die Zensierung des brutalen Videos bei Youtube zu verhindern, posteten User-Gruppen den Clip immer und immer wieder. Bereits einen Tag später war "Neda" in der Rangfolge der weltweit meist kommentierten Themen in Twitter auf Platz fünf gerutscht und der Spruch "Ich bin Neda" zum Slogan der oppositionellen Protestbewegung im Iran geworden[5]. Über Twitter tauschten Menschen Informationen über ein Treffen für eine öffentliche Trauerfeier von Neda aus. Im sozialen Netzwerk Facebook existiert eine eigene Neda Soltan-Seite mit mehr als 15.000 Fans. Hussein Mussawi stand fortan an der politischen, Neda fortan an der emotionalen Spitze der iranischen Oppositionsbewegung. Die iranische Regierung versuchte deshalb vehement mit modernster europäischer Technik die Kommunikation zu stören. Wie der Fall Neda Soltan zeigt, bietet das Web 2.0 eine ganz neue Dimension von Gegenöffentlichkeit. In Anlehnung an Brechts Radiotheorie eignen sich die neuen Distributionssysteme des World Wide Web perfekt dazu, um “Den Mächten der Ausschaltung durch eine Organisation der Ausgeschalteten zu begegnen‘‘[6] . Gleiches gilt für das Video über die Erschießung zweier Reuters-Journalisten im Irak, das dem Onlineportal Wikileaks erst vor wenigen Monaten zu großer medialer Aufmerksamkeit verhalf. Die beiden Fotografen waren am 12. Juli 2007 im Bagdader Stadtteil „New Baghdad“ unterwegs, als sie von amerikanischen Truppen beschossen wurden. Die von der Bordkamera des US-Hubschraubers aufgenommenen Szenen zeigen deren grausame Ermordung in allen Details. Laut Presserat sind Schreckensbilder und in diesem Sinne auch Gewaltdarstellungen, im Prinzip sinnvoll und erlaubt, denn sie schützen gegen das Vergessen und Verdrängen. Dennoch gilt es im Zuge berufsethischer Überlegungen an die Familien der Opfer zu denken. In jedem Fall muss sowohl das abgebildete Opfer vor subjektiver, als auch der Betrachter vor objektiver Verletzung geschützt werden. Eine vollkommene Zensur der Bilder hingegen käme jedoch einer Verfälschung der Realität und somit einer Flucht aus den Schwierigkeiten des Mediums gleich, die mit dem Berufskodex des Journalisten wiederum nicht zu vereinen wäre. Bei Ereignissen die per se eine symbolische Dimension haben, sei es historisch, gesellschaftlich oder politisch, und bei denen es nicht um die voyeuristische Ausbeutung von persönlichem Leid geht, müsste dem öffentlichen Interesse an der Wahrheitsfindung deshalb Vorrang gegenüber eventuell verletzten Pietätsgefühlen gegeben werden. Entscheidendes Kriterium ist dabei die Wirkungsfunktion eines Bildes. Nur wenn mit der Publikation eines Schockereignisses der gezeigte Schrecken zu einem Sensibilisierungsprozess führt, darf sie als medienethisch legitim und glaubhaft gelten. Jene Fernsehbilder müssen dabei, in der Funktion als öffentliches Gedächtnismedium den zeitgeschichtlichen Ereignissen gerecht werden und dürfen nicht als Manipulationsinstrument oder Propaganda-Tool missbraucht werden.[7] Schockbilder können also durchaus sinnvoll sein, um zu dem Versuch einer reproduktiven Verbilderung der Wirklichkeit von Kriegen, Konflikten und Terror beizutragen. Fakt ist jedoch auch, dass sich Unterhaltung, Sensation und Gewalt besser verkaufen als Information und die Profitgier einiger Unternehmen von jenen Schockbildern profitieren. Außerdem darf nicht vergessen werden, dass eine immer weiter fortschreitende Gewalt-Liberalisierung in der medialen Berichterstattung zu einer kollektiven Abstumpfung führt.
[...]
[1] Wunden, Wolfgang (2002): Medien und Gewalt im Fernsehen. In: Karmasin, Matthias (Hg.): Medien und Ethik. Stuttgart. 2002. S.18ff.
[2] Vgl. Meinel, Tanja (2003): Die Wirkung Visueller Darstellung. Wie Beeinflussen Bilder in den Medien? Braunschweig.2003. S.4
[3] Vgl. Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung: Seh- und Verweildauer in Minuten vom 13.09.2010.14.09.2010. In : http://www.agf.de/ . Zugriff am 10.01.2011
[4] Neuhold, Leopold (2006): Medienethik. Graz. 2006. S.5
[5] Vgl. Putz, Ulrike (2009): Neda, die Ikone des Protests. 21.6.2009. In: http://www.spiegel.de/politik/ ausland/0,1518,631670,00.html . Zugriff am 30.12.2010
[6] Vgl. Brecht, Berthold (1967): Der Rundfunk als Kommunikationsapparat. In: http://www.uni-due.de/einladung/Vorlesungen/ausblick/bre_radio.htm.Zugriff am 06.01.2011
[7] Vgl. McArthur, John (2001): Das ist Propaganda. 08.10.2001. In: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,161318,00.html. Zugriff am 22.05.2010
- Quote paper
- Stephanie Julia Winkler (Author), 2011, Middle East im Wohnzimmer- Die Schattenseiten von Marshall McLuhan‘s ,,global village‘‘, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/169651
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