Seit jeher stellt Werbung für die verschiedensten Forschungsdisziplinen einen besonderen Reiz dar. Der Geist der Zeit verlangt die Berücksichtigung aktueller Lebensstile, das Überangebot an Produkten erfordert kreative Höchstleistungen, um die Aufmerksamkeit der Konsumenten zu erreichen. Das dabei Interessante, die Beteiligung mehrerer Codesysteme, ist gleichzeitig aber mit nicht zu unterschätzenden Stolpersteinen verbunden. Denn Werbeanzeigen leben von der raffiniert kombinierten Verzahnung von Text und Bild. Ein flüchtiger Blick in die heutige Werbelandschaft lässt vermuten, dass stellenweise sprachliche Bausteine immer mehr in den Hintergrund treten und sich das Bild zum dominierenden Element einer Anzeige gewandelt hat. Es gilt, den Appell zum Kauf geschickt und ansehnlich zu verpacken und optimal in die Kombination der vorhandenen Codesysteme einzubetten. Denn mögen Werbungen durch attraktive Bilder und sprachliche Kniffe auch noch so originell gestaltet sein, so zielen sie letztendlich doch immer auf den Kauf eines jeweiligen Produktes ab. (...) Es wird deutlich, wie unerlässlich anwendbare Analyseinstrumentarien für Bilder sind. Offensichtlich gibt es Verbindungen zwischen sprachlichen und bildlichen Codes und mit Einschränkungen lassen sich semiotische und sprachwissenschaftliche Sichtweisen auch auf die Untersuchung von Bildern übertragen. Entscheidend ist jedoch, die Analyse nicht auf die sprachwissenschaftlichen Instrumentarien zu beschränken, da Werbung per se sehr viele Berührpunkte mit anderen Disziplinen aufweist. Wenig Früchte tragend für die Gesamtinterpretation dürfte außerdem eine separate Untersuchung beider Zeichensysteme sein, da Werbeanzeige von Sprache und Bild lebt (...). Je nach Werbung und zugrunde liegendem persuasiven Muster stehen Text- und Bildmaterial dabei in unterschiedlicher Beziehung zueinander und nehmen verschiedene Teilfunktionen im Hinblick auf die finale Werbeintention ein.
Um die Untersuchung von Printanzeigen auf ihre jeweiligen kommunikativen Funktionen zu ermöglichen, soll im Verlauf ein Analysemodell eingeführt werden, das sprachwissenschaftliche Begrifflichkeiten und relevante Nachbardisziplinen berücksichtigt. Hauptinteressensziel ist es, durch die Betrachtung unterschiedlicher Produktkategorien jeweils verschiedenen Gestaltungstypen auszumachen und dabei eventuelle Trends für Text- oder Bilddominanz, für vorherrschende Bildtypen und das jeweils dahinter stehende persuasive Muster aufzudecken.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Vorgehensweise und Zielsetzung der Arbeit
3. Ein Einblick in die Thematik Werbung
3.1. Werbung: Definitionsvorschläge
3.2. Spezifika der Werbung als persuasive Kommunikationsform
3.2.1. Allgemeine Charakterisierung der werblichen Kommunikation
3.2.2. Das werbespezifische Stufenmodell: Die AIDA-Formel
3.2.3. Werbekommunikation im massenmedialen Kontext
3.2.3.1. Informationsüberlastung
3.2.3.2. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen
3.2.3.3. Soziokulturelle Rahmenbedingungen
3.3. Ein Einblick in werbestrategische Konzepte: Sozialtechniken
3.3.1. Strategischer Einsatz von Emotion und Information
3.3.2. Sozialtechniken der Werbung
4. Zum Stand der Forschung
4.1. Schwierigkeiten
4.2. Zum Gegenstand Werbung
4.3. Untersuchungen zum Bild und zur Semiotik in multicodalen Texten
4.3.1. Zur Untersuchung der Bildkommunikation im Allgemeinen
4.3.2. Zum Zusammenhang von Text und Bild
5. Allgemeine Begrifflichkeiten und Einführen eines Analysemodells
5.1. Semiotische, sprach- und kommunikationswissenschaftliche Grundlagen
5.1.1. Semiotik und Besonderheiten der Textkommunikation
5.1.2. Semiotik und Besonderheiten der Bildkommunikation
5.1.3. Zusammenhang beider Codesysteme hinsichtlich kommunikativer Potentiale
5.2. Einführen eines Analysemodells für die anschließende Untersuchung
6. Durchführung der Analyse
6.1. Erläutern der Methode und Begründung des zu untersuchenden Materials
6.1.1. Methodik und Vorgehen
6.1.2. Vorstellen des Untersuchungsmaterials
6.2. Semiotische Analyse vereinzelter Anzeigen und Hypothesenbildung
6.2.1. Semiotische Analyse einzelner Anzeigen
6.2.2. Vorstellung der Forschungsfragen und Untersuchungsmerkmale
7. Vorstellen und Interpretation der gewonnenen Ergebnisse
8. Fazit und Ausblick
9. Literaturverzeichnis
10. Anhang
10.1. Codebuch
10.1.1. Vorgehen und Stichprobenziehung
10.1.2. Vorstellen des Kategoriensystems und Erläutern des Codierungsvorganges
10.2. Tabellen
0. Vorwort
Werbung scheint ein beliebter Untersuchungsgegenstand zu sein - immerhin kursiert eine beachtliche Menge an Publikationen. In diesem Sinne scheinen aufkommende Zweifel daran, inwiefern eine Abhandlung zu diesem Thema tatsächlich brisant ist, vorerst nicht ganz unberechtigt.
Bei genauerer Betrachtung ist jedoch schnell ersichtlich, dass das Forschungsinteresse vorwiegend den textlichen Aspekten galt und das Werbebild oft vernachlässigt wurde. Allein ein flüchtiger Blick in die aktuelle Werbelandschaft macht sichtbar, wie entscheidend stimmungsvolle und informative Bilder am strategischen Gesamtkonzept einer Printanzeige beteiligt sind, wenn sie nicht sogar dominieren.
In der vorliegenden Arbeit wurde ein Modell zur Analyse von Anzeigen entwickelt, das beide Zeichensysteme und ihre Beteiligung an einer werblichen Gesamtstrategie berücksichtigt. Es hat sich herausgestellt, inwiefern Text und Bild am persuasiven Muster der jeweiligen Werbekommunikate beteiligt sind und Werber aktuelle Gesellschaftswerte und derzeitige Lebensstile in ihre Gestaltung einfließen lassen. Zentral war dabei, die persuasiven Muster im Zusammenhang mit ausgewählten Produktkategorien freizulegen.
An dieser Stelle möchte ich Raphael Reiners danken, der durch die Bereitstellung der Statistik Software SPSS die computergestützte Inhaltsanalyse möglich gemacht hat. Für die Betreuung der Arbeit geht ein weiter Dank an Herrn Prof. Dr. Krefeld, der mir jederzeit mit einem Rat zur Seite stand; Herrn Prof. Dr. Detges danke ich für die Übernahme der Zweitkorrektur. Schließlich vielen Dank an all die, die mir meine Schreibpausen versüßt haben, die mich immer wieder motiviert haben und mir, wenn nötig, auch vor Augen geführt haben, dass es noch ein Leben außerhalb der Magisterarbeit gibt.
1. Einleitung
Seit jeher stellt Werbung für die verschiedensten Forschungsdisziplinen einen besonderen Reiz dar, der nicht zuletzt daher rührt, dass die Gestaltung der einzelnen Anzeigen durch die schnelllebige Medien- und Kommunikationsgesellschaft einem ständigen Wandel unterliegt. Technische Innovationen begünstigen neue Designs, der Geist der Zeit verlangt die Berücksichtigung aktueller Lebensstile und Werte, das Überangebot an Produkten und Dienstleistungen erfordert kreative Höchstleistungen, um schließlich die Aufmerksamkeit potentieller Konsumenten zu erreichen. Und eben das, was die Betrachtung von Werbung besonders interessant macht, ist gleichzeitig auch mit nicht zu unterschätzenden Stolpersteinen verbunden: Die Beteiligung mehrerer Codesysteme. Denn längst bestehen Werbekommunikate nicht mehr nur aus informativem Text und schlichter Produktabbildung, sondern finden durch raffiniert kombinierte Verzahnung von Text, Bild und Ton Beachtung. Ein flüchtiger Blick in die heutige Werbelandschaft lässt vermuten, dass stellenweise sprachliche Bausteine immer mehr in den Hintergrund treten und sich das Bild zum dominierenden Element einer Anzeige gewandelt hat. Doch statt diesen Trend kulturpessimistisch zu sehen, sollten die ihn bedingenden Faktoren und das neue kommunikative Potential ins Blickfeld rücken. Die Gründe für diese Entwicklung liegen auf der Hand: „Bilder sind schnelle Schüsse ins Gehirn“ (Kroeber-Riel 1996, 53); in unserer reizüberfluteten, schnelllebigen Informationsgesellschaft bedarf es gut gestalteter, verhaltenswirksamer Bildmotive, die als Eye-Catcher fungieren, die Aufmerksamkeit erregen, die schnell rezipiert und gut memoriert werden und schließlich besonders stark auf das Konsumverhalten des einzelnen Betrachters Einfluss nehmen. Da dieser heutzutage nämlich sehr gut um die Intention einer jeden Werbeanzeige weiß, gilt es, den Appell zum Kauf geschickt und ansehnlich zu verpacken und optimal in die Kombination der vorhandenen Codesysteme einzubetten. Denn mögen Werbungen durch attraktive Bilder, durch sprachliche Kniffe auch noch so originell gestaltet sein und den Betrachter für einen Moment in die „Heile Welt der Werbung” entführen, so zielen sie letztendlich doch immer auf den Kauf eines jeweiligen Produktes ab. Hinsichtlich der wichtigen Stellung des Bildes in der heutigen Medienlandschaft wird deutlich, wie unerlässlich anwendbare Analyseinstrumentarien für materielle Bilder sind. Offensichtlich gibt es Verbindungen zwischen sprachlichen und bildlichen Codes und mit Einschränkungen lassen sich semiotische und sprachwissenschaftliche Sichtweisen sicherlich auch auf die Untersuchung von Bildern übertragen. Entscheidend ist jedoch, die Analyse nicht auf die sprachwissenschaftlichen Instrumentarien zu beschränken, da Werbung per se sehr viele Berührpunkte mit anderen Disziplinen aufweist. Wenig Früchte tragend für die Gesamtinterpretation dürfte außerdem eine separate Untersuchung beider Zeichensysteme sein, da die Gestaltung einer Anzeige von Sprache und Bild lebt und folglich in ihrem jeweiligen Zusammenspiel zu betrachten ist. Je nach Anzeige und zugrunde liegendem persuasiven Muster stehen Text- und Bildmaterial dabei in unterschiedlicher Beziehung zueinander und nehmen verschiedene Teilfunktionen im Hinblick auf die finale Werbeintention ein. Um die Untersuchung von Printanzeigen auf ihre jeweiligen pragmatisch- kommunikativen Funktionen zu ermöglichen, soll im Verlauf der Arbeit ein Analysemodell eingeführt werden, das sprachwissenschaftliche Begrifflichkeiten und relevante Disziplinen, mit denen Werbung in Berührung kommt, berücksichtigt. Hauptinteressensziel ist es, durch die Betrachtung unterschiedlicher Produktkategorien jeweils verschiedenen Gestaltungstypen auszumachen und dabei eventuelle Trends für Text- oder Bilddominanz, für vorherrschende Bildtypen und das jeweils dahinter stehende persuasive Muster aufzudecken.
2. Vorgehensweise und Zielsetzung der Arbeit
Die vorliegende Arbeit verfolgt theorie- und praxisorientierte Ziele gleichermaßen und lässt sich in einen eher theoretischen Bereich (3.-5.) und einen eher empirischen Bereich (6.-8.) gliedern. Der theoretische Block soll zunächst eine Basis für die spätere Anzeigenanalyse liefern. Hier wird ein Einblick in die Thematik Werbung gegeben (3.): Nach einer Begriffsklärung wird das aktuelle kommunikative Umfeld der Werbung vorgestellt. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Werte werden als wichtige Schnittpunkte benachbarter Wissenschaftsdisziplinen angesehen und nicht außer Acht gelassen. Im Anschluss daran werden das werbetypische Stufenmodell „AIDA“ und Spezifika der Printwerbung vorgestellt. Ein Beispiel eines werbestrategischen Konzeptes rundet das Kapitel ab. Im Anschluss daran folgt ein Überblick über die Forschungsliteratur (4.). Dieser geht kurz auf die Literatur zur Werbesprache allgemein ein, danach auf Studien zur Bildkommunikation und Forschungen zum textlichen und bildlichen Code in ihrem Zusammenspiel. In Folge darauf wird einerseits die Bildung erster konkreter Fragestellungen ermöglicht, andererseits wird über den Forschungsstand auch die Relevanz der geplanten Analyse gerechtfertigt. Des Weiteren werden für die Betrachtung von Anzeigekommunikaten relevante semiotische Grundbegriffe vorgestellt, die letztendlich für die Bildung eines brauchbaren Analyseinstrumentariums unerlässlich sind (5.). An dieser Stelle finden Text- und Bildsemiotik Beachtung. Im Mittelpunkt soll dabei immer wieder die mögliche Übertragbarkeit textsemiotischer Blickwinkel auf die Analyse materieller Bilder stehen. Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Codesysteme werden angerissen, wobei wahrnehmungspsychologische Determinanten hier eine entscheidende Rolle spielen. Das in diesem Abschnitt vorgestellte Modell dient als Bezugswerkzeug für die im weiteren Verlauf zu untersuchenden Anzeigen.
Der Empirieteil gestaltet sich wie folgt: Allem voran wird hier die Erhebungsmethode - die Inhaltsanalyse - kurz vorgestellt und die Zusammenstellung des ausgewählten Analysematerials begründet. Zunächst erfolgt eine detailliertere Betrachtung vereinzelter, zufällig ausgewählter Werbecommuniqués aus verschiedenen Produktbereichen (6.). Die hier beobachteten Auffälligkeiten lassen die Bildung von zu untersuchenden Merkmalskategorien für die anschließende Inhaltsanalyse zu. Eine genaue Betrachtung einzelner Anzeigen vor Untersuchung des großen Gesamtkorpus wird als notwendig erachtet, um stichhaltige Forschungsfragen überhaupt erst bilden und rechtfertigen zu können. Auch erleichtert eine Voranstellung exemplarischer Werbeanzeigen die Interpretation der späteren, aus der Inhaltsanalyse gewonnenen Ergebnisse.
Im Anschlusskapitel wird schließlich ein Überblick über die gewonnenen Befunde gegeben (7.). Hier wird sich zeigen, inwiefern sich die zuvor formulierten Forschungsfragen beantworten lassen, ob sich dominierende Gestaltungstypen oder persuasive Muster in Bezug auf verschiedene Produktkategorien ausmachen lassen und sich in den einzelnen Werbecommuniqués tatsächlich gestalterische Trends und aktuelle Gesellschaftswerte abzeichnen.
In den folgenden Untersuchungen wird nämlich die Annahme vertreten, „[...] dass Werber Vorstellungen von gesellschaftlichen Zuständen haben und diese in Werbebotschaften einfließen lassen.” (Herder 2006, 69). Aus diesem Gedanken ist u.a. auch die Idee für die vorliegende Arbeit entstanden. Das Schlusskapitel fasst die wichtigsten Erkenntnisse der Arbeit zusammen und liefert mögliche Anreize zur Weiterforschung (8.).
3. Ein Einblick in die Thematik Werbung
3.1. Werbung: Definitionsvorschläge
Für Werbung kursieren mehrere Definitionen, die jeweils vom Interesse an den zu untersuchenden Aspekten abhängen. Folglich unterscheiden sich die von Kommunikationswissenschaftlern angebotenen Begriffsbestimmungen deutlich von Werbedefinitionen in den Wirtschafts-, Sozial-, oder psychologischen Wissenschaften.1
Daß es bis heute keinen Konsens hinsichtlich einer einheitlichen Bestimmung des Forschungsgegenstandes gibt, mag an dessen Komplexität [...] wie auch an den mannigfaltigen Erfahrungsmöglichkeiten jedes einzelnen im Umgang mit Werbung liegen. (Zielke 1991, 27).
Oft wird bei Begriffsklärungen auf Berührpunkte mit dem Terminus „Propaganda” hingewiesen (vgl. Römer 1968, 10), um den manipulativen Charakter der Werbung zu verdeutlichen. Ein Überblick über den begrifflichen Wandel von „Reklame” zu Werbung (vgl. ebd., 9) macht deutlich, inwiefern sich die Wahrnehmung von Werbung verändert hat. Römer verweist zwar auf den nicht vorhandenen Wesensunterschied zwischen Reklame und Werbung, jedoch belegt ein kurzer Einblick in die Etymologie beider Begriffe, dass sie eben nicht synonym zu gebrauchen sind und sich durch entscheidende Konnotationen voneinander abgrenzen lassen: Dem Wort Reklame sei der marktschreierische Charakter schon immanent (vgl. ebd., 11), Werbung selbst ist ein Wort indogermanischen Ursprungs2, das letztlich im Zusammenhang mit Aufmerksamkeitserregung steht. Mittlerweile hat sich die Werbung in Teilgebiete wie die Public Relations oder das Marketing aufgespalten. Für die vorliegenden Darstellungen sei an dieser Stelle ein ausführlicher Definitionsversuch angeführt, der werbetypische Besonderheiten einleuchtend offenlegt:
Werbung sei der Versuch eines Unternehmens/[...]/einer Institution/[...]/politischen Partei o.dgl. (Werbetreibender/Sender), durch Einsatz auffällig gestalteter Werbemittel (z.B. Anzeigen, Werbefilme, Hörfunkspots), die sprachlich und visuell merkintensiv codierte Werbebotschaften (Messages) enthalten, über zwischengeschaltete Medien (z.B. Zeitung, Zeitschrift, Fernsehen, Radio/Werbeträger) mit einer Gruppe von Personen (Zielgruppe), deren Mitglieder (Umworbene/Rezipienten) in der Regel nicht persönlich, sondern nur in Form soziodemographischer und/oder verhaltensbezogener Daten bekannt sind, kommunikativ in Kontakt zu treten. Solchermaßen zustandegekommene Werbekontakte dienen dem Zweck, bei den Umworbenen für ein Waren- oder Dienstleistungsangebot/Vorhaben/Programm/[...] o. dgl. (Beworbenes) Aufmerksamkeit zu erzielen und Interesse zu wecken, individuelle Wünsche nach [...] Besitz, Partizipation, Zugehörigkeit o.ä. zu stimulieren und im Idealfall eine bewußte Auseinandersetzung sowie ggf. eine Kontaktaufnahme mit dem Werbungtreibenden und/oder dem Beworbenen zu erwirken. (Zielke 1991, 31).
Im weiteren Verlauf soll stets die Wirtschaftswerbung gemeint sein, also „[d]ie öffentliche Bekanntmachung von Firmennamen, Warennamen und Aussagen über Waren, angeregt von dem Erzeuger oder dem Verkäufer der betreffenden Ware in der Absicht, den Absatz der Ware zu fördern […]“ (Römer 1968, 9).
Kritische Stimmen jedoch, die nur verschwörerisch vor dem manipulativen Charakter der Werbung warnen, finden hier keine entsprechende Aufmerksamkeit. Eine derartige Reduzierung der Werbung wäre sehr unzeitgemäß. Der Fokus der vorliegenden Arbeit liegt in der Art der Gestaltung und dem Zusammenspiel der beteiligten Codesysteme im Hinblick auf pragmatisch-kommunikative Funktionen.
Die Intention von Werbetexten liegt stets in einer Beeinflussung des Rezipienten, um diesen zum Kauf des beworbenen Produktes oder zur Inanspruchnahme der angebotenen Dienstleistung3 zu bewegen. Versprachlicht wird diese Intention jedoch im Regelfall nicht. „Mittels verschiedener Medien wird die aus rationalen und emotionalen Anteilen bestehende Botschaft an eine Zielgruppe übermittelt, so daß sowohl Form als auch Bedeutung der Werbebotschaft eine persuasive Wirkung auslösen kann.“ (Pohl 1998, 257). Oberstes Ziel ist die Veranlassung zum Kauf, jedoch sei hier kurz darauf hingewiesen, dass sich Werbung auch in Produktwerbung, Marken- und Imagewerbung, Aktionswerbung und Gebrauchtwarenwerbung untergliedern lässt (vgl. Minucci 2008, 49). Teil der nachfolgenden Untersuchung sind sowohl Produktwerbung als auch Werbung für Dienstleistungen in italienischen Zeitschriften für verschiedene Zielgruppen.4
3.2. Spezifika der Werbung als persuasive Kommunikationsform
Bei diesem Punkt sei auf die werbespezifische Kommunikationssituation und den allgemeinen Rahmen, in den Werbung eingebettet ist, hingewiesen. Um Aussicht auf eine erfolgreiche Kampagne überhaupt erst möglich zu machen, ist der besondere Kontext bei einer jeden Anzeigengestaltung stets zu berücksichtigen. Marktspezifische Umstände, aktuelle gesellschaftliche Werte und Trends, die psychosoziale Beschaffenheit einer jeden Zielgruppe und wahrnehmungspsychologische Besonderheiten sind zu beachten. Es folgt ein Überblick, der die auf die Anzeigengestaltung und das zugrunde liegende Persuasionsmuster einwirkenden Faktoren thematisiert.
3.2.1. Allgemeine Charakterisierung der werblichen Kommunikation
Zunächst zu den Kommunikationsbedingungen.5 Als Text der Massenkommunikation mit verborgener persuasiver Intention stellt Werbung einen Sonderfall dar. Sie verläuft optisch, „[...] ihre gesamte Botschaft wird visuell rezipiert.” (Kaeppel 1987, 87). Die Printanzeige ist medial schriftlich mit sprachlichen und materiell-bildlichen Elementen. Die Kommunikation ist öffentlich und mit dem Zweck, den Kunden zum Produkterwerb zu bewegen. Es handelt sich also um eine inszenierte, „hochgradig intentional[e]“ (Stöckl 1998, 294) Form der Kommunikation. Insofern sind alltagssprachliche oder scheinbar spontane Äußerungen das Ergebnis einer wohl durchdachten Planung und somit Teil des Werbekonzeptes. Werbung ist außerdem „asymmetrisch und einseitig [...]” (ebd.) und richtet sich an einen großen Rezipientenkreis. Aufgrund der zeitlichen und räumlichen Trennung wird echte Interaktion unmöglich. Sie gilt als „phasenverschoben” (vgl. Kaeppel 1987, 44), denn das schlussendliche Glücken der Werbekommunikation wird nur am Produkterwerb oder der verbesserten Marktposition des jeweiligen Unternehmens gemessen. Eine Gleichberechtigung von Sender und Empfänger liegt demnach in keinem Fall vor, jedoch ist der Behauptung von Rentel, dass eine „[...] Werbeanzeige [...] streng monologisch konzipiert [...]” (Rentel 2005, 83) sei, nicht ohne Einschränkung zuzustimmen. Sicherlich wird der Anzeigenbetrachter mit dem Werbeinhalt „berieselt”, jedoch kann er die Kommunikation insofern beeinflussen, als dass er nicht kooperiert und die Anzeigenbetrachtung abbricht oder über interaktive Gestaltungsstrategien wie Rätsel oder ironische Formulierungen an der Entschlüsselung der Werbebotschaft teilnimmt. „Dies fördert wiederum persuasive Prozesse [...]” (Stöckl 1997, 95).
Der Kommunikationsvorgang läuft, stark reduziert dargelegt, so ab: Ein Sender übermittelt durch ein bestimmtes Medium, hier die Printanzeige, eine codierte Nachricht an einen Empfänger, der die Botschaft dann entschlüsselt. Doch ganz so einfach ist es nicht, denn alle angeführten Komponenten sind mit Einschränkungen zu betrachten.
Was den Sender betrifft, haben wir es in der Werbung mit keinem „echten“ Sender zu tun, denn „[...] Kommunikator und Werber [sind] meistens nicht identisch.“ (Sowinski 1998, 243). Tritt in einer Anzeige ein Sender auf, so ist dieser stets dem Appell untergeordnet und fungiert in Sinne der persuasiven Gesamtbotschaft. Abgebildete Personen wie bspw. Prominente, Durchschnittskonsumenten, Firmeninhaber, die allesamt als Kommunikator auftreten, sind Teil der Strategie. Aus diesem Grund ist im weiteren Verlauf stets ein „sekundärer Sender“ gemeint.
Einschränkungen ergeben sich auch beim Empfänger: „Hier ist zu beachten, daß Werbung eine nur einseitig ausgerichtete, weniger zielvoll gestreute Masseninformationsvermittlung ist.” (ebd.) Eine vollkommen präzise Ansprache des Gegenübers sowie direkte Rückmeldungen sind nicht möglich. Auf Werbewirkung wird in der Arbeit jeweils nur spekulativ eingegangen, um einen angemessenen Rahmen zu wahren. Außerdem findet die Werbeanzeige selbstverständlich längst nicht bei jedem Rezipienten, für den sie bestimmt war, Beachtung. „Waren- oder Absatzwerbung ist zudem in der Regel eine zielgruppengerichete, zufallsgebundene und deshalb nur teilweise akzeptierte und wirksame Massenbeeinflussung.“ (ebd.). Aus eben diesem Grund bedarf es einer attraktiven Gestaltung mit bestmöglicher Integration der Lebensstile und Denkweisen der Zielgruppen, um die Aufmerksamkeit möglichst Vieler zu erreichen.
Da die Kommunikationsabsicht der Beeinflussung des Rezipienten dem Empfänger nicht offengelegt wird, gehen Sender und Empfänger eine „eigenartige Beziehung“ mit „pseudokommunikativem Charakter“ (vgl. Pohl 1998, 257) ein:
Suggeriert wird eine gemeinsame, meist familiäre Situation die durch Ratschlag, Versprechen, Trost, Lob, Vertrauen, Uneigennutz usw. motiviert sei. Die persuasive Absicht der kommunikativen Beziehung wird nicht verbalisiert, sie wird präsupponiert, sie ist das komplexe Ergebnis werbewirksamer Strategien (ebd.).
Die verschleierte Intention lässt sich also in verschiedene Typen unterteilen, die sich an die Illokutionsstypen der Sprechakttheorie von Austin und Searle anlehnen - mehr dazu später. Zwischen Sender und Empfänger bedarf es folglich einer bestimmten Beziehung, die eine angenehme Atmosphäre schafft und die eigentliche ökonomische Absicht, wie bspw. eine Verbindung über gleiche Berufe oder Werturteile, verbirgt. Eine derartige Beziehung fördert die Hinnahme der kommunizierten Inhalte, ohne persuasive Absichten infrage zu stellen.
Zur Verschlüsselung der Werbebotschaft stehen dem Sender beim Medium Printanzeige der bildliche und der sprachliche Code zur Verfügung. Der Empfänger decodiert die Botschaft schließlich, wobei Voraussetzung für eine erfolgreiche Werbekommunikation stets die gleiche Kenntnis beider Codesysteme ist. Materielles Bild und sprachliche Elemente bilden somit ein „visuell-verbales Superzeichen” (vgl. Kaeppel 1987, 87). Bei diesem Begriff soll vermerkt werden, dass allerdings auch Sprache visuell sein kann, denn auch die gestalterischen Eigenheiten der Typographie sind in der Lage, bestimmte Effekte zu evozieren.6
Als Übertragungskanal dient die Printanzeige, die die verschlüsselte Werbebotschaft trägt. Es sei darauf hingewiesen, dass die Wahl des Werbemediums taktisch zu tätigen ist und von vielen Faktoren, wie z.B. dem beworbenen Produkt oder einer möglichst guten Erreichbarkeit der Zielgruppe abhängig ist. Neben der Anzeige sind Plakate, Hörfunkwerbung, TV-Spots und Werbungen im Internet weit verbreitet.7 Trotz der enormen Bedeutungssteigerung des Internets stellen Printanzeigen jedoch nach wie vor ein wichtiges Werbemedium dar. „Dass Print-Anzeigen wirken, wissen wir.” (Reigber 2005, 15). Der Leser einer Zeitschrift stößt auf eine Anzeige, die im Idealfall an die Thematiken des redaktionellen Umfeldes angepasst ist. Somit dürften bspw. Kosmetikanzeigen in Frauenzeitschriften eine hohe Chance auf Rezeption haben.
Der Aufbau einer Anzeige mit seinen einzelnen Elementen wird hier nicht genauer vorgestellt8, da viele Werbungen vom klassischen Ideal und seinen Komponenten, nämlich Abbildung, Schlagzeile, Slogan, Fließtext abweichen und sich einzelne Textteile somit immer schwerer den einzelnen Kategorien zuordnen lassen.
3.2.2. Das werbespezifische Stufenmodell: Die AIDA-Formel
Um das Funktionieren und Untersuchen von Werbebotschaften möglich zu machen, hilft ein Blick auf das werbetypische Stufenmodell, die „AIDA-Regel“ oder „AIDAFormel“ (vgl. Römer 1968, 27), die - entgegen der Äußerung Römers - unter Beteiligung aller Codesysteme anzuwenden ist. Das Akronym AIDA steht dabei für die schrittweise zu erfüllenden Aufgaben der Werbung, um wirksam zu sein: Die Erzeugung von Aufmerksamkeit (attention), von Interesse (interest), gefolgt von dem Wunsch, den Gegenstand zu besitzen (desire) und schließlich von der Veranlassung zur Kaufhandlung (action). Die Auffassung Römers, dass spätestens ab der dritten Stufe Sprache notwendig sei, wird nicht geteilt. Inwiefern allein über Bilder zum Kauf appelliert werden kann, wird noch thematisiert. Zu jedem dieser vier werbespezifischen Teilziele ist eine Vielzahl von Besonderheiten zu beachten;
allem voran zur Erzeugung von Aufmerksamkeit9 : Werner Kroeber-Riel10 gliedert mögliche, das Interesse aktivierende Reize, in drei Gruppen (vgl. K.-R. 1982, 67), nämlich in emotionale, gedankliche und physische Reize.
Emotionale Reize sind besonders effizient beim Erregen von Aufmerksamkeit, da sie Instinkte und andere biologisch bedingte Reaktionen ansprechen. Als klassisches Beispiel sei der erotische Reiz oder das sog. „Kindchenschema“ genannt (vgl. K.-R. 1996, 172 f.).
Ein Beispiel für gedankliche Reize11 sind Wortneuschöpfungen oder Verfremdungen. Derartige Reize werden dann ausgelöst, wenn Überraschendes, Widersprüchliches oder andere kognitive Konflikte ausgelöst werden.
Besonders effizient sind physische Reize, durch die der potentielle Anzeigenbetrachter über formale Aufmachungen wie Farbe, Helligkeit und/oder Größe aktiviert wird.
Die Werbung kann die Umworbenen gezielt - sozusagen auf Knopfdruck [...] aktivieren. Manche Reize - besonders physische Reize - wirken weitgehend zielgruppenunabhängig. Bei vielen Reizen muß man jedoch mit Zielgruppenunterschieden rechnen. Das gilt besonders für gedankliche Reize. (K.-R. 1982, 69).
Zum Punkt interest, also der Erzeugung von Interesse, ist das Stichwort involvement oder Ich-Beteiligung der Schlüssel zum Verständnis. Je nachdem, wie stark der potentielle Käufer involviert ist, umso aufmerksamer zeigt er sich bei der Suche nach für ihn relevanten Angeboten. Die Ich-Beteiligung ist also entscheidend bei der Rezeption und Verarbeitung der angebotenen Ware beteiligt. Das Involvement wird in mehreren Studien als „komplexe Größe” (vgl. Schierl 2001, 122) gesehen und setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen: Der Persönlichkeit (v.a. den Werten und Motiven des Betrachters), dem beworbenen Produkt (v.a. seinem Preis und seiner Funktion), der Situation (v.a. der Zeitdruck, unter dem der Käufer die Anzeige anschaut), der verwendeten Medien und der Aktivierungskraft der Werbemittel (vgl. K.- R. 1988, 98 ff.). In diesem Zusammenhang wird zwischen High-Involvement-Werbung und Low-Involvement-Werbung unterschieden, also Werbung mit hoher und geringer Ich-Beteiligung.
Um den Wunsch, den Gegenstand zu besitzen (desire), zu erwecken, greifen mehrere strategische Aspekte. Denn überwiegend ist das Bedürfnis zum Produkterwerb nicht per se gegeben. Wie das Erzielen eines Kaufverlangens überhaupt hervorgerufen werden kann und wie gezielt an ein derartiges Bedürfnis appelliert werden kann, soll an späterer Stelle genau beleuchtet werden. Interessant ist dabei, welche Art von Bedürfnissen mit welchen Produkten verknüpft werden.
Den Punkt action betreffend, sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass Wirtschaftswerbung „[...] durchaus nicht in allen Fällen eine Verhaltensänderung zum Ziel [hat], sondern [...] häufig mit der Absicht eingesetzt [wird], die eigene Marktposition zu stabilisieren und gegenüber dem Wettbewerb zu verteidigen.” (Wehner 1996, 14). Werbewirkung kann in der vorliegenden Arbeit nur spekulativ berücksichtigt werden.
Zusammenfassend lassen sich prinzipiell sämtliche Analysekriterien auf die sog. AIDAFormel zurückführen, durch die die vier grundlegenden Aufgaben von Werbeanzeigen nach ihren Anfangsbuchstaben bestimmt werden. Allem voran ist die Erregung von Aufmerksamkeit zu stellen, denn ohne Aktivierung ist jede Kommunikation von Beginn an aussichtslos, ohne sie kann Werbung nicht wirken.
Alle Teilfunktionen der Werbung sind durch einen Mix aus sprachlichen und ikonischen Elementen zu erreichen. Wie beide Codes gezielt an den einzelnen AIDA-Stufen greifen, wird sich bei der Vorstellung des Analysemodells herausstellen. Je nach Kontext ist dabei das jeweils eine oder andere Zeichen zu präferieren. Doch sind auch beide Systeme in ihrer Verknüpfung, wie noch gezeigt wird, äußerst effizient.
3.2.3. Werbekommunikation im massenmedialen Kontext
Als Phänomen der Massenkommunikation steht Werbung speziellen Bedingungen gegenüber.12 In diesem Abschnitt werden also die Veränderungen, die zur Erklärung der aktuellen formalen und inhaltlichen Gestaltung einer Anzeige heranzuziehen sind, thematisiert.
3.2.3.1. Informationsüberlastung
Überwiegend ist ein „Trend zu weniger Information und mehr Bild sichtbar [...]” (K-R. 1988, 11). Das Schlüsselwort hinter allem lautet „Informationsüberlastung”, worunter „[...] man den Anteil der nicht beachteten Informationen an den insgesamt angebotenen Informationen [...]” (ebd.) versteht. Angesichts der Flut an Reizen durch immer mehr Medienanbieter, bleibt ein Großteil der Werbung unbeachtet, da „[...] der Informationsaufnahme von seiten der Empfänger natürliche [biologische] Restriktionen gesetzt sind.” (ebd., 15). Um die Informationen einer Werbeanzeige in Publikumszeitschriften vollständig zu erfassen, wären nach K.-R., 35-40 Sekunden nötig. Im Schnitt wird der Betrachtung allerdings nur zwei Sekunden eingeräumt. Um effizient zu werben, müssen demnach bestimmte Strategien angewendet werden, die zunächst die ebenfalls um Aufmerksamkeit buhlenden Konkurrenzanbieter ausstechen. Eine nächste Aufgabe von Werbestrategien besteht darin, den Betrachter entweder zu einer längeren Beschäftigung mit dem Werbeinhalt anzuhalten oder den Inhalt so raffiniert aufzubereiten, dass dieser allein schon bei minimaler Betrachtungszeit aufgenommen wird. An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass es Produkte oder Dienstleistungen gibt, bei denen der Inhalt per se hinsichtlich möglicher sprachlicher Argumentationstechniken nicht besonders ergiebig ist - wie z.B. bei Gütern des täglichen Bedarfs. Der Kunde erwartet keine Informationen und deshalb verlangen derartige Werbungen umso mehr nach einer besonderen Aufmachung.
Um eben dieser Problematik entgegenzutreten, werden die Potentiale der Bildkommunikation genutzt. Bilder sind als Kommunikationsmittel sehr beliebt, was sich durch die offensichtliche „Dominanz der Bildkommunikation” (ebd., 16) belegen lässt. Da das Kommunikationspotential des materiellen Bildes an späterer Stelle noch eingehend betrachtet wird, soll vorab ein kurzer Einblick in die Vorzüge der Bildkommunikation genügen:
Bilder kommunizieren schnell. Sie fungieren sprichwörtlich als Blickfang und fesseln die Aufmerksamkeit eines manchen Betrachters. Aufgrund ihrer Beschaffenheit ist eine leichtere Rezeption, Verarbeitung und Speicherung im Gedächtnis möglich: „Zur Aufnahme eines Bildes von mittlerer Komplexität sind 1,5-2,5 Sekunden erforderlich; in der gleichen Zeit können ca. zehn Wörter aufgenommen werden. Diese vermitteln aber wesentlich weniger Informationen über einen Sachverhalt als ein Bild” (ebd., 16 f.). Noch entscheidender wird diese Tatsache, wenn wir von einer Vermittlung von Emotionen statt Sachinformationen sprechen. Freude kann z.B. leichter über die Abbildung einer lachenden Person als über die sprachliche Beschreibung verstanden werden. Da sich Werbekommunikation vorwiegend an passive Empfänger richtet, ist eine mit möglichst geringer Anstrengung verbundene Verarbeitung von Vorteil. Dies trifft auf Bilder zu. Das Behalten der bildlichen Information ist ganz entscheidend für den Werbeerfolg. Denn nur wo memoriert wird, besteht Aussicht auf Erwerb.13
3.2.3.2. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen
Ganz entscheidend ist auch die marktspezifische Situation bei der Anzeigengestaltung. In der Wohlstandsgesellschaft unserer westlichen Welt herrscht ein Überangebot an Gütern, eine Übersättigung der Märkte: „Auf gesättigten Märkten ist das Marktpotential weitgehend ausgeschöpft. Ein Anbieter kann seinen Anteil an einem Produkt- oder Dienstleistungsmarkt nur noch zu Lasten anderer Anbieter wesentlich vergrößern. ” (K.-R. 1988, 20). Im Gegensatz zu sog. „wachsenden Märkten” sind die beworbenen Güter und Dienstleistungen gesättigter Märkte voll entwickelt und verfügen über keinerlei innovative Merkmale. Damit geht ein hoher Konkurrenzdruck unter den verschiedenen Anbietern einher. Die kaum ersichtlichen Qualitätsunterschiede zwischen den einzelnen Angeboten verlangen also alternative Persuasionsstrategien. Rationale Argumente, sprich das Hervorheben des eigenen Produktnutzens, reichen stellenweise allein nicht mehr aus, um die Konkurrenz in den Schatten zu stellen. Vor allem, wenn der Produktnutzen per se genaugenommen nicht gegeben ist, wie bspw. bei Spirituosen oder Zigaretten. Auch würden bspw. für Werbung für Autos, Banken und Versicherungen ähnliche Bedingungen im Zusammenhang mit „austauschbaren Angeboten” gelten, so K.-R. Als Erklärung gilt, „[...] daß sich die Konsumenten auf den gesättigten Märkten einer hochentwickelten Industriegesellschaft weitgehend auf die Qualität der angebotenen Güter verlassen können, nicht zuletzt wegen der verbraucherpolitischen Maßnahmen.” (ebd.).
Aufgrund der großen Informationsflut im Alltag, geht auch das Interesse an Wissensvermittlung von Seiten der Verbraucher zurück: „Statt sachlicher Information über Qualität und Gebrauchswert der Produkte wird verstärkt über den Erlebniswert der Produkte und Dienstleistungen berichtet, also über ihren Beitrag zum Lebensstil der Konsumenten” (ebd., 21). Eine „Differenzierung der Marktsituation” (ebd.) im Sinne einer direkten Zielgruppenansprache ist unbedingt notwendig. Dies geschieht einerseits durch die Wahl des richtigen Werbemediums14, aber auch mittels einer Gestaltung, die an die Emotionen der Verbraucher appelliert und optimalerweise damit noch die zielgruppenspezifischen Gesellschaftswerte und Lebensstile einbindet.
3.2.3.3. Soziokulturelle Rahmenbedingungen
Wie bereits erwähnt, spielen die Wertvorstellungen der potentiellen Käufer und der Zeitgeist eine nicht zu vernachlässigende Rolle. „Für Werbung als Teil der Alltagskultur einer Gesellschaft und der öffentlichen Kommunikation liegen Zusammenhänge zwischen Inhalt und Aufmachung von Werbeanzeigen und dem Wertewandel [...] nahe.” (Wehner 1996, 48).
An dieser Stelle soll auf derzeitige gesellschaftliche Werte und soziologische Trends aufmerksam gemacht werden. Dies geschieht im Hinblick auf später freizulegende persuasive Muster im Zusammenhang mit Gesellschaftswerten. Das generelle Vorkommen von Werten begünstigt v.a. auch eine bessere Zielgruppenansprache. Zunächst werden derzeitige Gesellschaftswerte und aktuelle Lebensstile kurz umrissen. Eine Auflistung der dominantesten Werte kann allerdings erst nach Betrachtung vereinzelter Anzeigen bestimmt werden.
Giampaolo Fabris liefert zu dieser Thematik einen wertvollen Beitrag, er spricht von einer „società post-crescita”15, also einer Postwachstumsgesellschaft: „Post- crescita significa perseguire un tipo di crescita diversa, che coniughi la compatibilità ambientale con quella psicologica e sociale. ” (Fabris 2010, 4). Es handelt sich ihm zufolge also um eine Gesellschaft, die Umwelt und Denkweisen der Zeit miteinbindet. In der westlichen Wohlstandsgesellschaft steht der potentielle Käufer einem Überangebot an Gütern gegenüber, weshalb sich in der heutigen Konsumentenwelt eine Art „Sattheit” eigestellt hat: „Il consumatore, per la prima volta, comincia a manifestare segni di disagio e sazietà nei confronti di una iperofferta che diviene sempre più pervasiva.” (ebd., 8). Der Dauerkonsum und das Streben nach materiellen Dingen sind längst nicht mehr so attraktiv und als Zeichen von Prestige zu werten wie noch in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Aus diesem Grund entstehen „nuovi modelli di consumo” (vgl. ebd. 9), also ‚neue Konsummodelle’- in der vorliegenden Arbeit Persuasionsstrategien genannt , die das aktuelle Zeitgeschehen mit einbinden.
Im Folgenden werden einige Ereignisse bzw. Entwicklungen kurz angeführt, die bestimmte Denkweisen und Lebensstile begünstigt haben:
Mit Sicherheit beeinflusst die jüngst eingetretene weltweite Finanzkrise das Konsumdenken des Einzelnen. Ein aus diesem Ereignis abgeleiteter Wert könnte Unsicherheit lauten. Ob die Werbenden dieser Unsicherheit mit Sparangeboten oder anderen Lösungsmodellen entgegentreten, bleibt zu untersuchen.
Weiter verlangen die vielen Umweltkatastrophen nach einem Umdenken in der Gesellschaft. Die Erwärmung der Erde steht im Zusammenhang mit teilweise unvorhersehbaren zukünftigen Risiken. Ein vernünftiger und respektvoller Umgang mit der Umwelt und ihren Ressourcen, z.B. durch erneuerbare Energien, ist längst überfällig. Inwiefern das gesellschaftliche Umweltbewusstsein in die Anzeigengestaltung einfließt, bleibt abzuwarten.
Auch leben wir in einer Leistungsgesellschaft. Der Arbeitsalltag wird immer stressiger, für Pausen bleibt oft wenig Zeit, Freizeit und Erholung stehen hinten an. Ein jeder will etwas erreichen, strebt nach Erfolg und Individualität. Diesen Wert sieht Fabris vorrangig in der Postmoderne (vgl. Fabris 2006, 3 f.). Ein derartiger Lebensstil aus wenig Bewegung und Schnellimbissen geht auch mit gesundheitlichen Problemen und Stress einher. Übergewicht und der übertriebene Drang nach einem attraktiven Äußeren und körperlicher Fitness stehen einander gegenüber. Das Gesundheitsempfinden in der Gesellschaft wird zunehmend ausgeprägter und sollte dementsprechend in den Werbestrategien Berücksichtigung finden. Mit dem straffen Zeitplan im Arbeitsalltag hängt aber auch das Verlangen nach Abenteuer, nach Erholung und Freizeit zusammen. Um den Betrachter einer Anzeige aus dem stressigen Arbeitsalltag zu entführen, müssen derartige Bedürfnisse angesprochen werden.
Angesichts der technischen Neuerungen und der vielen Forschungseinrichtungen lässt sich ablesen, welchen Stellenwert die Wissenschaft in der derzeitigen Welt eingenommen hat. Inwieweit dieser Glaube an Technik und Fortschritt in die Werbung der einzelnen Produktkategorien und Dienstleistungsanbieter eingebunden wird, wird sich ebenfalls im Verlauf der Untersuchungen zeigen.
Ohne Zweifel sind die eben angeführten gesellschaftlichen Beobachtungen nur eine kleine Auswahl und darüber hinaus in ihrer Darstellung äußerst grob umrissen. Eine Liste von Werten wird sich nach der Untersuchung einzelner Anzeigen aus verschiedenen Produktkategorien erstellen lassen, wobei sich an späterer Stelle auch Hypothesen hinsichtlich möglicher strategischer Zusammenhänge formulieren lassen. Die Werte werden dabei immer aus dem Text- oder Bildmaterial der Werbeanzeige abgelesen.
3.3. Ein Einblick in werbestrategische Konzepte: Sozialtechniken
3.3.1. Strategischer Einsatz von Emotion und Information
Aus diesem Grunde müssen Strategien entwickelt werden. „Strategien sind also Vorgehensweisen, mit denen bestimmte Ziele erreicht werden sollen.” (Keßler 1998, 273 f.). In diesen Vorgehensweisen sind die in diesem dritten Kapitel beschriebenen Besonderheiten zu berücksichtigen. Eine Anzeigengestaltung ohne Einbeziehung der kommunikationsspezifischen Charakteristika, ohne Rücksicht auf das Phänomen der Informationsüberlastung und auf die Übersättigung der Märkte, ohne Beachtung des soziokulturellen Hintergrundes in der Gesellschaft und psychologische Konzeption der einzelnen Zielgruppen lassen sich keine die Konkurrenz ausstechenden Strategien entwickeln. Um größtmöglichen Erfolg zu erzielen, sind stets mehrere Wissenschaftsbereiche zu konsultieren.
An dieser Stelle sollen die sogenannten „Sozialtechniken” (vgl. K-R. 1988) vorgestellt werden, die einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des im fünften Kapitel vorgestellten Analysemodells markieren und außerdem erfolgreich mehrere Wissenschaftsdisziplinen zusammenführen. Als Grundthese gilt dabei, dass Werbung nur erfolgreich sein kann, wenn „Austauschbarkeit” (ebd., 7) vermieden wird. Das beworbene Produkt muss von formaler und inhaltlicher Seite klar von konkurrierenden Anbietern abgrenzbar sein und sich im informationsüberlasteten, gesättigten Werbemarkt durchsetzen.
Die „Sozialtechniken der Werbung” oder auch „Beeinflussungstechniken” (ebd. 32 f.) markieren konkrete Konzepte zur Durchsetzung der Werbeziele. Dabei geht K.-R. zuerst auf Beeinflussungsziele ein und untersucht diese im Zusammenhang mit höheren Marketingzielen. Diese grundlegenden drei Beeinflussungsziele sind psychologischer Natur und zielen auf eine Verhaltensänderung der potentiellen Konsumenten ab:
1. Aktualisierung
2. Emotion
3. Information
Abhängig von den besonderen Bedingungen, unter denen eine Änderung des Verhaltens bewirkt werden will, wird demnach Aktualität für das Angebot erzeugt, das Angebot mit Emotionen verknüpft und Informationen vermittelt. Dadurch dass eine Marke ins Gespräch gebracht wird, wird sie vom Rezipienten als „aktueller” im Vergleich zu Konkurrenzmarken wahrgenommen.16 Über Reize appelliert die Werbebotschaft an die Emotion, sachbezogene Inhalte lassen rationale Wertungen zu. „Das Zusammenwirken von emotionaler Haltung zum Angebot und rationaler Beurteilung führt zu komplexen inneren Haltungen [...], die das Verhalten bestimmen.” (ebd. 33).
Emotion und Information sind dabei keineswegs gleichwertig:
Emotionaler Eindruck spielt die dominierende Rolle, bestimmt direkt die Entscheidung (wie bei Impulskäufen) oder er kanalisiert die rationalen Überlegungen, die sich auf das Angebot richten, v.a. bei Konsumentscheidungen mit geringem Involvement [...] Es ist deswegen nicht übertreiben, wenn man den emotionalen Eindruck eines Produktes oder einer Dienstleistung als Angelpunkt für die meisten Konsumentscheidungen ansieht [...]. (ebd. 34).
In welchen Fällen Emotion und Information als Ziel zu kombinieren sind und wann eher Information oder reine Emotion als Beeinflussungsziel zu favorisieren ist, wird im Folgenden betrachtet.
Die Vermittlung von Information wird zum primären Ziel, wenn bei der fokussierten Zielgruppe aktuelle Bedürfnisse vorliegen und die Befriedigung dieser allein durch eben die angebotenen Produkte gestillt werden können. Das Wecken von Bedürfnissen tritt hier in den Hintergrund. Als Beispiel führt K.-R. den beabsichtigten Kauf von Mittelklassewagen bei Zielgruppen mit äußerst dominanter ökonomischer Denkweise an. Diese Zielgruppe sucht nach Informationen, bevor sie sich für ein Produkt entscheidet.
Dies stellt aber in der heutigen Werbelandschaft eine Rarität dar. Üblicherweise weiß der Konsument um die Funktionen der angebotenen Ware, da sich die einzelnen Produkte in ihren Eigenschaften kaum noch voneinander differenzieren lassen. Über viele Produkte lassen sich auch keine rationalen Argumente anbringen, denkt man v.a. an Genussmittel. Durch die Vermittlung von Konsumerlebenissen, lassen sich Produkte von Konkurrenzanbietern abgrenzen und überzeugen somit strategisch. Angesichts der Informationsüberlastung steht diese Strategie ganz hoch im Kurs.
Eine Kombination von Emotion und Information bietet sich, so K.-R., bei neuen oder noch nicht ausreichend entwickelten Märkten an, ]wo die angebotenen Produkte sich qualitativ noch merklich von Konkurrenzangeboten unterscheiden lassen. Hier seien bspw. innovative Produkte der Telekommunikation genannt. Das Parademuster der Beeinflussung, nämlich ein Mix aus Information und Emotion, kann hier greifen, da Informationen noch nicht zu vernachlässigen sind und ein generelles Bedürfnis, diese Produkte zu erwerben, nicht selbstverständlich ist. Wichtig ist, ausschließlich für den potentiellen Kunden relevante Informationen zu vermitteln. Ein frei erfundenes Beispiel hierzu mag lauten: „Dank integriertem Navigationssystem sind Sie mit dem I-Phone sicher im Straßenverkehr unterwegs”. Produktinformation und Appell an das Sicherheitsbedürfnis würden hier verknüpft.
Ganz entscheidend bei der Positionierung von Werbeanzeigen ist es, sie in formaler und inhaltlicher Art von Konkurrenzanzeigen abzugrenzen.17
Informative Werbung greift bei wenig entwickelten Märkten, bei innovativen Angeboten, bzw. High-Involvement-Gütern. Das Involvement als komplexe Größe ist primär produkt- und situationsabhängig. Doch Interesse an Innovationen allein rettet die Werbung nicht aus der Problematik der Informationsüberlastung. Zur schnellen und effizienten Aufnahme von Information verhelfen spezielle Strategien (vgl. K.R., 65), wie z.B. die Verwendung von hauptsächlich graphischen und sachlichen Bildern, der Hervorhebung von wichtigen Begriffen durch die Typographie, der besseren Lesbarkeit von Werbetexten durch „Zwischenüberschriften” und speziell die „hierarchische Informationsvermittlung” (vgl. ebd., 173).
Als dominierende Strategie sieht K.-R. jedoch klar die emotionale, die es zur Aufgabe hat, ein „Erlebnisprofil” (ebd. 67) eines Produktes zu kreieren und Bedürfnisse zu wecken. Die beworbenen Produkte werden zu „Medien emotionalen Erlebens” (vgl. ebd. 68): Es sind sinnliche Erfahrungen, die an gewissen Lebensgefühle appellieren, die den Konsumenten zum Produkterwerb bewegen. Werbung für Reiseanbieter verzaubern mit paradiesischen Bildern, die Tabakindustrie verknüpft den Konsum von Zigaretten mit emotionalen Zusatznutzen, die ein Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit suggerieren, Werbung für Spirituosen und Prestige spricht bspw. sehr häufig das Gefühl nach sozialer Zugehörigkeit an. Optimalerweise appellieren derartige Anzeigen an verborgene Bedürfnisse, an Lebensstile und aktuelle Werte. Diese Erlebnisprofile werden vorrangig durch materielle Bilder entwickelt, da „[...] die in der Lage sind, in den Empfängern ‚innere Erlebnisbilder’ zu erzeugen [...]” (K.-R., 74). Das Bildmaterial muss dabei aussagekräftig im Sinne des werblichen Gesamtkonzeptes sein, „[d]ie Wirkung eines Erlebniskonzepts hängt letztlich von seiner visuellen Umsetzung ab.” (ebd., 75). Äußerst effizient ist dabei der Einsatz von sog. „Schlüsselbildern”. „Ein Schlüsselbild ist ein bildliches Grundmotiv für den langfristigen Auftritt der Firma oder Marke, das dazu dient, sachliche oder emotionale Angebotsvorteile im Gedächtnis zu verankern.” (K.-R. 1996, 201). Ein bekanntes Beispiel wäre der Marlboro-Cowboy.
Um gleich vorweg ein Missverständnis zu vermeiden, sei darauf hingewiesen, dass Qualität nach wie vor der Garant für wirtschaftlichen Erfolg markiert. Funktionale Eigenschaften jedoch werden in dem Sinne mehr und mehr sekundär, als dass sie aufgrund der wissenschaftlichen Errungenschaften als selbstverständlich angesehen werden. Dieser Gedanke wird in der Analyse noch eine ganz entscheidende Rolle spielen, zumal ja auch untersucht wird, bei welchen Produktbereichen auf Erlebnisprofile gesetzt wird und welcher Wert dabei zur Persuasion dienlich ist.
3.3.2. Sozialtechniken der Werbung
K.-R. unterscheidet zwischen Techniken, die auf Intuition, auf Erfahrung und auf der Kenntnis verhaltenswissenschaftlicher Ansätze, hier Sozialtechniken genannt, beruhen. Dabei handelt es sich um Strategien, die den Konsumenten unter Beachtung der massenmedialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zum Produkterwerb bewegen.
Strategien sind [...] Vorgehensweisen, mit denen bestimmte Ziele erreicht werden sollen. [...] An der Beschreibung solcher Strategien sind demnach eine große Zahl von Disziplinen beteiligt, von den Sozialwissenschaften über die Psychologie, die Kunst, bis zur Textwissenschaft, deren Ergebnisse aber immer aufeinander zu beziehen sind im Sinne von Teilstrategien im Rahmen genereller Vorgehensweisen. (Keßler 1998, 273 f.).
An den größten Wirkungsunterschieden sieht er dabei folgende Faktoren beteiligt: Den Grad des Involvements, die eingesetzte Beeinflussungsmodalität, nämlich Sprache oder Bild und die Zahl der Wiederholungen, also wie oft eine Anzeige hintereinander zu schalten ist, damit sie sich optimal im Gedächtnis verankern kann.
Als sozialtechnische Regeln nennt der Autor dabei fünf, die sukzessiv zu befolgen sind. An dieser Stelle soll ein kurzer Überblick gegeben werden. Wie bereits erwähnt sind diese Techniken für die Freilegung persuasiver Muster in der nachfolgenden Anzeigenanalyse und im Allgemeinen zum Begreifen der Anzeigengestaltung sehr sinnvoll:
i) Kontakt herstellen
ii) Aufnahme der Botschaft sichern iii) Emotionen vermitteln
iv) Verständnis erreichen
v) im Gedächtnis verankern
Zur Herstellung des Kontaktes (K.-R., 118): „Die Kontaktbarrieren nehmen zu (...)” (ebd.), wozu die Informationsüberlastung einen großen Teil beiträgt. Die einzelne Werbeanzeige läuft Gefahr, im Meer aus Informationen und Reizen unterzugehen. Dieser Problematik kann die Werbung durch zwei Sozialtechniken, nämlich durch Aktivierungs- und Frequenztechniken begegnen. Dass Aktivierung, also Aufmerksamkeit, durch entsprechende Reize ausgelöst werden kann, wurde bereits erläutert.
Zur Sicherung der Aufnahme der Botschaft (K.-R., 134): In diesem Zusammenhang muss stets berücksichtigt werden, dass der Kontakt aufgrund der Reizüberflutung im Regelfall vor Aufnahme aller wichtigen Informationen abgebrochen wird. Immerhin belegen Studien, dass von der Bildinformation in der durchschnittlichen Betrachtungszeit mehr als die Hälfte rezipiert werden kann, von der Textinformation lediglich zwei Prozent. Nachdem Bilder also wesentlich weniger vom Abbruch betroffen sind als Texte, sollte hier die zentrale Information oder der Schlüsselreiz verarbeitet werden. Über eine optimale Anzeigengestaltung hinsichtlich der Verpackung der Kerninformationen gibt auch der Blickverlauf des Betrachters Auskunft: „Die Messung des Blickverhaltens bei der Betrachtung der Anzeigen bietet Einsichten in die bevorzugt aufgenommenen Anzeigenelemente.” (K.-R., 138). „Kulturell geprägte Lesegewohnheiten” mit gewöhnlichem Blickverlauf von links oben nach rechts unten verlangen eine Positionierung der Hauptinformation links oben. Erwiesen ist außerdem, dass bei Anzeigen mit Bild und Text, der rechts neben dem Bild oder unter dem Bild platziert wird, eher rezipiert wird als Geschriebenes links vom Bild.19
Besondere Reize sind allerdings dazu im Stande, den gewohnheitsmäßigen Blickverlauf durch ihr aktivierendes Potential zu durchbrechen. Sie lenken ganz gezielt die Aufmerksamkeit auf sich und treten dem verfrühten Kontaktabbruch entgegen. Eins sollte immer im Hinterkopf behalten werden: „Wenn unter den im Blickverlauf aufgenommenen Informationen die Schlüsselinformationen nicht enthalten sind, besteht ein hohes Risiko, daß die Werbebotschaft wirkungslos bleibt.” (K.-R., 139). Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass es nicht nur darum geht, den Betrachter durch aktivierende Reize zur Beschäftigung mit der Anzeige anzuhalten, sondern darum, die zu vermittelnden Informationen möglichst ansehnlich darzubieten. Die erleichterte Rezeption erfolgt entweder durch Bilder - da diese „schnelle Schüsse ins Gehirn” sind, oder durch den Text über Hervorhebungen, aussagekräftige Überschriften etc.
Zur dritten Sozialtechnik, der Vermittlung von Emotionen (vgl. K.-R., 147):
Der dargestellte Reiz sollte vom Empfänger in subjektive Gefühle umwandelbar sein, die ja schließlich für den Werbeerfolg maßgeblich sind. Das Beeinflussen emotionaler Haltungen setzt allerdings zielgruppenspezifisches Wissen über ihre psychische Verfassung voraus.
So unterscheidet K.-R. die „Vermittlung von emotionalen Erlebnissen” und „atmosphärische Wirkungen”.
Bei ersterer Technik spielen Reize eine dominierende Rolle, angesichts derer innere Bilder, sprich Fantasien, beim Betrachter entstehen können. Außerdem lassen sich dadurch Markenprofile kreieren, die sich von konkurrierenden Anbietern abheben. Eine Möglichkeit zur Emotionsvermittlung wäre die der „emotionalen Konditionierung“, die im Folgenden skizziert werden soll:
Grundannahme bei dieser Strategie ist, „[...] daß die meisten Gefühle gelernt sind: Wir erwerben im Laufe unserer Erziehung, später durch soziale Lernprozesse und durch den Umgang mit Gegenständen emotionale Haltungen gegenüber unserer Umwelt”. (ebd., 149). „Bietet man in der Werbung wiederholt eine ‚Marke‛ zusammen mit emotionalen Reizen dar, so erhält die Marke für die Umworbenen einen emotionalen Erlebnisgehalt.” (ebd., 150).
Zur optimalen Konditionierung sind marktspezifische Reize20 notwendig, denn „[s]chöne und glatte Bilder reichen nicht aus. Es kommt auf ihre psychologische Stärke an [...]” (K.-R. 1996, 164). An dieser Stelle soll ein überaus typisches Beispiel erfolgreicher emotionaler Konditionierung aus der Werbewelt genügen: Durch die konsequente Verknüpfung der Zigarettenmarke Marlboro mit dem Cowboy-Leben wurde die Zigarette zum Symbol für Freiheit und individuellem Lebensgefühl. Als ähnlich klassisch gelten erotische Bilder im Zusammenhang mit Spirituosen, so dass das Gefühl entsteht, durch den Genuss dieser, Attraktivität zu erlangen.
Atmosphärische Wirkungen setzen dagegen mehr auf gefühlsbetonte Stimmungen, um die Plattform für eine verbesserte Informationsvermittlung zu stellen. „Der Bildreiz bleibt dabei im Hintergrund, so daß er von den Umworbenen nur am Rande [...] bemerkt wird [...]” (ebd., 155). Angenehme Atmosphären tragen außerdem erwiesen dazu bei, dass „[...] die gedanklichen Beurteilungsvorgänge positiv beeinflußt [...]” (ebd., 156) werden.
Im Endeffekt dienen beide Beeinflussungswege dazu, eine Beziehung zwischen Konsument und Produkt oder Marke aufzubauen und einen gewissen Grad an Akzeptanz21 sicherzustellen. Akzeptanz kann oft aber auch schon allein durch eine ansehnliche und unterhaltsame äußere Anzeigengestaltung erfolgen, getreu dem Motto: „Gefallen geht über Verstehen.” (ebd., 160). Wo bei stark involvierten Rezipienten der Inhalt noch entscheidend ist, wird die formale Aufmachung der Anzeige bei schwach involvierten Betrachtern bedeutender.
Nun zum Erreichen von Verständnis: Hier steht die Frage nach den zu verwendenden Sozialtechniken im Zentrum, um kognitive Wirkungen der Werbung zu erreichen. Als Regel für die Anzeigengestaltung gilt, die Informationen hierarchisch darzubieten und zwar so, „[...] daß die verschiedenen Teile [...] in der Reihenfolge aufgenommen werden, die ihrer Beachtung für das Verständnis der Werbebotschaft entspricht.” (ebd., 174). D.h. die zentrale Information - in der Regel die Marke - zuerst, danach die zweitwichtigste usw. Das Verstehen einer Werbebotschaft ist zwar wichtig, jedoch nicht überzubewerten, denn bei niedrigem Involvement „[...] gewinnt die gefällige Gestaltung mehr Einfluß als der Inhalt der Werbebotschaft [...]”. (ebd., 165). Dominante Bilder, dominante Texte, also Headlines und das Zusammenspiel beider bestimmen im Grunde das Verständnis einer Werbung. K.-R. führt Studien auf, die belegen, dass das Bild unabhängig vom Involvement fast immer als erstes fokussiert wird, es könnte demnach das „Tor zum Textverständnis” (ebd., 171) sein, wenn es denn aussagekräftig ist. Danach folgt die Headline, zum Schluss der Fließtext. Lediglich besonderes interessierte Leser wenden sich überhaupt dem Text zu. Das Bild allein muss auf die zielgruppenspezifischen Erwartungen hin gestaltet sein, auch der Text ist auf die Empfängererwartungen hin auszurichten, sollte aber angesichts der Informationsüberlastung klar und prägnant abgefasst sein.
Zu guter Letzt muss die Werbebotschaft im Gedächtnis verankert werden. Techniken für eine optimale Erinnerbarkeit hängen von der Gestaltung der Werbebotschaft und der Anzahl ihrer Wiederholung ab.22 Wichtig ist, dass beide zusammenhängend in Form von sog. „Assoziationsnetzen” (vgl. K.-R. 1996, 136 f.) abgespeichert werden.
Zum Schluss dieses Kapitels sei zusammenfassend gesagt, dass die Anzeigengestaltung stets im Zusammenhang mit den vorherrschenden Kommunikationsbedingungen zu betrachten ist. Informationsüberlastung, technische Neuerungen und Übersättigung der Märkte haben scheinbar einen Trend zur bilddominierten Werbung herbeigeführt. All diese Umstände verlangen nach einer originellen Anzeigengestaltung, die nicht versäumen sollte, den Geist der Zeit einzubinden. Die Aufmachung einer Anzeige, die Vermittlung von Emotionen und das Appellieren an zielgruppenspezifische Bedürfnisse stehen wohl vor dem inhaltlich-informativen Gehalt. Die vorgestellten Sozialtechniken von K.-R. sind ein Bsp. einer Werbestrategie, die die Barrieren zur erfolgreichen Werbekommunikation berücksichtigt und Lösungsansätze vorstellt. Ohne die in diesem Kapitel beschriebenen Punkte kann eine Werbeanzeige nicht in ihrer Gesamtboschaft begriffen werden. Denn jeder Anzeigengestaltung liegen persuasive Muster zugrunde, die aufgrund spezieller kommunikativer und marktsituativer Umstände konzipiert worden sind. Eine Analyse von Werbekommunikaten kann deshalb nur aussagekräftig sein, wenn bei den Entstehungsumständen begonnen wird, indem das Feld, wie in der vorliegenden Arbeit, „von hinten aufgerollt” wird.
4. Zum Stand der Forschung
4.1. Schwierigkeiten
An dieser Stelle wird versucht, einen Überblick über die Forschungsliteratur zum Thema zu geben. Es bleibt deshalb bei einem Versuch, da sich ein derartiges Vorhaben als beinahe utopisch gestaltet, will ein angemessener Rahmen der hier vorliegenden Arbeit gewahrt werden.
Es ist
[…] unmöglich, eine einheitliche Forschungsgrundlage zu fixieren. Aufgrund der Komplexität der Themenkreise bleiben bei vielen theoretischen Konzepten einzelne wirkungsrelevante Faktoren unberücksichtigt, oder die Untersuchungen sind zu spezifisch und damit einseitig ausgerichtet. (Bechstein 1987, 26).
Wie eben auch die Definition von Werbung sehr vom Interesse der einzelnen Disziplinen abhängt, so erschweren auch die vielen Berührpunkte mit anderen Wissenschaften23, der ständige Wandel des Gegenstandes Werbung und sein Facettenreichtum einen Forschungsüberblick.
4.2. Zum Gegenstand Werbung
Wir gehen daher vorwiegend auf die sprachwissenschaftliche Forschungsgeschichte ein. Der Untersuchung von Werbeanzeigen wurde hier in den vergangenen Jahren generell große Aufmerksamkeit entgegengebracht. So könnten erste Zweifel aufkommen, ob eine Beschäftigung mit dieser Thematik tatsächlich brisant und wichtig sei. Ein zweiter Blick zeigt jedoch schnell, dass überwiegend die Betrachtung einzelsprachlicher Aspekte bis sprachkritische Untersuchungen zu Werbekommunikaten vorherrscht.24 „Erst in den vergangenen Jahren nimmt das Interesse an interdisziplinären Ansätzen bzw. einer Ausweitung der rein sprachwissenschaftlichen auf eine allgemein semiotische Sichtweise zu.” (Bauer 2006, 25). Angesichts der Bedeutung der Bildkommunikation wird ein verlässliches Analyseinstrumentarium zur Untersuchung von Bildern und deren Verknüpfung mit textuellen Elementen umso notwendiger. Wenn auch hierzu einzelne Ansätze zur Analyse des Bildercodes vorhanden sind - an dieser Stelle sei besonders auf Studien von Hartmut Stöckl verwiesen25 - zeigen sich überraschend viele Sprachwissenschaftler, vermutlich aufgrund methodischer Schwierigkeiten, noch den textuellen Aspekten einer Werbung zugeneigt. Erstaunlich viele Arbeiten verzichten außerdem auf die Einbeziehung relevanter Nachbardisziplinen, wie der Psychologie, der Wirtschaftswissenschaften oder der Soziologie; Analysen aus derart verengten Sichtweisen dürften jedoch kaum verlässliche Interpretationen ans Licht bringen. Liegt das Interesse einer Untersuchung auch noch so sehr in den kommunikativen Leistungen von Text und Bild, ist doch mindestens ein Tangieren gesellschaftlicher, marktsituativer und sozialpsychologischer Kriterien unabdingbar.
„Die Komplexität werblicher Informationsübermittlung konfrontiert den Untersuchenden mit Fragestellungen, die nur mittels interdisziplinärer Forschung lösbar sind.” (Bechstein 1987, IX).
Ein erstes, allgemein anerkanntes Referenzwerk zur Sprache der Anzeigenwerbung bietet Ruth Römer26 ; sie beleuchtet einzelne werbetypische Erscheinungen über die sprachwissenschaftlichen Teildisziplinen. Ein Versuch, Römers Darlegungen auf heutige werbetypische Erscheinungen übertragen zu wollen, macht deutlich, wie viel sich auf diesem Gebiet verändert hat. Einige von ihr angeführte Gestaltungsmittel haben ihr Zeitliches gesegnet und würden in der heutigen Medienwelt ihre Kommunikationsintention nicht effizient an den Betrachter bringen können.
Eine umfassende Informationsbasis zum Forschungsgegenstand Werbung bietet Gabriele Bechstein. Sie stellt dabei in ihrem Werk die wichtigsten Forschungsrichtungen der Werbetextanalyse vor, nämlich rein sprachliche Untersuchungen, Forschungen, die außersprachliche Zeichensysteme berücksichtigen, Analysen zu pragmatischen und semantischen Fragestellungen der Werbung und interdisziplinäre Forschungen zur Werbethematik.27
Einen hilfreichen, übersichtlichen und aktuellen Forschungsüberblick über die verschiedenen Vorkommen der Werbung in der Wissenschaft und insbesondere ihren sprachwissenschaftlichen Forschungsfeldern verschafft Janich.28 Sie geht außerdem auf die jeweiligen Schwerpunkte des Forschungsinteresses von den 50er Jahren bis in die heutige Zeit ein. Obwohl die Werbeforschung vermehrt interdisziplinär arbeitet und auch auf Text-Bild-Beziehungen eingeht, sieht Janich noch viele Defizite vorliegen.29
4.3. Untersuchungen zum Bild und zur Semiotik in multicodalen Texten
Inwiefern materielle Bilder allein und speziell ihr Zusammenspiel mit Textelementen in Massenmedien untersucht werden können, ist noch nicht erschöpfend betrachtet worden. Linguistisch-semiotische Bildtheorien rücken zwar immer mehr ins Interesse der Forscher, allerdings steht diese Wissenschaft noch am Anfang. Im Vergleich zur Germanistik kann die Romanistik auf ein „[...] weitgehend weniger großes Repertoire zurückgreifen [...]“ (Minucci 2008, 1); hier dominieren Arbeiten zu einzelsprachlichen Aspekten.30
4.3.1. Zur Untersuchung der Bildkommunikation im Allgemeinen
Seit Mitte der 1970er Jahre ist Bildkommunikation in der Forschung eingehender betrachtet worden und führt in ihren Untersuchungen dabei mehrere Interdisziplinen zusammen.31 Gerade aufgrund dieser Interdisziplinarität gibt es verschiedene methodische Herangehensweisen an Bilder. Unsicherheiten im Umgang mit Bildern werden über verlässliche Methoden anderer Wissenschaftsbereiche zu überbrücken versucht. Diesen einzelnen Teildisziplinen ist dabei überwiegend gemeinsam, dass sie „[...] Bilder in erster Linie als Zeichenphänomene [...] zur zielgerichteten, meist massenmedial vermittelten Kommunikation [...]”(Stöckl 2004, 11) betrachten. K.-R. gliedert die Forschungsbeiträge zur Bildkommunikation grob in drei unterschiedliche Bereiche (vgl. K.-R. 1996, 21):
i.) die Verhaltensbiologie, insbesondere die Hemisphärenforschung32 ;
ii.) die Psychologie, insbesondere die Imageryforschung33 ;
iii.) die Zeichentheorie, insbesondere die Bildsemiotik.
Wissenschaften, die sich mit der Wirkung von Bildern auf menschliches Verhalten auseinandersetzen, wie z.B. die Konsumentenforschung , entwickeln die grundlegenden Ergebnisse dieser drei Wissenschaftsgebiete weiter.
Eine detailliertere Darstellung einer möglichen sprach- bzw. kommunikationswissenschaftlichen Herangehensweise an materielle Bilder stellt Hartmut Stöckl35 vor. Die Beschäftigung des gestalterischen Aspektes von Bildern fällt unter das Gebiet der sog. „Visuellen Kommunikation“.36
„Es ist die Grundüberlegung für ein Modell multimodaler Kommunikation, dass die Semiotik deswegen als ‚Leittheorie’ in Frage kommt, weil sie in der Lage ist, unterschiedliche Zeichenphänomene gleich zu behandeln [...]” (Stöckl 2004, 19). Doch sprachwissenschaftlich-semiotische Bildtheorien verlieren sich leider noch zu oft in entweder „unzulänglichem Detailreichtum” (vgl. ebd., 45) einerseits oder sie tendieren andererseits zu großzügiger Verallgemeinerung relevanter Aspekte. Im Zentrum steht dabei immer, inwieweit die bildlichen Zeichen ein System ähnlich der Sprache im Sinne eines Codes ausmachen können.37 Mit einer Semiotik des visuellen Codes befasst sich u.a. Umberto Eco38 und erstellt in diesem Zusammenhang eine Klassifizierung der ikonischen Zeichen auf. Er beleuchtet dabei u.a. auch das Problem der Ikonizität des Zeichens und versucht, linguistische Analysekriterien auf den visuellen Code zu übertragen. Außerdem vertritt Eco die Ansicht, dass über die Werbung „[...] die ganze Skala der visuellen Codes durchlaufen werden [kann] [...]” (Eco 1972, 267). Im Bezug auf die visuelle Kommunikation bestimmt er mehrere Ebenen visueller Codifizierung.39
Sinnvoll sind semiotische Bildtheorien v.a. dann, wenn sie kognitive Ansätze in ihre Überlegungen mit einbeziehen. An dieser Stelle sei auf einen weiteren Bereich der sprachwissenschaftlichen Bildtheorie hingewiesen, auf die kognitiv-semantische Bildtheorie. Dieser kann zugutegehalten werden, dass sie sich insbesondere mit den Theorien mentaler Bilder befasst. Der Beschäftigung mit dem Zusammenhang von Sprache, mentalen Bildern und materillen Bildern ist in der Phraseologieforschung sehr beliebt.40 Dadurch wird ermöglicht, „[...] materielle [...] Bilder und sprachliche Bilder in ihrer kognitiven Funktionsweise zusammenzuführen.” (Stöckl 2004, 73), was einen großen Reiz angesichts der semantischen Interpretationsfreiheit darstellt.
[...]
1 Zu Definitionsvorschlägen verschiedener Wissenschaftsdisziplinen vgl. Zielke 1991, 27-31.
2 Zu genauen Angaben über die indogermanische Wurzel und die Weiterentwicklung im Althochdeutschen vgl. Römer 1968, 15.
3 Im weiteren Verlauf ist beim Nennen von Produkterwerb die Inanspruchnahme der jeweiligen Dienstleistung gleichermaßen mitgemeint.
4 Zu einem Überblick über die verschiedenen Arten von Werbung vgl. Rentel 2005, 69. 9
5 Es werden lediglich vereinzelte, relevante Parameter der Kommunikationsbedingungen im Sinne der Begrifflichkeiten von Koch/Oesterreicher berücksichtigt. Zu den allgemeinen Kommunikationsbedingungen siehe Koch, Peter und Oesterreicher, Wulf 1985.
6 Zur „ikonischen Typographie”, womit der Zusammenhang zwischen Wortinhalt und Wortgestalt gemeint ist, vgl. Baumann, Hans D.1987, 65-195.
7 Eine Analyse von Bild und Sprache in der Fernsehwerbung bietet bspw. Seyfarth 1995. An diesem Bsp. kann gesehen werden, wie umfangreich eine Analyse von Werbung unter Beteiligung dreier Mediensysteme, nämlich Bild, Sprache und Ton, ist.
8 Zu den einzelnen Komponenten einer Werbeanzeige vgl. Kaeppel 1987, 95-101. 12
9 In diesem Zusammenhang hat sich ein neues Verfahren, das sog. „AttentionTracking” herausgebildet, das den Blickverlauf des Anzeigenbetrachters genau untersucht; es dient zur Entwicklung von Techniken zur Steuerung der Aufmerksamkeit, vgl. Scheier u.a. 2005
10 der Nachname Kroeber-Riel wird im Verlauf mit K.-R. abgekürzt.
11 an anderer Stelle werden sie auch „kognitive Reize” genannt. 13
12 vgl. K-R 1988.
13 An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die eben aufgezählten Vorteile der Bildkommunikation nicht automatisch auf die Nachteile der Textkommunikation verweisen. Welcher Code in welchem Zusammenhang jeweils zu favorisieren ist, wird im weiteren Verlauf noch vorgestellt.
14 Die Marktdifferenzierung lässt sich z.B. auch an der Zunahme der „Special-Interest-Zeitschriften” ablesen. 17
15 zum Konsumverhalten im Zusammenhang mit postmaterialistischen Werten siehe Fabris 2010. 18
16 Mit Aktualisierung wird beabsichtigt, eine Marke ins Gespräch zu bringen. K.-R. nennt als Beispiel Werbung für Mineralwasser oder Unterwäsche, also Produkte, bei denen weder aktuelles Kaufverlangen vorliegt, noch Informationen erwartet werden, siehe dazu ausführlicher K.-R. 1988, 40.
17 K.-R. spricht von formaler Austauschbarkeit, wenn das Werbemittel in seiner äußeren Anzeigengestaltung nicht von Konkurrenzanbietern unterscheidbar ist und somit keinen bleibenden Eindruck hinterlassen kann; mit inhaltlicher Austauschbarkeit meint er, dass sich die informative und emotionale Werbebotschaft nicht von den übrigen Angeboten derselben Produktbranche abhebt.
18 mit Frequenztechniken ist die Häufigkeit der geschalteten Anzeigen oder Spots gemeint. Vgl. dazu K.-R. 1988, 130 ff.
19 zu exemplarischen Anzeigen mit unterschiedlicher Platzierung und Menge der dargebotenen Informationen vgl. K.-R. 1988, 140 f.
20 Zu den wichtigsten, in diesem Zusammenhang erforderlichen Bedingungen vgl. K.-R. 1988, 150. 26
21 „Unter Akzeptanz versteht man die Zustimmung der Umworbenen zur Werbemittelgestaltung, das Gefallen an der Art und Weise, wie die Werbebotschaft präsentiert wird.” (K.-R. 1988, 159).
22 Da die gedankliche Verarbeitung von Bildern und Texten und unterschiedliche Speicherung im Gedächtnis beim Vergleich beider Codesysteme noch betrachtet wird, sei an dieser Stelle zunächst auf genauere Ausführungen verzichtet.
23 zu einem Überblick über das Interesse an der Werbung in anderen Wissenschaften wie der Theologie, der Landeskunde, der Wirtschafts- oder Kunstgeschichte vgl. Janich 2001, 15.
24 Janich spricht davon, dass eine negative Haltung gegenüber der Werbung gegenüber der Forschung lange Zeit im Wege stand (vgl. Janich 2001, 14).
25 vgl. insbesondere Stöckl 1997 und 2004.
26 Römer 1968.
27 Bechstein 1987.
28 Janich 2001.
29 Forschungslücken zeigen sich z.B. bei der gegenseitigen Beeinflussung von Alltags- und Werbesprache, bei kontrastiven Untersuchungen, die andere Fremdsprachen außer das Englische berücksichtigen (Janich 2001, 16).
30 Vgl. bspw. diverse Beiträge in Baldini 1987 oder Chiantera 1989.
31 zu einen Überblick über die Bereiche der Bildkommunikation siehe K.-R. 1996.
32 damit ist die Gehirnforschung gemeint, die sich mit den verschiedenen Funktionen der beiden Großhirnhälften befasst, vgl. K.-R. 1996, 22 ff.
33 Imagery ist „[...] die Entstehung, Verarbeitung, Speicherung und Verhaltenswirkung innerer Bilder. Diese Vorgänge finden in einem eigenen Gedächtnissystem statt.” (K.-R. 1996, 25).
34 vgl. dazu Dieterle 1992.
35 Er erläutert dabei die ‚Inhaltsanalyse der Medienwissenschaften’, geht auf ‚Bildsemiotik/Bildsemantik - Ikonographie’ ein, weiter auf die Sozialsemiotik’ und die ‚Visual Culture’ und befasst sich abschließend mit ‚Multimodalität - Design - Stil’, vgl. dazu Stöckl 2004, 11.
36 Vgl. dazu Braun 1993.
37 Als grundlegende Begriffe der Bildsemiotik gelten ‚visuelles/ikonisches Zeichen‛ und ‚piktoraler Kode‛, vgl. Stöckl 2004, 65.
38 Eco 1972.
39 Eco unterscheidet zwischen ikonischer, ikonograpischer, tropologischer, topischer und enthymematischer Ebene, vgl. Eco 1972, 272-275.
40 vgl. dazu u.a. Balsliemke 2001.
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- Martina Tauscher (Author), 2010, Text und Bild in der italienischen Printwerbung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/168417
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