Beim Lesen Adornos und Horkheimers „Dialektik der Aufklärung“ und insbesondere des Kapitels über die Kritik der Kulturindustrie, knüpfen sich wie von allein Assoziationen zu den heutigen Verhältnissen. Die massenhafte Produktion kultureller Güter scheint, besonders unter den Tendenzen globaler Ausbreitung von riesigen Medienunternehmen, noch lange nicht an ihre Grenzen gestoßen zu sein. In den Fernsehsessel gepresste Zuschauer die sich von einem Programm nach dem anderen berieseln lassen und die Zeit vergessen, die sie sich dem passiven Amüsement hingeben; In Zielgruppen aufgeteilte Konsumentenmassen mit verkümmerten Sozialbeziehungen, die sich in der Gemeinschaft ihrer Fernsehhelden am ehesten wohl fühlen; Die unterschwellige Wirkung der Werbeeinblendungen – Solche Worte klingen natürlich in unseren Ohren.
Allerdings ist auch die Frage berechtigt, ob sich nicht seit der Mitte des letzten Jahrhunderts einiges geändert hat? Es ist das Internet, welches in zunehmendem Maße die Kultur nicht nur der westlichen Welt bestimmt. Doch die neuen Plattformen lassen die Kulturproduktion in einem ganz anderen Licht erstrahlen. Plötzlich sind es die Konsumenten selbst, die gestallten. Video- Musik- und Fotoportale, Chats, Blogs, und Diskussionsforen sprießen aus den Datenleitungen. Schnell ist man dabei die Unabhängigkeit von den kommerziellen Zentren zu feiern und Potentiale politischer Partizipation und Emanzipation auszurechnen. Doch werden hier nicht zu leichtfertig die Nachteile und Gefahren der allgemeinen Vernetzung unter den Tisch gekehrt?
In dieser Arbeit möchte ich der Frage nachgehen, inwieweit sich das Internet als eine Ausbreitung politischer und wirtschaftlicher Imperative und als Zuspitzung des Rationalisierungs-Projekts der Moderne bei gleichzeitiger Verblendung der Widersprüchlichkeit zur menschlichen Natur auffassen lässt. Hierzu sollen Modelle hauptsächlich der Kritischen Theorie vorgestellt und in Bezug auf das Internet reflektiert werden.
Gliederung
1. Einleitung
2. Kritische Theorie Adornos
2.1 Historischer Hintergrund
2.2 Domestizierung als Pathologie und das Bewegungsgesetz der instrumentellen Rationalisierung
2.3 Kulturindustrie als Verblendung
2.4 Zusammenfassung
3. Das Internet als plurale Kommunikation?
3.1 Die kapitalistische Einbindung der Nischenkultur
3.2 Kommunikatives und strategisches Handeln im Internet
4. Schlussfolgerung
5. Literaturverzeichnis
6. Anhang
1. Einleitung
Beim Lesen Adornos und Horkheimers „Dialektik der Aufklärung“ und insbesondere des Kapitels über die Kritik der Kulturindustrie, knüpfen sich wie von allein Assoziationen zu den heutigen Verhältnissen. Die massenhafte Produktion kultureller Güter scheint, besonders unter den Tendenzen globaler Ausbreitung von riesigen Medienunternehmen, noch lange nicht an ihre Grenzen gestoßen zu sein. In den Fernsehsessel gepresste Zuschauer die sich von einem Programm nach dem anderen berieseln lassen und die Zeit vergessen, die sie sich dem passiven Amüsement hingeben; In Zielgruppen aufgeteilte Konsumentenmassen mit verkümmerten Sozialbeziehungen, die sich in der Gemeinschaft ihrer Fernsehhelden am ehesten wohl fühlen; Die unterschwellige Wirkung der Werbeeinblendungen – Solche Worte klingen natürlich in unseren Ohren.
Allerdings ist auch die Frage berechtigt, ob sich nicht seit der Mitte des letzten Jahrhunderts einiges geändert hat? Es ist das Internet, welches in zunehmendem Maße die Kultur nicht nur der westlichen Welt bestimmt. Doch die neuen Plattformen lassen die Kulturproduktion in einem ganz anderen Licht erstrahlen. Plötzlich sind es die Konsumenten selbst, die gestallten. Video- Musik- und Fotoportale, Chats, Blogs, und Diskussionsforen sprießen aus den Datenleitungen. Schnell ist man dabei die Unabhängigkeit von den kommerziellen Zentren zu feiern und Potentiale politischer Partizipation und Emanzipation auszurechnen. Doch werden hier nicht zu leichtfertig die Nachteile und Gefahren der allgemeinen Vernetzung unter den Tisch gekehrt?
In dieser Arbeit möchte ich der Frage nachgehen, inwieweit sich das Internet als eine Ausbreitung politischer und wirtschaftlicher Imperative und als Zuspitzung des Rationalisierungs-Projekts der Moderne bei gleichzeitiger Verblendung der Widersprüchlichkeit zur menschlichen Natur auffassen lässt. Hierzu sollen Modelle hauptsächlich der Kritischen Theorie vorgestellt und in Bezug auf das Internet reflektiert werden.
2. Kritische Theorie Adornos
Zunächst möchte ich die Gedankengänge eines Klassikers der Kulturkritik darstellen und klären, welche Ereignisse die Kritische Theorie Adornos geprägt haben, wie sein Modell der Kulturindustrie aussieht und wie wir dieses für die Deutung aktueller Entwicklungen fruchtbar machen können.
2.1. Historischer Hintergrund
Die Kritische Theorie sucht nach einer Antwort auf die Frage, warum die Revolution, die Erhebung der Arbeiterschaft und die daraus resultierende Umwerfung der Produktionsverhältnisse ausbleiben. Entgegen der Prophezeiung Marx’ bleibt der Kapitalismus in der entwickelten Moderne stabil, die Strukturen festigen sich und Horkheimer und Adorno sehen sich vor einem unentrinnbaren System riesiger Unternehmen und darin funktionierender Menschen, vor dem Hintergrund eines totalitären Staates.[1] Die Idee der Gesellschaft als geschlossenes System geht auf die totale Kontrolle des Hitlerfaschismus zurück. Die Verdinglichung der menschlichen Natur erreicht nach Adorno in dieser Epoche vorerst ihren Höhepunkt. So dass Auschwitz letztlich als Konsequenz der Rationalisierung in der entwickelten Moderne zu verstehen ist. Aber auch in der bürokratisch kontrollierten Nachkriegsgesellschaft sieht Adorno den jede Spontaneität unterdrückenden Verwertungszusammenhang des Kapitalismus nicht abreißen. Auch wenn ein Teil der Überlegungen der Kritischen Theorie sicherlich den Auseinandersetzungen mit der Propaganda und der Gewaltherrschaft des dritten Reiches entspringt, so ist es doch ungenügend, die Kritik der Kulturindustrie auf eine Kritik des Faschismus zu reduzieren.[2]
Adorno und Horkheimer abstrahieren also von den gegebenen Umständen und beschreiben die Bewegungsgesetze[3] der modernen Gesellschaft zwischen dem heraufziehenden Imperium gigantischer Kulturproduzenten und der totalen Integration des Menschen als Konsumenten.
2.2 Domestizierung als Pathologie und das Bewegungsgesetz der instrumentellen Rationalisierung
Die Kritische Theorie lehnt an die marx’sche Theorie der verkehrten Produktionsverhältnisse an, begreift aber Domestizierung an sich als pathologisch. Wie Marx so fassen auch Adorno und Horkheimer die Modernisierung als einen Prozess der steigenden Beherrschung der Natur durch den Menschen, also als Domestizierung, auf. Im daraus resultierenden instrumentellen Nauturverhältnis des Menschen sehen sie jedoch das pathologische Moment der Gesellschaft insbesondere des modernen Kapitalismus.
Als Grundeinheit des gesellschaftlichen Zusammenlebens betrachten Adorno und Horkheimer die Tauschverhältnisse. Um eine Ware gegen eine Andere zu tauschen, muss von der Natur der Gegenstände abstrahiert und eine Äquivalenz beider Waren hergestellt werden. Dieses so genannte Identitätsprinzip verleitet letztlich dazu, nicht nur die äußere, sondern auch die innere Natur des Menschen zu verdinglichen.[4] Gefühle und Denken der Menschen werden in ihren kausalen Zusammenhängen expliziert, vorausberechnet und schließlich in der Form psychologisch strukturierter Produkte der Kulturindustrie als Ware verkauft.[5]
Adorno versucht einen wechselseitigen Einfluss zwischen der Kultur einer Gesellschaft und den allgemeinen Tauschverhältnissen, die geprägt sind von dem instrumentellen, distanzierten Verhältnis zur Natur, aufzuzeigen.[6] Dieser Wechselbeziehung, die sich spiralförmig zu verstärken scheint, unterlegt Adorno das treibende Prinzip der instrumentellen Rationalität, die sich im Kapitalismus exponentiell zu entfaltet:
Instrumentelle Rationalität hat ihren Ursprung in der Domestizierung, die wiederum mit dem Beginn der Menschheit einsetzt. Aufklärung bedeutet für Adorno abgesehen von der geschichtlichen Epoche den Versuch den Menschen die Angst vor der Natur zu nehmen und ihn als Herrscher über sie zu stellen.[7] Dies kann jedoch nur durch eine Versachlichung, eine Entfremdung von der Natur bewerkstelligt werden, welche Natur als Gegenstand erscheinen lässt, der nur noch den Wert eines Mittels hat. Instrumentelle Rationalität bedeutet neben der möglichst effizienten Nutzung dieser Mittel, dass der Zweck der Naturbeherrschung, bzw. der Anwendung dieser Mittel immer oberflächlicher hinterfragt wird. Eine vernünftige Zielsetzung tritt hinter den effizienten Mitteleinsatz zurück. Effizienz wird zum Selbstzweck. Im Kapitalismus stehen Steigerung der Macht auf politischer- und Profitmaximierung auf wirtschaftlicher Ebene nicht mehr als zu verhandelnde Ziele, sondern als treibende Gesetze der Rationalisierung dem Subjekt gegenüber.[8]
Die instrumentelle Rationalität breitet sich im Kapitalismus nun auch auf die Kultur aus. Diese wird in den Funktionszusammenhang von Herrschaftssicherung und Profitmaximierung einbezogen und dient letztlich über ihre sozialisierende Wirkung als „sozialer Kitt“[9] der Stabilisierung und Reproduktion „falscher“ Verhältnisse.
2.3 Kulturindustrie als Verblendung
In der total integrierten Gesellschaft, so Adorno, verdanken alle produzierten Kulturgüter wie auch alle anderen sozialen Phänomene ihre Existenz der Rolle, die sie für die Funktion des auf Profitmaximierung und Herrschaftssicherung ausgerichteten Gesellschaftssystems darstellt.[10] Anders ausgedrückt kann sich kein kulturelles Produkt mehr abseits dieser Primate etablieren, da es weder in Konkurrenz zu den massenhaft produzierten Gütern der Kulturindustrie treten, noch ideellen Anklang unter der ebenfalls integrierten Konsumentenschaft finden kann.[11]
Die Durchschlagskraft der industriellen Produktion kultureller Güter liegt zum einen begründet in der Rationalität ökonomischer Kalküle: Die Produktion wird routinisiert, indem immer wieder auf die gleichen Schablonen zurückgegriffen wird. So können Talk- und Quiz- Shows, Serien, Filme, Musik und Zeitschriften massenhaft und billig hergestellt werden. Die Fortschritte in der technischen Reproduktion machen es möglich, dass auf alle Kopien verteilt die Produktionskosten des Originals gegen null laufen. Auf der Suche nach einer möglichst großen Rezipientenzahl, dringen die Medien in sämtliche Lebensbereiche ein. Oberflächliche Diversität, die die Massen in Zielgruppen gliedert, sorgt dafür, dass jeder seine Schublade findet und verdeckt zugleich die strukturelle Homogenität, die alle Kulturprodukte vereint.[12] Ob Wahlkampfrede oder Fernsehkrimi alles was von „Oben“ an den Konsumenten heran getragen wird, ist in seinem Gerüst gleichsam auf die Einbindung des Rezipienten abgestimmt. Die „Vorherrschaft des Effekts“, die die ständige Aufmerksamkeit des Rezipienten fordert, sorgt für Distanzlosigkeit, die durch die gelenkte und fortwährende Konzentration aufs Detail dem Subjekt den Blick aufs Ganze verstellt.[13]
[...]
[1] Rosa, Hartmut/ Strecker, David/ Kottmann, Andrea: Soziologische Theorien. UTB, Konstanz 2007, 111.
[2] Schuster, Thomas: Staat und Medien. Über die elektronische Konditionierung der Wirklichkeit. 2., erweiterte Auflage VS Verlag für Sozialwissenschaften. 2004, 139f. / Rosa (2007), 121.
[3] In den „objektiven Bewegungsgesetzen“ meint Adorno, ließe sich das Wesen der Gesellschaft erkennen. Nur das Zusammenspiels der gesellschaftlichen Phänomene, die niemals losgelöst voneinander betrachtet werden sollten, kann als Erkenntnisgrundlage der Soziologie dienen.
Adorno, Theodor W.: Einleitung in die Soziologie (Vorlesung 1968), hg. Von Christoph Gödde, Franfurt/M, Surkamp 1993: [1968], 41f.
[4] Adorno, Theodor W./ Horkheimer, Max: Die Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. Adornos Gesammelte Schriften in 20 Bdn., Bd.3. Suhrkamp, Frankfurt/M 2003: [1944]
[5] Adorno, Theodor W.: „Fernsehen als Ideologie.“ In: Eingriffe. Neun kritische Modelle 13. [Aufl.] Suhrkamp, Frankfurt/M 1991: 81-98 [1953a], 81f.
[6] Rosa (2007), 116.
[7] Adorno [1944], 25.
[8] vgl. Adorno, Theodor W.: „Prolog zum Fernsehen.“ In: Eingriffe. Neun kritische Modelle 13. [Aufl.] Suhrkamp, Frankfurt/M 1991: 69-80 [1953], 79.
[9] Der Begriff „sozialer Kitt“ stammt von Erich Fromm, welcher damit 1932 in einem Aufsatz den vor allem durch libidinöse Energien erklärbaren Zusammenhalt der Gesellschaft beschreibt. Vgl. Keupp, Heiner: Soziale Integration und gesellschaftlicher Umbruch. Auf den Internet-Seiten des Apfe-Instituts (Arbeitsstelle Praxisberatung, Forschung und Entwicklung) der Ehs Dresden., 2005
[10] Methodisch steht Adorno dem Strukturfunktionalismus nahe. Das Denken des Ganzen, oder in Konstellationen bringt Erklärungsmodelle diesen Typs hervor, die auch von Parsons und Luhmann aufgegriffen werden. Rosa (2007), 124.
[11] Adorno [1944], 156f.
[12] Ebd., 144f.
[13] Ebd., 146.
- Arbeit zitieren
- Norbert Sander (Autor:in), 2008, Kulturindustrie der Massen. Ein Blick der Kritischen Theorie auf das Internet, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/168622
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