I. Einleitung
Hegel beginnt seine Schrift die Verfassung Deutschlands mit den Worten: „Deutschland ist kein Staat mehr.“ Ernst Cassirer sieht in diesem ungewöhnlichen Beginn eine politi-sche Verzweiflung, die er den historischen Umständen, in denen Hegel sich 1801 be-fand, zuschreibt. Ähnlich wie Fichte, der im Jahr 1807 einen Aufsatz über Machiavelli schrieb , zitierte Hegel in seiner Schrift aus Machiavellis Il Principe, genau wie Fichte sechs Jahre später, wählte er dafür das letzte, das 26. Kapitel. Hegel schrieb darauffol-gend: „Man kann annehmen, dass ein Mann, der mit dieser Wahrheit des Ernstes spricht, weder Niederträchtigkeit im Herzen, noch Spaß im Kopf hatte.“ Eine Würdi-gung Machiavellis, wie sie in den vergangenen Jahrhunderten, die zwischen Hegel und dem Florentiner lagen, selten zu finden ist . Hegel interessiert sich vor allem auch für die historischen Hintergründe, die Machiavelli zur Niederschrift seines „Fürsten“ be-wegt haben. In der kurzen Schilderung der italienischen Geschichte kommt er zum Schluss: „es [Italien] hörte auf ein Staat zu sein.“ Damit schafft eine direkte Verbin-dung zwischen dem Italien Machiavellis mitsamt seinen politischen Problemen und dem Deutschland Hegels selbst, dem er eine ähnlich prekäre Lage unterstellt. Cassirer interpretiert in diese Haltung hinein, Hegel habe der zweite Machiavelli sein wollen.
Diese Behauptung Cassirers infrage stellend, ist es das Ziel dieser Hausarbeit, zu klären, in wieweit die politische Theorie Machiavellis in Hegels Verfassungsschrift Einzug hielt. Diese Schrift, die Hegel mit Anfang dreißig beendete, gilt als ein Werk des frühen Hegels. Im Vergleich zur Auseinandersetzung mit Hegels anderen Schriften, vor allem den späteren Werken (Phänomenologie des Geistes, Rechtsphilosophie uvm.) wurde es nur wenig diskutiert. Die meisten Rezipienten stellten es sogleich in Zusammenhang mit Machiavelli und dem Begriff der Staatsräson (z.B. Cassirer, Ottmann, Zenkert) . Keiner geht jedoch so weit, wie Cassirer. Beeinflusst durch Machiavelli – ja sicher.
Um der Frage nachzugehen, ob Hegel ein zweiter Machiavelli sein wollte, werden dessen Werke Il Principe und Discorsi betrachtet, die umfänglich Machiavellis Politisches Ideal beschreiben. Er hat mit der Niederschrift seines Gelegenheitswerkes Il Principe eine politische Notlage beschrieben und einen möglichen Ausweg. In den Discorsi breitet er seine politische Theorie, angelehnt an die Lektüre Polybios‘ und Livius‘, voll aus.
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Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Begründung einer modernen Staatsethik bei Machiavelli und Hegel
- II.1. Die politisch-historischen Hintergründe im Vergleich
- II.2. Die Staatsethik bei Machiavelli
- II. 3. Hegel und die Entwicklung einer deutschen Staatsethik..
- III. Machttheorien
- III.1. Machiavellis Lehre der Technik der Macht.
- III.2. Herrschaft und Macht bei Hegel
- III.3. Zusammenfassung.....
- III. Die Verfassung..
- III. 1. Machiavellis Mischverfassung..
- IV. 2. Hegel zur Verfassung eines Staates
- V. Zusammenfassung.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit analysiert Hegels Schrift „Die Verfassung von Deutschland“ in Bezug auf die Rezeption und Verbreitung Machiavellis Staatsdenkens. Das Ziel der Arbeit ist es, die Frage zu klären, ob Hegel in seiner Schrift ein „zweiter Machiavelli“ sein wollte. Die Arbeit untersucht dazu den Einfluss von Machiavellis Werk „Der Fürst“ auf Hegels Denken, insbesondere im Hinblick auf die Staatsethik, die Machttheorien und die Verfassungsvorstellungen beider Autoren.
- Politisch-historische Hintergründe im Vergleich
- Staatsethik bei Machiavelli und Hegel
- Machttheorien bei Machiavelli und Hegel
- Verfassungstheorien bei Machiavelli und Hegel
- Das Verhältnis von Machiavelli und Hegel
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Hausarbeit ein und stellt die Fragestellung nach dem möglichen Einfluss Machiavellis auf Hegels Schrift „Die Verfassung von Deutschland“ dar. Es wird auf die besondere Bedeutung der Schrift für das Verständnis des frühen Hegels hingewiesen und die Forschungsfrage nach der Rezeption Machiavellis bei Hegel formuliert. Die Einleitung stellt zudem die wichtigsten Kapitel der Arbeit vor und gibt einen Überblick über die behandelten Themenbereiche.
Das Kapitel II befasst sich mit der Begründung einer modernen Staatsethik bei Machiavelli und Hegel. In diesem Kapitel werden die politisch-historischen Hintergründe der beiden Autoren verglichen und deren Einfluss auf ihre jeweiligen Staatsethiken untersucht. Der Fokus liegt auf der Analyse der politischen Lage in Italien im 16. Jahrhundert und in Deutschland im 19. Jahrhundert sowie auf der Darstellung der jeweiligen historischen und politischen Situation, in der Machiavelli und Hegel ihre Werke verfassten.
Kapitel III widmet sich den Machttheorien von Machiavelli und Hegel. Hier werden die unterschiedlichen Konzepte der Macht und Herrschaft bei beiden Autoren analysiert und miteinander verglichen. Die Arbeit beleuchtet dabei die Machiavelli zugeschriebene Lehre der "Technik der Macht" und die Herangehensweise Hegels an die Frage nach Macht und Herrschaft.
Schlüsselwörter
Diese Hausarbeit befasst sich mit den folgenden Schlüsselbegriffen: Machiavelli, Hegel, Staatsdenken, Staatsethik, Macht, Herrschaft, Verfassung, „Der Fürst“, „Die Verfassung von Deutschland“, politische Theorie, Historische Hintergründe, Italien, Deutschland.
- Quote paper
- Katrin Rönicke (Author), 2009, Die Rezeption und Verbreitung Machiavellis Staatsdenkens am Beispiel Hegels 'Die Verfassung von Deutschland', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/167760