Franz Grillparzer: Der arme Spielmann. Eine Erzählung (1848).
Von Natalie Romanov
Als ein armer Geiger in das Gasthaus kam, wo der Dichter Franz Grillparzer häufig speiste, fiel er ihm “durch eine auffällige Sauberkeit seines ärmlichen Anzuges” (aus: Grillparzer, Gespräche) und wegen seinen kurzen lateinischen Danksagungen, wenn man ihn beschenkte, auf. Das Schicksal dieses armen Spielmannes interessierte den österreichischen Schriftsteller so sehr, dass er sich entschloss einen autobiographischen Roman zu schreiben, der aber nach mehreren Überarbeitungsversuchen doch nur als die kurze Rahmennovelle „Der arme Spielmann“ (1848) enden sollte:
Dabei ist sehr viel in diese Erzählung hineingebaut- die Tatsache, dass der Ich- Erzähler auf einem Volksfest einem alten Spielmann begegnet, der die bereits am Anfang erwähnten Eigenschaften besitzt und ihn am nächsten Tag in seiner ärmlichen Behausung besucht, sowie die komplette Lebensgeschichte, die ihm der Spielmann Jakob erzählt. Seiner Umwelt entzogen und immer musikalisch orientiert, hatte er es- trotz seines einflussreiche Vaters- in allen Bereichen des Lebens nicht sehr weit gebracht. Als er sich sogar am Schluss um seine Erbschaft betrügen ließ, war selbst Barbara, die Liebe seines Lebens, gezwungen Jakob als armen Geiger zu verlassen. „Dass sie nun alles Kummers los war, […] und nicht nötig hatte, […] Kummer und Elend zu tragen, das legte sich wie ein linderndes Balsam auf meine Brust“ [S.51/6-11f] Barbara muss aber doch am Ende viel weinen, denn, wie der Erzähler erfährt, ist der alte Mann, der die Kinder aus der Nachbarschaft vor dem Hochwasser gerettet hat, an einer Erkältung gestorben. „Ja, unser armer Alter! Der musiziert jetzt mit den lieben Engeln, die auch nicht viel besser sein können, als er es war“ [S.54/7-9f]
Denn- wie man am letzteren Zitat erkennen kann- ist Jakob kein sehr begnadeter Künstler gewesen, obzwar er die Musik liebte. Bereits bei der ersten Beschreibung von ihm, fällt auf, dass er sich von anderen Musikern deutlich unterscheidet, indem er „eine unzusammenhängende Folge von Tönen ohne Zeitmaß und Melodie“ [S.7-8/35f,1-2f] auf seiner Geige spielt, und diese noch von einem Notenblatt abzulesen behauptet! Die Tatsache, dass er...
Inhaltsverzeichnis
- Franz Grillparzer: Der arme Spielmann
- Ein armer Geiger
- Der Spielmann Jakob
- Das Volksfest
- Jakobs Lebensgeschichte
- Die Musik
- Barbara
- Der Griesler
- Die Liebe
- Der Verlust der Erbschaft
- Der Erzähler
- Der Tod des Spielmanns
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Novelle „Der arme Spielmann“ von Franz Grillparzer erzählt die Geschichte eines einfachen Musikanten namens Jakob und zeichnet ein Bild von dessen Leben in einem Wien des 19. Jahrhunderts. Grillparzer erforscht dabei die Schwierigkeiten und Herausforderungen, denen Jakobs Lebensweg gepflastert ist, und betrachtet die Gesellschaft, die ihn umgibt, aus seiner Perspektive. Die Novelle beleuchtet Jakobs künstlerische und existenzielle Sehnsüchte, seine Liebe zu Barbara und die Enttäuschungen, die er erlebt, als er sein Glück versucht zu finden.
- Das Leben und Schicksal eines einfachen Menschen in der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts
- Die Bedeutung von Kunst und Musik im Leben des Protagonisten
- Liebe und Beziehung, die durch soziale Unterschiede und Lebensumstände belastet werden
- Die Ambivalenz der gesellschaftlichen Normen und die Folgen von Konformität und Individualismus
- Die Darstellung von Jakobs philosophischer Einstellung und seinen Ansichten über die Welt
Zusammenfassung der Kapitel
- Im ersten Kapitel begegnet der Ich-Erzähler einem armen Geiger auf einem Volksfest, der ihn mit seiner Art und Weise zu musizieren fasziniert.
- Im zweiten Kapitel erzählt Jakob dem Erzähler seine Lebensgeschichte. Man erfährt, dass er trotz seines wohlhabenden Vaters ein schwieriges Leben führte und seine musikalische Orientierung ihn in der Gesellschaft oft isolierte.
- Im dritten Kapitel schildert Jakob seine Beziehung zu Barbara. Trotz ihrer gegenseitigen Zuneigung steht die Liebe zwischen ihnen unter dem Einfluss von gesellschaftlichen Erwartungen und finanziellen Aspekten.
- Im vierten Kapitel wird Jakobs Verlust der Erbschaft und die damit verbundene Enttäuschung beschrieben. Barbara ist gezwungen, Jakob zu verlassen, da sie nun nicht länger in Armut leben möchte.
- Im fünften Kapitel stirbt der alte Spielmann an einer Erkältung. Der Ich-Erzähler erfährt, dass Jakob von den Bewohnern seines Viertels aufgrund seiner guten Tat verehrt wurde.
Schlüsselwörter
Die Novelle „Der arme Spielmann“ befasst sich mit Themen wie Armut, Musik, Liebe, Gesellschaft, Individualismus, Konformität, Philosophie, Kunstverständnis, Lebensentwurf und sozialer Aufstieg. Die Hauptfigur Jakob verkörpert dabei den gegensätzlichen Konflikt zwischen den Idealvorstellungen von Kunst und den Realitäten der Gesellschaft. Die Novelle bietet Einblicke in die Lebensbedingungen und Denkweisen des 19. Jahrhunderts und hinterfragt gleichzeitig die traditionellen Werte und Normen dieser Zeit.
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- Bsc Natalie Romanov (Author), 2008, Franz Grillparzer: "Der arme Spielmann." Eine Erzählung (1848) - im Überblick, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/166975