„Von den Völkern zu verlangen, dass sie einander lieben, ist eine Art von Kinderei. Von ihnen zu fordern, einander zu achten, ist keines-wegs Utopie; aber um einander zu achten, muss man sich erst kennen lernen.“ Dieses Zitat von Pierre de Coubertin gibt in wenigen Sätzen den Grundgedanken der Olympischen Idee wieder. Coubertin, der als Begründer der neuzeitlichen Olympischen Spiele gilt, sah diese als einen Ort, bei dem verschiedene Kulturen aufeinander treffen. Durch sie soll es zu einer Völkerverständigung kommen. In Anlehnung an die Waffenruhe, die während der Olympischen Spiele der Antike herrschte, wollte er einen Frieden für die Spiele erreichen. Erst im Laufe der Zeit wurde aus der Aussage „Frieden für die Spiele“ die Aussage „Frieden durch die Spiele“. Durch die äußerst umstrittene Vergabe der Olympischen Spiele 2008 nach Peking, „in den weltweit inzwischen mächtigsten Hort von Menschenrechtsverletzungen, Demokratiefeindlichkeit und Umweltverschmutzung“ , versuchte das IOC diesen Grundgedanken zu verwirklichen. China sollte sich durch dieses mediale Großereignis für die Welt öffnen und durch die Sorge um das eigene Image empfänglicher für Kritik an ihrer Menschenrechtspolitik werden. Aber können durch Olympische Spiele die Verhältnisse in einem von Diktatur geprägten Land überhaupt verbessert werden? Das Beispiel der Olympischen Spiele 1988 in Seoul zeigt, dass dies durchaus möglich ist. „Die einstige Militärdiktatur ist heute eine lebendige, gefestigte Demokratie. Der Durchbruch aber kam mit einem sportlichen Ereignis. Die überaus erfolgreichen Olympischen Spiele von 1988 waren Südkoreas erster gewaltiger Schritt in die Welt, heraus aus dem tiefen Schatten Japans und des Koreakriegs.“
Doch welchen Einfluss hatten die Olympischen Spiele 2008 in Peking auf Gesellschaft und Politik in China?
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Ausgangslage in China
2.1 Grundwesenszüge der chinesischen Kultur
2.1.1 Harmonie
2.1.2 Gesicht
2.1.3 Gruppendenken
2.1.4 Hierarchiebewusstsein und Ritualisierung
2.1.5 Sinozentrismus
2.2 Situation Chinas vor der Vergabe der Olympischen Spiele
2.2.1 Politisches System
2.2.2 Umweltpolitik
2.2.3 Menschenrechtssituation
2.2.3.1 Todesstrafe
2.2.3.2 Unterdrückung spiritueller und religiöser Gruppen
2.2.3.3 Konzentrationslager (Laogai)
2.2.3.4 Zensur
3. Von der Vergabe bis zur Eröffnung der Olympischen Spiele
3.1 Vorbereitung auf die Olympischen Spiele
3.2 Maßnahmen zum Umweltschutz
3.3 Entwicklung der Menschenrechte
3.3.1 Todesstrafe
3.3.2 Zensur
3.3.3 Der Tibet-Konflikt
3.4 Der Fackellauf
4. Die Olympischen Spiele – Ein Fest der Lügen
4.1 Umweltschutz während der Spiele
4.2 Menschenrechte während der Spiele
4.2.1 Zensur
4.2.2 „Säuberung“ Pekings
4.2.3 Todesstrafe
4.2.4 Chinas Lügenolympiade
4.2.5 Der Fall „Fang Zheng“
5. China nach den Olympischen Spielen
5.1 Todesstrafe
5.2 Liu Xiaobo
6. Fazit
1. Einleitung
„Von den Völkern zu verlangen, dass sie einander lieben, ist eine Art von Kinderei. Von ihnen zu fordern, einander zu achten, ist keines-wegs Utopie; aber um einander zu achten, muss man sich erst kennen lernen.“[1] Dieses Zitat von Pierre de Coubertin gibt in wenigen Sätzen den Grundgedanken der Olympischen Idee wider. Coubertin, der als Begründer der neuzeitlichen Olympischen Spiele gilt, sah diese als einen Ort, bei dem verschiedene Kulturen aufeinander treffen. Durch sie soll es zu einer Völkerverständigung kommen. In Anlehnung an die Waffenruhe, die während der Olympischen Spiele der Antike herrschte, wollte er einen Frieden für die Spiele erreichen. Erst im Laufe der Zeit wurde aus der Aussage „Frieden für die Spiele“ die Aussage „Frieden durch die Spiele“.[2] Durch die äußerst umstrittene Vergabe der Olympischen Spiele 2008 nach Peking, „in den weltweit inzwischen mächtigsten Hort von Menschenrechtsverletzungen, Demokratiefeindlichkeit und Umwelt-verschmutzung“[3], versuchte das IOC diesen Grundgedanken zu verwirklichen. China sollte sich durch dieses mediale Großereignis für die Welt öffnen und durch die Sorge um das eigene Image empfänglicher für Kritik an ihrer Menschenrechtspolitik werden.[4] Aber können durch Olympische Spiele die Verhältnisse in einem von Diktatur geprägten Land überhaupt verbessert werden? Das Beispiel der Olympischen Spiele 1988 in Seoul zeigt, dass dies durchaus möglich ist. „Die einstige Militärdiktatur ist heute eine lebendige, gefestigte Demokratie. Der Durchbruch aber kam mit einem sportlichen Ereignis. Die überaus erfolgreichen Olympischen Spiele von 1988 waren Südkoreas erster gewaltiger Schritt in die Welt, heraus aus dem tiefen Schatten Japans und des Koreakriegs.“[5]
Doch welchen Einfluss hatten die Olympischen Spiele 2008 in Peking auf Gesellschaft und Politik in China?
2. Ausgangslage in China
Um zu untersuchen, welchen Einfluss die Olympischen Spiele 2008 auf China hatten, muss zunächst die Ausgangslage in Chinas Gesell-schaft und Politik verstanden werden. Deshalb werden zunächst die Grundwesenszüge der chinesischen Kultur und anschließend die Situation Chinas vor der Bekanntgabe Pekings als Austragungsort am 13. Juli 2001 dargestellt.
2.1 Grundwesenszüge der chinesischen Kultur
2.1.1 Harmonie
Nach der Vorstellung der Chinesen befindet sich der komplette Kosmos im Gleichgewicht und jeder einzelne muss dazu beitragen, dass dies so bleibt. Dies spiegelt sich sowohl im Yin-Yang-Denken wider, bei dem bestimmte Farben, Stimmungen und Körperteile aufeinander abgestimmt werden müssen, als auch in menschlichen Beziehungen. Konflikte werden daher unbedingt versucht zu vermeiden. Es wird oft langwierig nach Kompromisslösungen gesucht, denn das Durchsetzen eigener Interessen gilt als verpönt. Ruhiges und zurückhaltendes Auftreten wird sehr geschätzt und auch übermäßiges Loben wird erwartet.[6]
2.1.2 Gesicht
Chinesen legen großen Wert auf die Wahrung ihres Gesichts. Allerdings ist mit Gesicht nicht das physische Gesicht gemeint, sondern die Wertschätzung, die einer Person entgegengebracht wird. Dieses Gesicht kann aber auch verloren gehen. Unter Gesichtsverlust versteht man das Versagen einer Person, dem nicht genügen sozialer Anforderungen. Auch Kritik und Bloßstellung durch dritte Personen können zum Gesichtsverlust führen. Das versuchen Chinesen um jeden Preis zu vermeiden.[7]
2.1.3 Gruppendenken
Chinesen haben ein sehr ausgeprägtes Gruppendenken. Sie unter-scheiden zwischen Familienmitgliedern und Nicht-Familienmitglie-dern, zwischen Gruppenzugehörigen und Outsidern und zwischen Chinesen und Nicht-Chinesen. Die Gruppenzugehörigkeit des Gegenübers entscheidet für Chinesen oft über das eigene Verhalten. Auffällig ist hierbei, dass von Chinesen die vorher behandelten Wesenszüge der Harmonie und Gesichtswahrung gegenüber Nicht-Chinesen nicht so stark bzw. gar nicht beachtet werden. Das führt zum Teil sogar zur Diskriminierung von Ausländern.[8]
2.1.4 Hierarchiebewusstsein und Ritualisierung
In China werden menschliche Beziehungen seit jeher in hier-archische Gebilde unterteilt. Der Höhergestellte bietet Schutz und Belehrung, während er vom Niedergestellten Gehorsam, Respekt und Unterstützung erwarten kann. Direkt aus dem Hierarchie-bewusstsein ergibt sich auch die Ritualisierung. Das Leben eines Chinesen wird bestimmt von vielen Vorschriften, die von der Tradition oder eben dem Höhergestellten vorgegeben werden. Spontaneität und Selbstverwirklichung gelten als nicht erwünscht, während das Nachahmen von Vorbildern lobenswert ist.[9]
2.1.5 Sinozentrismus
Chinesen sehen China als „Reich der Mitte“, was bedeutet, China ist Zentrum der Erde und anderen Völkern überlegen. Deshalb wurden im Laufe der Jahre zahlreiche Nachbarländer erobert und konsequent „sinisiert“, also der eigenen Kultur angepasst. Der Sinozentrismus ist die Grundlage der häufigen Diskriminierungen von Nachbarstaaten wie Vietnam, Tibet oder Taiwan.[10]
2.2 Situation Chinas vor der Vergabe der olympischen Spiele
2.2.1 Politisches System
Die Volksrepublik China wird seit ihrer Gründung am 1. Oktober 1949 von der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) regiert. Rein formal existieren in China zwar kleine Blockparteien, allerdings liegt praktisch ein Einparteiensystem ohne freie Wahlen vor, da es für andere Parteien verboten ist in Opposition zur KPCh zu stehen.[11]
Widerstand gegen das System wird gnadenlos niedergeschlagen, wie das Beispiel Tiananmen zeigt. Am 4.Juni 1989 wurde ein Protest, bei dem Studenten friedlich für mehr Freiheit und Demokratie kämpften, am Platz des Himmlischen Friedens (chinesisch: Tiananmen) in Peking blutig beendet. Über 2000 Menschen wurden dabei getötet. Für chinesische Medien ist das Tiananmen – Massaker bis heute ein Tabuthema.[12] Aus diesem diktatorischen System ergeben sich weitere Probleme mit denen China vor dem Jahr 2001 zu kämpfen hatte.
2.2.2 Umweltpolitik
In den siebziger Jahren hat China optimistisch zur Aufholjagd in der wirtschaftlichen Entwicklung angesetzt und dabei auf sämtliche Umweltschutzmaßnahmen verzichtet. "Wir werden nicht aus Angst vor dem Ersticken das Essen aufgeben, nicht aus Angst vor Verunreinigung der Umwelt darauf verzichten, unsere Industrie zu entwickeln", verkündete der chinesische Vertreter auf der 1. UN-Umweltkonferenz im Jahre 1972 in Stockholm.[13] Durch den rasant steigenden Energiebedarf wird immer mehr Kohle in veralteten Kraftwerken verbrannt. Dadurch ergibt sich in China eine hohe Belastung von Schwefeldioxid, wodurch der Regen in weiten Teilen des Landes sauer ist.[14] Außerdem werden Abwässer ungefiltert in die Flüsse eingeleitet, wodurch es zu einer starken Verschmutzung der Gewässer und des Grundwassers kommt. Ungefähr die Hälfte der Bevölkerung hat nur verschmutztes Trinkwasser zur Verfügung.[15]
Die Folgen aus dem Desinteresse Chinas am Umweltschutz sind vor der Vergabe der Olympischen Spiele nicht zu leugnen. 16 der 20 Großstädte mit der höchsten Luftverschmutzung weltweit liegen in China.[16] Im „Environmental Sustainability Index (ESI) Report 2001“, der von der Yale Universität herausgegeben und 21 sozio-ökonomische und umweltbezogene Aspekte umfasst, ist China abgeschlagen auf dem 108 Platz von 122 untersuchten Ländern.[17]
[...]
[1] Coubertin, P. de : Les assises philosophiques de l'Olympisme moderne.
In : Lenk(1964), S. 120
[2] Vgl. Bartussek(2008), S. 8
[3] Güldenpfennig(2009), S. 141
[4] Vgl. Islam, Ranty: Olympia 2008 - Menschenrechte auf den hinteren Plätzen?
[5] Schneppen, Anne(2005): Aufsteiger Korea. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung(FAZ) vom 18.10.2005
[6] Vgl. Glebe(2008), S. 64 - 66
[7] Vgl. Glebe(2008), S. 66
[8] Vgl. Glebe(2008), S. 63 - 64
[9] Vgl. Glebe(2008), S. 69 - 72
[10] Vgl. Glebe(2008), S., 73 - 74
[11] Vgl. Glebe(2008), S. 24 – 28 und Güldenpfennig(2009), S. 190
[12] Vgl. Gedenken an Tiananmen - Massaker
[13] Vgl. Sternfeld, Eva: Umweltsituation und Umweltpolitik in China
[14] Vgl. Glebe(2008), S. 56 - 57
[15] Vgl. Engel(2005)
[16] Vgl. Ehrenstein, Claudia: Umweltschutz „made in Germany“ boomt
[17] 2001 Environmental Sustainability Index
- Quote paper
- Dominik Ertl (Author), 2010, Der Einfluss der Olympischen Spiele Peking 2008 auf Politik und Gesellschaft in China, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/169331
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