Die vorliegende Arbeit möchte der Frage nachgehen, wie viel antike Rhetorik tatsächlich in den Prologen des höfischen Romans steckt und spezialisiert sich dabei auf den wesentlichen Aspekt der captatio benevolentiae. Es soll untersucht werden, inwieweit Hartmann von Aue, Ulrich von Zatzighofen, Wolfram von Eschenbach, Gottfried von Straßburg, Wirnt von Grafenberg und Heinrich von dem Türlin in ihren Prologen einer antiken Rhetoriktradition nacheifern; dabei muss gegebenenfalls auch erörtert werden, inwieweit die Dichter sich von dieser Tradition entfernt haben, um eigene Wege zu beschreiten. Bevor man jedoch überhaupt an eine Analyse der Prologe denken kann, sind einige umfangreiche Vorarbeiten zu leisten: Zunächst einmal muss die Rezeptionsgeschichte antiker Rhetoriken bis in das Mittelalter hinein überblickt werden, damit deutlich wird,
welche Rhetorikschulen für das hohe Mittelalter überhaupt relevant waren und auf welche Rhetoriken für die mittelhochdeutschen Dichter theoretisch eine Zugriffsmöglichkeit bestand. Wenn wir in den einzelnen Fällen schon nicht nachweisen können, welche Werke die Autoren tatsächlich gelesen haben, soll dieser kurzen Rezeptionsgeschichte zumindest eine reflektierte Abhandlung über
die Bildungsmöglichkeiten im Hochmittelelter folgen; mit diesem Arbeitsschritt kann die Kenntnis lateinischer Rhetorik zwar nicht bewiesen, zumindest aber wahrscheinlich gemacht werden. Eine sinnvolle und fruchtbare Analyse mittelhochdeutscher Prologe setzt darüber hinaus eine profunde Kenntnis antiker Rhetoriken voraus. Es ist deshalb sinnvoll, eine repräsentative Auswahl lateinischer Texte zu analysieren und dadurch ein nützliches Instrument für die
Analyse der Prologe zu erstellen. Erst nach diesen Vorüberlegungen mach es Sinn, mit mittelhochdeutschen Texten zu arbeiten. Der Analyse der einzelnen Prologe wird jeweils eine kurze Einleitung vorangestellt sein, die dem Leser einen knappen Forschungsüberblick bezüglich des vorliegenden Textes zur Verfügung stellt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Theoretische Vorüberlegungen
- Der Prolog
- captatio benevolentiae
- Der höfische Roman
- Überlieferung und Rezeption antiker Rhetoriken im Mittelalter
- Die Reduktion rhetorischer Tradition auf ein Mindestmaß
- Augustinus und die christliche Beredsamkeit
- Die Fortführung der rhetorischen Tradition im Rahmen der artes liberales
- Zur Bildung mittelhochdeutscher Autoren
- Probleme der biographischen Forschung
- Mittelalterliche Bibliothekskataloge als Chance zur Klärung des Bildungshintergrundes
- Vermutungen über die Bildungsmöglichkeiten der Dichter
- Mündliche Überlieferung und Nachahmung literarischer Vorbilder
- Klosterschulen
- Domschulen
- Unterricht auf der Burg durch Weltgeistlichen oder Mönch
- Die captatio benevolentiae in der römisch-antiken Rhetorik
- Die vorteilhafte Präsentation der eigenen Person im Prolog
- captatio benevolentiae mittels Herabsetzung der gegnerischen Partei
- Erlangung des Wohlwollens durch Schmeicheleien an den Richter
- Zielgerichtete Darstellung des Verhandlungsgegenstandes
- Antike Rhetoriken als Modell für mittelalterliche Prologe
- Analyse der Prologe
- Hartmann von Aue
- Der "Iwein"-Prolog
- Der "Gregorius"-Prolog
- Ulrichs von Zatzighofen “Lanzelet”-Prolog
- Wolfram von Eschenbach - „Parzival“
- Gottfried von Straßburg - „Tristan und Isolde“
- Wirnt von Grafenberg: „Wigalois“
- Die „Crône“ Heinrichs von dem Türlin
- Hartmann von Aue
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Anwendung antiker rhetorischer Strategien, insbesondere der captatio benevolentiae, in Prologenen mittelhochdeutscher höfischer Romane. Ziel ist es, den Einfluss antiker Rhetoriktraditionen auf die Gestaltung und Funktion dieser literarischen Einleitungselemente aufzuzeigen.
- Die captatio benevolentiae als rhetorisches Mittel
- Überlieferung und Adaption antiker Rhetorik im Mittelalter
- Bildungshintergrund mittelhochdeutscher Autoren
- Analyse der Prologe verschiedener höfischer Romane
- Der höfische Roman als literarische Gattung
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung führt in das Thema ein und verdeutlicht die Allgegenwärtigkeit von Rhetorik in verschiedenen Lebensbereichen, von der frühen griechischen Antike bis zur Moderne. Sie beschreibt die Entwicklung der Rhetorik von den Sophisten über Aristoteles bis zu Cicero und Quintilian und skizziert den Übergang zur mittelalterlichen Rhetorik und deren Relevanz für die höfische Literatur.
Theoretische Vorüberlegungen: Dieses Kapitel definiert den Prolog als literarisches Element und erläutert das rhetorische Konzept der captatio benevolentiae. Es beschreibt zudem die Merkmale des höfischen Romans als literarische Gattung und seinen Kontext im Mittelalter.
Überlieferung und Rezeption antiker Rhetoriken im Mittelalter: Dieses Kapitel untersucht die Wege, auf denen antike rhetorische Traditionen ins Mittelalter gelangten, die Reduktion dieser Tradition auf ein Minimum, den Einfluss Augustinus' und die Integration der Rhetorik in die artes liberales. Es analysiert, wie die antiken rhetorischen Prinzipien in den mittelalterlichen Kontext eingebunden wurden und sich dort transformierten.
Zur Bildung mittelhochdeutscher Autoren: Dieses Kapitel befasst sich mit den Herausforderungen der biographischen Forschung zu mittelhochdeutschen Autoren und erörtert mittelalterliche Bibliothekskataloge als Quellen für deren Bildungshintergrund. Es untersucht verschiedene Bildungsmöglichkeiten, wie Klosterschulen, Domschulen und Unterricht auf Burgen, und diskutiert den Einfluss mündlicher Überlieferung und literarischer Vorbilder.
Die captatio benevolentiae in der römisch-antiken Rhetorik: Dieses Kapitel analysiert die captatio benevolentiae im Kontext der römischen Rhetorik, untersucht deren verschiedene Anwendungsmöglichkeiten, wie die vorteilhafte Selbstdarstellung, die Herabsetzung gegnerischer Parteien, die Schmeichelei und die zielgerichtete Darstellung des Themas. Es legt die Grundlage für die spätere Analyse der mittelalterlichen Prologe.
Antike Rhetoriken als Modell für mittelalterliche Prologe: Dieses Kapitel untersucht die Verbindung zwischen den antiken rhetorischen Modellen und den Prologen der mittelhochdeutschen höfischen Romane. Es bildet die Brücke zwischen der theoretischen Auseinandersetzung mit antiker Rhetorik und deren konkreter Anwendung in der mittelalterlichen Literatur.
Schlüsselwörter
Captatio benevolentiae, Antike Rhetorik, Mittelalterliche Literatur, Höfischer Roman, Prolog, Hartmann von Aue, Wolfram von Eschenbach, Gottfried von Straßburg, Artes Liberales, Mündliche Überlieferung.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Anwendung antiker rhetorischer Strategien in Prologenen mittelhochdeutscher höfischer Romane
Was ist das zentrale Thema dieser Arbeit?
Die Arbeit untersucht die Anwendung antiker rhetorischer Strategien, insbesondere der captatio benevolentiae, in den Prologenen mittelhochdeutscher höfischer Romane. Das Hauptziel ist es aufzuzeigen, wie antike Rhetoriktraditionen die Gestaltung und Funktion dieser literarischen Einleitungselemente beeinflusst haben.
Welche rhetorische Strategie steht im Mittelpunkt der Untersuchung?
Die captatio benevolentiae, ein rhetorisches Mittel zur Gewinnung des Wohlwollens des Publikums, bildet den Kern der Analyse. Die Arbeit untersucht, wie diese Strategie in den mittelalterlichen Prologenen angewendet und adaptiert wurde.
Welche Epochen werden in der Arbeit verglichen?
Die Arbeit vergleicht die antike Rhetorik (römische Rhetorik insbesondere) mit der mittelalterlichen Literatur, speziell der höfischen Literatur des Mittelhochdeutschen. Der Fokus liegt auf der Übertragung und Transformation rhetorischer Prinzipien über die Jahrhunderte hinweg.
Welche Autoren und Werke werden analysiert?
Die Analyse umfasst Prologe verschiedener mittelhochdeutscher höfischer Romane, darunter Werke von Hartmann von Aue (Iwein, Gregorius), Ulrich von Zatzikhoven (Lanzelet), Wolfram von Eschenbach (Parzival), Gottfried von Straßburg (Tristan und Isolde), Wirnt von Grafenberg (Wigalois) und Heinrich von dem Türlin (Crône).
Wie wird der Einfluss antiker Rhetorik auf die mittelalterliche Literatur untersucht?
Die Arbeit untersucht zunächst die Überlieferung und Rezeption antiker Rhetorik im Mittelalter, einschließlich der Rolle von Augustinus und der artes liberales. Anschließend analysiert sie die Prologe der ausgewählten Romane, um die konkreten Anwendungen antiker rhetorischer Prinzipien zu identifizieren und zu interpretieren.
Welche Aspekte der Bildung mittelhochdeutscher Autoren werden berücksichtigt?
Die Arbeit thematisiert die Herausforderungen der biographischen Forschung und untersucht mittelalterliche Bibliothekskataloge als Quellen für den Bildungshintergrund der Autoren. Sie beleuchtet verschiedene Bildungsmöglichkeiten (Klosterschulen, Domschulen, Unterricht auf Burgen) und den Einfluss mündlicher Überlieferung und literarischer Vorbilder.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in Kapitel zu Einleitung, theoretischen Vorüberlegungen (Prolog, captatio benevolentiae, höfischer Roman), Überlieferung und Rezeption antiker Rhetorik im Mittelalter, Bildung mittelhochdeutscher Autoren, captatio benevolentiae in der römischen Rhetorik, antiker Rhetorik als Modell für mittelalterliche Prologe, Analyse der Prologe einzelner Werke und Fazit.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Captatio benevolentiae, Antike Rhetorik, Mittelalterliche Literatur, Höfischer Roman, Prolog, Hartmann von Aue, Wolfram von Eschenbach, Gottfried von Straßburg, Artes Liberales, Mündliche Überlieferung.
Für wen ist diese Arbeit gedacht?
Diese Arbeit richtet sich an Wissenschaftler und Studenten der Germanistik, Literaturwissenschaft und der Rhetorik, die sich mit mittelalterlicher Literatur und der Rezeption antiker Traditionen auseinandersetzen.
- Quote paper
- Florian Schomanek (Author), 2008, Captatio Benevolentiae, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/167836