Anhand von Huntingtons Theorem der „dritten Demokratisierungswelle“, besonders der Staatenneubildung und -umbildung nach Zusammenbruch der Sowjetunion, gingen Experten der Transformationsforschung und der Comparative Politics davon aus, dass sich auch im Nahen Osten ein Trend zur Demokratisierung aufweisen lässt. Immerhin lassen sich in den arabischen Staaten Prozesse wie wirtschaftliche Liberalisierung, Subventionsabbau und Reduktion von Handlungsbeschränkungen feststellen, aber auch relativ freie Wahlen wie in Algerien und Libanon. Diese bilden jedoch eine Ausnahme, da wie Freedom House berichtet anhaltende Repression, fehlende Pressefreiheit und Meinungsbildung, um nur einige zu nennen, an der Tagesordnung sind und bezeichnet den Nahen Osten als die „am wenigsten freie geografische Region in der Welt“. Fast alle dieser Staaten geben sich jedoch einen institutionellen demokratischen Verfassungsschein unter denen sich autoritäre Strukturen über Jahrzehnte hinweg verfestigt haben. Als Beispiele sollen hier nach Linz Theorie zu autoritären Regimen begrenzter Pluralismus und ein ständiger Prozess der Kooptierung genannt werden. Hinzu kommen Faktoren wie Paternalismus und Klientelismus.
Wie lassen sich nun die offensichtlichen wirtschaftlichen und politischen Veränderungen, die im Laufe der letzten Jahre innerhalb dieser Regime stattgefunden haben erklären? Kann man dennoch von einem Demokratisierungsprozess sprechen? Nach Schlumbergers These, der lediglich von Anpassungsprozessen spricht sicherlich nicht. „Die Entwicklung, die in der Vergangenheit vielfach als einsetzende Demokratisierungsprozesse interpretiert wurden, sind nicht als Demokratisierung, sondern als Anpassungsprozesse autoritärer Regime an veränderte globale, regionale sowie gesellschaftliche und ökonomische Bedingungen zu verstehen.“
Unter diesem Gesichtspunkt scheint Libyen besonders untersuchungswert, da sich der Staat in der Vergangenheit als sehr stabil und reformresistent erwiesen hat und Muammar al-Gaddafi zum zweitlängsten regierenden Amtsinhaber der Welt machte.
Dennoch befindet sich Libyen seit den neunziger Jahren in einem augenscheinlichen Transformationsprozess, der durch außenpolitische und innenpolitische Ereignisse hervorgerufen wurde...
Anhand von Huntingtons Theorem der „dritten Demokratisierungswelle“, besonders der Staatenneubildung und -umbildung nach Zusammenbruch der Sowjetuni- on, gingen Experten der Transformationsforschung und der Comparative Politics davon aus, dass sich auch im Nahen Osten ein Trend zur Demokratisierung auf- weisen lässt. Immerhin lassen sich in den arabischen Staaten Prozesse wie wirt- schaftliche Liberalisierung, Subventionsabbau und Reduktion von Handlungsbe- schränkungen feststellen, aber auch relativ freie Wahlen wie in Algerien und Li- banon. Diese bilden jedoch eine Ausnahme, da wie Freedom House berichtet an- haltende Repression, fehlende Pressefreiheit und Meinungsbildung, um nur einige zu nennen, an der Tagesordnung sind und bezeichnet den Nahen Osten als die „am wenigsten freie geografische Region in der Welt“. Fast alle dieser Staaten geben sich jedoch einen institutionellen demokratischen Verfassungsschein unter denen sich autoritäre Strukturen über Jahrzehnte hinweg verfestigt haben. Als Beispiele sollen hier nach Linz Theorie zu autoritären Regimen begrenzter Plura- lismus und ein ständiger Prozess der Kooptierung genannt werden. Hinzu kom- men Faktoren wie Paternalismus und Klientelismus.
Wie lassen sich nun die offensichtlichen wirtschaftlichen und politischen Verän- derungen, die im Laufe der letzten Jahre innerhalb dieser Regime stattgefunden haben erklären? Kann man dennoch von einem Demokratisierungsprozess spre- chen? Nach Schlumbergers These, der lediglich von Anpassungsprozessen spricht sicherlich nicht. „Die Entwicklung, die in der Vergangenheit vielfach als einset- zende Demokratisierungsprozesse interpretiert wurden, sind nicht als Demokrati- sierung, sondern als Anpassungsprozesse autoritärer Regime an veränderte globa- le, regionale sowie gesellschaftliche und ökonomische Bedingungen zu verste- hen.“
Unter diesem Gesichtspunkt scheint Libyen besonders untersuchungswert, da sich der Staat in der Vergangenheit als sehr stabil und reformresistent erwiesen hat und Muammar al-Gaddafi zum zweitlängsten regierenden Amtsinhaber der Welt machte.
Dennoch befindet sich Libyen seit den neunziger Jahren in einem augenscheinlichen Transformationsprozess, der durch außenpolitische und innenpolitische Ereignisse hervorgerufen wurde.
Zum einen durch das Wirtschafts- und Waffenembargo der Vereinigten Staaten 1986 und im Anschluss die 1992 von den Vereinten Nationen verhängten Sankti- onen, die zur Folge hatten, dass die libysche Erdölproduktion zurückging und sich innenpolitisch die sozioökonomische Lage verschlechterte. Kennzeichnend hier- für sind zunehmende Arbeitslosigkeit, besonders unter Jugendlichen (Libyens Durchschnittsalter beträgt 23 Jahre), starker Bevölkerungswachstum und Kauf- kraftverlust, allgemein gesagt die starke Einschränkung des Rentierstaatssystems, der Gaddafi bisher als Machtsicherungsinstrument diente. Und zum anderen das Vorgehen der westlichen Staaten nach dem 11. September 2001 gegen radikale Islamisten wie zum Beispiel der Angriff im März 2003 auf Sadam Hussein, der Gaddafis außenpolitisches Spielfeld weiter einschränkte. Denn Libyen wurde auf- grund seiner terroristischen Vergangenheit wie die Angriffe auf Lockerbie und Niger sowie die Unterstützung von anderen Terrornetzwerken als Teil der „Achse des Bösen“ eingestuft. Weiterhin stammen viele junge Kämpfer der al-Qaida aus Libyen, was sich auch auf die hohe Jugendarbeitslosigkeit und damit einherge- hende Orientierungslosigkeit erklären lässt. Daher blieb Gaddafi gar nichts ande- res übrig als sich aus der außenpolitischen Isolation zu befreien, um auch die in- nenpolitischen Probleme zu entschärfen. Somit bekannte sich Gaddafi 1999 zur Schuld Libyens an dem Anschlag von 1988 auf ein Pan-Am-Flugzeug über der Stadt Lockerbie und lieferte die Attentäter aus. Den Hinterbliebenen der Opfer ließ er eine hohe Entschädigung zahlen. Anschließend erzielte Libyen auch mit Frankreich eine Übereinkunft zur Entschädigung der Hinterbliebenen des Niger- Attentats und erreichte damit die Aufhebung der Sanktionen der Vereinten Natio- nen. Den Höhepunkt und damit zusammenhängende Aufhebung der Sanktionen der Vereinigten Staaten erreichte er, indem er die Produktion von Massenvernich- tungswaffen 2004 einstellte, das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag unterzeichnete und sich in die „Koalition der Willigen“ einreihte.
Seither entspannte sich das Verhältnis zum Westen. Besuche von Tony Blair, Gerhard Schröder, dem ersten deutschen Kanzler, der Libyen besuchte und Jacques Chirac folgten. Im Frühjahr 2006 nahmen die Vereinigten Staaten nach 35 Jahren Unterbrechung wieder diplomatische Beziehungen zu Libyen auf.
Der Wegfall des „äußeren Feindes“ stabilisierte das Regime nur kurzfristig und innergesellschaftliche Interessenkonflikte um Einfluss, Macht und Verwertung der Ressourcen auf unterschiedlichen Ebenen, unterschiedlicher Akteure und mit unterschiedlicher Themeneingrenzung traten zutage.
[...]
- Arbeit zitieren
- Sandra Frank (Autor:in), 2010, Transformationsprozesse autoritärer Regime im Nahen Osten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/167630
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.