In dieser Diplomarbeit wird der spannenden Frage nachgegangen, ob
Grundrechte auch in den vielfältigen Rechtsverhältnissen zwischen
Privatpersonen wirken. Es handelt sich hierbei um das so genannte
Drittwirkungsphänomen der Grundrechte.
Der ursprünglichen Konzeption zufolge wirken Grundrechte einzig und
allein in den Verhältnissen zwischen Staat und Einzelperson. Grundrechte sind
demnach staatsgerichtete Abwehrrechte. Es stellt sich jedoch berechtigterweise
die Frage, ob darin die Wirkung dieser wichtigen Rechtspositionen schon
erschöpft ist, oder ob ein geändertes Grundrechtsverständnis
eine Ausweitung der Schutzwirkung der Grundrechte hin zur/zum
Einzelnen rechtfertigt bzw vielleicht sogar verlangt. Immerhin finden sich auch in
den Rechtsverhältnissen und -beziehungen inter privatos zunehmend
Machtkonstellationen, die an das Ungleichgewicht zwischen Staat und BürgerIn
erinnern. Diesen Erscheinungen muss man versuchen in gewisser Weise
entgegenzuwirken, um Freiheit und Selbstbestimmung der Menschen
aufrechterhalten zu können. Eine Möglichkeit zur Gegensteuerung würde die
Drittwirkung der Grundrechte bieten. Auf diese Weise könnten die in den
Grundrechten zum Ausdruck kommenden Werte umfassend realisiert und
gewährleistet werden.
Aber gibt es überhaupt so etwas wie Drittwirkung? Und wenn ja, wie wird
die Drittwirkung der Grundrechte in Österreich gehandhabt? Welche
Grundrechte sind drittwirkungsgeeignet?
Um diesen Fragen auf den Grund gehen zu können, ist es zuerst einmal
nötig, die allgemeinen Grundrechtslehren und den Wandel des
Grundrechtsverständnisses darzustellen. Davon ausgehend werden dann Lehre und Rechtsprechung zur Drittwirkung behandelt. Weiters ist auf die Rolle der
Privatautonomie iZm der Drittwirkung einzugehen. Auch die Bereiche
Persönlichkeitsschutz und europäischer Grundrechtsschutz werden in den
Fragenkomplex der Grundrechtsdrittwirkung einbezogen.
INHALTSVERZEICHNIS
Abkürzungsverzeichnis
I. Einleitung
II. Die Grundrechte – Allgemeine Lehren
A. Rechtsnatur und Arten der Grundrechte
B. Grundrechtstheorien
C. Grundrechtsträger
D. Grundrechtsverpflichtete
E. Rechtsdurchsetzung
III. Der Bedeutungswandel der Grundrechte
A. Die Aufgabe der Grundrechte im ursprünglichen Sinn
B. Das neuere Verständnis der grundrechtlichen Schutzfunktion
IV. Die Drittwirkung der Grundrechte
A. Problemstellung
B. Die Fiskalgeltung der Grundrechte
C. Warum Drittwirkung?
D. Die Erscheinungsformen der Drittwirkung
1. Allgemeines
2. Die Theorie von der unmittelbaren Drittwirkung
3. Die Theorie von der mittelbaren Drittwirkung
4. Die Theorie von der Mediatisierung der Grundrechtsgeltung
5. Die Theorie von den grundrechtlichen Schutzpflichten
E. Grundrechtsschutz und Privatautonomie
V. Grundrechte und Persönlichkeitsschutz
VI. Die Drittwirkung im Kontext der Europäisierung der Grundrechte
A. Der Einfluss der EMRK auf die Drittwirkungsproblematik
B. Die Drittwirkung der Grundrechte im Rahmen der Europäischen Union
VII. Ausgewählte Einzelgrundrechte und deren Eignung für die Drittwirkung
A. Allgemeines
B. Das Recht auf Gleichheit und der Schutz vor Diskriminierung
C. Das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens
D. Das Recht auf Datenschutz
E. Das Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit
F. Das Recht auf freie Kommunikation
VIII. Abschließende Betrachtung
Literaturverzeichnis
Judikaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die in der Diplomarbeit verwendeten Zitierregeln entsprechen im Wesentlichen den AZR: Friedl/Loebenstein (Hrsg), Abkürzungs- und Zitierregeln der österreichischen Rechtssprache und europarechtlicher Rechtsquellen (AZR) samt Abkürzungsverzeichnis und Hinweisen für die sprachliche Gestaltung juristischer Texte5 (2001).
DIE DRITTWIRKUNG DER GRUNDRECHTE IN DER ÖSTERREICHISCHEN RECHTSORDNUNG
Eine Darstellung in ausgewählten Bereichen
I. Einleitung
In dieser Diplomarbeit wird der spannenden Frage nachgegangen, ob Grundrechte auch in den vielfältigen Rechtsverhältnissen zwischen Privatpersonen wirken. Es handelt sich hierbei um das so genannte Drittwirkungsphänomen der Grundrechte.
Der ursprünglichen Konzeption zufolge wirken Grundrechte einzig und allein in den Verhältnissen zwischen Staat und Einzelperson. Grundrechte sind demnach staatsgerichtete Abwehrrechte. Es stellt sich jedoch berechtigterweise die Frage, ob darin die Wirkung dieser wichtigen Rechtspositionen schon erschöpft ist, oder ob ein geändertes Grundrechts- verständnis eine Ausweitung der Schutzwirkung der Grundrechte hin zur/zum Einzelnen rechtfertigt bzw vielleicht sogar verlangt. Immerhin finden sich auch in den Rechtsverhältnissen und -beziehungen inter privatos zunehmend Machtkonstellationen, die an das Ungleichgewicht zwischen Staat und BürgerIn erinnern. Diesen Erscheinungen muss man versuchen in gewisser Weise entgegenzuwirken, um Freiheit und Selbstbestimmung der Menschen aufrechterhalten zu können. Eine Möglichkeit zur Gegensteuerung würde die Drittwirkung der Grundrechte bieten. Auf diese Weise könnten die in den Grundrechten zum Ausdruck kommenden Werte umfassend realisiert und gewährleistet werden.
Aber gibt es überhaupt so etwas wie Drittwirkung? Und wenn ja, wie wird die Drittwirkung der Grundrechte in Österreich gehandhabt? Welche Grundrechte sind drittwirkungsgeeignet?
Um diesen Fragen auf den Grund gehen zu können, ist es zuerst einmal nötig, die allgemeinen Grundrechtslehren und den Wandel des Grundrechtsverständnisses darzustellen. Davon ausgehend werden dann Lehre und Rechtsprechung zur Drittwirkung behandelt. Weiters ist auf die Rolle der Privatautonomie iZm der Drittwirkung einzugehen. Auch die Bereiche Persönlichkeitsschutz und europäischer Grundrechtsschutz werden in den Fragenkomplex der Grundrechtsdrittwirkung einbezogen.
II. Die Grundrechte – Allgemeine Lehren
A. Rechtsnatur und Arten der Grundrechte
Im Bewusstsein eines jeden Menschen ist, dass ihm elementare Rechte und Freiheiten zustehen müssen. Das Bedürfnis und Postulat nach eben diesen ist auch iS einer naturrechtlichen Betrachtung eine Selbstverständlichkeit. Dem Menschen stehen also so genannte Grund rechte und -freiheiten zu. Die Geltung solcher Rechte und Freiheiten sollte keiner weiteren Begründung bzw Rechtfertigung bedürfen und daher überpositiv, als Maxime und Fundament der Menschlichkeit, wahrgenommen und angenommen werden.
In unserer Rechtsordnung sind diese Grundrechte und -freiheiten zusätzlich positivrechtlich verankert. Rein normativ betrachtet sind Grundrechte verfassungsgesetzlich gewährleistete subjektive Rechte iS Art 144 Abs 1 B-VG. Die/Der Einzelne kann aus bestimmten Rechtsvorschriften, die in Verfassungsrang stehen, also ganz oben im Stufenbau der Rechtsordnung angesiedelt sind, subjektive Rechte bzw Rechtsansprüche ableiten und diese dann durchsetzen. Charakteristisch für die Gewährung solcher verfassungsgesetzlicher Rechte ist das individualisierte Interesse der Betroffenen.[1]
Gemeinsames Ziel der Grundrechte ist der Schutz der Person, ihrer Würde, Freiheit sowie ihrer Selbstbestimmung und Gleichheit. Inhaltlich kann man demnach verschiedene Arten von verfassungsgesetzlich gewährleisteten subjektiven Rechten unterscheiden. Die Schutzbereiche sind genauso vielfältig wie die Bedrohungslagen und für jedes Grundrecht durch die Rechtsanwendung und Interpretation zu konkretisieren. Die Interpretations- bedürftigkeit der Grundrechte liegt auch an der verwendeten Begrifflichkeit des Verfassungs- gesetzgebers. Im Vergleich zur sonstigen juristischen Sprache sind Grundrechte nämlich oft vage, inhaltlich offen bzw dehnbar und zT sogar fragmentarisch formuliert, was wiederum mit der starken philosophischen und politischen Tendenz dieser Rechte zusammenhängt. Eine gewisse Offenheit ist aber durchaus vonnöten, wenn man die Anwendbarkeit der Grundrechte auf „moderne“ Gefährdungslagen iS einer teleologischen Interpretation bewahren will. Ein effektiver Grundrechtsschutz erfordert eine laufende Anpassung an geänderte rechtliche, soziale und gesellschaftspolitische Bedingungen.[2]
Wenn man von verschiedenen Arten der Grundrechte spricht, so meint man damit va die Einteilung in liberale, politische und soziale Rechte sowie in Gleichheitsrechte und Verfahrensgarantien. Die liberalen Grundrechte oder Freiheitsrechte schützen die individuelle Freiheitssphäre und Integrität des Menschen, indem sie der/dem Einzelnen primär subjektive Abwehransprüche zur Verfügung stellen. Diese Abwehransprüche richten sich auf ein Unterlassen staatlicherseits.[3] Die Freiheitsrechte bilden den größten Teil unter den Grundrechtsarten. Schließlich können sie als Fundament einer humanen, demokratischen Gesellschaft betrachtet werden.
Politische Rechte, oder auch Teilhaberechte genannt, sind ein Ausdruck des demokratischen Prinzips. Sie zielen auf Mitbestimmung des Staatswillens und Beteiligung an der Staatsgewalt ab. Das aktive und passive Wahlrecht sind beispielsweise verfassungs- gesetzliche politische Grundrechte.
Soziale Rechte oder Leistungsrechte, wie zB ein Recht auf Arbeit oder Wohnung, wiederum bezwecken die Sicherung der sozialen Lage der Menschen und verlangen aus diesem Grund Ansprüche auf staatliche Leistungen. Solche Rechte existieren in Österreich nicht ausdrücklich als Grundrechte iS von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, da einerseits die Justitiabilität sozialer Grundrechte einen Umbau des grundrechtlichen Rechtsschutzsystems erfordern würde und andererseits diverse politische und wirtschaftliche Bedenken einem Einbau sozialer Grundrechte entgegenstehen.[4] In der Praxis ist dies jedoch auf Grund der weit entwickelten österreichischen Sozialstaatlichkeit und Sozialgesetzgebung ein geringeres Problem. Einzelne soziale Ansprüche können uU auch aus den bestehenden Grundrechten abgeleitet werden. Des Weiteren treffen Österreich völkerrechtliche Verpflichtungen[5] in diesem Bereich.
Unter Gleichheitsrechten versteht man solche Rechte, die darauf abzielen, eine rechtliche Gleichheit der Menschen in allen Rechtsbereichen herzustellen. Vereinzelt sehen Grundrechte auch die Herstellung sozialer Chancengleichheit[6] vor. Sie sind neben den Freiheitsrechten die zweite große Herausforderung für den Grundrechtsschutz.
Als letzte allgemeine Grundrechtsart können die Verfahrensgrundrechte bzw -garantien erwähnt werden. Diese Rechte stellen ein wichtiges Element unserer Rechtsstaatlichkeit dar, da sie Ansprüche auf ein bestimmtes Verfahren gewähren, für eine bestimmte gleichmäßige, faire Ausgestaltung des Verfahrens sorgen, sowie prozessuale Rechtspositionen sicherstellen.[7]
B. Grundrechtstheorien
Um eine bessere Vorstellung vom Zweck der Grundrechte zu bekommen, ist es sinnvoll die einzelnen Grundrechtstheorien näher zu beleuchten. Unter einer Grundrechts-
theorie versteht man, in den Worten Böckenfördes gesprochen, „eine systematisch orientierte Auffassung über den allgemeinen Charakter, die normative Zielrichtung und die inhaltliche Reichweite der Grundrechte“[8]. Die Grundrechte sollen demnach von den einzelnen Grundrechtstheorien in ihrer Gesamtheit erfasst werden. Solche Theorien sind va deswegen von besonderer Bedeutung, da hinter jeglicher Grundrechtsinterpretation Grundrechtstheorien stehen, welche auch immer iZm der jeweiligen Staatsauffassung und Verfassungstheorie zu betrachten sind. Ebenso sind die Theorien nicht starr und einzeln als abschließende Interpretationsmaxime zu sehen. Vielmehr müssen die einzelnen Grundrechtstheorien mE miteinander verbunden werden, um einen effektiven, am Zweck orientierten Grundrechtsschutz sicherzustellen.
Nach einer Zusammenstellung von Böckenförde unterscheidet man prinzipiell zwischen 5 Grundrechtstheorien. Diese bauen zwar auf der deutschen Lehre und Grundrechtspraxis auf, sind aber durchaus dazu geeignet, in die österreichische Theorienlandschaft aufgenommen zu werden.[9] Die Theorien zeigen insbesondere die Vielfalt der Interpretationsmöglichkeiten auf.
Nach der liberalen oder bürgerlich-rechtsstaatlichen Grundrechtstheorie sind die Grundrechte als Freiheitsrechte der/des Einzelnen gegenüber dem Staat zu verstehen. Diese Theorie ist va in dem Licht zu sehen, dass viele Bereiche individueller und gesellschaftlicher Freiheit im Laufe der Geschichte der Bedrohung durch die Staatsmacht ausgesetzt waren. Der Staat sichert die Freiheit seiner BürgerInnen ohne sie von bestimmten Zwecken, Motiven und Instituten abhängig zu machen, indem er die Voraussetzungen und Institutionen für ihre Gewährleistung schafft. Weiters hat der Staat die Freiheitssphären der Grundrechtsträger gegeneinander abzugrenzen und zu harmonisieren. Grundrechte haben nach dieser Theorie daher primär Abwehr- und Ausgrenzungscharakter.[10]
Bei der institutionellen Grundrechtstheorie geht es darum, dass hinter jedem Recht ein Institut steht. Die Grundrechte sind demnach objektive Ordnungsprinzipien für die von ihnen geschützten Lebens- und Freiheitsbereiche bzw Normen institutioneller Art. Institute sind objektive Gegebenheiten, die einer näheren (gesetzlichen) Ausgestaltung bedürfen bzw diese Ausgestaltung zur Verwirklichung und Entfaltung benötigen. Die individuelle Freiheit ist dieser Theorie zufolge nicht aus sich selbst heraus erklärbar, sondern nur iZm inhaltsbestimmenden und -ausformenden Gesetzen des objektivierten Instituts der Freiheit, dh, die individuelle Freiheit ist in eine institutionelle Rahmenordnung eingebettet.[11]
Die dritte Theorie bei Böckenförde ist die so genannte Werttheorie der Grundrechte, nach der Grundrechte als objektive Werte zu verstehen sind. Die Grundrechte beruhen auf einer staatlichen sowie gesellschaftlichen Wertentscheidung und bereichern somit das gesamte Wertesystem einer Gemeinschaft. Ziel ist es, die in den Grundrechten enthaltenen Werte zu realisieren und alle Rechte nur im Rahmen der allgemeinen Wertordnung auszuüben. Diese Theorie ist von vornherein offen für Weiterentwicklung, wobei allerdings auch Gefahren für die Grundrechtskontinuität entstehen können, wenn sich Wertauffassungen in der Wertegemeinschaft zu rasch ändern.[12]
Nach der demokratisch-funktionalen Grundrechtstheorie sind Grundrechte als „Funktions- und Kompetenzbegründungsnormen zur freien Teilnahme der einzelnen Grundrechtsträger an den öffentlichen Angelegenheiten und am politischen Prozeß“[13] zu verstehen. Grundrechte sind also dazu da, demokratische Prozesse, insbesondere die politische Willensbildung, überhaupt zu ermöglichen und zu sichern. Die öffentliche und politische Funktion sowie deren Gewährleistung stehen im Vordergrund, während privat orientierter Grundrechtsgebrauch und -zweck erst nachrangig zum Zuge kommen. Deshalb übersieht diese Theorie mM die Vielfalt der Lebensbereiche und somit die Vielfalt der Anwendungsgebiete der Grundrechte.[14]
Als letzte der Theorien bei Böckenförde ist die sozialstaatliche Grundrechtstheorie zu erwähnen. Bei dieser vermitteln Grundrechte positive Leistungsansprüche gegenüber dem Staat und beschränken sich nicht auf ihre „Negativfunktion“. Der Staat wäre demnach verpflichtet, soziale Voraussetzungen zu schaffen, die es den Grundrechtsträgern ermöglichen, die grundrechtlichen Freiheiten auszuüben. So müsste beispielsweise die wirtschaftliche Existenz grundrechtlich abgesicherter Einrichtungen erhalten und subventioniert werden.[15] Als Grundrechtstheorie ist die sozialstaatliche Sichtweise eher weniger geeignet, weil sie an der praktischen Verwirklichung scheitern müsste. Das wird auch dadurch untermauert, dass Österreich bis dato keine sozialen Grundrechte anerkannt hat, sondern seine Sozialstaatlichkeit auf einfachgesetzlicher Basis zum Ausdruck bringt.[16]
Man sieht anhand der dargelegten Grundrechtstheorien die Vielfalt der Möglichkeiten, die für die Interpretation des Gehalts der Grundrechte zur Verfügung stehen. Es stellt sich nun die Frage, welcher Theorie die österreichische Grundrechtspraxis folgt. Zuerst ist darauf hinzuweisen, dass die einzelnen theoretischen Ansätze durchaus kompatibel sind und auch eine gewisse Kombination verlangen. Es wird wegen der unterschiedlichen Regelungsinhalte der Grundrechte auch nur schwer möglich sein, mit einer einzig wahren Theorie auszukommen, die allen Grundrechten gerecht werden kann. Mehr oder weniger sollen alle Theorien das nationale Grundrechtsverständnis beeinflussen, was wiederum iS einer zweckorientierten Anwendung der Grundrechte geboten ist. So kann man dann eventuell von einer „Haupttheorie“ sprechen, die durch die anderen jeweils adäquat modifiziert wird. Als Haupttheorie der österreichischen Praxis kann die klassisch-liberale Grundrechtstheorie angesehen werden. Zusammengefasst besteht sie in der Auffassung, dass es sich bei den Grundrechten, insbesondere bei den im Staatsgrundgesetz 1867 gewährleisteten Rechten, „um Abwehrrechte gegen staatliche Eingriffe ohne institutionellen Bezug handelt, die entsprechend der historischen Begriffsbildung[17] auszulegen sind und Schranken für die Staatstätigkeit konstituieren“.[18]
Zu berücksichtigen ist hierbei allerdings, dass es im Laufe der Zeit zu einem Bedeutungswandel der Grundrechte kommen kann oder sogar muss, der entweder auf einer Modifikation der Grundrechtstheorie basiert oder nach einer solchen verlangt. Das ist auch in der Judikaturwende des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) in den 80er Jahren[19] zum Ausdruck gekommen. Die Grundrechte verlangten nach einer weniger formellen, dafür aber mehr wertorientierten Auslegung.[20]
C. Grundrechtsträger
Wenn man von Grundrechtsträgern spricht, so meint man damit all jene, denen ein Grundrecht zusteht und die sich auf dessen Einhaltung berufen können. Die Ermittlung dieser Träger ist nötig, um über den personellen Anwendungsbereich der Grundrechte Aufschluss zu bekommen und dadurch gleichzeitig den Schutzbereich der Grundrechte weiter abgrenzen zu können. Die Grundrechtssubjektivität steht primär und ursprünglich dem Menschen, also der natürlichen Person, zu. Dies hängt damit zusammen, dass jedem Menschen Rechtssubjektivität zukommt. Beginn und Ende der Grundrechtssubjektivität richten sich ebenso nach der allgemeinen Rechtsfähigkeit; sie besteht daher grundsätzlich von der Geburt bis zum Tod und nicht darüber hinaus. Die Grundrechtssubjektivität des nasciturus, also des ungeborenen Menschen, ist zT strittig, aber iS eines umfassenden Grundrechtsschutzes geboten.
Die Fähigkeit Grundrechtsträger zu sein ist prinzipiell unbeschränkt; um allerdings von den gewährleisteten Rechten und Freiheiten auch durch eigenes Handeln und selbstbestimmt Gebrauch machen zu können, bedarf es noch der so genannten Grundrechtsmündigkeit, die wiederum iZm der allgemeinen Handlungsfähigkeit zu sehen ist, und daher sowohl vom Alter als auch vom Geisteszustand des Grundrechtssubjekts abhängt. Unabhängig von diesen Prämissen und somit von der Grundrechtsmündigkeit müssen jedoch diejenigen Grundrechte gelten, welche die Existenz und die Integrität einer Person schützen. Außerdem verzichtet man bei der Grundrechtsmündigkeit auf die Fixierung starrer Altersgrenzen; es ist im Bereich der Grundrechte vielmehr auf den Einzelfall und die individuelle Entwicklung der Grundrechtssubjekte abzustellen.[21]
Bei den der natürlichen Person zustehenden Grundrechten muss man noch zwischen Menschenrechten bzw Jedermannsrechten und Staatsbürgerrechten unterscheiden. Erstere kommen allen Menschen bedingungslos zugute, zweitere jedoch schützen nur die jeweiligen StaatsbürgerInnen. Ob es sich um Menschen- oder Staatsbürgerrechte handelt, lässt sich dem Wortlaut der Grundrechtsbestimmung entnehmen. Das StGG enthält neben den Staatsbürgerrechten auch Menschenrechte, auf die sich Fremde berufen können. Dazu zählen beispielsweise das Eigentumsrecht (Art 5 StGG), das Hausrecht (Art 9 StGG) oder die Meinungsfreiheit (Art 13 StGG), während hingegen der Gleichheitsgrundsatz (Art 2 StGG), die Erwerbsfreiheit (Art 6 StGG) oder die Vereins- und Versammlungsfreiheit (Art 12 StGG) nur Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern zugute kommen. Durch die Geltung der Europäischen Menschenrechtskonvention in Österreich hat sich der Kreis der allen Menschen zustehenden Rechte enorm erweitert, sodass es kaum mehr Lücken und Unterschiede im personellen Anwendungsbereich gibt. Außerdem können oftmals auch andere Grundrechte als „Auffanggrundrechte“ herangezogen werden, um den Rechten der Fremden zum Durchbruch zu verhelfen.[22] Im Bereich des europäischen Gemeinschaftsrechts ist weiters zu berücksichtigen, dass gem Art 12 EG UnionsbürgerInnen nicht schlechter gestellt werden dürfen als die StaatsbürgerInnen des betroffenen Mitgliedstaates.
Neben den natürlichen Personen können auch juristische Personen Grundrechtsträger sein. Dies allerdings nur mit der Einschränkung, dass das jeweilige Grundrecht seinem Wesen nach auch auf solche Gebilde anwendbar ist. Es gibt nämlich Grundrechte, die natürlichen Personen vorbehalten sind, wie zB das Recht auf persönliche Freiheit (Art 5 EMRK), das Recht auf Achtung des Familienlebens (Art 8 EMRK) oder das Recht auf Eheschließung (Art 12 EMRK). Genauso auf juristische Personen anwendbar sind nach der Rechtsprechung ua die wirtschaftlichen Grundrechte (zB Art 5 StGG), die Meinungsfreiheit (Art 13 StGG, Art 10 EMRK) oder die Vereins- und Versammlungsfreiheit
(Art 12 StGG, Art 11 EMRK).
Jedenfalls Grundrechtsträger im erwähnten Sinn sind juristische Personen des privaten Rechts. Auf Personengesellschaften werden die Grundsätze analog angewendet. Bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts ist zu differenzieren. Sie sind dann Grundrechtsträger, wenn sie mit juristischen Personen des privaten Rechts vergleichbar sind, also zB ausgegliedert sind oder Aufgaben der beruflichen Selbstverwaltung wahrnehmen. Keinesfalls steht aber den Gebietskörperschaften als Staat und somit Hoheitsträger, sowie deren Organen die Grundrechtsträgereigenschaft zu, da der Staat als ein Grund- rechtsverpflichteter nicht zugleich Grundrechtseingriffe „von sich gegen sich“ geltend machen kann. Eine Ausnahme kann nur dort gemacht werden, wo Gebietskörperschaften als Träger von Privatrechten erwerbswirtschaftlich tätig werden, nicht aber dann, wenn sie öffentliche Aufgaben privatrechtsförmig erfüllen.
Abschließend ist noch zu erwähnen, dass bei der Anwendbarkeit von Staats-
bürgerrechten auf juristische Personen auf den Sitz im Inland abgestellt wird.[23]
D. Grundrechtsverpflichtete
Zum personellen Geltungsbereich der Grundrechte gehört neben der Frage nach den Grundrechtsträgern auch die nach den Grundrechtsverpflichteten. Dabei geht es um all jene, die zur Einhaltung und zum Schutz der Grundrechte verpflichtet sind und die sich verletzenden Eingriffen in die geschützte Sphäre der Grundrechtsträger enthalten müssen. Prinzipiell können der Staat auf der einen und Privatpersonen auf der anderen Seite als Adressaten der grundrechtlichen Verpflichtungen in Frage kommen. Folgende Konstel-
lationen sind zu unterscheiden: Der Staat kann sowohl als Träger der öffentlichen Gewalt, als auch als Träger von Privatrechten der/dem Einzelnen gegenüber Grundrechtsverpflichteter sein. Der Einzelmensch wiederum kann gegenüber seinen Mitmenschen und der Gemein- schaft menschenrechtlich verpflichtet sein. Dasselbe kann natürlich genauso für juristische Personen gelten. Bei der möglichen Bindung von Privatpersonen an die Grundrechte handelt es sich um die Frage nach der so genannten Drittwirkung der Grundrechte, auf Grund derer eben auch Träger nichtstaatlicher Gewalt zur Einhaltung der Grundrechte verpflichtet werden können. Es geht also um die Wirkung der Grundrechte in den Rechtsverhältnissen zwischen Privaten.[24]
Nun aber erst einmal zum Staat als (primären) Grundrechtsverpflichteten. Der Staat ist in all seinen Funktionen und Erscheinungen an die Grundrechte gebunden. Schon aus dem Stufenbau unserer Rechtsordnung ergibt sich, dass die Staatsfunktionen Gesetzgebung und Vollziehung (insbesondere Verwaltung) zur Einhaltung und Verwirklichung der Grundrechte verpflichtet sind. Überall dort, wo Staatsgewalt durch Bund, Länder, Gemeinden ua Erscheinungen ausgeübt wird, sind Grundrechte nicht wegzudenken. Jeder staatliche Akt, sei es insbesondere Gesetz, Verordnung, Verwaltungsakt oder gerichtliche Entscheidung, kann in Grundrechte eingreifen und deren Schutzbereich verletzen. Es gibt insofern keine grundrechtsfreien Räume.[25]
Gerade der Gesetzgeber ist in seiner Tätigkeit immer sehr eingriffsnah, da er zB die Möglichkeit hat, durch gesetzliche Bestimmungen einen Ausgleich zwischen den einzelnen Freiheitspositionen der Menschen zu schaffen. Schließlich korrespondiert mit der Erweiterung der Freiheit für die einen, die Einschränkung derselben für die anderen! Auch kann der Gesetzgeber durch Reglementierungen einen grundrechtlich geschützten Bereich einschränken. Sein gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum wird einerseits allerdings durch den Verfassungsrang der Grundrechte und andererseits durch die, bei den meisten Grundrechten vorhandenen, Gesetzesvorbehalte[26] näher bestimmt bzw begrenzt. Der Gesetzgeber ist primärer Adressat, wenn es um die Verwirklichung grundrechtlicher Gewährleistungspflichten geht – er hat Grundrechte organisatorisch wie auch verfahrens-
rechtlich auszugestalten sowie zu effektuieren und die Freiheit der Menschen umfassend zu schützen. In diesem Zusammenhang kann man auch von so genannten staatlichen Schutzpflichten sprechen, nach denen der Gesetzgeber verpflichtet wird, die Grundrechte ebenso vor Eingriffen von dritter, nichtstaatlicher Seite zu schützen. Diese staatlichen Schutzpflichten werden noch für die Frage nach einer Drittwirkung der Grundrechte von besonderer Bedeutung sein.[27] Neben der typischen Gesetzgebungstätigkeit sind natürlich genauso die anderen parlamentarischen Tätigkeiten grundrechtsgebunden.[28]
Die Grundrechtsbindung der vollziehenden Staatsgewalt Verwaltung lässt sich wegen des Stufenbaus der Rechtsordnung direkt auf das Verfassungsrecht zurückführen und indirekt auf die Grundrechtsbindung des Gesetzgebers und das damit zusammenhängende Legalitätsprinzip, durch welches die Bindung der Verwaltung mediatisiert und determiniert wird. Ausgegliederte Verwaltungseinheiten sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts sind ebenso Grundrechtsverpflichtete, soweit sie hoheitlich tätig sind und typische Verwaltungsaufgaben erledigen. Entsprechendes gilt für beliehene natürliche Personen oder beliehene juristische Personen des privaten Rechts.[29] In der Privatwirtschaftsverwaltung ist der Staat als Träger von Privatrechten zT an die Grundrechte gebunden. Man spricht in diesem Bereich auch von Fiskalgeltung der Grundrechte und meint damit die Grundrechtsbindung des Staates bei der Erfüllung typisch staatlicher Aufgaben in privatrechtsförmiger Weise.[30] Die Grundrechtsbindung der Rechtsprechung als Teil der Staatsgewalten, ist ebenso selbstverständlich, wie jene von Gesetzgebung und Verwaltung. Die ordentlichen Gerichte sind staatliche Organe und erfüllen hoheitliche Aufgaben. Von besonderer Relevanz sind klarerweise die Verfahrensgrundrechte, welche Maximen für den korrekten formellen Ablauf des Verfahrens vorgeben. Die Grundrechte sind jedoch auch in Hinblick auf die materielle Seite des Verfahrens, also den Inhalt der Entscheidung, zu beachten. Dies jedenfalls iZm dem Justizstrafrecht; ob auch iZm Privatrechtsstreiten ist eine Frage der Drittwirkung der Grundrechte.[31]
Ob privatrechtsförmiges Handeln des einzelnen Menschen oder juristischer Personen des privaten Rechts an den Grundrechten zu messen ist, hängt von der Antwort auf die Frage nach einer allfälligen Drittwirkung der Grundrechte ab. Jedenfalls sind Private nicht die primären Grundrechtsverpflichteten. Soweit diese hoheitliche Aufgaben erledigen, ist die Grundrechtsbindung nicht schwer zu erklären und nachzuvollziehen; eine Bindung von Privatpersonen in Privatrechtsverhältnissen ist historisch dagegen nicht vorgesehen gewesen und bedarf auch anderer dogmatischer Ansätze, welche in dieser Diplomarbeit näher untersucht werden sollen.
E. Rechtsdurchsetzung
Im Folgenden sollen die wichtigsten Rechtsschutzinstrumente dargestellt werden, die der Durchsetzung der Grundrechte dienen. Dabei wird primär auf die direkten Instrumente des Grundrechtsschutzes abgestellt, die individuelle Ansprüche bei Grundrechtsverletzungen begründen. Daneben sind natürlich auch die Faktoren Politik und öffentliche Meinung für die Bewusstseinsbildung von Staat und Gesellschaft nicht zu unterschätzen. Eine Art Grundrechtserziehung findet auch durch die vorwiegend im internationalen Bereich angesiedelten Berichtssysteme statt, durch die der Staat regelmäßig zum Stand des nationalen Menschenrechtsschutzes Stellung nehmen und sich für etwaige Missstände rechtfertigen muss. Die direkten Mittel sind jene des Verwaltungs- und Rechtswegs. Es existieren zT auch eigene Einrichtungen, die dem Schutz einzelner Grundrechte verpflichtet sind; beispielsweise jene der Datenschutzkommission.[32]
Der VfGH ist eine der wichtigsten Einrichtungen zur Gewährleistung der verfassungsgesetzlichen Grundrechte. Seine Aufgabe nimmt er einerseits im Wege der Normenkontrolle und andererseits im Wege der Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit wahr. Gegen legislative Eingriffe in grundrechtlich geschützte Positionen steht das Normenkontrollverfahren nach Art 139 ff B-VG zur Verfügung. Der VfGH prüft hierbei die Gesetzmäßigkeit von Verordnungen sowie die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen. Bei der Gesetzesprüfung fungieren die Grundrechte als wichtigster materieller Maßstab, wohingegen sie bei der Verordnungsprüfung durch den Maßstab Gesetz mediatisiert werden. Die abstrakte Befugnis zur Anfechtung von Gesetzen oder Verordnungen, die losgelöst von einem Anlassfall ist, steht der Bundes- und Landesregierung, sowie weiters bei Gesetzen einem Drittel der Mitglieder des Nationalrates, Bundesrates oder Landtages und bei Verordnungen der Volksanwaltschaft oder einer Gemeinde zu. Im konkreten Normenkontrollverfahren, bei dem das in Frage stehende Gesetz bzw die in Frage stehende Verordnung konkret auf den so genannten Anlassfall anzuwenden ist, stehen den Gerichten[33] und den Unabhängigen Verwaltungssenaten (UVS), die genau diese präjudizielle Norm zur Entscheidungsfindung heranziehen müssten, Anfechtungsbefugnisse zu. Daneben steht der/dem Einzelnen der subsidiäre Rechtsbehelf des Individualantrags zu, wenn sie/er ohne Urteilsfällung oder Bescheiderlassung unmittelbar durch eine Norm in ihren/seinen Rechten verletzt wird. Sobald ein anderer zumutbarer Rechtsweg zur Verfügung steht, also beispielsweise der Instanzenzug bis zu einem antragsberechtigten Gericht oder UVS vorangetrieben werden kann, scheidet ein Individualantrag aus.
Bestätigen sich schließlich die geltend gemachten Bedenken im Normen-
kontrollverfahren, hebt der VfGH die rechtswidrige Norm auf.[34] Eine gänzliche Untätigkeit des Gesetzgebers, also ein Normierungsbedarf, kann mit Hilfe eines Normenkontrollverfahrens nicht geltend gemacht werden. Nicht zuständig ist der VfGH weiters für Ahndungen von Grundrechtsverletzungen, welche von der richterlichen Gewalt und Dritten bzw auch nicht-
staatlichen Organen ausgehen.[35] Dafür bietet allerdings Art 144 B-VG Grundrechtsschutz durch den VfGH gegenüber der Verwaltung, in concreto gegenüber letztinstanzlichen Bescheiden von Verwaltungsbehörden und den UVS, die in ein Grundrecht eingreifen und es verletzen oder auf einer rechtswidrigen Norm beruhen und die/den Einzelne/n auf diese Weise in ihren/seinen sonstigen Rechten verletzen. Treffen die von der/vom BeschwerdeführerIn geltend gemachten Bedenken tatsächlich zu, wird der Bescheid mit ex tunc Wirkung vom VfGH aufgehoben und die betroffene Behörde hat idR einen Ersatzbescheid zu erlassen. Im Zuge des Bescheidbeschwerdeverfahrens können auch Normbedenken geltend gemacht werden, um so eine amtswegige Einleitung eines Normenkontrollverfahrens durch den VfGH selbst anzuregen.[36] Bei Maßnahmen der verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt steht die Beschwerde an den UVS zur Verfügung. Solche Verwaltungsakte greifen idR in bestimmte Grundrechte ein, weshalb die Maßnahmenbeschwerde nach Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm §§ 67a ff AVG für den Grundrechtsschutz besonders wichtig ist. Erst gegen einen im UVS-Verfahren ergangenen Bescheid kann dann Bescheidbeschwerde an den VfGH erhoben werden.[37]
Eine Bescheidbeschwerde kann auch an den VwGH herangetragen werden. Gemäß Art 131 Abs 1 Z 1 B-VG kann die Verletzung eines subjektiven öffentlichen Rechts durch einen Bescheid behauptet werden. Auch wenn dieses Recht wegen der Kompetenzverteilung zwischen VfGH und VwGH kein Grundrecht sein darf, kann die/der BeschwerdeführerIn zum selben Ergebnis gelangen wie bei der Geltendmachung einer Grundrechtsverletzung, da eine solche idR gleichzeitig eine Verletzung eines einfachen Rechts darstellt. So ergeben sich dann bei den Grundrechten mit Gesetzesvorbehalt für die Betroffenen Parallelbeschwerde-
möglichkeiten an den VfGH und an den VwGH. Prüfungsmaßstab für den VwGH ist hierbei dann das einfache Recht und nicht das Verfassungsrecht.[38]
Der Grundrechtsschutz gegen Urteile in Zivil- und Strafrechtsverfahren muss von den ordentlichen Gerichten wahrgenommen werden, da es in Österreich nicht die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde[39] gegen derartige Entscheidungen an den VfGH gibt. Die in diesen Verfahren vorgesehenen Rechtsmittel dienen der Beurteilung der Rechtmäßigkeit richterlicher Entscheidungen, wobei auch die Wertungen der Grundrechte einfließen und insbesondere das Verfahrensrecht beeinflussen. Außerdem sind die ordentlichen Gerichte in den meisten Fällen der Privatwirtschaftsverwaltung zur Entscheidung von Rechtsfragen zuständig; darüber hinaus spielt sich die gesamte Drittwirkungsproblematik der Grundrechte im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit ab. Die ordentlichen Gerichte sind daher insofern für die Fortentwicklung der Grundrechte im Privatrechtsverkehr verantwortlich. Eine explizite Zuständigkeit für den Bereich des Grundrechts auf persönliche Freiheit kommt dem OGH im Rahmen der Grundrechtsbeschwerde zu, die der Verbesserung des gerichtlichen Grundrechtsschutzes dient.[40]
Zu guter Letzt sei noch der internationale Grundrechtsschutz durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg erwähnt. Der EGMR kontrolliert die Einhaltung der EMRK-Grundrechte und beeinflusst durch seine Interpretationen den nationalen Grundrechtsschutz, wodurch er diesen gleichsam weiterentwickeln kann. Neben Staatenbeschwerden gibt es für natürliche Personen und Personenvereinigungen die Möglichkeit, nach Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsschutzinstrumente eine Individualbeschwerde gem Art 34 EMRK gegen den Staat beim EGMR einzubringen. Die Urteile des Gerichtshofs sind verbindlich und national umzusetzen. Konventionswidrigkeiten müssen mit innerstaatlichen Mitteln beseitigt werden, auch wenn dazu eine Anpassung der nationalen Rechtsordnung erforderlich wird.[41] Eine EGMR-Beschwerde richtet sich ausschließlich gegen Konventionsverletzungen seitens der Mitgliedstaaten – sie sind die aus der EMRK Verpflichteten – und kann nicht bei Verletzungen seitens privatrechtlich handelnder Personen und Personenvereinigungen, also in Fällen der Drittwirkung der Grundrechte, von einer Privatperson gegen eine andere Privatperson in Anspruch genommen werden.[42]
III. Der Bedeutungswandel der Grundrechte
A. Die Aufgabe der Grundrechte im ursprünglichen Sinn
Historisches Hauptaugenmerk für die Normierung von Grundrechten war der Schutz privater Bereiche vor staatlichen Übergriffen und insofern die Gewährung und Sicherung einer elementaren Freiheitssphäre vom Staat. Grundrechte sind als Ausdruck materieller Rechtsstaatlichkeit, die der Staatsgewalt Grenzen setzen, zu verstehen.[43] Daher rührt auch die Meinung, Grundrechte seien einzig und allein staatsgerichtete Abwehrrechte, die im Verhältnis der BürgerInnen untereinander keinerlei Bedeutung hätten. Für eine bloße Staatsgerichtetheit würden prinzipiell die unterschiedlichen Konzeptionen von öffentlichem und privatem Recht sprechen. Der Staat agiert hoheitlich gegenüber seinen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern und ist daher mit zumeist einseitiger Regelungskompetenz ausgestattet. Zwischen den einzelnen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern herrscht grundsätzlich ein Verhältnis der Gleichordnung und Privatautonomie, welches die Selbstgestaltung der eigenen Rechtsbeziehungen erlaubt und gleichzeitig nach einer diesbezüglichen Selbstverantwortung verlangt.
Gegen eine bloße Staatsgerichtetheit spricht allerdings, dass es auch im privaten, nichtstaatlichen Bereich „faktisch überlegene Regelungs- und Verfügungsmacht“[44] geben kann. Außerdem gilt der Grundsatz, dass die Freiheit der/des einen zugleich eine Einschränkung der Freiheit der/des anderen bedeutet. Daher ist es jedenfalls eine wichtige Aufgabe des Staates in Form des Gesetzgebers, die Rechte der Einzelnen gegeneinander abzugrenzen, sodass die grundrechtlich verbürgten Rechts- und Freiheitspositionen für alle gleichermaßen gewährleistet werden können.[45]
Lange Zeit ging man davon aus, dass die Grundrechte im Wesentlichen dem Schutz der/des Einzelnen vor Eingriffen durch die staatliche Verwaltung dienen.[46] Staat wurde quasi gleichgesetzt mit Verwaltung, da von dieser Staatsfunktion historisch betrachtet die größte Gefahr für die StaatsbürgerInnen ausging. Dieses Grundrechtsverständnis wurde entscheidend von der Judikatur des VfGH geprägt, der schließlich für die Auslegung des Verfassungsrechts zuständig ist. Weiters anerkennt der VfGH ein Grundrecht nur dann, wenn es sich auf ein formelles Verfassungsgesetz stützt. Ein überpositives Grundrechtskonzept wird streng abgelehnt. Diese positivistische Grundhaltung in der Grundrechtsinterpretation bewirkt auch, dass sich der VfGH „an das historische Verständnis des Verfassungs-
gesetzgebers gebunden erachtet und sich prinzipiell zu keiner dieses Verständnis transzendierenden Anpassung der Grundrechte an veränderte soziale Gegebenheiten“[47] befugt sieht.[48] Die ältere Grundrechtsinterpretation war daher vorwiegend vom entstehungszeitlichen Kontext geprägt und löste sich kaum vom Wortlaut. Erst ab den 80er Jahren änderte sich das Grundrechtsverständnis und teleologische Erwägungen fanden verstärkt Einzug in den Interpretationsstil des VfGH. Durch die Abwendung von der restriktiven Interpretation und dem formalen, begriffsjuristischen Verständnis der Grund-
rechte hin zu einer stärker vom Inhalt geprägten Sichtweise konnten dann auch allgemeinere Grundrechtsfragen, wie zB die nach der Bindung des Gesetzgebers oder nach den sich aus den Grundrechten ergebenden Unterlassungs- und Handlungspflichten, gelöst werden; die Antworten auf diese Fragen können nicht direkt aus dem Wortlaut abgeleitet werden. Von der älteren Rechtsprechung ebenso ungeklärt blieb die Frage nach einer Fiskalgeltung der Grundrechte, wie auch die nach der Drittwirkung der Grundrechte. Hier spielt natürlich die mangelnde Zuständigkeit des VfGH in privatrechtlichen Angelegenheiten eine nicht unwesentliche Rolle.[49]
Um einen besseren Einblick in die ältere, restriktivere Rechtsprechungspraxis des VfGH zu bekommen, werden in der Literatur immer wieder zwei prägende Erkenntnisse zitiert: das Fristenlösungserkenntnis[50] und das UOG-Erkenntnis[51]. In diesen Entscheidungen dementiert der Gerichtshof eine grundrechtliche Schutzpflicht des Gesetzgebers sowie die Existenz institutioneller Gewährleistungspflichten und reduziert die Funktion der Grundrechte des StGG auf staatsgerichtete Unterlassungsansprüche.[52] Im Fristenlösungserkenntnis betont der VfGH die ausschließliche Staatsgerichtetheit der Grundrechte und lehnt damit gleichzeitig eine Drittwirkung der Grundrechte ab.[53] Für den VfGH ist der Grundrechtskatalog des StGG von der klassischen liberalen Vorstellung getragen, „dem Einzelnen Schutz gegenüber Akten der Staatsgewalt zu gewähren“, was sich aus dem Entstehungskontext der Grundrechte ergibt. Des Weiteren ist dem österreichischen Verfassungsrecht „ein Recht auf Leben, das gegen Eingriffe von nichtstaatlicher Seite schützt, fremd“. Der Gesetzgeber ist dieser Entscheidung zufolge nicht verpflichtet, Strafrechtsschutz gegen Eingriffe von nichtstaatlicher Seite zu gewähren.[54] Dennoch ist allgemein zu bedenken, dass ein Recht auf Leben zwischen Privaten auch notwendige moralische Voraussetzung für die Existenz des Staates ist. Insofern müsste eine Drittwirkung schon bejaht werden.
Im UOG-Erkenntnis wiederholt der VfGH die eben zitierte Stelle bezüglich der Staatsgerichtetheit der Grundrechte und stellt sodann den ausschließlichen Abwehrcharakter der Grundrechte in den Vordergrund, nach dem das Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit vor intentionalen staatlichen Beschränkungen schützt, aber den Staat darüber hinaus nicht zu positiven Vorkehrungen verpflichtet, da dies weder dem Wortlaut noch der historischen Entwicklung dieses Grundrechts entnommen werden könne. Daher ist die Mitwirkung
der HochschullehrerInnen an der unmittelbaren Wissenschaftsverwaltung nicht vom Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit erfasst und die Zusammensetzung der Studien-
kommission[55] kann vom einfachen Gesetzgeber näher gestaltet werden.[56]
B. Das neuere Verständnis der grundrechtlichen Schutzfunktion
Seit Mitte der 80er Jahre ist es zu einem Bedeutungswandel der Grundrechte gekommen, welcher mitunter entscheidend von den Ein- und Auswirkungen der EMRK geprägt war. Man hat sich nun mehr den Werten, Inhalten und der Effektivität der Grundrechte gewidmet und diese somit in einen gesellschaftspolitischeren Kontext eingebettet. Auch in der Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte ist ein Bewusstseins-
wandel spürbar gewesen. Diese fühlten sich vermehrt für den Grundrechtsschutz verpflichtet, was wiederum für die Drittwirkungsfrage der Grundrechte neue Impulse lieferte. Als Beispiele einer verstärkt materiellen Grundrechtsinterpretation des VfGH können die Ableitung des Vertrauensschutzprinzips aus dem Gleichheitssatz, die Abwendung von der strengen Wesensgehaltstheorie hin zur umfassenden Verhältnismäßigkeitskontrolle[57] und die verstärkte Sachlichkeitsprüfung erwähnt werden. Man anerkennt, dass die Verfassung höchstrangige Wertentscheidungen durch die Grundrechte positiviert, welche auch den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers durch inhaltliche Determinanten eingrenzen. Die Freiheit der/des Einzelnen ist als grundsätzlicher Wert zu verstehen; trotzdem kann sie im Rahmen materiell verstandener Gesetzesvorbehalte beschränkt werden. Es hat sich ein Wandel vom Verständnis der Grundrechte als Regeln zu jenem als Prinzipien vollzogen, sodass die Staatsfunktionen Gesetzgebung und Verwaltung nun ebenfalls durch positives Tun den Schutz der Ausübbarkeit grundrechtlicher Freiheiten gewährleisten müssen. Hierbei zeigt sich eine allmähliche Abkehr von der rein abwehrrechtlichen Grundrechtsfunktion hin zu positiven grundrechtlichen Gewährleistungs- und Schutzpflichten.[58] Felix Ermacora hat ein solches Grundrechtsverständnis schon früher vertreten und bezüglich der Drittwirkungsfrage ausgeführt: „Die Freiheit von Furcht vor dem Staat und dem Mitmenschen [59], sowie das Freiseinlassen des Menschen zu sich selbst, sind die Achse, um die alle Grundrechte rotieren. Die österreichischen Grundrechte können in einer freiheitlich demokratischen Grundordnung (…) dazu beitragen, über die Wandlung von Staat und Gesellschaft hinweg ihre Aufgabe zu erfüllen.“[60]
Fazit des neueren Grundrechtsverständnisses ist nun, dass sich die Grundrechte nicht „in einzelnen subjektiven Abwehransprüchen im unmittelbaren Staat-Bürger-Verhältnis, wie man das lange Zeit angenommen hat“, erschöpfen. „Vielmehr sind die Grundrechte umfassende objektive Grundsatznormen für das staatliche Handeln, die potentiell in alle Richtungen und in alle Rechtsbereiche hineinwirken können“[61]. Zu diesem neueren Verständnis der Grundrechte gehören Fragen nach den grundrechtlichen Gewährleistungs- und Schutzpflichten, sowie Fragen nach der allgemeinen Schutzwirkung der einzelnen Grundrechte, wozu natürlich die gesamte Drittwirkungsproblematik gehört. „Denn die Bedeutung der einzelnen Grundrechte „inter privatos“ hängt davon ab, ob und inwieweit das jeweilige Grundrecht Gewährleistungspflichten des Gesetzgebers („Schutzpflichten“) dahingehend enthält, dem einzelnen Abwehrmöglichkeiten auch gegen Grundrechts-
beeinträchtigungen durch Private einräumen zu sollen“[62]. Hierbei ist noch zu beachten, dass die gesamte Entwicklung mit dem verstärkten Grundrechtsbewusstsein der ordentlichen Gerichte einhergeht.
IV. Die Drittwirkung der Grundrechte
A. Problemstellung
Wenn man von einer Drittwirkung der Grundrechte spricht, so meint man damit die (mögliche) Wirkung von Grundrechten zwischen Privatpersonen[63] bzw deren Wirkung für das und im Privatrecht.[64] Grundrechtsverpflichtete wären somit die Einzelpersonen und nicht mehr nur der Staat in den Erscheinungen seiner Funktionen Gesetzgebung und Vollziehung (Verwaltung und Rechtsprechung). Bei dieser Form von Drittwirkung sind allein die einzelnen BürgerInnen und ihre privatrechtlichen Beziehungen angesprochen. Der Begriff „Drittwirkung“ wurde, soweit ersichtlich ist[65], von Hans Peter Ipsen geprägt. Er erfasst damit die Fragestellung, ob der/dem Einzelnen unter Berufung auf ein Grundrecht eine gleiche Rechtsmacht wie gegenüber der öffentlichen Gewalt auch gegenüber anderen Einzelnen oder Gruppen zukommt.[66]
Im Folgenden soll nun generell untersucht werden, ob die Grundrechte unserer Rechtsordnung auch vor Eingriffen durch Private schützen. Wirken denn die Grundrechte überhaupt inter privatos und wenn, wie vollzieht sich diese Wirkung? Es sei vorausgeschickt, dass es bei der dogmatischen Erfassung des Drittwirkungsphänomens verschiedene Theorien zur Wirkungsweise der Grundrechte gibt und eine allgemein anerkannte Lösung für die problematischen Fragen heute noch nicht wirklich gefunden ist. Mit verantwortlich dafür ist auch die fehlende Kompetenz des VfGH im Bereich des Privatrechts, insbesondere bei der Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen. So finden sich keine klaren Positionierungen zum Thema Drittwirkung in der Rechtsprechung dieses Höchstgerichts.
Die Grundrechtsdogmatik auf diesem Gebiet ist zwar reichlich und uneinheitlich, dennoch ist die gesamte Drittwirkungsproblematik in der Praxis durch die Rechtsanwendung und -durchsetzung der Gerichte zu bewältigen und stellt insofern gar kein Problem dar.
Die sich in der Praxis stellenden Fragen sind alltäglicher Natur. Ständig werden in unserer Rechtsordnung Positionen des einzelnen Menschen, die auch in den Grundrechten zum Ausdruck kommen und daher Wertentscheidungen der demokratischen Gesellschaft darstellen, festgelegt, verändert und gegeneinander abgewogen. Die verschiedenen Rechtsgebiete haben vielfältige Konfliktlösungsmechanismen für den Ausgleich kolli-
dierender Interessen geschaffen, was genauso als Umsetzung grundrechtlicher Wirkungen inter privatos gesehen werden kann.[67] Jedenfalls ist man in der österreichischen Dritt-
wirkungsdiskussion zum übereinstimmenden Ergebnis gekommen, dass die Grundrechte auch auf Privatrechtsverhältnisse einwirken können, dass es also prinzipiell so etwas wie Drittwirkung gibt. Bei der Frage nach der konkreten Ausgestaltung dieser Wirkung scheiden sich allerdings noch immer die Geister. Die „Hochblüte“ der österreichischen Drittwirkungs-
diskussion ist sicherlich für die zweite Hälfte der 70er Jahre sowie die Zeit der 80er Jahre anzusetzen und deswegen auch iZm dem Bedeutungswandel der Grundrechte zu sehen. Nichtsdestoweniger können aber die damals gewonnenen dogmatischen Erkenntnisse heute noch als richtig und herrschend betrachtet werden.
[...]
[1] Ermacora, Grundriß der Menschenrechte in Österreich (1988) Rz 16 ff; Öhlinger, Verfassungsrecht4 (1999) Rz 677; Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts9 (2000) Rz 1317 ff.
[2] Berka, Die Grundrechte. Grundfreiheiten und Menschenrechte in Österreich (1999) Rz 84 ff, 113, 122.
[3] Der Gewährleistungsgehalt der Freiheitsrechte beschränkt sich allerdings nicht auf die Abwehrfunktion. Darauf wird später noch genauer eingegangen (III.B.; IV.; VII.).
[4] Vgl auch Lang, Der Einbau sozialer Rechte, insbesondere eines Rechtes auf Gesundheit, in die österreichische Verfassung, in Martinek/Migsch/Ringhofer/Schwarz/Schwimann (Hrsg), Arbeitsrecht und soziale Grundrechte, Festschrift für Hans Floretta zum 60. Geburtstag (1983) 187 (195 f) und Schambeck, Zur Theorie und Interpretation der Grundrechte in Österreich, in Machacek/Pahr/Stadler (Hrsg), 70 Jahre Republik. Grund- und Menschenrechte in Österreich: Grundlagen, Entwicklung und internationale Verbindungen I (1991) 83 (88 FN 32).
[5] ZB Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nationen vom 19.12.1966 oder Europäische Sozialcharta des Europarates vom 18.10.1961. Vgl dazu auch Rosenzweig, Bedeutung der Grundrechte in Österreich, EuGRZ 1978, 467 (472).
[6] Insbesondere in den Bereichen Minderheiten, Behinderte und Geschlechterungleichbehandlung.
[7] Adamovich/Funk, Österreichisches Verfassungsrecht. Verfassungsrechtslehre unter Berücksichtigung von Staatslehre und Politikwissenschaft3 (1985) 368 ff; Ermacora, Menschenrechte Rz 22 f; Berka, Grundrechte Rz 92 ff; Öhlinger, Verfassungsrecht4 Rz 701; Berka, Lehrbuch Grundrechte. Ein Arbeitsbuch für das juristische Studium mit Hinweisen zur grundrechtlichen Fallbearbeitung (2000) Rz 66 ff; Funk, Einführung in das österreichische Verfassungsrecht10 (2000) Rz 403 ff; Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht9 Rz 1325 ff.
[8] Böckenförde, Grundrechtstheorie und Grundrechtsinterpretation, NJW 1974, 1529 (1529).
[9] Auch Berka, Grundrechte Rz 130 ff und Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht9 Rz 1325 beziehen sich zB auf die bei Böckenförde erfassten Grundrechtstheorien.
[10] Böckenförde, NJW 1974, 1530 f.
[11] Böckenförde, NJW 1974, 1532 f.
[12] Böckenförde, NJW 1974, 1533 f.
[13] Böckenförde, NJW 1974, 1535.
[14] Böckenförde, NJW 1974, 1534 f.
[15] Zur Ausübung der Religionsfreiheit wäre es nötig, Religionsgemeinschaften wirtschaftlich abzusichern; die Berufsfreiheit könnte gem dem sozialstaatlichen Verständnis nur durch die Schaffung ausreichender Arbeits- und Ausbildungsplätze verwirklicht werden usw.
[16] Böckenförde, NJW 1974, 1536. Vgl auch oben II.A..
[17] IS der Versteinerungstheorie, nach der sich der Bedeutungsgehalt des Interpretationsgegenstandes nach dem Versteinerungszeitpunkt richtet. Sie ist ein Grundstein der österreichischen Verfassungsinterpretation, insbesondere der Interpretation der Kompetenzverteilungsnormen.
[18] Adamovich, Grundrechte heute. Eine Einführung, in Machacek/Pahr/Stadler (Hrsg), 70 Jahre Republik. Grund- und Menschenrechte in Österreich: Grundlagen, Entwicklung und internationale Verbindungen I (1991) 7 (18); Schambeck in Machacek/Pahr/Stadler, Grund- und Menschenrechte I 87 f.
[19] Die Angaben „80er Jahre“ und dgl beziehen sich immer auf das 20. Jahrhundert.
[20] Siehe dazu ausführlich unten III..
[21] Vgl zur allgemeinen Rechts- und Handlungsfähigkeit P. Bydlinski, Bürgerliches Recht. Allgemeiner Teil I2 (2002) Rz 2/7 ff und Koziol/Welser, Grundriss des bürgerlichen Rechts. Allgemeiner Teil, Sachenrecht, Familienrecht I12 (2002) 48 ff.
[22] Es ist zB geltende Rechtsprechung, dass sich Fremde, denen die Berufung auf den Gleichheitsgrundsatz verwehrt ist, an Stelle dessen auf eine Verletzung ihres Eigentumsrechts stützen können.
[23] Ermacora, Handbuch der Grundfreiheiten und der Menschenrechte. Ein Kommentar zu den österreichischen Grundrechtsbestimmungen (1963) 25; Adamovich/Funk, Verfassungsrecht3, 366 ff; Ermacora, Menschenrechte Rz 38 ff; Berka, Grundrechte Rz 145 ff; Öhlinger, Verfassungsrecht4 Rz 702 ff; Berka, Lehrbuch Grundrechte Rz 79 ff; Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht9 Rz 1323 f.
[24] Ermacora, Menschenrechte Rz 45 ff.
[25] Berka, Grundrechte Rz 186 f; Öhlinger, Verfassungsrecht4 Rz 706 f.
[26] Gesetzesvorbehalte sind Ermächtigungen an den einfachen Gesetzgeber zur Ausgestaltung oder auch Beschränkung von Grundrechten. Dementsprechend unterscheidet man zwischen Ausgestaltungs- und Eingriffsvorbehalten. Materielle Vorbehalte, die auch inhaltliche Kriterien für den Gesetzgeber aufstellen, begrenzen indes den Spielraum mehr als rein formelle Vorbehalte, die nach dem Wortlaut her eine unbeschränkte Ermächtigung zuließen. Vgl Öhlinger, Verfassungsrecht4 Rz 710 ff.
[27] Siehe unten IV.D.5..
[28] Berka, Grundrechte Rz 102, 105 und 188 ff; ders, Lehrbuch Grundrechte Rz 101 ff; Walter/Mayer, Bundes-verfassungsrecht9 Rz 1329.
[29] Berka, Grundrechte Rz 192 ff; ders, Lehrbuch Grundrechte Rz 104 ff.
[30] Öhlinger, Verfassungsrecht4 Rz 737. Siehe zur Fiskalgeltung unten IV.B..
[31] Berka, Grundrechte Rz 208 ff; Holoubek, Wer ist durch die Grundrechte gebunden? ZÖR 1999, 57 (63 f); Öhlinger, Verfassungsrecht4 Rz 740; Berka, Lehrbuch Grundrechte Rz 115.
[32] Ermacora, Menschenrechte Rz 1097 ff.
[33] Dazu zählen alle (bei Gesetzen alle in zweiter Instanz) berufenen ordentlichen Gerichte, der Oberste Gerichtshof (OGH), der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) und auch der VfGH, der bei Bedenken an der Rechtmäßigkeit einer präjudiziellen Norm ein bei ihm anhängiges Verfahren unterbrechen und von Amts wegen ein Normenkontrollverfahren einleiten kann. Vgl zu den ordentlichen Gerichten Art 89 Abs 2 B-VG.
[34] Wirkung ex nunc mit Ausnahme des Anlassfalles, ihm gleichzuhaltender Fälle und einer angeordneten Rückwirkung.
[35] Ermacora, Menschenrechte Rz 1111; Berka, Grundrechte Rz 298 ff; Machacek/Müller/Grof, Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und vor dem Verwaltungsgerichtshof. Leitfaden für die Praxis mit Darlegungen für EMRK- und UVS-Beschwerden und für Anträge auf Vorabentscheidung4 (2000) 92 f, 95 ff.
[36] Ermacora, Menschenrechte Rz 1112 ff; Berka, Grundrechte Rz 310, 312; Machacek/Müller/Grof, Verfahren vor dem VfGH4, 90.
[37] Berka, Grundrechte Rz 319.
[38] Berka, Grundrechte Rz 314 f.
[39] Anders in Deutschland, wo das Bundesverfassungsgericht noch nach dem Bundesgerichtshof angerufen werden kann.
[40] Rosenzweig, EuGRZ 1978, 469; Berka, Grundrechte Rz 320 ff; Holoubek, ZÖR 1999, 61 f; Machacek/ Müller/Grof, Verfahren vor dem VfGH4, 91 f.
[41] Berka, Grundrechte Rz 323, 327 ff.
[42] Moser, Die Europäische Menschenrechtskonvention und das bürgerliche Recht. Zum Problem der Drittwirkung von Grundrechten (1972) 109 f, 123; Berka, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die österreichische Grundrechtstradition, ÖJZ 1979, 365 und 428 (369); Tretter, Übersicht zur Rechtsprechung der Höchstgerichte, in Ermacora/Nowak/Tretter (Hrsg), Die Europäische Menschenrechtskonvention in der Rechtsprechung der österreichischen Höchstgerichte (1983) 59 (78); Berger, Auswirkungen der Europäischen Menschenrechtskonvention auf das österreichische Zivilrecht, JBl 1985, 142 (152); Ermacora, Menschenrechte Rz 1139; Mayer, Das österreichische Bundes-Verfassungsrecht. B-VG, F-VG, Grundrechte, Verfassungsgerichtsbarkeit, Verwaltungsgerichtsbarkeit: Kurzkommentar3 (2002) Art 34 EMRK Anm II. f; Nowak, Einführung in das internationale Menschenrechtssystem (2002) 66, 68.
Möglich bleibt aber die Inanspruchnahme des EGMR in Fällen der Drittwirkung in Form von grundrechtlichen Schutzpflichten (dazu noch unten VI.A.); ebenso kann es vorkommen, dass zusätzlich zur Drittwirkungs-problematik des Ausgangsstreits eine Konventionsverletzung durch den Staat kommt und so indirekt das Drittwirkungselement des Falles vor dem EGMR behandelt wird. Dennoch bleibt der Staat allein passiv legitimiert. In seiner Verantwortlichkeit kann sich die Drittwirkung der Konventionsrechte, soweit es eben nicht um Schutzpflichten geht, nur indirekt zeigen.
[43] Zippelius, Allgemeine Staatslehre. Politikwissenschaft13 (1999) 297.
[44] Zippelius, Staatslehre13, 339.
[45] Zippelius, Staatslehre13, 339 f.
[46] Grof, Zur Schutzrichtung (Bindungswirkung) der Grundrechte, in Machacek/Pahr/Stadler (Hrsg), 70 Jahre Republik. Grund- und Menschenrechte in Österreich: Grundlagen, Entwicklung und internationale Verbindungen I (1991) 101 (102); Funk, Grundrechtsschutz und Verwirklichung grundrechtlicher Werte, in Österreichische Juristenkommission (Hrsg), Kritik und Fortschritt im Rechtsstaat. Neue Wege des Grundrechtsschutzes: Tagung der Österreichischen Juristenkommission vom 1. bis 3. Juni 2000 in Weißenbach am Attersee (2001) 25 (26).
[47] Schambeck in Machacek/Pahr/Stadler, Grund- und Menschenrechte I 86.
[48] Öhlinger, Das Grundrechtsverständnis in Österreich. Entwicklungen bis 1982, in Machacek/Pahr/Stadler (Hrsg), 70 Jahre Republik. Grund- und Menschenrechte in Österreich: Grundlagen, Entwicklung und internationale Verbindungen I (1991) 29 (30 ff); Schambeck in Machacek/Pahr/Stadler, Grund- und Menschenrechte I 85 f.
[49] Berka, Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz. Die Freiheit der Medien und ihre Verantwortung im System der Grundrechte (1982) 15 f; ders, Grundrechte Rz 116.
[50] VfSlg 7400/1974.
[51] VfSlg 8136/1977.
[52] Rosenzweig, EuGRZ 1978, 471 ff; Spanner, Die Bedeutung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes für das Zivilrecht, JBl 1978, 281 (286, 288); Berka, Medienfreiheit 18; Novak, Zur Drittwirkung der Grundrechte. Die österreichische Lage aus rechtsvergleichender Sicht, EuGRZ 1984, 133 (138); Holoubek, Grundrechtliche Gewährleistungspflichten. Ein Beitrag zu einer allgemeinen Grundrechtsdogmatik (1997) 19, 27 f; Öhlinger, Verfassungsrecht4 Rz 692.
[53] Auch wenn es in dieser Entscheidung genau genommen nicht um einen Fall „echter Drittwirkung“ ging. Fraglich war nämlich die Verfassungsmäßigkeit des § 97 Abs 1 Z 1 StGB, der einen Strafausschließungsgrund für den Schwangerschaftsabbruch bis zum 3. Monat statuiert. Insofern kommt es hier nicht so sehr auf die Verletzungsmöglichkeit durch Dritte an, sondern rein auf die Gesetzgebungstätigkeit des Gesetzgebers. Bei der Abtreibung selbst handelt es sich aber um einen Eingriff durch Privatpersonen und nicht um einen staatlichen Eingriff. Das Grundrecht auf Leben wird insoweit primär durch Dritte beeinträchtigt; dennoch schafft der Gesetzgeber durch seine Tätigkeit neue Eingriffsmöglichkeiten in das Grundrecht. Unter dem Blickwinkel grundrechtlicher Schutzpflichten betrachtet, ist die Nähe zur Drittwirkung dieser Entscheidung allerdings wieder deutlicher zu sehen (vgl auch unten III.B. aE; IV.D.4. und 5.). Griller wiederum sieht das Fristenlösungserkenntnis vom Blickwinkel seiner Theorie der Mediatisierung der Grundrechtsgeltung aus: Griller, Drittwirkung und Fiskalgeltung von Grundrechten, ZfV 1983, 1 und 109 (8 FN 42).
[54] VfSlg 7400/1974. Allgemein beruht ein Pönalisierungsgebot auf moralischen Wertungen.
[55] Einführung einer drittelparitätisch zusammengesetzten Studienkommission (ProfessorInnen, sonstige MitarbeiterInnen des wissenschaftlichen Personals [„Mittelbau“] und Studierende).
[56] VfSlg 8136/1977.
[57] Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dient als Schranke des einfachen Gesetzgebers. Ein Grundrechtseingriff durch eine gesetzliche Regelung muss demgemäß im öffentlichen Interesse liegen, zur Zielerreichung geeignet und adäquat sowie sonst sachlich gerechtfertigt sein. Vgl Öhlinger, Verfassungsrecht4 Rz 715 f.
[58] Holoubek, Die Interpretation der Grundrechte in der jüngeren Judikatur des VfGH, in Machacek/Pahr/Stadler (Hrsg), 70 Jahre Republik. Grund- und Menschenrechte in Österreich: Grundlagen, Entwicklung und internationale Verbindungen I (1991) 43 (44 ff); ders, Gewährleistungspflichten 3; Berka, Grundrechte Rz 117, 141; Öhlinger, Verfassungsrecht4 Rz 693 f. Dass die Grundrechte historisch betrachtet eigentlich schon immer Gewährleistungs- und Schutzpflichten vorsahen, versucht Lehne zu beweisen: Lehne, Grundrechte achten und schützen? 1862 und 1867, JBl 1986, 341 und 424 (insb 432, 434 f).
[59] Eigene Hervorhebung.
[60] Ermacora, Grundfreiheiten 32.
[61] Berka, Grundrechte Rz 89.
[62] Holoubek, Gewährleistungspflichten 45.
[63] Die Ausdrücke „Privatpersonen“, „Private“ und dgl sollen natürliche Personen wie auch juristische Personen des Privatrechts erfassen.
[64] Berka, Grundrechte Rz 222 f; ders, Lehrbuch Grundrechte Rz 121; ders in Rill/Schäffer (Hrsg), Bundesverfassungsrecht Kommentar (Loseblattsammlung) II 1. Lfg (2001) Vorbemerkungen zum StGG Rz 76.
[65] Ua bei: Moser, Menschenrechtskonvention 74 FN 311; Griller, ZfV 1983, 2 FN 1; Novak, EuGRZ 1984, 133 FN 2; Korinek /Holoubek, Privatwirtschaftsverwaltung 119 FN 315.
[66] Ipsen, Gleichheit, in Neumann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg), Die Grundrechte. Handbuch der Theorie und Praxis der Grundrechte II (1954) 111 (129, 138, 143, 143 FN 109). Konkret ging es bei Ipsen um die Drittwirkung des Gleichheitssatzes der deutschen Bundesverfassung.
[67] Vgl F. Bydlinski, Bemerkungen über Grundrechte und Privatrecht, ÖZÖR 1962/1963, 423 (460); Korinek/Holoubek, Grundlagen staatlicher Privatwirtschaftsverwaltung. Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Rahmenbedingungen nicht hoheitlicher Verwaltung (1993) 117 f; Berka, Grundrechte Rz 225; ders in Rill/Schäffer, BVR Kommentar II 1. Lfg Vorbem StGG Rz 78.
- Arbeit zitieren
- Nicole Laiß (Autor:in), 2003, Die Drittwirkung der Grundrechte in der österreichischen Rechtsordnung. Eine Darstellung in ausgewählten Bereichen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16842
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