[...] Wie aus der Zusammensetzung des Begriffs schon zu ersehen ist, richtet sich die Aufmerksamkeit
auf die Politik. Die Politik vollzieht sich jedoch für die meisten Bürger
außerhalb ihrer persönlichen Erfahrungsgrenzen. Den unmittelbaren Kontakt durch Parteimitgliedschaften
oder andere Wege der politischen Partizipation beschreitet lediglich
ein prozentual kleiner Teil der Bevölkerung (vgl. Kepplinger 1998, S. 209 – S. 210).
Daraus resultierend stammt „vieles, wenn nicht das meiste, was die Durchschnittsbürger
einer komplexen Gesellschaft westlicher Prägung über die Politik erfahren, (..) aus den
Medien“ (Pöttker 1996, S. 59). Die Medien nehmen folglich eine Stellung als Binde glied zwischen Politik und Gesellschaft ein und dienen u.a. als politische Informationsquelle.
An diesem Punkt setzt diese Hausarbeit an. Da die Medien durch ihre Berichterstattung
zur Informationsbefriedigung der Gesellschaft in einem erheblichen Maße beitragen,
leitet sich daraus eine interessante Fragestellung in Bezug auf die Politikverdrossenheit
ab: Welchen Einfluss haben die Medien auf die Politikverdrossenheit? Die hohe Reichweite
der Massenmedien und die ebenso starke Nutzung dieser Informationskanäle
durch den Rezipienten, lässt zu der Vermutung kommen, dass dort eine Verbindung
besteht. Viele Untersuchungen, die sich mit den Wirkungen der Medien auseinandergesetzt
haben, lassen erkennen, dass den Medien bei der Beeinflussung der Gesellschaft
eine erhebliche Stellung zugesprochen werden kann. Die Medienwirkung ist, entgegen
früherer Annahmen, nicht zu unterschätzen (vgl. Meyn 1999, S. 295).
Um dem Leser einen Einstieg in die Thematik zu erleichtern, erscheint es zunächst
sinnvoll, den Begriff der Politikverdrossenheit genauer zu beleuchten, da es sich „um
einen schillernden Terminus handelt, der vieles impliziert (..) und dabei doch im unklaren
lässt“ (Arzheimer 2002, S. 17). Es findet an dieser Stelle (Kapitel 2) ein Versuch
statt, die Dimensionen des Begriffs aufzuzeigen. Im Anschluss daran erfolgt eine Darstellung der Medien. Das Interesse richtet sich dabei
zunächst auf die Funktion und die Stellung der Medien innerhalb der Gesellschaft
(Kapitel 3.1) und endet mit deren Nutzung und deren Wirkungsweise (Kapitel 3.2).
Anschließend folgt in den Kapiteln 4 und 5 die eigentliche Beantwortung der zugrundeliegenden
Fragestellung. [...]
Gliederung
1. Problemstellung
2. Die Dimensionen der Politikverdrossenheit
3. Darstellung der Massenmedien
3.1 Funktion und Stellung der Massenmedien
3.2 Nutzung und Wirkungsweise der Massenmedien
4. Politik und Medien
4.1 Die Medien als Ursache für Politikverdrossenheit –grundlegende Annahmen
4.2 Der Negativismus der medialen Berichterstattung als Ursache von Politikverdrossenheit
4.3 Skandalberichterstattung als Ursache von Politikverdrossenheit
4.4 Medienunterhaltung als Ursache von Politikverdrossenheit – die (erweiterte) Videomalaisehypothese
5. Diskussion der Ergebnisse
A. Literaturverzeichnis
1. Problemstellung:
Politisches Desinteresse der Bevölkerung, mangelndes Misstrauen gegenüber Politikern, negative Einstellungen bezüglich der gemachten Politik, Zweifel an der Problemlösekompetenz der gewählten Vertreter bzw. geringe Partizipation am politischen Prozess stellen nur eine kleine Auswahl an Aussagen dar, die im Zusammenhang mit der Thematik der Politikverdrossenheit gemacht werden. Die Diskussion ergriff „immer neue Bereiche – zunächst den Zustand der Parteien, dann den der Wirtschaft und des Sozialwesens und schließlich die Wahlbeteiligung der Bevölkerung. Wenn der eine Aspekt ausgereizt war, kam der nächste zum Zuge“ (Kepplinger 1998, S. 16). Die Liste an Beispielen könnte ohne weitere Mühe problemlos weitergeführt werden.
Der Begriff bzw. das dahinterstehende Phänomen erfreut sich einer großen Beliebtheit. Politiker, Medien und große Teile der Bevölkerung nutzen gleichermaßen häufig diesen Begriff, um auf ein vorliegendes Problem hinzuweisen. Gerne wird Politikverdrossenheit als Erklärungsgrund schlagwortartig hervorgebracht.
Die Politikverdrossenheit hat somit bei der Betrachtung des politischen Geschehens eine in den letzten Jahren zunehmende Bedeutungssteigerung erfahren. Dies lässt sich anhand der gestiegenen Anzahl an Artikeln belegen, die in wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Zeitschriften bzw. in anderen diversen Medienberichten in den vergangenen Jahren erschienen sind und dieses Phänomen thematisieren. Insbesondere Anfang der neunziger Jahre stieg die Zahl explosionsartig an. Gerade die Medien benutzten oft diesen Begriff und „trafen damit offensichtlich den Nerv des Publikums“ (Arzheimer 2002, S. 17 – S. 18). Die Bedeutungssteigerung führte letztlich sogar soweit, dass die Gesellschaft für deutsche Sprache diesen Terminus 1992 zum Wort des Jahres wählte (vgl. Wolling 1999, S. 7).
Wie aus der Zusammensetzung des Begriffs schon zu ersehen ist, richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Politik. Die Politik vollzieht sich jedoch für die meisten Bürger außerhalb ihrer persönlichen Erfahrungsgrenzen. Den unmittelbaren Kontakt durch Parteimitgliedschaften oder andere Wege der politischen Partizipation beschreitet lediglich ein prozentual kleiner Teil der Bevölkerung (vgl. Kepplinger 1998, S. 209 – S. 210). Daraus resultierend stammt „vieles, wenn nicht das meiste, was die Durchschnittsbürger einer komplexen Gesellschaft westlicher Prägung über die Politik erfahren, (..) aus den Medien“ (Pöttker 1996, S. 59). Die Medien nehmen folglich eine Stellung als Bindeglied zwischen Politik und Gesellschaft ein und dienen u.a. als politische Informationsquelle.
An diesem Punkt setzt diese Hausarbeit an. Da die Medien durch ihre Berichterstattung zur Informationsbefriedigung der Gesellschaft in einem erheblichen Maße beitragen, leitet sich daraus eine interessante Fragestellung in Bezug auf die Politikverdrossenheit ab: Welchen Einfluss haben die Medien auf die Politikverdrossenheit? Die hohe Reichweite der Massenmedien und die ebenso starke Nutzung dieser Informationskanäle durch den Rezipienten, lässt zu der Vermutung kommen, dass dort eine Verbindung besteht. Viele Untersuchungen, die sich mit den Wirkungen der Medien auseinandergesetzt haben, lassen erkennen, dass den Medien bei der Beeinflussung der Gesellschaft eine erhebliche Stellung zugesprochen werden kann. Die Medienwirkung ist, entgegen früherer Annahmen, nicht zu unterschätzen (vgl. Meyn 1999, S. 295).
Um dem Leser einen Einstieg in die Thematik zu erleichtern, erscheint es zunächst sinnvoll, den Begriff der Politikverdrossenheit genauer zu beleuchten, da es sich „um einen schillernden Terminus handelt, der vieles impliziert (..) und dabei doch im unklaren lässt“ (Arzheimer 2002, S. 17). Es findet an dieser Stelle (Kapitel 2) ein Versuch statt, die Dimensionen des Begriffs aufzuzeigen.
Im Anschluss daran erfolgt eine Darstellung der Medien. Das Interesse richtet sich dabei zunächst auf die Funktion und die Stellung der Medien innerhalb der Gesellschaft (Kapitel 3.1) und endet mit deren Nutzung und deren Wirkungsweise (Kapitel 3.2).
Anschließend folgt in den Kapiteln 4 und 5 die eigentliche Beantwortung der zugrundeliegenden Fragestellung. Dabei richtet sich das Interesse zunächst auf grundlegende Annahmen, die eine Wirkung der Medien auf die Politikverdrossenheit nahe legen (Kapitel 4.1). Anschließend werden der Negativismus der Medien (Kap. 4.2), die Skandalberichterstattung (Kap. 4.3) und die Videomalaise-Hypothese (Kap. 4.4) auf ihren Beitrag zur Beantwortung der zentralen Fragestellung hin untersucht. Kapitel 5 bildet den Abschluss dieser Arbeit, wo es zur Diskussion der Ergebnisse kommt.
Aufgrund der vielen Informationen und der erheblichen Anzahl an Untersuchungsergebnissen kann keine Vollständigkeit erreicht werden und liegt auch fern von der Absicht des Autors.
Das Ziel, dass mit dieser Arbeit verfolgt wird, ist eine Darstellung des Wirkungszusammenhangs von Politikverdrossenheit und Medien. Die Leser sollen einen Eindruck von dem (möglichen) Zusammenhang erhalten.
2. Die Dimensionen der Politikverdrossenheit
Die Dimensionen der Politikverdrossenheit lassen sich nicht ohne Schwierigkeiten klar und einheitlich aufzeigen. Ein Blick in die vorhandene wissenschaftliche und nicht wissenschaftliche Literatur lässt dies relativ schnell erkennen. Zwar gibt es viele Artikel, Berichte und Aufsätze, die das Thema fokussieren, jedoch kann an dieser Stelle sofort vorweggenommen werden, dass die Autoren in mehrerlei Hinsicht keinen Konsens finden können und sich die Sachlage darausresultierend sehr heterogen gestaltet. Zu unterschiedlich und differierend sind die Meinungen, Standpunkte und Haltungen bezüglich dieser Thematik.
Wer als Leser eine exakte Definition erwartet wird, enttäuscht sein, denn der Begriff ist breit gefächert und unscharf umrissen. Viele explizite Begriffsdefinitionen wurden unternommen, doch keine konnte sich durchsetzen (vgl. Maier 2000, S. 17). Gerade „auf der theoretischen Ebene [ist] nicht hinreichend geklärt, (...) worüber genau die Bürger `verdrossen` sind (Küchler 1982, S. 40). Außerdem präsentiert sich der Begriff innerhalb der Publikationen „als Ursache, als Folge und als Überbegriff für eine ganze Reihe von politischen Problemen und Entwicklungen“ (Arzheimer 2002, S. 16).
Diese Tatsache stellt einen Kritikpunkt dar, der oft in diesem Zusammenhang genannt wird. Dabei beklagen die Wissenschaftler genau diese fehlende einheitliche Begriffsführung. Unter dem Gesichtspunkt der Wissenschaftstheorie und den damit in Verbindung stehenden Regeln, die an die Wissenschaft gestellt werden, hält der Begriff den wissenschaftlichen Kriterien, die ein solcher normalerweise erfüllen muss, nicht stand. Durch das Rationalitätspostulat werden der Wissenschaft folgende drei Forderungen auferlegt: 1. sprachliche und logische Präzision 2. Intersubjektivität 3. Begründbarkeit der Aussagen, Theorien und Ergebnisse. Gleichzeitig wird aber darauf hingewiesen, „dass die Wissenschaft mit diesen wenigen, sehr allgemeinen Regeln allein nicht auskommt“ (Druwe 1995, S. 24). Innerhalb der Politikverdrossenheitsdebatte wird man diesen Forderungen jedoch nicht gerecht, da u.a. die sprachliche und logische Präzision offensichtlich nicht erfüllt wird (vgl. ebenda, S. 21 – S. 24).
Die Autoren unterscheiden sich doch in einem erheblichen Maß voneinander. Küchler nimmt bei den Verdrossenheitsbegriffen z.B. eine Unterscheidung in Staats-, Parteien- und Politikverdrossenheit vor. In seinen Augen ist unter dem Begriff der Staatsverdrossenheit „eine Unzufriedenheit mit der Staatsform, also der repräsentativen parlamentarischen Demokratie“ (Küchler 1982, S. 40) zu verstehen. Die Parteienverdrossenheit richtet hingegen den Fokus auf die Unzufriedenheit mit den großen etablierten Parteien, während sich die Politikverdrossenheit auf die konkrete Vorgehensweise der Politik konzentriert. Küchler bildet somit eine Hierarchie bezüglich der weitreichendsten Form der Unzufriedenheit (vgl. ebenda, S. 40 – S. 41). Andere Autoren hingegen üben Kritik an dem Versuch, eine Differenzierung von Politik- und Parteienverdrossenheit zu vollziehen (vgl. Hefty 1993, S. 48). Die Meinungen gehen an diesem, wie ebenfalls an anderen Punkten, weit auseinander. Ein Konsens wurde bis heute noch nicht gefunden.
Trotz dieses Einwands hat sich das Phänomen in der Wissenschaft durchgesetzt, da die Politikverdrossenheit eine hohe Relevanz insbesondere für die Politikwissenschaft besitzt. Denn „eine Reihe von Gegenständen, an denen die Politikwissenschaft ein substantielles Interesse hat, weil sie zu ihren Kernbereichen gehören“ (Arzheimer 2002, S. 19), werden dadurch angesprochen und erfordern eine grundlegende Erforschung.
Einigkeit liegt in der Hinsicht vor, dass Politikverdrossenheit „als ein mentaler oder emotionaler Zustand der Bürger begriffen [wird], der sich auf den Gegenstandsbereich des politischen bezieht“ (ebenda, S. 28). Es handelt sich darüber hinaus um „ein Bündel individueller oder bestenfalls neutraler Einstellungen gegenüber bestimmten politischen Objekten“ (ebenda, S. 67).
Soll anschließend ein Versuch unternommen werden, die genauen Objekte der Politikverdrossenheit festzulegen, so gestaltet sich diese Aufgabe schwierig. Die Gründe liegen wiederholt in der Uneinigkeit der wissenschaftlichen Literatur. Das Spektrum ist weitreichend. Die Gegenstände, auf die sich die Politikverdrossenheit bezieht, reichen von Parteien, Politikern, dem politischen System bis zu Institutionen, gleichsam ob es sich um politische oder gesellschaftliche handelt. Dabei richtet sich das Interesse in Abhängigkeit der Autoren immer auf unterschiedliche Objekte, die ebenfalls auf verschiedenster Art und Weise miteinander kombiniert werden. Eine Spezifizierung findet nicht statt (vgl. ebenda, S. 122 – S. 128).
Die Heterogenität, die sich bei der Objektbetrachtung herausgestellt hat, setzt sich ebenfalls bei den Einstellungen fort, die im Rahmen der Verdrossenheitsforschung erwähnt werden. In diesem Sinne wird meist von Enttäuschung und Unzufriedenheit gesprochen, die die Bürger in Bezug auf Parteien, die Politiker oder die Politik äußern. „Seit langem gab es kein so tiefes Misstrauen gegenüber der Politik in Deutschland“ (Greiffenhagen & Greiffenhagen 1992, S. 111). Das gesunkene Vertrauen richtet sich nicht nur auf die Politik, sondern „es wurde festgestellt, dass das Vertrauen in die politische Führungselite sowie in die politischen Institutionen gesunken“ (Kepplinger 1998, S. 206) ist. Die Einstellungen werden in Befragungen durch Vorgabe einer Reihe von Statements gemessen. Diese Statements zielen meist darauf ab, dass die Befragten abstimmen müssen, ob sie sich bspw. durch die Politiker in ausreichendem Maße vertreten fühlen oder , ob die Politik ein schmutziges Geschäft sei. Den verwendeten Attitüden sind keine Grenzen gesteckt. Vollständigkeit soll an dieser Stelle zwar nicht erreicht werden, jedoch soll nochmals die Bandbreite der Einstellungen gezeigt werden. Sie reicht von „fehlenden Einflussmöglichkeiten, Zweifel an der Problemlösungskompetenz von Parteien, Politikern oder Institutionen, fehlende oder schwindende Parteibindung, Protesteinstellungen oder politisches Desinteresse“ (Arzheimer 2002, S. 130 – S. 132). Es kommt somit zum Ausdruck, dass eine Vielzahl Wissenschaftler die Verdrossenheit „nicht im Sinne einer einzigen, klar abgegrenzten Attitüde [gebrauchen], sondern rekurrier[en] damit auf ein ganzes Bündel von Einstellungen“ (ebenda, S. 140). Die Frage, ob es sich bei den Einstellungen um Ursache oder um Folge handelt, bleibt unbeantwortet. Küchler wendet kritisch ein, dass „Ergebnisse, die sich streng genommen nur auf ganz spezifisch formulierte Fragen (Indikatoren) beziehen, (..) als definitive Aussagen über den in der Regel sehr komplexeren, und dazu noch mit vielerlei Assoziationen aus dem alltagssprachlichen Gebrauch belegten theoretischen Begriff interpretiert“ (Küchler 1982, S. 40) werden.
Die Wirkungsweise der Politikverdrossenheit ist in der Literatur außerdem in das Zentrum des Interesses gestellt worden. Die Betrachtung richtet sich auf die Verhaltensweisen, die aus den Verdrossenheitseinstellungen resultieren. Diese Verhaltensweisen können in drei Bereiche aufgeteilt werden: „erstens die ‚unkonventionelle’ politische Partizipation, d.h. die Beteiligung an Demonstrationen, Unterschriftensammlungen, Blockaden sowie die Mitgliedschaft in Bürgerinitiativen und anderen ‚Neuen Sozialen Bewegungen’, zweitens Parteiaustritte beziehungsweise die mangelnde Bereitschaft, überhaupt in Parteien einzutreten, drittens schließlich bestimmte Wahlentscheidungen, die in der Literatur als abweichendes oder zumindest erklärungsbedürftiges Verhalten präsentiert werden“ (Arzheimer 2002, S. 141).
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- Arbeit zitieren
- Jens Grauenhorst (Autor:in), 2003, Welchen Einfluss haben die Medien auf die Politikverdrossenheit?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16756
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