Mobile Datendienste gelten als Hoffnungsträger der Mobilfunkbranche, die sich ansonsten mit Marktsättigung und rückläufigen Umsätzen auseinandersetzen muss. Dennoch bedeutet der zu erwartende Boom mobiler Datendienste auch, dass die grundlegenden Strategien und Geschäftsmodelle der Mobilfunkanbieter überprüft werden müssen.
Denn der Markt für die reine mobile Datenverbindung ist von intensivem Wettbewerb und Pauschaltarifierung geprägt. Ökonomisch hat das zur Folge, das den konstanten Erlösen pro Nutzer durch den zu erwartenden Anstieg der Nutzung von mobilen Inhalten, steigende Kosten gegenüberstehen (Erlös-Kosten-Schere).
Um an dem Geschäft mit der steigenden Nutzung von mobilen Inhalten und Services möglichst weitgehend zu profitieren, versuchen derzeit alle relevanten Akteure der Wertschöpfungskette, sich in Stellung zu bringen. Dabei geraten die Mobilfunkanbieter von mehreren Seiten unter Druck:
Die Endgerätehersteller bieten zunehmend eigene digitale Services an, wie zum Beispiel Apple mit dem „App-Store“ sowie „iTunes“, und auch Nokia mit dem Dienst „Ovi“. Die hier angebotenen Inhalte stehen in Konkurrenz zu den Content-Angeboten der Netzbetreiber (Musik-Downloads, Programme).
Genauso bieten auch die Content-Anbieter selbst und Aggregatoren aus dem stationären Internet (Google, Facebook, Yahoo! usw.) eigene Onlinedienste an, die unabhängig von den jeweiligen Mobilfunkbetreibern über mobile Datenleitungen nutzbar sind. Google hat sich bereits in den Markt für Endgeräte vorgewagt, und versucht mit einem eigenen Betriebssystem für Mobiltelefone einen Standard durchzusetzen.
Diese Entwicklungen bergen für die Mobilfunkanbieter das Risiko, zu reinen Datenleitungen zu verkommen (sog. „Dump Pipes“). Die Wertschöpfung würde sich in diesem Worst-Case Szenario auf die reine Datendurchleitung reduzieren, während das Geschäft mit digitalen Diensten und Content sowie Werbeeinnahmen anderen Marktteilnehmern überlassen wird.
Die Frage ist daher, welche strategischen Optionen den Mobilfunkanbietern bezüglich ihrer Positionierung offen stehen, um möglichst weitgehend von den mobilen Datendiensten zu profitieren. Untersucht wird dabei auch, welche Vor- und Nachteile die möglichen Strategien jeweils haben, und welche ökonomischen Argumente hinter den jeweiligen Strategien stehen.
Im letzten Abschnitt der Arbeit werden dann mögliche wettbewerbspolitische und regulatorische Implikationen untersucht. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf dem Thema Netzneutralität.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Markt für mobile Sprachkommunikation
2.1 Die Wertschöpfungskette für Sprach- und Kurzmitteilungsdienste
2.2 Der relevante Markt
2.3 Der Markt für mobile Sprachkommunikation nach der 5-Forces Analyse
2.3.1 Eintrittsbarrieren für potenzielle Wettbewerber
2.3.2 Rivalität unter den Mobilfunkanbietern
2.3.3 Verhandlungsmacht der Abnehmer
2.3.4 Verhandlungsmacht der Lieferanten
2.3.5 Bedrohung durch Substitute
3. Der Markt für mobile Datendienste
3.1 Von den Anfängen mobiler Datendienste: Das Walled-Garden Modell
3.1.1 Die Wertschöpfungskette
3.1.2 Die Marktstruktur
3.1.3 Akzeptanz der mobilen Datendienste im Walled-Garden Modell
3.2 Wachstumstreiber der mobilen Datendienste
3.2.1 Schnellere Übertragungstechnologien
3.2.2 Neue Endgeräte
3.2.3 Neue Abrechnungsmodelle
3.3 Abkehr vom Walled-Garden Modell: Das offene mobile Ökosystem
3.4 Boom der Datendienste
3.5 Konvergenz von Mobilfunk- und Internetdienstleistungen
4. Wettbewerb um die Wertschöpfung auf dem Markt für mobile Datendienste
4.1 Neuverteilung der Wertschöpfung
4.2 Die Strategien der Endgerätehersteller
4.2.1 Horizontaler Wettbewerb
4.2.2 Standardwettbewerb
4.2.3 Vertikaler Wettbewerb
4.3 Die Strategien der Inhalte- und Diensteanbieter
4.3.1 Horizontaler Wettbewerb
4.3.2 Vertikaler Wettbewerb
4.4 Implikationen für die Mobilfunkanbieter
4.4.1 Die neue Position der Mobilfunkanbieter in der Wertschöpfungskette
4.4.2 Umsatz-Kosten-Schere beim Wachstum mobiler Datendienste
5. Strategische Optionen für die Mobilfunkanbieter
5.1 Strategische Punkte in der Wertschöpfungskette
5.2 Die Sales-Strategie
5.3 Die Plattform-Strategie
5.4 Die Smart-Pipe-Strategie
5.5 Ausblick für die Mobilfunkanbieter
6. Regulatorische Implikationen - Netzneutralität
6.1 Relevante Entwicklungen auf dem Mobilfunkmarkt
6.2 Das Konzept der Netzneutralität
6.3 Differenzierung der Servicequalität: Anreize und volkswirtschaftliche Implikationen
6.4 Blockierung: Anreize und volkswirtschaftliche Implikationen
6.5 Wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen
7. Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Mobilfunk Wertschöpfungskette für Sprach- und Kurzmitteilungsdienste
Abbildung 2: 5-Forces im Mobilfunkmarkt
Abbildung 3: Marktvolumen des deutschen Mobilfunkmarktes (inkl. Sprach- und Datendiensten), 1995-2009
Abbildung 4: Durchschnittlich pro Monat telefonierte Minuten und durchschnittlicher Umsatz pro Minute, 2004-2009
Abbildung 5: Marktanteile der Netzbetreiber, in %, 1998-2008
Abbildung 6: Weltweite Marktanteile der Netzausrüster 2008
Abbildung 7: Wertschöpfungskette und Akteure im Walled-Garden Modell
Abbildung 8: Absatz und Wachstum von Smartphones in Deutschland, in Millionen Stück und %, 2008-2010
Abbildung 9: Anzahl der UMTS-Nutzer in Millionen und Datenübertragungsvolumen in Millionen Gigabyte, 2005-2009
Abbildung 10: Anteil der Non-Voice Umsätze am Gesamtumsatz, in %, 2005-2009
Abbildung 11: Wertschöpfungskette und Akteure im offenen mobilen Ökosystem
Abbildung 12: Lern- und Skaleneffekte bei der Endgeräteproduktion
Abbildung 13: Marktanteile der Smartphone Betriebssysteme in Deutschland, in %, 2009
Abbildung 14: Fixkostendegression und Kostenverläufe in der Content-Produktion
Abbildung 15: Reichweite ausgewählter Internetunternehmen, Endgerätehersteller und Mobilfunkanbieter nach Ländermärkten
Abbildung 16: Geschäftsmodelle für Mobilfunkanbieter
Abbildung 17: Umsatz-Kosten-Schere bei mobiler Datennutzung
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: GSM Mobilfunk Netzbetreiber in Deutschland
Tabelle 2: Geschwindigkeitsvergleich der Mobilfunkstandards
Tabelle 3: Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines "winner-takes-it-all-market"
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Der Mobilfunkmarkt in Deutschland befindet sich in der Sättigungsphase. Der Verdrän- gungswettbewerb hat bereits zu einem massiven Preisverfall geführt, der nicht durch eine steigende nachgefragte Menge an Gesprächsminuten kompensiert werden kann.
Da mobile Datendienste noch ein erhebliches Wachstumspotenzial haben, gelten sie als Hoffnungsträger der Mobilfunkbranche und stellen aus diesem Grund den Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit dar. Der Begriff „mobile Datendienste“ beschreibt in dieser Arbeit sowohl den Datentransport über das Mobilfunknetz, als auch die Gesamtheit der zur Verfügung stehenden Dienste und Inhalte, die auf einem mobilen Endgerät genutzt werden können.
Um an dem Geschäft mit der steigenden Nutzung von mobilen Inhalten und Services ökonomisch zu profitieren, versuchen derzeit alle relevanten Akteure der Wertschöp- fungskette, sich in Stellung zu bringen. Dabei geraten die Mobilfunkanbieter von meh- reren Seiten unter Druck. So bieten die Endgerätehersteller zunehmend eigene digitale Services an (wie Musik-Downloads, Programme), die in Konkurrenz zu den Angeboten der Netzbetreiber stehen. Genauso bieten auch die Inhalte- und Diensteanbieter sowie die Aggregatoren aus dem stationären Internet, wie Google, Facebook oder Yahoo eigene Onlinedienste an, die unabhängig von den jeweiligen Mobilfunkbetreibern über mobile Datenleitungen nutzbar sind. Zusätzlich hat sich Google bereits in den Markt für Endgeräte vorgewagt, und versucht mit einem eigenen Betriebssystem für Mobiltelefo- ne einen Standard durchzusetzen.
Diese Entwicklungen bergen für die Mobilfunkanbieter das Risiko, zu reinen Datenleitungen zu verkommen (sog. „Dump Pipes“). Die Wertschöpfung würde sich in diesem Szenario auf die reine Datendurchleitung reduzieren, während das Geschäft mit digitalen Diensten und Inhalten anderen Marktteilnehmern überlassen wird.
In der vorliegenden Arbeit wird untersucht, inwieweit die Stellung der Mobilfunkanbieter in der Wertschöpfungskette durch andere Akteure der Wertschöpfungskette mobiler Datendienste zurückgedrängt wird, und welche strategischen Implikationen daraus für die Mobilfunkanbieter abzuleiten sind.
Zunächst wird in Kapitel 2 die Struktur des Marktes für klassische mobile Sprachtelefo- nie analysiert. Diese ist für die Untersuchung des Marktes für mobile Datendienste relevant, da die Marktstrukturen beider Märkte in wesentlichen Punkten identisch sind und die Analyse der Marktstruktur die strategische Position der Mobilfunkanbieter verdeutlicht. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird die Rolle der Mobilfunkanbieter in Bezug auf mobile Datendienste und deren Entwicklungen wiederholt aufgegriffen. Die Marktstruktur im Markt für Sprachtelefonie soll dabei als Referenz dienen.
In Kapitel 3 werden dann die Anfänge der mobilen Datendienste beleuchtet und die Gründe für den gegenwärtigen Boom der Datendienste herausgearbeitet. Des Weiteren wird auf die Entwicklung der Wertschöpfungskette eingegangen, die in Kapitel 4 aus- führlich untersucht wird. Hier wird auf den Wettbewerb um die Wertschöpfung sowie die strategischen Positionen der wichtigsten Anbietergruppen eingegangen. Abschlie- ßend werden die wesentlichen Implikationen für die Mobilfunkanbieter zusammenge- fasst.
Darauf aufbauend werden in Kapitel 5, das zusammen mit dem vorangegangenen Kapitel den Kern dieser Arbeitet bildet, drei mögliche Positionierungen für die Mobilfunkanbieter entwickelt und bewertet. Wie in allen Kapiteln wird dabei auch auf aktuelle Entwicklungen am Markt eingegangen.
Im sechsten Kapitel wird abschließend auf das Thema Netzneutralität als wettbewerbspolitische Implikation der in Kapitel 5 vorgestellten Strategien eingegangen. Durch den zunehmenden Wettbewerbsdruck innerhalb der Wertschöpfungskette könnten die Anreize für eine Verletzung der Netzneutralität seitens der Mobilfunkanbieter steigen. Untersucht werden soll, inwieweit ein solches Verhalten in Anbetracht der Wettbewerbsintensität auf dem deutschen Markt durchsetzbar ist, und welche Implikationen sich daraus für die Regulierung ergeben.
Im letzten Kapitel werden im Fazit die wesentlichen Erkenntnisse dieser Arbeit zusammengefasst und es wird ein Ausblick auf zukünftige Entwicklungen gegeben.
2. Der Markt für mobile Sprachkommunikation
Die Strukturanalyse des Marktes für mobile Sprachkommunikation soll die wettbewerb- liche Ausgangssituation der Mobilfunkanbieter darstellen. Denn mit einem durch- schnittlichen Umsatzanteil von 74,6% im Jahr 2008 stellen mobile Sprachdienste ge- messen am Umsatz nach wie vor das Kernprodukt der Mobilfunkanbieter dar (Dialog Consult/VATM 2009, 24). Die Analyse dieses Marktes ist für die Untersuchung des Marktes für mobile Datendienste relevant, da sie die ökonomischen Triebkräfte im Mobilfunkmarkt verdeutlicht und die strategische Relevanz der mobilen Datendienste begründet. Zunächst wird in diesem Kapitel die Wertschöpfungskette der Mobilfunk Basisdienste erläutert, die in Kapitel 3 um die Datendienste erweitert wird.
2.1 Die Wertschöpfungskette für Sprach- und Kurzmitteilungsdienste
Das Konzept der Wertschöpfungskette als Instrument zur Untersuchung innerbetrieb- licher Aktivitäten zur Werterstellung wurde von Michael E. Porter entwickelt (Porter 1985, 36f.). Sie stellt den Fluss an Gütern und Dienstleistungen dar, die zur Erstellung des Endprodukts erforderlich sind. Die Wertschöpfungskette bezieht sich hierbei nicht auf ein Einzelunternehmen, sondern umfasst auch die vor- und nachgelagerten Wertket- ten. Neben den primären Aktivitäten der Werterstellung (im Grundmodell von Porter sind dies die Eingangslogistik, Produktion, Marketing und Vertrieb, Ausgangslogistik und Kundendienst) umfasst Porters Konzept auch die unterstützenden Aktivitäten Un- ternehmensinfrastruktur, Personalwirtschaft, Technologieentwicklung und Beschaffung.
Im Rahmen dieser Arbeit werden ausschließlich die primären Wertaktivitäten betrach- tet, da das Konzept der Wertschöpfungskette in dieser Arbeit dazu genutzt wird, um die Stellung der Mobilfunkanbieter innerhalb der Wertschöpfungskette zu betrachten.
Zunächst soll nun die Wertschöpfungskette für die Sprach- und Kurzmitteilungsdienste kurz erläutert werden. Sie bildet die Grundlage für die Analyse der strategischen Posi- tionierung der Mobilfunkanbieter innerhalb der Wertschöpfungskette. Im nächsten Kapitel wird diese Wertschöpfungskette um die mobile Datendienste erweitert.
In der Literatur variiert die Art der Darstellung bezüglich Bezeichnung und Anordnung der Wertschöpfungsstufen. Die gewählte Darstellung (vgl. Abbildung 1) wurde aus mehreren Quellen hergeleitet (Tewes 1997, 67; Koch 2006, 54; Borowicz/Scherm 2000, 5; Peppard/Rylander 2006, 7).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Mobilfunk Wertsch ö pfungskette f ü r Sprach- und Kurzmitteilungsdienste
Quelle: Eigene Darstellung, angelehnt an Tewes (1997, 67); Koch (2006, 54); Borowicz/Scherm (2000,
5); Peppard/Rylander (2006, 7)
Den Beginn der Wertschöpfungskette markieren die Netzausrüster und Endgeräteher- steller. Sie produzieren die technische Infrastruktur, die zum Netzbetrieb erforderlich ist.
Die Stufe Netzbetrieb im weiteren Sinne beinhaltet die Netzbereitstellung, den Netzbe- trieb, die Übertragungsdienstleistungen sowie die Netzplanung und den Netzaufbau. Es handelt sich hierbei um die zentrale Wertschöpfungsstufe in der Kette, da der Netzbe- trieb direkt mit der Netzinfrastruktur verbunden ist und für alle nachfolgenden Wert- schöpfungsaktivitäten nicht substituierbar ist. Dies gilt auch für die netzbasierten Dien- ste, welche die Basisdienste (Sprachtelefonie) und netzabhängige Mehrwertdienste, wie beispielsweise SMS, umfassen (Tewes 1997, 19f).1 Die Stufe Kundenbetreuung bein- haltet den direkten Kontakt zum Endkunden und auch die Rechnungserstellung. Sie ist von hoher strategischer Relevanz, da die Besetzung dieser Wertschöpfungsstufe Kennt- nis über die Identität des Kunden ermöglicht, was die Grundlage für eine direkte Kun- denbeziehung ist (Ballon 2007, 10).
Die netzunabh ä ngigen Dienste zeichnen sich dadurch aus, dass sie ohne technische Veränderungen seitens des Netzbetreibers implementiert werden können, also eine Kontrolle über das Netz für die Anbieter solcher Dienste nicht erforderlich ist. Es han- delt sich hierbei zum Beispiel um SMS-Infodienste von Drittanbietern. Die letzte Stufe in der Wertschöpfungskette, Marketing und Vertrieb, beinhaltet primär den Verkauf von Nutzungsverträgen, Zusatzdiensten und Endgeräten an den Endkunden (Tewes 1997, 17).
Bezogen auf die netzbasierten Dienste (Sprache und Kurzmitteilungsdienste) sind die MNOs (Mobile Network Operator) vertikal integriert. Sie decken die Wertschöpfung vom Netzbetrieb bis hin zum Endkunden vollständig ab. Lediglich die Netzausrüstung sowie die Endgeräte werden von Zulieferern bezogen. Auf die alternativen Geschäftsmodelle der Service Provider und MVNOs (Mobile Virtual Network Operator) wird in diesem Kapitel im Rahmen der Marktstrukturanalyse eingegangen.
2.2 Der relevante Markt
Die Analyse der Marktstruktur des Mobilfunkmarktes setzt eine sachliche, räumliche und zeitliche Marktabgrenzung voraus.
Als Konzept zur Abgrenzung des relevanten Marktes wird das Bedarfsmarktkonzept angewendet (Bauer 1989, 89ff). Dieses Konzept wird regelmäßig auch vom Bundeskartellamt sowie auch von der Monopolkommission verwendet.
(I) Für die sachliche Marktabgrenzung sind gemäß dem Bedarfsmarktkonzept die Ei- genschaften, Preise und der Verwendungszweck des Produktes aus Nachfragersicht die relevanten Kriterien (Monopolkommission 2009, 42). Die Mobilfunkkommunikation zeichnet sich durch die mobile Nutzbarkeit aus. Der Nutzer kann ortsungebunden über ein mobiles Endgerät kommunizieren und ist im Empfangsgebiet stets erreichbar (Ge- rum/Sjurts/Stieglitz 2003, 73).
Die technische Grundlage der Mobilfunkkommunikation bildet der GSM (Global Sy- stem for Mobile Communications) bzw. der UMTS (Universal Mobile Telecommunica- tions System) Standard (Sundermann 2006, 25-26). Aus Endkundensicht stellen die digitalen GSM und UMTS Netze vollständige Substitute in Bezug auf die in diesem Abschnitt betrachtete Sprachkommunikation dar. Die meisten Handys sind dualbandfä- hig, d.h. sie können sowohl im D-Netz als auch im E-Netz verwendet werden.
Anbieter im relevanten Markt sind die Netzbetreiber. Diese verfügen über eine staatlich vergebene Lizenz zur Nutzung festgelegter Frequenzen für den GSM Mobilfunkstandard, beziehungsweise haben eine UMTS Funklizenz ersteigert.
Neben den in Tabelle 1 aufgeführten vier Netzbetreibern sind in Deutschland weitere Anbieter im Endkundenmarkt aktiv. Dabei handelt es sich um die Diensteanbieter (Ser- vice Provider) und um MVNOs. Die Service Provider verfügen über keinerlei eigene Infrastruktur und benötigen daher auch keine Lizenzen (Gries/Neumann 2006, 37). Ihr Geschäftsmodell beruht auf dem Weiterverkauf von Übertragungskapazitäten, die sie von den Netzbetreibern einkaufen. Damit sind die Diensteanbieter gleichzeitig Wettbe werber und Abnehmer für die Netzbetreiber. Sie werden im Rahmen der 5-Forces Analyse in der Gruppe der Abnehmer zusammen mit den MVNOs näher betrachtet. Die MVNOs betreiben wie die Diensteanbieter kein eigenes Funknetz, verfügen aber über eine eigene Infrastruktur im Back-End-Bereich sowie über Elemente einer Vermittlungsinfrastruktur (Monopolkommission 2008, 50).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: GSM Mobilfunk Netzbetreiber in Deutschland
Quelle: Gerum/Sjurts/Stieglitz (2003, 74)
(II) Die räumlichen Grenzen des relevanten Marktes stellt das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dar. Dieses ist durch die nationale Lizenzierung der Mobilfunkanbieter zu begründen. Endkunden könnten zwar auch über Roaming auf die Leistungen ausländischer Mobilfunkanbieter zurückgreifen, jedoch sind die dadurch anfallenden Roaming-Gebühren derart hoch, dass es sich hierbei nicht mehr um ein Substitut im Sinne des Bedarfsmarktkonzepts handelt.
(III) Als Betrachtungszeitraum wurden aus Gründen der Aktualität und der Datenverfügbarkeit die Jahre 2008 und 2009 ausgewählt.
2.3 Der Markt für mobile Sprachkommunikation nach der 5-Forces Analyse
Als Bezugsrahmen wird das Branchenstrukturmodell von Porter, das 5-Forces Modell (Porter 1980, 3f.), angewendet, da es erlaubt, die wesentlichen Triebkräfte des Wettbewerbs in kompakter Form darzustellen.
Die 6. Kraft, die Komplementoren, wird in der Analyse ebenfalls berücksichtigt (Brandenburger/Nalebuff 2008, 41f.). Die wichtigsten Komplementoren sind die Mobiltelefonhersteller, welche in dieser Arbeit wiederholt einbezogen werden. Im Rahmen der 5- Forces Analyse werden sie unter den Lieferanten in die Analyse einbezogen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: 5-Forces im Mobilfunkmarkt
Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Porter (1980, 3f.)
2.3.1 Eintrittsbarrieren für potenzielle Wettbewerber
(I) Institutionelle Eintrittsbarrieren
Die entscheidende Ressource zum Eintritt in den Markt für Netzbetreiber ist der Zugriff auf Mobilfunkfrequenzen. Diese stellen ein knappes Gut dar und werden staatlich ver- geben. Mit Einführung des GSM-basierten digitalen Mobilfunks wurden in Deutschland im Jahr 1992 zwei Anbieter lizenziert: Die Tochter T-Mobile vom DBP Nachfolger Deutsche Telekom, und Mannesmann D2 (wurde 2000 von Vodafone übernommen). Das Duopol wurde 1994 mit E-Plus und 1998 mit O2, damals noch Viag Interkom, durch zwei weitere Anbieter auf vier Netzbetreiber erweitert (Gruber 2005, 106f.).
Zur Einführung des UMTS Standards wurden im Jahre 2000 erneut Lizenzen vergeben. Im Gegensatz zur vorherigen GSM Lizenzvergabe wurden die Funklizenzen nicht zuge- teilt, sondern versteigert. Von den sechs im Jahr 2000 lizenzierten Anbietern waren in 2008 nur noch die vier ursprünglichen GSM Lizenznehmer T-Mobile, Vodafone, E-Plus und O2 Inhaber einer UMTS Funklizenz (Gerum/Sjurts/Stieglitz 2003, 147). Da es sich bei UMTS um einen für die Datenübertragung entwickelten Übertragungsstandard handelt, wird in Kapitel 3 näher auf das Vergabeverfahren und technische Aspekte eingegangen.
(II) Strukturelle Eintrittsbarrieren
Der Aufbau eines Netzes ist mit sehr hohen Kosten verbunden. Aufgrund direkter Netz- effekte (der Nutzen des Mobiltelefonierens steigt mit der Teilnehmeranzahl) ist es erforderlich, eine möglichst hohe Netzabdeckung zu erzielen (Knieps 2007, 5f.). Daher liegt gerade in der Aufbauphase ein hoher Kapitalbedarf vor.2 Und da diese spezifischen Investitionen mangels alternativer Verwendbarkeit versunkene Kosten darstellen, stellt der Kapitalbedarf sowohl eine Markteintrittsbarriere als auch eine Marktaustrittsbarriere dar (Clausen 2008, 52).
Zusätzlich ist der Betrieb eines Mobilfunknetzes mit erheblichen Skaleneffekten verbunden. Aufgrund des sehr hohen Fixkostenanteils, verursacht durch die nutzungsunabhängigen Kosten des Netzbetriebs, kommt es bei steigender Teilnehmerzahl zu einer Fixkostendegression. Diese impliziert eine mindestoptimale Betriebsgröße für einen wirtschaftlichen Netzbetrieb. Theoretisch ergibt sich die Anzahl der Unternehmen (m), die in einem Markt kostendeckend anbieten können, als:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
wobei F die versunkenen Fixkosten des Markteintritts bezeichnet und pj sowie cj der Preis bzw. die variablen Kosten für das Produkt j=1,...,n sind und qj(pj) die Nachfrage bei einem Preis pj ist. Je höher also die zum Markteintritt erforderlichen Fixkosten sind (im wesentlichen durch den Netzaufbau), desto geringer wird ceteris paribus die Anzahl der Unternehmen im Markt sein, die verlustfrei anbieten können (Haucap 2003, 4).
Eine weitere relevante Eintrittsbarriere stellen die Netzeffekte dar. Direkte Netzeffekte sind hauptsächlich in der Sprachtelefonie zu beobachten: Wie bereits erwähnt steigt der Nutzen eines Mobilfunknetzes mit der Anzahl seiner Teilnehmer. Da bei Telefonaten in fremde Mobilfunknetze Terminierungsgebühren anfallen, gibt es üblicherweise eine Preisdifferenzierung zwischen netzinternen und netzexternen Gesprächen. Daher steigt durch Kostenvorteile für Netzbetreiber und Konsumenten bei netzinternen Gesprächen der Nutzen eines Mobilfunknetzes mit steigender Teilnehmerzahl, was den Marktzutritt für neue Anbieter erschwert. Aus diesem Grund unterliegen die Terminierungsgebühren der Genehmigungspflicht durch die Bundesnetzagentur.
Indirekte Netzeffekte treten in Form von Wechselkosten bei einem Anbieterwechsel durch die Mitnahme der Rufnummer auf (Clausen 2008, 53). Diese Gebühren sind allerdings durch die Bundesnetzagentur in ihrer Höhe begrenzt worden. Dennoch müs sen neue Anbieter einen Preisvorteil bieten, der die Wechselkosten übertrifft (Haucap 2003, 7).
Strategische Eintrittsbarrieren sind in diesem Markt zu vernachlässigen. Den eingesessenen Anbietern fehlt aufgrund der hohen Wettbewerbsintensität der finanzielle Spielraum, um etwa durch Dumping-Preise neue Anbieter aus dem Markt zu drängen. Zudem unterliegt der Markt der Aufsicht durch den Regulierer, der Bundesnetzagentur (Gerum/Sjurts/Stieglitz 2003, 150).
Als Zwischenfazit ist festzuhalten, dass die Markteintrittsbarrieren aufgrund der Skaleneffekte und der Lizenzpflicht im Mobilfunkmarkt äußerst hoch sind. Ein Eintritt als Netzbetreiber ist aufgrund des begrenzten Frequenzspektrums nur möglich, wenn einer der etablierten Anbieter ausscheidet oder eine neue Lizenzvergabe stattfindet.
2.3.2 Rivalität unter den Mobilfunkanbietern
Die Wettbewerbsintensität im deutschen Mobilfunkmarkt ist als hoch einzustufen. Dieses hat folgende Ursachen:
Der Markt befindet sich bezüglich der Penetration in der Sättigungsphase. Im Jahr 2008 erreichte die Penetration mit SIM Karten bezogen auf die Gesamtbevölkerung 130%. Gleichzeitig ging das Marktvolumen seit 2006 zum vierten mal in Folge zurück und betrug in 2009 23,6 Milliarden Euro, was einem Rückgang von -19% im Vergleich zu 2005 entspricht (vgl. Abbildung 3).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Marktvolumen des deutschen Mobilfunkmarktes (inkl. Sprach- und Datendiensten), 1995-2009
Quelle: Dialog Consult/VATM (2009)
Der Zusammenhang zwischen steigenden Teilnehmerzahlen und steigender telefonierter Minuten pro Kopf (Abbildung 4) bei gleichzeitig sinkendem Marktvolumen ist durch fallende Preise zu erklären. So betrug der Preisindex für Mobiltelefonie in 2009 85,2 Indexpunkte (2005=100,
Statistisches Bundesamt 2010). Noch deutlicher zeigt Abbildung 4 diesen Zusammenhang. Der Preisverfall konnte nicht
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Durchschnittlich pro Monat telefonierte Minuten und durchschnittlicher Umsatz pro Minute, 2004-2009e
Quelle: MMC Group (2009)
Optionen für Differenzierung bietet, dominiert der Preiswettbewerb. Die Gründe für den intensiven Preiswettbewerb sind vielfältig: Die vier Netzbetreiber weisen unterschiedli- che Kostenstrukturen auf, so dass trotz hoher Konzentration (Herfindahl Index 0,29) kollusives Verhalten erschwert ist.3 Dieses ist durch die unterschiedlich genutzten Fre- quenzen zu erklären. Für die gleiche räumliche Netzabdeckung werden aufgrund unter- schiedlicher Frequenzen im D-Netz (T-Mobile, Vodafone) etwa halb so viele Mobil- funksendestationen benötigt wie im E-Netz (E-Plus, O2) (Kruse/Haucap/Dewenter 2004, 72-73).
Zusätzlich sind aufgrund der schrittweisen Konzessionierung die Marktanteilsgrößen der vier Netzanbieter sehr unterschiedlich, so dass von einer heterogenen Interessensla- ge der Unternehmen ausgegangen werden kann (vgl. Abbildung 5). Daraus resultierend werden die kleineren Anbieter versuchen, durch Preiswettbewerb ihre Marktanteile auszuweiten. Aufgrund des hohen Fixkostenanteils ist der Anreiz zur Ausweitung der
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Marktanteile der Netzbetreiber, in %, 1998-2008 Quelle: Dialog Consult/VATM (2009)
Marktanteile besonders hoch, um durch die Kostendegression wettbewerbsfähige Kosten zu erreichen (Kruse/Haucap/Dewenter 2004, 75) .
Entsprechend haben die kleineren Netzanbieter O2 und E-Plus seit 2005 erfolgreich ihre Netzauslastung durch die Einführung von Zweitmarken und Branded Resellern gesteigert. Da solche MVNOs gleichzeitig Wettbewerber und Abnehmer der Netzbetreiber sind, werden diese im folgenden Abschnitt unter den Abnehmern betrachtet.
2.3.3 Verhandlungsmacht der Abnehmer
Bei den Abnehmern sind zwei Gruppen zu unterscheiden: Die Endabnehmer und die Großabnehmer (Service Provider und MVNOs).
Die Gruppe der Endkunden gliedert sich in Privatkunden und Geschäftskunden. Auf- grund ihrer deutlich geringeren Konzentration im Vergleich zu den Anbietern verfügen die Endkunden über eine geringe Verhandlungsmacht. Dennoch können die Abnehmer aufgrund kostengünstiger Rufnummernportabilität und aufgrund der Homogenität der mobilen Sprachkommunikation glaubhaft mit einem Anbieterwechsel drohen bzw. den Anbieter tatsächlich wechseln. Dieses gilt sowohl für die Privat- als auch für die Ge- schäftskunden.
Die zweite Gruppe der Abnehmer umfasst die Service Provider und die MVNOs. Die Service Provider existieren in Deutschland seit Einführung des GSM Mobilfunks. Die vergebenen GSM Lizenzen an T-Mobile, Vodafone und E-Plus (nicht jedoch O2) ent- hielten von Beginn an die Bedingung eines transparenten und nichtdiskriminierenden Netzzugangs für die Service Provider (Monopolkommission 2008, 51). Der Zweck dieser regulatorischen Maßnahme war, die Wettbewerbsintensität durch zusätzliche Wettbewerber im Endkundengeschäft zu steigern und durch die Verpflichtung zum Resale die Markteintrittsbarrieren zu senken. Das Serviceprovidermodell erlaubte dabei, die Anzahl der Wettbewerber zu erhöhen und gleichzeitig die Anzahl der Netzbetreiber konstant zu halten, um den hohen mindestoptimalen Betriebsgrößen gerecht zu werden, und somit die Anreize für den Infrastrukturaufbau nicht zu gefährden (Gries/Neumann 2006, 29). Das Geschäftsmodell der Service Provider beruht auf dem Weiterverkauf von Netzdienstleistungen auf eigene Rechung und eigenen Namen. Diese Diensteanbieter benötigen daher keine technische Infrastruktur und auch keine Lizenz (ebenda, 47). Für die Verhandlungsmacht der Service Provider gegenüber den Netzbetreibern hat dies ambivalente Implikationen: Zum einen können diese aufgrund der mangelnden Lizenz nicht mit Rückwärtsintegration in den Netzbetrieb drohen, zum anderen aber sind sie als Intermediäre große Nachfrager nach Netzkapazitäten, was ihre Verhandlungsmacht wiederum erhöht (Gerum/Sjurts/Stieglitz 2003, 85). Der Marktanteil der Diensteanbie- ter ist seit 1994 von 58% bis 2008 auf 26,9% deutlich zurückgegangen. Diesen Verlust der Marktanteile versuchten die Service Provider durch Übernahmen zu kompensieren. So kaufte 2008 das Unternehmen Freenet den Service Provider Debitel. Freenet hat damit einen Marktanteil von 75% und wird damit als Einzelunternehmen über eine erhebliche Verhandlungsmacht verfügen (Bundesnetzagentur 2009a, 52).
Neben den Service Providern und den Netzbetreibern sind auf dem deutschen Mobil- funkmarkt auch virtuelle Netzbetreiber (MVNO) als Anbieter präsent. Ähnlich wie die Service Provider sind diese gleichzeitig auch Nachfrager, da auch sie nicht über ein eigenes Mobilfunknetz verfügen. Im Gegensatz zu den Service Providern verfügen virtuelle Netzbetreiber jedoch über eigene SIM Karten und einige Elemente des Kern- netzes, wie Vermittlungseinrichtungen und Teilnehmerregister. Damit verfügen sie weitgehend über die gleichen Gestaltungsmöglichkeiten bei Diensten und Tarifen wie ein Netzbetreiber und sind vom Kunden von einem solchen nicht zu unterscheiden (Kruse/Haucap/Dewenter 2004, 205).
Bei den MVNO dominiert auf dem deutschen Markt das Reseller Modell: Die MVNOs verfügen in der Regel nicht über eine eigene Infrastruktur, sondern stellen lediglich eine Vertriebsmarke dar (Branded Reseller). Die erforderliche Netzinfrastruktur wird dabei vollständig von den Netzbetreibern gestellt. Der erste Branded Reseller auf dem deut- schen Markt war Tchibo in Kooperation mit O2 im Jahre 2004. Seitdem wurden zahl reiche Zweitmarken (Branded Reseller) als verbundene Unternehmen der Netzbetreiber entwickelt.4 Ende 2008 betrug in Deutschland die Anzahl aktiver MVNOs bereits 31 (Ofcom 2008, 202). Das Geschäftsmodell der virtuellen Netzbetreiber zeichnet sich in der Regel durch das „No-Frills“ Konzept aus, das heißt einfache Tarifstrukturen sowie den weitgehenden Verzicht auf Serviceleistungen. Der Preiswettbewerb hat sich dadurch erheblich verschärft (Monopolkommission 2009, 26). Diese Discountanbieter verfügten im ersten Quartal 2009 laut Bundesnetzagentur bereits über einen Marktanteil von rund 19% (Bundesnetzagentur 2009a, 51).
Die Verhandlungsmacht eines MVNOs ergibt sich im Wesentlichen aus einer geringen Netzauslastung der Netzbetreiber. Spät eingetretene Netzbetreiber (E-Plus und O2) verfügen typischerweise über hohe freie Netzkapazitäten und sind an der Auslastung dieser interessiert. Die Grenzkosten für die zusätzliche Netzbelastung ist aufgrund der freien Kapazitäten gering. Daher stehen die Netzbetreiber im Wettbewerb um den Zuschlag der MVNOs. Die früh lizenzierten Netzbetreiber (T-Mobile und Vodafone) dagegen verfügen typischerweise über eine höhere bestehende Netzauslastung, so dass die Opportunitätskosten für die Abwicklung zusätzlicher Gespräche der MVNOs höher sind als bei den kleineren Netzbetreibern. Daher verlangen die größeren Netzbetreiber höhere Nutzungspreise (Kruse/Haucap/Dewenter 2004, 208).
Dennoch ist die Verhandlungsposition der MVNOs als gut zu bezeichnen. Denn ihr Markteintritt stellt die Netzbetreiber vor ein Kollektivgutproblem: Nur die Netzbetreiber, die ihr Netz für MVNOs zur Verfügung stellen, profitieren von zusätzlichen Erlösen. Vom Nachteil der steigenden Wettbewerbsintensität durch zusätzliche Anbieter hingegen sind alle Netzbetreiber betroffen.
2.3.4 Verhandlungsmacht der Lieferanten
Die Lieferanten der Netzbetreiber sind die Netzausrüster und die Endgerätehersteller. Wegen der sehr hohen Forschungs- und Entwicklungskosten weist die Netzausrüsterin- dustrie eine sehr hohe Konzentration auf und wird von international agierenden Unter- nehmen dominiert.
Die Netzausrüster waren ursprünglich auch im Endgerätegeschäft vertreten, da sie somit von Verbundeffekten profitieren konnten. Mit zunehmender Reife der Branche fokus sierten sich jedoch einige Unternehmen auf die Netzausrüstung und gaben ihr Endgerätegeschäft auf, wie zum Beispiel Siemens, Alcatel, Ericsson (Koch 2006, 53).
In 2008 gab es fünf Akteure, die 98% des globalen Mobilfunkausrüstungsbedarfs bedienten (Frost & Sullivan 2009, 1): Ericsson, Huawei, Nokia Siemens, ZTE und Alcatel Lucent. Abbildung 6 zeigt die globalen Marktanteile der Netzausrüster. Die Entwicklung der Marktanteile
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Weltweite Marktanteile der Netzausr ü ster 2008 Quelle: Frost & Sullivan (2009)
den Marktanteilsentwicklungen ist kollusives Verhalten seitens der Ausrüster nicht anzunehmen (vgl. Abbildung 6) (Besanko u.a. 2004, 276f.).
Eine hohe Konzentration bei den Lieferanten im Verhältnis zu ihren Abnehmern deutet auf eine hohe Lieferantenmacht hin (ebenda, 332). Dagegen spricht jedoch, dass in Deutschland die Netzabdeckung sowohl im GSM Netz als auch im UMTS Netz sehr hoch ist, so dass sich die Nachfrage bis zur Einführung einer neuen Mobilfunkübertra- gungstechnologie lediglich auf Ersatz- und Erweiterungsbedarf beschränkt. Zudem ist die GSM und UMTS Technologie hoch standardisiert, so dass Netzbetreiber ihre Netz- ausrüster wechseln können und die Gefahr eines Hold-Ups seitens der Ausrüster kaum gegeben ist (ebenda, 132). Ein weiteres Argument, das die Verhandlungsmacht der Netzausrüster relativiert ist, dass auch die Netzbetreiber zunehmend international ex- pandieren und meist Teil großer internationaler Kommunikationskonzerne sind. So auch in Deutschland: Vodafone (seit 2000 Tochter der britischen Vodafone Plc), E-Plus (seit 2000 Tochter der niederländischen KPN), O2 (seit 2001 Tochter der britischen mmO2 Plc, welche seit 2006 Tochter der spanischen Telefónica S.A. ist) sowie T-Mobile (Tochter der deutschen Telekom AG, die selbst zahlreiche Beteiligungen und Tochter unternehmen im Ausland hält), sind alle Teil internationaler Unternehmen, die aufgrund ihrer Größe eine sehr gute Verhandlungsposition gegenüber den Ausrüstern haben.
Die zweite Gruppe der Lieferanten umfasst die Endgerätehersteller. Die Endgeräteher- steller sind keine Zulieferer im engeren Sinne, sondern aus Sicht der Netzbetreiber Anbieter von Komplementärprodukten (Gerum/Sjurts/Stieglitz 2003, 83). Aus Sicht der Endgerätehersteller wiederum stellen die Netzbetreiber einen wichtigen Vertriebspart- ner dar, zumal die Netzbetreiber Mobiltelefone meist im Bündel mit einem Mobilfunk- vertrag vertreiben und daher das Mobiltelefon zu einem subventioniertem Preis abgeben können. Dieses Vertriebskonzept hat seit 1992 mit der Einführung des kommerziellen digitalen Mobilfunks in Deutschland bestand und zur schnellen Adaption der Mobiltele- fonie beigetragen. Des Weiteren konnten die Mobilfunkanbieter so einen Lock-in-Effekt erzielen: Der subventionierte Preis für das Mobiltelefon wurde durch eine monatliche Mindest- oder Grundgebühr finanziert, die über eine bestimmte Vertragsdauer (übli- cherweise zwei Jahre) vom Kunden entrichtet werden musste. Alternativ wird bei Pre- paid-Tarifen das Mobiltelefon mit einer SIM-Lock Sperre versehen, so dass die Nut- zung von SIM Karten anderer Anbieter über einen Zeitraum von ebenfalls meist zwei Jahren nicht möglich ist (Gruber 2005, 181).
Die Mobilfunkanbieter haben daher einen Anreiz, attraktive Mobiltelefone anzubieten und können sich hierdurch zusätzlich gegenüber den Wettbewerbern differenzieren. Dadurch sind Endgerätehersteller mit bekannten Marken in einer starken Verhandlungsposition. Diese wird jedoch durch die hohe Konzentration der Mobilfunkanbieter relativiert. Durch den bereits beschriebenen Markteintritt zahlreicher MVNOs und der damit einhergehenden Abkehr von Laufzeitverträgen werden die Mobilfunkanbieter allerdings zukünftig als Vertriebskanal an Bedeutung, und damit auch an Verhandlungsmacht, verlieren (TNS Infratest/E-Plus Gruppe 2009, 22).
Aus diesen Ausführungen wird deutlich, dass die Lieferanten im Markt für Sprach- kommunikation insgesamt eine mittlere bis geringe Verhandlungsmacht aufweisen.
2.3.5 Bedrohung durch Substitute
Für die mobile Sprachkommunikation kommen zwei potenzielle Substitute in Betracht: Die Festnetztelefonie und VoIP (Voice over IP).
Die Festnetztelefonie scheidet als Substitut wegen des offensichtlichen Mangels an Mobilität jedoch aus. Die Beziehung zwischen Festnetz- und mobiler Sprachtelefonie ist eher als komplementär zu bezeichnen (Gerum/Sjurts/Stieglitz 2003, 86). Eine substitu- tive Beziehung kann jedoch andersherum beobachtet werden: Die mobile Sprachtelefo- nie ist aufgrund des bereits besprochenen Preisverfalls ein Substitut zum Festnetz ge- worden. Im Jahr 2009 verfügten bereits fast 10% aller Haushalte in Deutschland über ein Mobiltelefon, ohne einen zusätzlichen Festnetzanschluss zu besitzen (Statistisches Bundesamt 2009).
Voice over IP, die Sprachkommunikation über das Internet-Protokoll, kann ebenfalls nicht als Substitut betrachtet werden, solange es sich um einen Festnetzanschluss handelt. Wird VoIP über ein mobiles Endgerät genutzt, handelt es sich jedoch durchaus um ein potenzielles Substitut. Da es sich bei VoIP um einen Datendienst handelt, wird im Abschnitt 4.3.2 nochmals vertieft auf VoIP eingegangen.
Als Zwischenfazit ist an dieser Stelle festzuhalten, dass der Kernmarkt der Mobilfunkanbieter, die mobile Sprachtelefonie, insgesamt von einer hohen Sättigung und von hohem Wettbewerbsdruck geprägt ist. Der Eintritt zahlreicher MVNOs hat seit 2004 zu einem beschleunigten Preisverfall geführt, der nicht durch das steigende Gesprächsaufkommen kompensiert werden konnte. Dies führte zu einem seit dem Jahr 2005 kontinuierlich sinkenden Branchenumsatz. Aus diesen Gründen liegt die Hoffnung der Mobilfunkanbieter auf dem Wachstumsmarkt für mobile Datendienste.
3. Der Markt für mobile Datendienste
Nachdem die Marktstruktur des Mobilfunkmarktes für die herkömmliche Sprachtelefo- nie analysiert wurde, soll nun in diesem Kapitel auf die Datendienste eingegangen werden. Zunächst wird der Markt für mobile Datendienste im anfänglich vorherrschen- den Walled-Garden Modell betrachtet und mit der zuvor analysierten Marktstruktur für mobile Basisdienste verglichen. Anschließend wird auf die für diese Arbeit relevanten technologischen Innovationen im Mobilfunk eingegangen, um sodann die daraus resul- tierten grundlegenden Veränderungen im Markt für mobile Datendienste herzuleiten.
3.1 Von den Anfängen mobiler Datendienste: Das Walled-Garden Modell
Der Markt für mobile Datendienste wurde bis zur Einführung der UMTS Technologie und den entsprechenden Endgeräten vom Walled-Garden Modell dominiert.
[...]
1 Basisdienste sind dadurch definiert, dass sie vom Lizenzgeber vorgeschrieben sind (Tewes 1997, 19).
2 Die Kosten für den Aufbau eines UMTS Netzes mit einer Abdeckung von 90% in Deutschland wurden in 2001 auf 8 Milliarden Euro geschätzt (Durlacher 2001, 16).
3 H: Herfindahl Index (H), mit(Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten)Damit beträgt H im Monopolfall 1 und bei vollständiger Konkurrenz 0 (Pfähler/Wiese 2006, 173).
4 Um einige Marken zu nennen: Blau, Klarmobil, Simyo, Congstar, Aldi Talk, Penny Mobil.
- Arbeit zitieren
- Peter von Aspern (Autor:in), 2010, Mobilfunk und Mobile Datendienste, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/166142
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