Mit diesen Worten leitet Wieland sein Versepos Oberon ein und verweist damit zugleich auf
die Tradition desselben. Genau wie die großen epischen Vorbilder der Zeit – genannt seien
hier unter anderem Homer und Vergil – bedient sich Wieland des Anrufs der Musen, welche
ihm den Hippogryfen, das Sinnbild dichterischer Fantasie satteln sollen, um noch einmal mit
ihm ins „alte romantische Land“ – romantisch steht hier für das „katholische Mittelalter im
Gegensatz zum klassischen Altertum“2 – zu fliehen.
Dass Wieland hierbei die Worte „noch einmal“ (!) wählt ist nicht verwunderlich, denn auch er
hat nach seiner Arbeit am Agathon erkannt, dass der Roman – wie es Blankenburg treffend
formuliert – „der legitime Erbe des alten Epos werden könnte.“3 Dennoch hält er am Traum
eines „Epos en miniature“4, wenn das „große Epos im 18. Jahrhundert schon keinen echten
Lebensgrund mehr hat“5, fest. So unternimmt er noch zweimal mit Idris und Zenide, als auch
mit dem Neuen Amadis den Versuch, ein scheinbar vollgültiges Epos zu schaffen, bevor ihm
1780 mit dem Oberon die Verwirklichung dieses Traumes gelingt. Noch ein letztes Mal also
macht er sich mit seinem geflügelten Dichterross auf den Weg, bevor der Roman – eine Gattung
der sich Wieland selbst später verstärkt zuwendet – seine Nachfolge antreten darf.Betrachtet man die Anfangsworte des Oberon jedoch vor dem Hintergrund des letzten der
Versepen Wielands Klelia und Sinibald – auf das im weiteren Verlauf noch explizit eingegangen
wird – ergibt sich eine etwas andere Interpretation. Nun heißt es: Noch ein letztes Mal
soll das geflügelte Dichterross ihn auf seine Schultern nehmen und mit ihm ins „alte romantische
Land“ fliehen, bevor in Klelia und Sinibald eine Absage an den Oberon mit seiner Märchenhaftigkeit
formuliert und ein völlig neues dichterisches Programm ins Leben gerufen wird.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Oberon
2.1 Furor poeticus und poeta vates
2.2 Märchenhaftigkeit
2.2.1 Die sittliche Humanität
2.2.2 Der Mensch als Narr
3. Klelia und Sinibald
3.1 Problem des Wunderbaren
3.2 Der Witz
3.2.1 Die Linie des Schönen
3.2.2 Das leiseste Gefühl im Prüfen und im Wählen
3.2.3 Die rhythmische Musik
3.2.3 Die Leichtigkeit
3.3 Problematisierung
3.3.1 Beseelung der Kunst
4. Literaturverzeichnis
- Arbeit zitieren
- Jasmin Schlotterbeck (Autor:in), 2008, Wielands dichterisches Programm anhand des "Oberon" und "Klelia und Sinibald", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/166970
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