Die Kommunikation per SMS gehört für einen Großteil der Bevölkerung mittlerweile zum Alltag und ist für viele Menschen aus diesem überhaupt nicht mehr wegzudenken. Inhaltlich hat die SMS-Kommunikation dabei innerhalb kürzester Zeit nahezu alle Bereiche des täglichen Lebens erfasst: Verabredungen werden via SMS getroffen, verschoben oder abgesagt, Glückwünsche werden per Kurznachricht übermittelt, Beziehungen durch SMS-Liebesbotschaften begonnen, am Leben gehalten und mitunter auch beendet, wichtige Informationen weitergeleitet oder erfragt.
Das Versenden und Empfangen von SMS erfreut sich dabei inzwischen in breiten Kreisen der Bevölkerung einer großen Beliebtheit. Dennoch sind es nach wie vor die Jugendlichen, die den Short Message Service vorwiegend in Anspruch nehmen.
Die SMS-Kommunikation Jugendlicher zeichnet sich dabei vor allem in sprachlicher Hinsicht durch eine Reihe von Besonderheiten aus, so dass vielfach sogar davon gesprochen wird, dass sich die Jugendlichen beim Schreiben von Kurznachrichten einer eigenen „SMS-Sprache“ bedienen (vgl. etwa Dürscheid 2002a: 108), die sich u.a. durch den Hang zu systematischen Verkürzungen und Reduktionen, durch die Vernachlässigung geltender Orthographie- und Interpunktionsregeln sowie durch die Verwendung spezieller graphostilistischer Mittel kennzeichnen lässt.
In Bezug auf die eigentümliche Verwendung der Sprache in SMS wird immer öfter die Befürchtung laut, dass sich diese auch auf den allgemeinen Sprachgebrauch auswirken und Sprachwandelprozesse herbeiführen könnte.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll die „SMS-Sprache“ von Jugendlichen näher betrachtet werden. Von Interesse sind neben den sprachlichen Strukturen auch die spezifischen SMS-Nutzungsweisen der Jugendlichen. Fragen nach der Häufigkeit der SMS-Kommunikation, nach der Art und Anzahl der Kommunikationspartner sowie nach den häufigsten kommunikativen Funktionen sollen in diesem Zusammenhang u.a. Beachtung finden. Ein weiteres Ziel dieser Arbeit besteht darin, zu untersuchen, ob sich die Verwendung der speziellen SMS-Sprache tatsächlich auf den allgemeinen schriftlichen Sprachgebrauch auswirkt. Hierbei soll im Speziellen der Einfluss auf die traditionelle Textform der informellen Kommunikation, den Brief, im Mittelpunkt der Analyse stehen.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einführung
1.1 Gegenstand und Zielsetzung der Arbeit
1.2 Zum Stand der Forschung
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Der Short-Message-Service
2.1.1 Definition und Funktionsweise 6 2.1.2 Die Erfolgsgeschichte der SMS
2.2 Die SMS-Kommunikation
2.2.1 SMS als Kommunikationsform und kommunikative Gattung
2.2.1.1 Bestimmung der SMS als Kommunikationsform
2.2.1.2 SMS – eine kommunikative Gattung?
2.2.2 Charakteristika der SMS-Kommunikation
2.2.3 SMS als Kommunikationsform zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit
3. Die empirische Untersuchung
3.1 Die Untersuchungsgruppe
3.2 Methodik
3.2.1 Die eingesetzten Erhebungsmethoden
3.2.1.1 Befragung mit Fragebogen
3.2.1.2 Textproduktion
3.2.1.3 SMS-Protokoll
3.2.1.4 Leitfadeninterview
3.2.2 Kritische Anmerkungen zur Datenerhebung
3.3 Auswertung der empirischen Untersuchung
3.3.1 Zur Darstellung der Ergebnisse
3.3.2 Das SMS-Nutzungsverhalten der Schüler
3.3.2.1 Nutzung des Mobiltelefons und Wichtigkeit der einzelnen Handy-Applikationen
3.3.2.2 Kommunikative und funktionale Aspekte der SMS- Nutzung
3.3.2.3 Einschätzung der Vor- und Nachteile der SMS- Kommunikation
3.3.3 Linguistische Analyse der protokollierten Kurznachrichten
3.3.3.1 Orthographie und Interpunktion
3.3.3.2 Reduktionsphänomene: Tilgungen, Synkopen und Eklisen
3.3.3.3 Lexikalische Kurzformen
3.3.3.4 Syntaktische Reduktionen
3.3.3.5 Lexikalische Aspekte
3.3.3.6 Dialektismen
3.3.3.7 Graphostilistische Besonderheiten
3.3.3.8 Zusammenfassung der Ergebnisse
3.3.4 Auswertung der Textproduktion
3.3.4.1 Orthographie und Interpunktion
3.3.4.2 Reduktionsphänomene: Tilgungen, Synkopen und Enklisen
3.3.4.3 Lexikalische Kurzformen
3.3.4.4 Syntaktische Reduktionen
3.3.4.5 Lexikalische Aspekte
3.3.4.6 Dialektismen
3.3.4.7 Graphostilistische Besonderheiten
3.3.4.8 Zusammenfassung der Ergebnisse
3.3.5 Die Schreibgewohnheiten der Schüler: Sprache in den SMS – Sprache in den Briefen
3.3.5.1 Typ A: Standardsprache in SMS und Briefen
3.3.5.2 Typ B: Abweichungen in SMS, Standardsprache in Briefen
3.3.5.3 Typ C: Abweichungen in SMS und Briefen
4. Diskussion: Einfluss der SMS-Kommunikation auf die informelle Briefkommunikation
5. Resümee und Ausblick
6. Literaturverzeichnis
7. Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Handybesitz der Schüler
Abbildung 2: Nutzungshäufigkeit der verschiedenen Handy-Applika- tionen
Abbildung 3: Häufigkeit der SMS-Nutzung
Abbildung 4: Anzahl der täglich versendeten SMS (nach Schulformen)
Abbildung 5: Anzahl der täglich versendeten SMS (nach Geschlechtern)
Abbildung 6: Gründe für den Versand von SMS
Abbildung 7: Verwendung von Satzzeichen
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Verwendete Akronyme
Tabelle 2: Tilgungen des Subjektpronomens der 1. Person Singular
Tabelle 3: Verwendete Smileys
1. Einführung
1.1 Gegenstand und Zielsetzung der Arbeit
„Ich muss los, bin spät dran. Ich schreib dir ’ne SMS, wenn ich angekommen bin.“
Wäre eine Aussage wie diese noch vor rund 15 Jahren auf völliges Unverständnis gestoßen, so erregt sie heutzutage kein großes Aufsehen mehr, sondern erscheint stattdessen als normal und beinahe schon als selbstverständlich. Die Kommunikation per SMS[1] gehört für einen Großteil der Bevölkerung mittlerweile zum Alltag und ist für viele Menschen aus diesem überhaupt nicht mehr wegzudenken. SMS werden auf dem Nachhauseweg in Bus und Bahn geschrieben, in der Schule unter der Bank, abends vor dem Fernseher, während des Tanzens auf einer Party und in vielen anderen denkbaren Situationen.
Inhaltlich hat die SMS-Kommunikation dabei innerhalb kürzester Zeit nahezu alle Bereiche des täglichen Lebens erfasst: Verabredungen werden via SMS getroffen, verschoben oder abgesagt, Glückwünsche – sei es zum Geburtstag, zum neuen Jahr oder zur bestandenen Prüfung – werden per Kurznachricht übermittelt, Beziehungen durch SMS-Liebesbotschaften begonnen, am Leben gehalten und mitunter auch beendet, wichtige Informationen weitergeleitet oder erfragt.
Aus dem privaten Sektor hat die SMS zunehmend auch ihren Weg in den formellen Bereich gefunden. So schreiben Schüler[2] beispielsweise Entschuldigungs-SMS an ihre Lehrer oder erteilen Arbeitgeber ihren Angestellten Aufträge per SMS (vgl. Schmidt 2006: 317).
Das Versenden und Empfangen von SMS erfreut sich dabei inzwischen in breiten Kreisen der Bevölkerung einer großen Beliebtheit. Dennoch sind es nach wie vor die Jugendlichen, die den Short Message Service vorwiegend in Anspruch nehmen.
Die SMS-Kommunikation Jugendlicher zeichnet sich dabei vor allem in sprachlicher Hinsicht durch eine Reihe von Besonderheiten aus, so dass vielfach sogar davon gesprochen wird, dass sich die Jugendlichen beim Schreiben von Kurznachrichten einer eigenen „SMS-Sprache“ bedienen (vgl. etwa Dürscheid 2002a: 108), die sich u.a. durch den Hang zu systematischen Verkürzungen und Reduktionen, durch die Vernachlässigung geltender Orthographie- und Interpunktionsregeln sowie durch die Verwendung spezieller graphostilistischer Mittel kennzeichnen lässt.
In Bezug auf die eigentümliche Verwendung der Sprache in SMS wird immer öfter die Befürchtung laut, dass sich diese auch auf den allgemeinen Sprachgebrauch auswirken und Sprachwandelprozesse herbeiführen könnte.[3] Genährt wird diese Befürchtung u.a. durch die Beobachtungen von Lehrern, die seit geraumer Zeit feststellen, dass sich so genannte „SMSismen“ regelmäßig in Diktaten und anderen schriftlichen Arbeiten von Schülern wiederfinden (vgl. Fairon et al. 2006: 72). SPIEGEL ONLINE zufolge berichtete eine schottische Lehrerin schon im Jahre 2003 von einem Aufsatz einer 13-jährigen Schülerin, den sie nicht entziffern konnte, da er komplett in SMS-Sprache geschrieben war und ausschließlich aus einer Aneinanderreihung verschiedenster Abkürzungen, Zahlen und Symbole bestand (vgl. SPIEGEL ONLINE 2003, o.S.).
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll nun die „SMS-Sprache“ von Jugendlichen näher betrachtet werden. In diesem Zusammenhang werden anhand eines eigens erstellten Korpus’ von 323 authentischen SMS von insgesamt 72 Schülern der 8. Jahrgangsstufe die sprachlichen Besonderheiten von Kurzmitteilungen heraus-gearbeitet und jeweils detailliert vorgestellt.
Von Interesse sind neben den sprachlichen Strukturen außerdem die spezifischen SMS-Nutzungsweisen der Schüler. Fragen nach der Häufigkeit der SMS-Kommunikation, nach der Art und Anzahl der Kommunikationspartner sowie nach den häufigsten kommunikativen Funktionen sollen in diesem Zusammenhang u.a. Beachtung finden.
Ein weiteres Ziel dieser Arbeit besteht darin, zu untersuchen, ob sich die Verwendung der speziellen SMS-Sprache tatsächlich auf den allgemeinen schriftlichen Sprach-gebrauch auswirkt. Hierbei soll im Speziellen der Einfluss auf die traditionelle Text-form der informellen Kommunikation, den Brief, im Mittelpunkt der Analyse stehen.
Interessant scheint darüber hinaus die Frage, ob hinsichtlich der SMS-Sprache und ihrer eventuellen Auswirkungen auf die Sprache der informellen Briefkommunikation schulformabhängige Unterschiede bestehen oder ob sich die gleichen Phänomene sowohl bei Haupt- und Realschülern als auch bei Gymnasiasten zeigen.
Um sich diesen Untersuchungsgegenständen anzunähern, wird im nächsten Abschnitt zunächst einmal der aktuelle Stand der SMS-Forschung dargelegt, bevor im zweiten Kapitel die theoretischen Grundlagen in Bezug auf den Short Message Service und die Kommunikationsform SMS aufbereitet werden. Hierbei wird der Short Message Service in einem ersten Schritt eingehender definiert sowie in seiner Funktionsweise und seiner geschichtlichen Entwicklung beschrieben. Im zweiten Unterkapitel wird die SMS dann zunächst als Kommunikationsform bestimmt, bevor anschließend erörtert wird, ob man im Zusammenhang mit SMS von kommunikativen Gattungen sprechen kann. Darauf folgen schließlich die Vorstellung der Charakteristika der SMS-Kommunikation sowie die Einordnung der SMS in ihrer besonderen Stellung zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit.
Das dritte Kapitel der Arbeit widmet sich der empirischen Untersuchung. Dabei werden in einem ersten Schritt die Untersuchungsgruppe und die angewandte Methodik vorgestellt, bevor die herausgefundenen Ergebnisse anschließend detailliert präsentiert und gedeutet werden. Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt hier in drei Teilen: Zuerst werden wichtige Aspekte bezüglich des SMS-Nutzungsverhaltens der Schüler dargelegt, daran schließt sich die linguistische Analyse der protokollierten Kurznachrichten an und in einem letzten Schritt wird aufgezeigt, inwiefern sich Merkmale der SMS-Sprache in von Schülern verfassten Briefen wiederfinden lassen. Den Abschluss des dritten Kapitels bildet eine Kategorisierung der Schüler hinsichtlich ihrer Sprachverwendung in den SMS und in den Briefen.
Im vierten Kapitel wird schließlich ausgehend von den Ergebnissen der empirischen Untersuchung die Leitfrage der Arbeit diskutiert, nämlich ob die SMS-Kommunikation einen Einfluss auf die informelle Briefkommunikation ausübt.
Das resümierende fünfte Kapitel dient abschließend dazu, die wichtigsten Aspekte der Arbeit in verkürzter Form zusammenzufassen und Anregungen für mögliche weitere Forschungsarbeiten zu geben.
1.2 Zum Stand der Forschung
In den letzten Jahren ist die Kommunikationsform SMS aufgrund ihrer sprunghaften Ausbreitung und ihrer enormen Erfolgsgeschichte in den Mittelpunkt zahlreicher Forschungsrichtungen gerückt. So gibt es mittlerweile eine Vielzahl von kommunika-tionswissenschaftlichen und linguistischen sowie soziologischen, psychologischen und vereinzelt auch pädagogischen Untersuchungen zu diesem Thema.
Eine der ersten Studien zum Short Message Service stammt aus Finnland, dem „Eldorado der Mobilkommunikation“ (Höflich et al. 2003: 68), wo sich der Kurzmitteilungsdienst als erstes durchsetzte und wo vor allem die Jugendlichen diesen Dienst sehr schnell für sich entdeckten. Aus diesem Grund konnte sich die Forschung, verglichen mit anderen Ländern, bereits sehr früh dieser neuen Kommunikationsform zuwenden. So führte Kopomaa bereits im Jahre 1999 eine explorative Studie zu Motiven und Umständen der SMS-Nutzung unter Jugendlichen durch. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind in seinem Buch The City in Your Pocket zusammengefasst (vgl. Kopomaa 2000).
Dem SMS-Nutzungsverhalten Jugendlicher widmet sich zudem eine weitere finnische Studie, die Teil eines größeren Forschungsprojektes am Information Research Centre der Universität Tampere war, welches seinen Fokus auf die Handykultur finnischer Kinder und Jugendlicher richtete. Im Rahmen dieser Studie wurden im Zeitraum von 1997 bis 2000 etwa 1000 Kinder und Jugendliche zu ihrem SMS-Kommunikations-verhalten befragt (vgl. Kasesniemi/Rautiainen 2003).
Auch in Norwegen, wo sich das Mobiltelefon im Allgemeinen und der Short Message Service im Speziellen ebenso rasant verbreiteten wie in Finnland, gab es bereits relativ früh erste Studien zu diesen neuen Kommunikationstechnologien. Anzuführen sind dabei in erster Linie die Untersuchungen von Rich Ling. Bei diesen handelte es sich zunächst um allgemeine Studien zum Mobiltelefon, die das Thema „SMS“ eher randläufig behandeln und sich dabei in erster Linie auf das Nutzungsverhalten und die Funktionalitäten der SMS-Kommunikation beziehen (vgl. u.a. Ling 1999 und 2000). Im Jahre 2005 legte Ling jedoch erstmals auch eine linguistische Untersuchung zur Kommunikationsform SMS vor, bei der u.a. die Bandbreite des in Kurzmitteilungen verwendeten Vokabulars, der Gebrauch von Abkürzungen und der Umgang mit den konventionellen Groß- und Kleinschreibungs- sowie Interpunktionsregeln im Mittelpunkt stehen (vgl. Ling 2005).
Die erste Studie zum Short Message Service im deutschen Sprachraum datiert aus dem Jahre 2001. Hierbei handelt es sich um eine kommunikationswissenschaftliche Studie, die an der Universität Erfurt erarbeitet wurde, und die auf der Basis einer Befragung von jugendlichen Handybesitzern im Alter zwischen 14 und 18 Jahren vor allem Fragen nach Nutzungsmotiven und Umständen der SMS-Kommunikation thematisiert (vgl. Höflich/Rösler 2001).
Ebenfalls im Jahre 2001 wurden in Deutschland auch die ersten linguistischen Untersuchungen zum Thema „SMS“ vorgelegt. Anzuführen sind in diesem Zusammenhang zum einen die Studie von Schlobinski et al., die sich der detaillierten Beschreibung der sprachlichen Besonderheiten von Kurzmitteilungen widmet (vgl. Schlobinski et al. 2001), und zum anderen die Arbeit von Androutsopoulus und Schmidt, die anhand eines SMS-Korpus einer aus fünf Personen bestehenden Kleingruppe kommunikative, dialogische und sprachliche Aspekte der SMS-Kommunikation thematisiert (vgl. Androutsopoulus/Schmidt 2001).
In den darauf folgenden Jahren sind zahlreiche weitere linguistische Untersuchungen zur Kommunikationsform SMS erschienen, u.a. von Nicola Döring, die sich in ihrem Beitrag „ Kurzm. wird gesendet“ mit Arten, Häufigkeiten und Funktionen von Kurz-formen in SMS-Nachrichten beschäftigt (vgl. Döring 2002a), oder von Christa Dür-scheid, die die sprachlichen Eigentümlichkeiten der SMS-Kommunikation im Ver-gleich mit der Kommunikationsform E-Mail herausarbeitet (vgl. Dürscheid 2002a).
Darüber hinaus sind Kurznachrichten nicht nur aus kommunikationswissen-schaftlicher und aus linguistischer Perspektive interessant, sondern auch aus soziologischer, psychologischer und pädagogischer Sicht. So wird etwa untersucht, inwiefern sich die SMS-Kommunikation auf Paarbeziehungen auswirken kann (vgl. Döring 2003), welche Rolle der Mobilkommunikation im Allgemeinen und der SMS-Kommunikation im Besonderen entwicklungs- und persönlichkeitspsychologisch betrachtet zukommt (vgl. Döring 2005) oder wie das Thema „SMS“ zum Lerngegen-stand im Deutschunterricht gemacht werden kann (vgl. Dürscheid 2002b).
Obwohl es – wie oben erwähnt – bereits zahlreiche linguistische Studien zum Thema „SMS“ gibt, sind Untersuchungen, die sich mit den Auswirkungen der SMS-Sprache auf den allgemeinen Sprachgebrauch befassen, bisher noch deutlich unter-repräsentiert. Zwar wurde dieser Aspekt in einigen Arbeiten randläufig angeschnitten[4], detaillierte empirische Untersuchungen finden sich jedoch bislang nicht. Die vorliegende Arbeit versteht sich daher als explorative Untersuchung, mit der Forschungs-Neuland betreten wird, da erstmalig der Einfluss der SMS-Sprache auf den allgemeinen schriftlichen Sprachgebrauch – hier speziell auf denjenigen von Schülern – untersucht wird.
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Der Short-Message-Service
2.1.1 Definition und Funktionsweise
Wenn man vom Short Message Service (= Kurzmitteilungsdienst) spricht, so ist damit in erster Linie „the ability to send and receive text messages to and from mobile telephones“ (Paltridge 2000: 66) gemeint. Zwar kann man heutzutage Kurzmit-teilungen auch per Internet und Festnetztelefon versenden und empfangen, dennoch sind Mobiltelefone nach wie vor die dominierenden Endgeräte. Ermöglicht werden der Versand und der Empfang von SMS-Botschaften durch die Mobilfunktechnologie GSM (Global System for Mobile Communications). Dieser Standard wurde bereits im Jahre 1982 von der Europäischen Konferenz der Post- und Fernmeldeverwaltungen (CEPT) mit dem Ziel gegründet, ein europaweit einheitliches mobiles Telefonsystem zu schaffen. In Deutschland wurde der GSM-Standard im Jahre 1992 eingeführt. Insgesamt verfügen inzwischen 219 Länder über GSM-Netze, so dass es Mobilfunk-teilnehmern beinah überall auf der Erde möglich ist, mobil zu kommunizieren (vgl. zu diesem Abschnitt GSM Association 2008: 32-34).
Die Funktionsweise des Sendens und Empfangens von Kurzmitteilungen lässt sich wie folgt beschreiben: Der zuvor ins eigene Mobiltelefon eingegebene Text wird zusammen mit der Telefonnummer des Empfängers als hochfrequente elektro-magnetische Wellen an ein so genanntes Short Message Service Center (SMSC) gesendet. Dabei handelt es sich um eine SMS-Zentrale, die nach Erhalt der Nachricht den entsprechenden Adressaten sucht und den Text dorthin weiterleitet, bzw. ihn bis zu 48 Stunden zwischenspeichert, falls das Zielhandy ausgeschaltet sein sollte (vgl. zu diesem Abschnitt Döring 2002a: 97 und Schwitalla 2002: 35).
2.1.2 Die Erfolgsgeschichte der SMS
Die SMS hat seit ihrer Erfindung vor knapp 16 Jahren eine enorme Erfolgs-geschichte durchlaufen, die in ihrer Entwicklung ihresgleichen sucht: Keine andere Kommunikationstechnologie hat sich im Laufe der Geschichte derart schnell durchgesetzt wie der Short Message Service. Dabei war das Versenden von Kurz-mitteilungen zunächst lediglich „ein reines Zufalls- und Nebenprodukt des mobilen Telefonierens“ (Schmidt 2006: 319). Mobiltelefone konnten nämlich nicht nur Sprache, sondern auch kurze Textsequenzen übermitteln, auch wenn diese Zusatz-funktion von den Mobilfunkbetreibern zunächst nicht beabsichtigt war (vgl. ebd.).
Die weltweit erste SMS wurde schließlich im Dezember 1992 in Großbritannien von dem Vodafone-Mitarbeiter Neil Papworth versandt – damals noch von einem Computer an ein Mobiltelefon, da Handys zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit einer Tastatur ausgestattet waren und die Texteingabe somit nur per Computer möglich war (vgl. Stein 2007, o.S.).
In der Folgezeit wurden Kurznachrichten zunächst ausschließlich von den Mobil-funkbetreibern selbst verwendet, um ihre Kunden etwa über Nachrichten auf der Mailbox oder über Netzüberlastungen etc. zu informieren (vgl. ebd.).
1994 brachte die Firma Nokia dann das erste SMS-fähige Handy auf den Markt und kurze Zeit darauf entdeckten zunächst die finnischen Jugendlichen die zu Beginn kostenfreie Zusatzfunktion des Short Message Service für sich. In Deutschland erfreut sich das Versenden von SMS seit 1999 einer immer größer werdenden Beliebtheit (vgl. zu diesem Absatz: Schlobinki 2003, o.S. und Schmidt 2006: 319).
Verschickten die Deutschen in diesem ersten Jahr rund 3,6 Milliarden Kurz-nachrichten, so waren es im vergangenen Jahr (2007) bereits knapp 22,4 Milliarden (vgl. Bundesnetzagentur 2007, o.S.). Die Zahl der versendeten Kurzmitteilungen hat sich folglich innerhalb von acht Jahren mehr als versechsfacht. Durchschnittlich betrachtet versendet somit jeder Deutsche jährlich 280 SMS. Da momentan rund 80 Prozent der Bevölkerung im Besitz eines Handys sind, ergibt sich ein jährlicher Versand von 350 Kurznachrichten pro Handy-Besitzer (vgl. BITKOM 2007, o.S.).
Inzwischen stehen neben dem einfachen Versenden und Empfangen von Kurz-mitteilungen zusätzlich noch zahlreiche weitere SMS-Dienste zur Verfügung, beispielsweise Informationsdienste zu Nachrichten, Wetter, Verkehr, Sport-ergebnissen etc. oder verschiedene Transaktionsdienste, die u.a. die Möglichkeit bieten, Bankgeschäfte per SMS zu erledigen oder Flug-, Zug- und S-Bahntickets via Kurzmitteilung zu buchen.
Darüber hinaus gibt es noch eine Vielzahl weiterer SMS-Anwendungen, wie etwa Gewinnspiele, Chats im Videotext, Partys oder sogar Gottesdienste per SMS (vgl. Androutsopoulus/Schmidt 2001: 50).
Auch wenn sich die Technik mittlerweile insofern weiterentwickelt hat, als es möglich ist, auch komplexe Daten wie Bilder, Töne und Musik in Kombination mit Text per so genannter MMS (Multimedia Message Service) zu verschicken, konnte dieser Dienst der herkömmlichen Kurznachricht bisher nicht den Rang ablaufen[5], so dass der Siegeszug der SMS weiterhin ungebrochen ist.
2.2 Die SMS-Kommunikation
2.2.1 SMS als Kommunikationsform und kommunikative Gattung
Nachdem der Short Message Service im vorangegangenen Kapitel eingehend definiert sowie in seiner Funktionsweise und seiner geschichtlichen Entwicklung dargestellt wurde, wird die SMS an dieser Stelle nun zunächst als Kommuni-kationsform bestimmt und charakterisiert, bevor anschließend untersucht werden soll, ob man im Zusammenhang mit SMS von kommunikativen Gattungen sprechen kann.
2.2.1.1 Bestimmung der SMS als Kommunikationsform
Für die Verortung der SMS als Kommunikationsform ist es zunächst vonnöten, zwischen den beiden Begriffen „Medien“ und „Kommunikationsformen“ zu unter-scheiden:
Werner Holly definiert Medien als „konkrete, materielle Hilfsmittel, mit denen Zeichen verstärkt, hergestellt, gespeichert und/oder übertragen werden können“ (1997: 69f.). Dieser Definition zufolge ist etwa eine Schreibmaschine ein Medium, da mit ihr sprachliche Zeichen hergestellt werden können, oder ein Buch, weil es dazu dient, sprachliche Zeichen zu speichern. Auch das Mobiltelefon ist somit als Medium zu bestimmen, da es die Übertragung von sprachlichen Zeichen ermöglicht.[6] Dürscheid grenzt diese allgemeine Mediendefinition von Holly noch insofern ein, als sie speziell Kommunikationsmedien definiert als „diejenigen materiellen Hilfsmittel, die der Kommunikation über räumliche Entfernung hinweg dienen“ (2003: 40).
Kommunikationsformen hingegen sind „kommunikative Konstellationen, die über ein Hilfsmittel erst möglich gemacht werden“ (Dürscheid 2005, o.S.). Kommunikations-formen setzen somit die Existenz eines Mediums unabdingbar voraus.[7]
Die Kommunikationsform(en), die ein bestimmtes Medium impliziert, hängt/hängen dabei von den speziellen Merkmalen des jeweiligen Mediums ab: „Die besonderen situativen Merkmale der einzelnen Medien begründen also verschiedene Arten oder Formen der Kommunikation“ (Brinker 2005: 147).
Ein Beispiel von Ulrich Schmitz soll den Unterschied zwischen „Medien“ und „Kommunikationsformen“ an dieser Stelle nochmals verdeutlichen: „Medien (z.B. Rundfunk) sind Kommunikationsmittel. Ihre technischen Bedingungen ziehen jeweils bestimmte Kommunikationsformen (z.B. Rundfunksendung) nach sich“ (2004: 57).
Für die Klassifikation von Kommunikationsformen wird nun eine Reihe ver-schiedener Merkmale zugrunde gelegt: Laut Holly sind dies der im Rahmen der Kommunikation verwendete Zeichentyp, die Richtung der Kommunikation sowie die Unterscheidung, ob es sich bei dem verwendeten Medium um ein Medium zur Speicherung oder zur Übertragung von Zeichen handelt (vgl. 1997: 68).
Die Zeichentypen, die zur Bestimmung einer Kommunikationsform in Frage kommen, sind u.a. Körperbildzeichen (Mimik, Gestik, Kinesik, Proxemik), Laufbilder (Filme, Videos, Computeranimationen), Schriftartefakte und Stimm-zeichen (Töne und Sprachlaute), wobei die letzteren beiden wohl die entscheidenden sind. Bei der Frage nach der Kommunikationsrichtung geht es darum, ob es sich um monologische oder dialogische Kommunikation handelt (vgl. ebd.: 68f.).
Ergänzend zu den von Holly angeführten Merkmalen zur Klassifikation von Kommunikationsformen verwendet Dürscheid als zusätzliche Merkmale die räum-liche und zeitliche Dimension der Kommunikation sowie die Anzahl der Kommuni-kationspartner (vgl. 2005, o.S.).
Bezüglich der räumlichen Dimension der Kommunikation ist darzulegen, ob sich die Kommunikationsteilnehmer im selben Raum befinden oder ob die Kommunikation über eine Distanz erfolgt. Hinsichtlich der Frage nach der zeitlichen Dimension gilt es zu untersuchen, ob die Kommunikation synchron oder asynchron verläuft, d.h. ob die Beiträge direkt aufeinander folgen oder ob sie zeitversetzt ablaufen. In Bezug auf die Anzahl der Kommunikationspartner muss ausgeführt werden, ob es sich bei der Kom-munikation um Eins-zu-Eins- oder Eins-zu-Viele-Kommunikation handelt (vgl. ebd.).
Diesen angeführten Merkmalen entsprechend kann die SMS wie folgt als Kommuni-kationsform bestimmt und charakterisiert werden:
Bei der Kommunikation per SMS handelt es sich um individuelle, adressaten-gerichtete Eins-zu-Eins-Kommunikation[8], bei der mit Hilfe des Übertragungs-mediums Mobiltelefon Schriftzeichen übermittelt werden.
Hinsichtlich der räumlichen und zeitlichen Dimension kann man die SMS-Kommunikation als asynchrone Distanzkommunikation charakterisieren. Zwar erreicht eine Kurznachricht – im Gegensatz zum herkömmlichen Brief etwa – den entsprechenden Empfänger meist in Sekundenschnelle, dennoch verläuft die Kommunikation nicht synchron, da eine direkte Interaktion der Kommuni-kationspartner unmöglich ist (vgl. Dürscheid 2002a: 94). Selbst wenn der Empfänger die Nachricht des Senders direkt bemerkt und diese unverzüglich beantwortet, bleibt dennoch eine – wenn auch sehr geringe – Zeitverzögerung bestehen. Hinzu kommt, dass es den Teilnehmern einer Kommunikation per SMS nicht möglich ist, zu verfolgen, wie die Nachricht des Kommunikationspartners auf dem Display des Senders entsteht. Sie können daher auch weder intervenieren, noch einander unterbrechen oder sich simultan äußern. Somit fehlt der SMS-Kommunikation ein wesentliches Merkmal synchroner Kommunikation, „die Simultaneität von Pro-duktion und Rezeption der Äußerung“ (Dürscheid 2005, o.S.). Aus diesem Grund kann die Kommunikationsform SMS eindeutig als asynchron charakterisiert werden.
In der Regel handelt es sich bei der Kommunikation per SMS darüber hinaus um dialogische Kommunikation, auch wenn sie nicht per se dialogisch angelegt ist.[9] So gibt es zahlreiche Situationen, in denen lediglich einzelne Nachrichten verschickt werden, auf die vom Sender nicht zwangsläufig eine Antwort erwartet wird. Als Beispiele anzuführen sind hier etwa Urlaubsgrüße per SMS („Viele Grüße aus der Türkei! Wir erholen uns super und genießen das schöne Wetter. Sehen uns, wenn wir zurück sind!“), Aufträge von Arbeitgebern an ihre Angestellten („Lieber Herr X, fahren Sie anschließend bitte noch in die Schillerstr. 9 (Müller), dort gibt es Probleme mit einer undichten Waschmaschine.“) oder rein informative Nachrichten von Eltern an ihre Kinder („Ich muss nach der Arbeit noch wichtige Besorgungen in der Stadt machen. Geh bitte nach der Schule zur Oma, ich hol dich dann da ab.“), von Trainern an ihre Spieler („Treffpunkt am Sonntag um 10 Uhr am Sportplatz.“) oder von Freunden untereinander („Ich stehe noch im Stau. Es wird ca. 10 min später.“).[10]
In einem Großteil der Fälle nimmt die Kommunikation per SMS jedoch durchaus dialogische Formen an. Ein SMS-Dialog wird dabei von Androutsopoulus/Schmidt definiert als „Abfolge von mindestens zwei aufeinander bezogenen, zeitlich und thematisch zusammenhängenden Beiträgen“ (2001: 60). Bei einem SMS-Dialog wechseln die einzelnen Beiträge also schnell hin und her und sie sind darüber hinaus stark kontextbezogen. Außerdem fehlen in der Regel die Anrede und/oder die Schlussformel (vgl. Dürscheid 2002b: 6). Die häufigste Art von SMS-Dialogen sind reine Paarsequenzen bestehend aus einem initiierenden und einem respondierenden/ reaktiven Beitrag. Es handelt sich bei diesen zweizügigen Dialogen folglich um so genannte „Minimaldialoge“ (Franke 1990: 22) nach dem Muster Frage – Antwort, Vorschlag – Zustimmung/Ablehnung, Beschwerde – Trost etc. (vgl. Moraldo 2004: 290).
Zusammenfassend kann man somit festhalten, dass es sich bei der Kommuni-kationsform SMS um schriftbasierte Eins-zu-Eins-Kommunikation handelt, die asynchron und in der Regel dialogisch verläuft.
2.2.1.2 SMS – Eine kommunikative Gattung?
Nachdem die SMS im vorangegangenen Abschnitt als Kommunikationsform definiert wurde, soll nun der Begriff der „kommunikativen Gattung“ in Bezug auf die SMS-Kommunikation im Mittelpunkt stehen:
Kommunikative Gattungen werden von Thomas Luckmann als „routinisierte und mehr oder weniger verpflichtende Lösungen für bestimmte kommunikative Probleme“ (1988: 282) definiert. Kommunikative Gattungen zeichnen demnach spezifische kommunikative Vorgänge vor, indem sie die kommunikativen Bestandteile dieser Vorgänge detailliert und verpflichtend festlegen (vgl. ebd.: 283). Als Beispiele zu nennen wären etwa das Bewerbungsgespräch, die Frage nach dem Weg oder die Bestellung im Restaurant. Hierbei handelt es sich um kommunikative Handlungsmuster, die sich im Laufe der Geschichte verfestigt haben und die infolgedessen stets mehr oder weniger schematisch ablaufen. Die an diesen Kommunikationsmustern Beteiligten wissen daher genau, wie sie in diesen Schemata interagieren müssen, welche Aufgaben sie übernehmen müssen und wie der Handlungsverlauf insgesamt einzuschätzen ist (vgl. Dürscheid 2005, o.S.). Derartige Handlungsmuster erleichtern Susanne Günthner zufolge die Kommunikation, „indem sie die Synchronisation der Interagierenden und die Koordination ihrer Handlungs-teile mittels mehr oder weniger vorbestimmter Muster in halbwegs verlässliche, bekannte und gewohnte Bahnen lenken“ (1995: 197).
Zur Abgrenzung einzelner kommunikativer Gattungen sind die Aspekte des kommu-nikativen Zwecks und der sozialen Konstellation von entscheidender Bedeutung (vgl. Androutsopoulus/Schmidt 2001: 52). Es gilt folglich zu untersuchen, mit welcher Absicht sich die Kommunikation vollzieht und in welchem sozialen Kontext sie stattfindet. Von Bedeutung hinsichtlich des Kontextes sind die jeweiligen Gruppen (etwa Studenten, Politiker etc.), die Institution (z.B. Schule), die Geschlechter-konstellation (z.B. Gespräche unter Frauen) etc. (vgl. Dürscheid 2005, o.S.).
Nach der Erläuterung des Begriffs der kommunikativen Gattung gilt es nun zu untersuchen, ob man diesen auch in Bezug auf Kurzmitteilungen anwenden kann:
Androutsopoulus/Schmidt bejahen diese Frage und sprechen hinsichtlich der SMS von unterschiedlichen kommunikativen Gattungen, die sich aus den verschiedensten Nutzungsformen der Kurzmitteilungen ergeben (vgl. 2001: 53). Als Beispiele führen sie in diesem Zusammenhang die SMS-Nutzung in der Jugendclique oder unter Politikern im Bundestag sowie den Gebrauch von SMS in Form eines SMS-Gottesdienstes an. Diese Nutzungsformen konstituieren ihrer Meinung nach kommunikative Gattungen, da sie in unterschiedlichen Rollenkonstellationen statt-finden und verschiedene kommunikative Probleme behandeln. Da die einzelnen Nutzungsformen der SMS bislang jedoch noch nicht verfestigt seien, solle man in Bezug auf die SMS-Kommunikation genauer gesagt von „Gattungen in statu nascendi“ (lat. „im Zustand des Entstehens“) sprechen (ebd.).
Dürscheid hingegen ist der Meinung, dass man das Konzept der kommunikativen Gattung nicht ohne Einschränkung auf die SMS-Kommunikation anwenden kann, da es auf der Annahme basiert, dass eine dialogische Kommunikation vorliegt (vgl. 2005, o.S.). Davon kann jedoch in Bezug auf die Kommunikation per SMS nicht zwangsläufig ausgegangen werden (vgl. 2.2.1.1). Dürscheid plädiert aus diesem Grund dafür, bezüglich der Kurzmitteilungen eher von Textsorten zu sprechen, da es sich bei den unterschiedlichen Arten von SMS (Glückwunsch-SMS, Liebes-SMS, Entschuldigungs-SMS etc.) um Texte handle, „die sich hinsichtlich ihrer thematischen Funktion unterscheiden“ (ebd.).[11]
Auch ich halte den Textsortenbegriff in Bezug auf die SMS-Kommunikation für angebrachter, da ich ebenfalls – wie oben bereits dargelegt – der Meinung bin, dass man die SMS-Kommunikation nicht ohne Einschränkung als dialogisch betrachten kann. Somit ist die Voraussetzung, um das Gattungskonzept angemessen anwenden zu können, nicht immer gegeben. Außerdem kann man selbst in den Fällen, in denen tatsächlich SMS-Dialoge vorliegen, auch sieben Jahre nach Erscheinen der Arbeit von Androutsopoulus/Schmidt immer noch nicht von verfestigten Handlungsmustern sprechen. So gibt es beispielsweise keine bereits schematisierten Kommunikations-abläufe für die SMS-Kommunikation in der Jugendclique, unter Arbeitskollegen etc. Entweder müsste man also immer noch von „Gattungen in statu nascendi“ sprechen oder aber – und dies hätte den Vorteil, dass man alle Arten von Kurzmitteilungen, nicht nur die dialogischen, damit beschreiben könnte – in Bezug auf die SMS-Kommunikation konsequent den Textsortenbegriff verwenden.
Der Textsortenbegriff scheint darüber hinaus insofern der adäquate zu sein, als bei Kurzmitteilungen die kommunikative Funktion der Nachricht von größerer Bedeutung ist als das soziale Milieu, in dem sich die Kommunikation vollzieht. So läuft beispielsweise eine Terminabsprache unter Freunden vermutlich nicht wesentl-ich anders ab als eine unter Kollegen.
Aus all diesen Gründen sollte in Bezug auf Kurzmitteilungen eher von Textsorten als von kommunikativen Gattungen gesprochen werden.
2.2.2 Charakteristika der SMS-Kommunikation
Im Rahmen der kommunikationswissenschaftlichen Verortung der SMS im Abschnitt 2.2.1.1 sind bereits einige Charakteristika der SMS-Kommunikation genannt worden, die zunächst noch einmal resümierend in Erinnerung gerufen werden sollen: Heraus-gearbeitet wurde, dass es sich bei der Kommunikation per SMS um fernschriftliche, asynchron verlaufende Eins-zu-Eins-Kommunikation handelt, die sich in der Regel in dialogischer Form vollzieht.
Neben diesen Merkmalen zeichnet sich die SMS-Kommunikation noch durch weitere Charakteristika aus, deren bedeutendstes die Restriktion der für eine Kurznachricht zur Verfügung stehenden Zeichen ist. So ist in der Regel die Textlänge einer SMS auf 160 Zeichen begrenzt. Zwar ermöglichen mittlerweile nahezu alle Mobiltelefone auch deutlich längere Nachrichten, indem einzelne SMS aneinandergereiht und als Einheit verschickt werden; die Einzel-SMS dieser komplexen Nachricht werden dann jedoch auch jeweils einzeln berechnet.
Darüber hinaus lässt sich die Kommunikation per SMS nicht nur durch Restriktionen im Hinblick auf die Textlänge, sondern auch durch Einschränkungen hinsichtlich der Texteingabe, welche über die Zahlentastatur des Mobiltelefons erfolgt, kennzeichnen. Die Texteingabe war gerade in den Anfängen der SMS-Kommunikation sehr um-ständlich, da das Erzeugen eines jeden einzelnen Buchstabens das bis zu viermalige Drücken einer Handytaste erforderte. Für den Buchstaben ,e’ beispielsweise musste die Taste ,3’ zweimal gedrückt werden, für den Buchstaben ,s’ die Taste ,7’ viermal etc. Inzwischen verfügen die meisten Mobiltelefone über die automatische Worterkennungs-Software „T9“. Diese bietet den Vorteil, dass für jeden Buchstaben die entsprechende Taste nur noch einmal gedrückt werden muss, und die Software schließlich anhand der Ziffernfolge 90 Prozent der Begriffe von selbst erkennt (vgl. Haller 2003: 10). Die Wörter, die nicht im Wörterbuch des Mobiltelefons vorein-gestellt sind, müssen jedoch weiterhin durch oft vielmaliges Drücken der einzelnen Tasten erzeugt werden.
Die durch das Kommunikationsmedium Mobiltelefon auferlegten Restriktionen der Textlänge und der Texteingabe bleiben nicht ohne Einfluss auf die SMS-Kommuni-kation selbst: Diese versucht, das Medium bestmöglich zu nutzen, passt sich ihm infolgedessen an und weist daher eine Reihe von Besonderheiten auf (vgl. Roesler 2002, o.S.). So sind Kurzmitteilungen sowohl inhaltlich als auch sprachlich durch Knappheit und Verkürzung gekennzeichnet. Inwiefern sich diese Verknappung auf sprachlicher Ebene äußert, soll im dritten Kapitel anhand der empirisch erhobenen authentischen Kurznachrichten eingehend untersucht werden.
Ein weiteres Charakteristikum der SMS-Kommunikation liegt derart auf der Hand, dass es eigentlich nicht ausdrücklich erwähnt werden müsste. Der Vollständigkeit halber soll es abschließend aber dennoch kurz genannt werden: So handelt es sich bei der SMS-Kommunikation um ortsungebundene Kommunikation, die es ermöglicht, „zu jeder Zeit, in jedem öffentlichen und privaten Raum eine Nachhricht [zu] verschicken und [zu] empfangen“ (Dürscheid 2002a: 99).
2.2.3 SMS als Kommunikationsform zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit
Dieser Abschnitt widmet sich der Frage, wo die Kommunikationsform SMS im Kontinuum zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit eingeordnet werden kann. Um die theoretische Basis zur Beantwortung dieser Frage zu schaffen, wird zunächst das Mündlichkeits-/Schriftlichkeitsmodell von Koch/Oesterreicher (1985, 1994) skizziert:
Die beiden Autoren befassen sich in ihren Arbeiten mit der begrifflichen Klärung der doppeldeutigen Termini „mündlich“ und „schriftlich“ und unterscheiden in diesem Zusammenhang zwischen medialer Mündlichkeit/Schriftlichkeit und konzeptioneller Mündlichkeit/Schriftlichkeit.
Die mediale Dimension bezieht sich auf das Medium der Realisierung sprachlicher Äußerungen, das entweder phonisch (= mündlich) oder graphisch (= schriftlich) sein kann, die konzeptionelle hingegen auf den „Duktus, die Modalität der Äußerungen sowie die verwendeten Varietäten“ (Koch/Oesterreicher 1994: 587).
Medium und Konzeption sind generell unabhängig voneinander zu sehen, jedoch bestehen ausgeprägte Affinitäten zwischen dem phonischen Medium und konzep-tionell mündlichen Äußerungsformen einerseits sowie zwischen dem graphischen Medium und konzeptionell schriftlichen Äußerungen andererseits. Als Beispiele seien hier das familiäre Gespräch (medial und konzeptionell mündlich) und der Gesetzestext (medial und konzeptionell schriftlich) genannt. Auf der anderen Seite gibt es aber auch zahlreiche Beispiele für die gegensätzlichen Kombinationen, so etwa der wissenschaftliche Vortrag, der trotz seiner phonischen Realisierung konzeptionell schriftlich ist, oder der Privatbrief, der zwar im graphischen Medium realisiert wird, aber dennoch der konzeptionellen Mündlichkeit näher steht (vgl. zu diesem Absatz ebd.).
Im medialen Bereich sind die Begriffe „mündlich“ und „schriftlich“ als dichotomisch anzusehen und somit strikt voneinander zu trennen. Im Gegensatz dazu ist der konzeptionelle Bereich als Kontinuum mit zahlreichen möglichen Abstufungen zu verstehen, in welchem die Begriffe „Mündlichkeit“/„Schriftlichkeit“ die Endpunkte konstituieren. So steht ein vertrautes Gespräch mit einem Freund etwa näher am Mündlichkeitspol als ein Telefonat unter Arbeitskollegen, dieses wiederum ist konzeptionell mündlicher als ein Interview etc. (vgl. ebd.).
Die Situierung einzelner Äußerungen in diesem Kontinuum erfolgt anhand verschiedener kommunikativer Parameter wie etwa raumzeitliche Nähe bzw. Distanz der Kommunikation, Öffentlichkeit/Privatheit des Kommunikationsgeschehens, Grad der Vertrautheit der Kommunikationsteilnehmer, Grad der Dialogizität, der Emotio-nalität, der Spontaneität etc. (vgl. zu diesem und zum folgenden Absatz ebd.: 588).
Gemäß diesen Parametern lässt sich konzeptionell mündliche Sprache durch die Merkmale Dialog, freier Sprecherwechsel, Vertrautheit der Kommunikationspartner, keine Öffentlichkeit, Spontaneität und starkes Beteiligtsein charakterisieren, konzeptionell schriftliche Sprache entsprechend durch die Eigenschaften Monolog, Fremdheit der Partner, Öffentlichkeit, Reflektiertheit und geringes Beteiligtsein.
Die unterschiedlichen kommunikativen Bedingungen konzeptionell mündlicher respektive schriftlicher Sprache stehen in engem Zusammenhang zum Auftreten bestimmter sprachlicher Merkmale:
Charakteristika der konzeptionellen Mündlichkeit sind im morphosyntaktischen Bereich vor allem Nachträge, Anakoluthe (= plötzlicher Wechsel der ursprünglich geplanten Satzkonstruktion während des Sprechens, der zur Folge hat, dass der Ausdruck insgesamt ungrammatisch wird; vgl. Bußmann 2002: 75) und Parataxe. Im lexikalischen Bereich zeichnet sich die Sprache der Nähe durch passe-partout-Wörter (Wörter mit nur wenigen und relativ allgemeinen semantischen Merkmalen, die auf eine Reihe von Referenzobjekten verweisen können) und lexikalische Armut aus; in durch Emotionalität gekennzeichneten Sinnbereichen hingegen wird ein beachtlicher lexikalischer Reichtum aufgewiesen. Im textuell-pragmatischen Bereich sind Sprecher-Hörer-Signale, Überbrückungsphänomene, Korrektursignale, Gliederungs-signale und Abtönungspartikel typische Kennzeichen konzeptionell mündlicher Sprache.
Analog dazu zeichnet sich konzeptionell schriftliche Sprache durch syntaktische Wohlgeformtheit, hypotaktische Konstruktionen, breites und differenziertes lexikalisches Material und explizite Verkettung einzelner Textsequenzen aus (vgl. zu den vorangegangenen Absätzen ebd.: 590f.).
Diesem theoretischen Ansatz zur Klassifikation von Äußerungsformen entsprechend kann die Kommunikationsform SMS als medial schriftlich bestimmt werden, da die Kommunikation in schriftlicher Form erfolgt. Die Konzeption hingegen ist in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle mündlich, da Kurznachrichten viele Merkmale der gesprochenen Sprache aufweisen. So wird in den meisten SMS ein umgangs-sprachlicher Wortschatz verwendet, außerdem lassen sich zahlreiche Gesprächs-partikel („hhmm“) und Interjektionen („juchu“) sowie viele Reduktions- und Assimilationsformen („Das ist ne gute Idee“, „Was machste heute?“) finden.[12]
In der Forschungsliteratur besteht über diese Bestimmung der SMS als medial schriftlich und konzeptionell mündlich weitgehend Konsens. Lediglich Christa Dürscheid (2003) meldet diesbezüglich Zweifel an. Sie ist der Meinung, dass diese Kategorisierung aufgrund der in der SMS-Kommunikation bestehenden Textsorten-Vielfalt (vgl. 2.2.1.2) nicht uneingeschränkt möglich ist. So unterliegt ihrer Meinung nach beispielsweise eine Liebes-SMS anderen Kommunikationsbedingungen als eine geschäftliche SMS, weshalb sie auch andere sprachliche Merkmale aufweist. Aus diesem Grund können laut Dürscheid lediglich einzelne Textsorten in das von Koch/Oesterreicher postulierte Kontinuum von Mündlichkeit und Schriftlichkeit eingeordnet werden, nicht jedoch die komplette Kommunikationsform SMS (vgl. dazu Dürscheid 2003: 47-49).
Die Ausführungen Dürscheids sind insgesamt durchaus überzeugend. Dass die übri-gen Forscher die komplette Kommunikationsform SMS als konzeptionell mündlich charakterisieren, dürfte daran liegen, dass innerhalb der SMS-Kommunikation die privat-informelle Kommunikation die vorherrschende ist, wohingegen geschäftliche Kurznachrichten u.ä. – zumindest bislang – eher randläufige Textsorten darstellen. Bezieht man also die Einschätzungen der anderen Wissenschaftler lediglich auf diese dominierende Form der SMS-Kommunikation, so sind sie ebenfalls nachvollziehbar.
3. Die empirische Untersuchung
3.1 Die Untersuchungsgruppe
Das für die empirische Untersuchung zur sprachlichen Gestaltung von Schüler-SMS und zu eventuellen Auswirkungen auf die Sprache in der informellen Brief-kommunikation benötigte Material wurde an insgesamt drei Schulen des Ortes Neunkirchen gesammelt.
Neunkirchen ist Teil der Gemeinde Neunkirchen-Seelscheid im Bergischen Land und liegt etwa 25 Kilometer von Bonn sowie ca. 35 Kilometer von Köln entfernt in ländlicher Umgebung. Neunkirchen selbst hat 5.479 Einwohner, die gesamte Gemeinde Neunkirchen-Seelscheid 21.203. Der Ausländeranteil ist mit 3,8 Prozent sehr gering. Ein Blick auf die Einwohnerstruktur des Ortes zeigt, dass Neunkirchen in erster Linie bevorzugter Wohnort für Menschen ist, die in den größeren Städten der Umgegend arbeiten, also in Köln und Bonn, aber auch in der 15 Kilometer entfernten Kreisstadt Siegburg sowie in den Städten Troisdorf und Sankt Augustin. Infrastrukturell ist die Gemeinde mit 11 Kindergärten, drei Grundschulen mit offenem Ganztagsangebot, einer Hauptschule, einer Realschule sowie einem privaten Gymnasium im Erziehungs- und Bildungsbereich sehr gut ausgestattet (vgl. zu diesem Absatz Homepage der Gemeinde Neunkirchen-Seelscheid).
Die Erhebungen im Rahmen der empirischen Untersuchung wurden an allen drei weiterführenden Schulen der Gemeinde durchgeführt, d.h. an dem Privatgymnasium Antoniuskolleg sowie an der Clara-Schumann-Realschule und an der Gemeinschafts-hauptschule, die sich beide in der Trägerschaft der Gemeinde befinden.
Das Antoniuskolleg ist ein staatlich anerkanntes Privatgymnasium, welches sich seit 1957 in der Trägerschaft des katholischen Ordens der Salesianer Don Boscos befindet. Zu den Leitsätzen der Schule zählt die Idee einer ganzheitlichen Erziehung, die intellektuelle, soziale, ästhetische, musische, körperliche und vor allem religiöse Bildung umfasst. Die Zahl der Schülerschaft beläuft sich aktuell auf 1234, die der Lehrerschaft auf 72. Obwohl es sich um eine Privatschule handelt, wird kein Schulgeld erhoben.
Die Clara-Schumann-Realschule wurde erst im Jahre 2001 gegründet, zuvor gab es lediglich in der Nachbargemeinde Much und in der Nachbarstadt Lohmar je eine Realschule. Mittlerweile wird die Schule von 560 Schülern besucht, welche von insgesamt 35 Lehrern unterrichtet werden. Im Schulprofil der Schule bildet die musische Erziehung einen Schwerpunkt. In deren Rahmen werden u.a. Bläserklassen für die Jahrgänge 5 und 6 sowie zahlreiche weitere musische Angebote wie etwa Orchester, Chor oder Big Band angeboten. Eine weitere Besonderheit der Schule ist, dass sie im April 2008 das „Gütesiegel individuelle Förderung“ des Landesschul-amtes Nordrhein-Westfalen verliehen bekam.
Die Gemeinschaftshauptschule wurde im Jahre 1972 gegründet und wird derzeit von 400 Schülern besucht; diese werden von 34 Lehrern unterrichtet. Zu den Besonder-heiten dieser Schule zählt, dass sie seit Februar 2006 als Ganztagsschule geführt wird.
Für die Datenerhebungen wurden an jeder Schule jeweils zwei Klassen der Jahrgangsstufe 8 ausgewählt. Am Gymnasium nahmen insgesamt 56 Schüler (26 Jungen und 30 Mädchen) an der Erhebung teil, an der Realschule 59 (28 Jungen und 31 Mädchen) und an der Hauptschule 53 (35 Jungen und 18 Mädchen). Die Gesamtzahl der an der empirischen Untersuchung teilnehmenden Schüler beläuft sich somit auf 168. Für die Auswertung der protokollierten SMS-Botschaften und der schriftlichen Textproduktion konnten jedoch nur die Daten von 72 Schülern berücksichtigt werden (zur Begründung vgl. Punkte 3.2.1.2 und 3.2.1.3).
3.2 Methodik
3.2.1 Die eingesetzten Erhebungsmethoden
Die an den Schulen durchgeführten Untersuchungen gliederten sich insgesamt in drei Teile: Die teilnehmenden Schüler mussten zunächst einen Fragebogen zu ihrem SMS-Nutzungsverhalten ausfüllen und anschließend im Rahmen einer Textproduktions-aufgabe einen Brief zu einem von drei vorgegebenen Themen verfassen. Zudem wurden die Schüler gebeten, als Hausaufgabe selbst verfasste Kurzmitteilungen auf einen SMS-Protokollbogen abzuschreiben.
Neben den Erhebungen an den Schulen wurden zusätzlich drei Leitfadeninterviews durchgeführt.
Die einzelnen Datenerhebungsinstrumente sollen im Folgenden jeweils in aller Kürze vorgestellt werden.
3.2.1.1 Befragung mit Fragebogen
Der erste Teil der an den Schulen durchgeführten Erhebungen bestand aus einem Fragebogen zum SMS-Nutzungsverhalten der Schüler.[13]
Bei der Erstellung des Fragebogens wurde darauf geachtet, dass dieser die wesentlichen Grundeigenschaften, die ein wissenschaftlicher Fragebogen aufweisen sollte, enthielt. So muss ein solcher einen seriösen Kopfteil sowie einen vorformulierten Begrüßungssatz beinhalten und eine klare Struktur aufweisen. Die Fragen müssen so formuliert sein, dass jeder sie eindeutig versteht und ohne Schwierigkeiten darauf antworten kann. Zudem sollten sich die Fragen möglichst nur auf einen Sachverhalt beziehen (vgl. Atteslander 2006: 146). Berücksichtigt werden musste zudem, dass es sich bei der im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Untersuchung um eine Untersuchung mit Jugendlichen handelte. Aus diesem Grund wurde die bei Kindern und Jugendlichen beliebte Schriftart „Comic Sans MS“ gewählt, außerdem wurde der Fragebogen durch eine Handy-Grafik im Hintergrund ansprechend gestaltet.
Insgesamt enthält der Fragebogen 15 sowohl offene als auch geschlossene Fragen. Der Grad der Offenheit einer Frage spiegelt den Freiraum wider, den die Befragten beim Beantworten der Frage haben. Offene Fragen enthalten keine vorher festge-legten Antwortkategorien, so dass die befragte Person die Möglichkeit hat, eine eigenständig formulierte Antwort zu geben. Die Kategorisierung der Antworten erfolgt erst anschließend im Rahmen der Fragebogenauswertung. Geschlossene Fragen hingegen weisen bereits vorgegebene Antwortmöglichkeiten auf, von denen der Proband lediglich eine (bzw. in manchen Fällen auch mehrere) auswählen muss (vgl. ebd. 136).
Da offene Fragen eine intensivere Auseinandersetzung mit der Frage erfordern als geschlossene, bleiben sie oftmals unbeantwortet, weil nicht alle Befragten die Bereitschaft für die eingehendere Beschäftigung mit der Frage aufbringen. Deshalb wurde bei der Erstellung des Fragebogens darauf geachtet, überwiegend geschlossene Fragen zu verwenden. Lediglich in Fällen, wo durch vorgegebene Antwortkategorien die Gefahr der Beeinflussung bestanden hätte, wurde auf offene Fragen zurück-gegriffen.
Der Fragebogen startet mit drei Fragen zur Person des befragten Schülers, darauf folgen Fragen zum Handybesitz im Allgemeinen („Wie lange besitzt du schon ein Handy?“, „Besitzt du ein Prepaid- oder ein Vertragshandy?“) und zur Nutzung der verschiedensten Handyfunktionen, bevor anschließend der Fokus auf die SMS-Kommunikation gerichtet wird. Die Fragen zielen hierbei u.a. darauf, wie viele SMS durchschnittlich am Tag versendet und empfangen werden sowie an wen sie wie oft und aus welchen Gründen verschickt werden. Gefragt wird außerdem nach der Ein-schätzung von Vor- und Nachteilen der SMS-Kommunikation. Den Abschluss des Fragebogens bilden zwei Fragen nach der Bedeutung verschiedenster Abkürzungen und Smileys.[14]
3.2.1.2. Textproduktion
Nach der Befragung mit dem Fragebogen bekamen die Schüler im zweiten Teil der Erhebung eine Textproduktionsaufgabe gestellt. Hier sollten sie einen Brief zu einem vorgegebenen Thema verfassen, wobei drei verschiedene Themen zur Auswahl standen.[15] Bei der Formulierung der Themen wurde darauf geachtet, dass diese ver-schiedene Interessensbereiche der Jugendlichen ansprachen, um so zu gewährleisten, dass sich jeder Schüler zumindest mit einem der Themen identifizieren konnte. Dadurch sollte die Motivation in Bezug auf die Schreibaufgabe gefördert werden. Dementsprechend betraf ein Themenvorschlag den Bereich „Liebe/Partnerschaft“, der andere die Sparte „Fußball“ und der dritte den Bereich „Musik“.
Die Textproduktionsaufgabe wurde mit dem Ziel eingesetzt, herauszufinden, ob sich die sprachlichen Merkmale von Kurzmitteilungen auch im allgemeinen Schriftsprach-gebrauch der Schüler wiederfinden lassen. Dabei wurde im Speziellen der Brief als traditionelle Form der schriftlichen Kommunikation gewählt. Dieser sollte an den besten Freund respektive die beste Freundin gerichtet werden. Indem die Aufgabe derart festgelegt wurde, sollte gewährleistet werden, dass die Kommunikations-parameter gleich gehalten werden. Es handelte sich entsprechend dem Arbeitsauftrag bei der Textproduktionsaufgabe somit genau wie in den meisten Fällen der SMS-Kommunikation um informelle Kommunikation unter besten Freunden (vgl. dazu Kapitel 3.3.2.1). Nur dadurch, dass die Kommunikationsparameter gleich gehalten werden, kann gezeigt werden, ob die sprachlichen Mittel in Abhängigkeit vom Kom-munikationsmedium variieren, die SMS-Sprache also durch das spezielle Medium Mobiltelefon bedingt ist und auf die Kommunikationsform SMS beschränkt bleibt, oder ob SMS-typische Merkmale unabhängig vom Medium auch im allgemeinen Sprachgebrauch benutzt werden. Würde man die Sprache der informellen SMS-Kommunikation mit der der formellen Brief-Kommunikation vergleichen, wäre für diesen Vergleich keine sinnvolle Basis gegeben, da sich Sprache in formellen und informellen Kontexten immer deutlich unterscheidet (vgl. dazu auch Dürscheid 2002b: 17).
Für die Auswertung der Textproduktion wurden nur die Briefe derjenigen Schüler berücksichtigt, die auch das SMS-Protokoll (vgl. 3.2.1.3) vollständig ausgefüllt zurückgegeben haben, da es nur bei diesen möglich war, den Sprachgebrauch in der SMS-Kommunikation mit dem in der informellen Briefkommunikation zu ver-gleichen und ausgehend davon eine Kategorisierung verschiedener „Sprach-verwendungstypen“ vorzunehmen.
3.2.1.3 SMS-Protokoll
Im dritten Teil der Untersuchung wurden die Schüler gebeten, fünf selbst verfasste Kurzmitteilungen aus ihrem Handyspeicher auf einen SMS-Protokollbogen (siehe M3 im Anhang) abzuschreiben. Dieser Teil der Erhebung konnte nicht im Rahmen der für die Untersuchung anberaumten Schulstunde erfolgen, da es an den Schulen nicht erlaubt ist, dass Schüler ihre Mobiltelefone während der Schulzeit eingeschaltet haben. Somit wurde der Protokollbogen während der Erhebungsstunde lediglich vorgestellt; ferner wurden Hinweise zum korrekten Ausfüllen gegeben, die mit Beispielen untermalt wurden. Das Ausfüllen selbst sollte als Hausaufgabe erfolgen. Zusätzlich zum Protokollbogen bekamen die Schüler eine Einverständniserklärung für ihre Eltern ausgehändigt (siehe M4), die diese unterschreiben sollten. Damit sollte gewährleistet werden, dass die Schüler ihre persönlichen Kurznachrichten nicht ohne Wissen ihrer Eltern preisgeben.
Dadurch, dass das Ausfüllen des SMS-Protokolls auf mehr oder weniger freiwilliger Basis erfolgen sollte – schließlich konnten die Schüler nicht gezwungen werden, ihre persönlichen Nachrichten zur Verfügung zu stellen – und zudem das Einverständnis der Eltern vonnöten war, konnte nicht mit einem hundertprozentigen Rücklauf der Protokolle gerechnet werden. So wurden auch tatsächlich nur 72 Bögen komplett ausgefüllt zurückgegeben, was einer Rücklaufquote von knapp 43 Prozent entspricht. Weiterhin wurden 12 unausgefüllte Bögen mit der Begründung zurückgegeben, dass die Bereitstellung von persönlichen SMS den jeweiligen Schülern zu privat sei. Des Weiteren gab es fünf Fälle, in denen die Eltern explizit auf der Einverständnis-erklärung vermerkt hatten, dass sie gegen eine Teilnahme ihres Kindes an diesem Teil der Untersuchung seien. Aus der Addition dieser Zahlen ergibt sich, dass insgesamt 79 Bögen – also knapp die Hälfte – überhaupt nicht zurückgegeben wurden.
Ein genauerer Blick auf die rückläufigen SMS-Protokolle ergibt, dass die Rücklaufquote – wie wohl auch im Vorhinein zu erwarten war – am Gymnasium am höchsten war (33 Rückläufer von 56 ausgegebenen Bögen; dies entspricht einer Quote von knapp 59 Prozent). An der Realschule gab es bei 59 ausgegebenen Bögen 21 Rückläufer (= 35,5 Prozent), an der Hauptschule lag die Quote nur knapp darunter (18 Rückläufer von 53 = 34 Prozent).
Hinsichtlich der Geschlechterverteilung zeigt sich, dass insgesamt 47 Mädchen und lediglich 25 Jungen das SMS-Protokoll ausgefüllt zurückgegeben haben. Hier offenbart sich somit ein deutlicher Unterschied, da die Rücklaufquote bei den Mädchen bei 59 Prozent, bei den Jungen hingegen lediglich bei 28 Prozent liegt.
3.2.1.4 Leitfadeninterview
Zusätzlich zu den Erhebungen an den Schulen wurden drei Leitfadeninterviews mit Jugendlichen aus meinem persönlichen Bekanntenkreis (Bruder, Cousine und Nach-hilfeschülerin) durchgeführt. Diese sollten zum einen dazu dienen, die durch den standardisierten Fragebogen herausgefundenen Phänomene durch gezieltere Nach-fragen tiefergehend erforschen zu können. Zum anderen wurde das Ziel verfolgt, die in den protokollierten Kurznachrichten zutage getretenen sprachlichen Besonder-heiten in ihren unterschiedlichen Ausprägungen besser verstehen und einordnen zu können.[16] Zudem sollte herausgefunden werden, ob diese speziellen sprachlichen Merkmale bewusst oder unbewusst verwendet werden, und welche Absichten mit der bewussten Verwendung bestimmter Formen verfolgt werden.
Der Leitfaden gliedert sich in vier Themenbereiche, die zum einen die Nutzung des Mobiltelefons im Allgemeinen und zum anderen die des Short Message Service im Speziellen betreffen. Der dritte Bereich fokussiert die sprachlichen Besonderheiten von Kurznachrichten, die Fragen des vierten Bereichs thematisieren das Verhältnis der SMS-Nutzung zur Nutzung anderer Medien.[17]
Die zu den einzelnen Themengebieten vorformulierten Fragen waren dabei optional; Auswahl und Abfolge der einzelnen Fragen ergaben sich aus dem Gesprächsverlauf.
Die drei Interviews wurden jeweils auf Tonband aufgenommen und anschließend literarisch transkribiert.[18]
3.2.2 Kritische Anmerkungen zur Datenerhebung
Bevor im folgenden Kapitel die Untersuchungsergebnisse dargestellt werden, soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die erhobenen Daten nicht als absolut betrachtet werden dürfen, sondern dass der Umgang mit ihnen stets eine gewisse Vorsicht und eine reflektierende Haltung verlangt.
So muss beispielsweise bei der Auswertung der Fragebögen immer ein gewisses Maß an Verzerrungen berücksichtigt werden, da man nicht mit Sicherheit davon ausgehen kann, dass der jeweilige Proband alle Fragen ernsthaft und wahrheitsgetreu beant-wortet hat. Zudem kann man nie vollständig ausschließen, dass nicht vereinzelt Fragen mit der Hilfe anderer Untersuchungsteilnehmer beantwortet wurden bzw. dass Meinungen eines anderen übernommen wurden, da der Proband selbst wohlmöglich keine Idee hatte (vgl. dazu Atteslander 2006: 113f., 125f. und 160ff.) Diese kritische Haltung gegenüber den erhobenen Daten ist bei der hier durchgeführten Unter-suchung besonders vonnöten, da die Schüler nicht freiwillig an den Erhebungen teil-genommen haben, sondern im Rahmen des Schulunterrichts quasi dazu „gezwungen“ wurden.
Vorsicht ist zudem nicht nur bei der Auswertung des Fragebogens, sondern vor allem auch bei der Analyse der protokollierten Kurznachrichten geboten. Hier ist quellenkritisch anzumerken, dass sich bei der Abschrift der Nachrichten eventuell Fehler eingeschlichen haben können. Dabei kann es sich entweder um reine Flüchtig-keitsfehler, oder aber auch um (un-)bewusste Korrekturen von in den SMS vor-handenen Rechtschreib- oder Orthographiefehlern handeln. So ist es etwa durchaus denkbar, dass bei der Abschrift – entweder bewusst oder rein aus Gewohnheit – die Groß- und Kleinschreibung beachtet wurde, obwohl in den Kurznachrichten alle Wörter klein geschrieben wurden. Diese Möglichkeit ist bei der Auswertung der Nachrichten stets zu berücksichtigen.
3.3 Auswertung der empirischen Untersuchung
3.3.1 Zur Darstellung der Ergebnisse
Im Folgenden werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung detailliert präsentiert. Die Auswertung der einzelnen Untersuchungsschritte erfolgt dabei zunächst separat, bevor anschließend die Einzelergebnisse zueinander in Beziehung gesetzt werden, indem verschiedene „Sprachverwendungstypen“ hinsichtlich der in den Kurznachrichten und den verfassten Briefen gebrauchten Sprache heraus-gearbeitet werden.
Begonnen wird mit der Auswertung der Fragebögen. In diesem Zusammenhang sollen anhand der von den Schülern gemachten Angaben die wichtigsten kommunikativen und funktionalen Aspekte der SMS-Nutzung herausgestellt werden.[19] In einem zweiten Schritt wird die sprachliche Gestaltung der proto-kollierten Kurznachrichten analysiert, bevor anschließend untersucht wird, welche der zuvor ermittelten sprachlichen Besonderheiten sich in den verfassten Briefen wiederfinden lassen.
Die Leitfadeninterviews werden nicht gesondert ausgewertet, da sie – wie in Punkt 3.2.1.4 beschrieben – keinen eigenen Forschungsaspekt zum Inhalt haben, sondern lediglich dazu dienen, die mithilfe der anderen Erhebungsinstrumente heraus-gefundenen Phänomene nachvollziehen und erklären zu können. Die Erkenntnisse aus den Leitfadengesprächen werden im Rahmen der Auswertung der einzelnen Unter-suchungsmethoden jeweils an den Stellen dargeboten, an denen sie zur Vertiefung der mithilfe des entsprechenden Verfahrens gewonnenen Ergebnisse dienen.
Die Auswertung erfolgt in den einzelnen Schritten jeweils für alle Schulformen gemeinsam, da sich die meisten Phänomene in etwa der gleichen Ausprägung sowohl bei Haupt- und Realschülern als auch bei Gymnasiasten zeigen. Lediglich in den Fällen, in denen signifikante Unterschiede hinsichtlich eines bestimmten Phänomens bestehen, wird auf diese explizit eingegangen.
3.3.2 Das SMS-Nutzungsverhalten der Schüler
Wie in Punkt 3.1 bereits angeführt, wurde der Fragebogen zum SMS-Nutzungs-verhalten von insgesamt 168 Schülern (89 Jungen und 79 Mädchen) ausgefüllt.
Das Alter der Schüler schwankt dabei zwischen 13 und 17, die überwiegende Mehr-heit ist jedoch entweder 14 (= 57%) oder 15 (= 27 %) Jahre alt.
Fast alle Schüler sind deutscher Nationalität (96%) und beinahe ebenso viele gaben an, Deutsch als Muttersprache zu sprechen (92%). Andere genannte Muttersprachen sind das Russische (8 Nennungen) und das Türkische (2 Nennungen) sowie das Arabische, Englische und Polnische (je eine Nennung). Der Anteil der Nicht-Muttersprachler ist mit 11 Prozent an der Hauptschule am höchsten (gegenüber 5 Prozent an der Realschule und 4 Prozent am Gymnasium).
3.3.2.1 Nutzung des Mobiltelefons und Wichtigkeit der einzelnen Handy- Applikationen
Von den 168 Schülern gaben lediglich vier (= 2%) an, nicht im Besitz eines Mobil-telefons zu sein. Diese hohe Quote an handybesitzenden Jugendlichen deckt sich mit den Ergebnissen der JIM-Studie aus dem Jahre 2007, nach der 95 Prozent aller 14- bis 15-Jährigen Jugendlichen ein Mobiltelefon besitzen (vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest: 55). Die Mehrheit der im Rahmen dieser Arbeit be-fragten Schüler (42%) besitzt dabei bereits länger als vier Jahre ein Handy, ein weiteres Drittel ist seit drei bis vier Jahren im Besitz eines Mobiltelefons. Insgesamt zeigt sich somit, dass Kinder heutzutage bereits sehr früh ein Handy bekommen, näm-lich in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle mit 10 bis 11 Jahren. Diese Angabe konnte durch die Leitfadeninterviews bestätigt werden: Auch hier gaben alle drei Jugendlichen an, ihr erstes Handy im Alter von 11 Jahren bekommen zu haben. Wie anhand der Grafik ersichtlich wird, scheinen lediglich die Gymnasiasten ihr erstes Mobiltelefon teilweise erst später zu bekommen: Hier gab insgesamt ein Drittel der Befragten an, erst seit maximal zwei Jahren im Besitz eines Mobiltelefons zu sein.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Kosten für die Handynutzung werden bei einem Großteil der Schüler per Prepaidkarte abgerechnet: Über drei Viertel (79%) der Jugendlichen besitzen ein Prepaid-Handy, die übrigen 21 Prozent dementsprechend ein Vertragshandy, also ein Gerät, bei dem monatliche Rechnungsbeträge fällig werden. Heutzutage beinhalten viele Mobilfunkverträge ein bestimmtes Kontingent an Frei-SMS, die im monatlichen Grundbetrag enthalten sind und nicht mehr separat abgerechnet werden. Etwas mehr als die Hälfte (53%) der Schüler mit Vertragshandy verfügen über einen solchen Vertrag. Die Anzahl der Frei-SMS schwankt dabei zwischen 20 und unbegrenzt vielen Gratis-Kurzmitteilungen.
Die Frage nach der Nutzungshäufigkeit der einzelnen Handyfunktionen ergab, dass die Schüler mit ihrem Mobiltelefon am häufigsten Fotos machen (132 Nennungen in den Kategorien „sehr oft“ und „regelmäßig“), SMS schreiben (124 Nennungen in den beiden Kategorien) und Musik hören (119 Nennungen). Erst auf Platz 4 rangiert die eigentliche Grundfunktion des Mobiltelefons, das Telefonieren selbst (91 Nennungen). Von den Jugendlichen weniger oft genutzte Handyfunktionen sind Spielen, der Versand von MMS und das Surfen im Internet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anzumerken ist an dieser Stelle, dass die angegebene Nutzungshäufigkeit der einzelnen Funktionen nicht zwangsläufig auch etwas über deren Beliebtheit aussagen muss. So kann man etwa davon ausgehen, dass auch das Versenden von MMS und das Surfen im Internet prinzipiell beliebt sind, diese beiden Funktionen aber aufgrund ihrer im Vergleich zu den Funktionen SMS und Telefonat deutlich höheren Kosten weitaus seltener benutzt werden (vgl. dazu auch Anmerkung 5).
Hinsichtlich der Nutzungshäufigkeit der einzelnen Applikationen bestehen kaum schulformabhängige Unterschiede. Anzuführen ist jedoch, dass die Gymnasiasten alle Funktionen insgesamt weniger oft nutzen als die Haupt- und Realschüler. So gibt es bei den Schülern des Gymnasiums insgesamt 69 Nennungen in der Kategorie „sehr oft“, bei den Realschülern hingegen sind es 117 und bei den Hauptschülern 110. Die Rangfolge der Nutzung der einzelnen Applikationen ist bei den Gymnasiasten ungeachtet dessen die gleiche wie bei den Haupt- und Realschülern.
Analysiert man die Nutzungshäufigkeit der verschiedenen Anwendungen in Hinblick auf geschlechtsspezifische Unterschiede, so zeigt sich, dass die Mädchen insgesamt „kommunikativer“ sind, d.h. die Funktionen Telefonieren und SMS schreiben weitaus häufiger nutzen als die Jungen. So versenden etwa 54 Prozent der Mädchen sehr oft SMS, bei den Jungen sind es hingegen lediglich 27 Prozent (vgl. auch untenstehende Abbildung).[20] Dafür spielen die Jungen jedoch öfter mit ihrem Handy als die Mädchen (30 Nennungen in den Kategorien „sehr oft“ und „regelmäßig“ im Gegensatz zu 11 Nennungen bei den Mädchen). Hinsichtlich der übrigen Handy-funktionen bestehen keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern.
[...]
[1] Die Abkürzung SMS steht für Short Message Service und bezeichnet somit im eigentlichen Sinne des Wortes den Dienst zur Übertragung von Kurznachrichten (= Short Messages). In der Regel wird sie heutzutage jedoch zumeist für die Kurznachricht an sich verwendet und bezeichnet dabei sowohl die einzelne Nachricht als auch die Nachrichten im Plural.
[2] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit werden hier sowie im weiteren Verlauf der Arbeit jeweils nur die maskulinen Formen der Nomina agentis verwendet. Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass diese stets geschlechtsneutral zu verstehen sind.
[3] Diese Befürchtung ist generell nicht unbegründet, da in der Forschung bereits vielfach nachgewiesen worden ist, dass der Wandel von Sprache unter dem Einfluss neuer Medien begünstigt werden kann. Vgl. dazu u.a. Weingarten (1997) und Kallmeyer (2000).
[4] Dürscheid beispielsweise vertritt in der Schlussbetrachtung ihrer Arbeit zum Vergleich von E-Mail und SMS die Ansicht, dass sich das Schreiben von SMS nicht auf den allgemeinen Sprachgebrauch auswirken werde, da die speziellen Sprachformen in Kurzmitteilungen durch die spezifischen Gegebenheiten des Kommunikationsmediums SMS (vor allem die Restriktion auf 160 Zeichen; vgl. Kap. 2.2.2) bedingt seien und somit nur in Abhängigkeit von der speziellen Kommunikationssituation per SMS aufträten (vgl. Dürscheid 2002a: 112f.). Diese Meinung vertritt auch Schlobinski, indem er sagt, dass SMS-Sprache nur „vor dem Hintergrund der technischen Voraussetzungen“ (2003, o.S.) verwendet werde und sich die Schreiber in anderen Situationen anders ausdrücken würden.
Höflich wiederum wirft lediglich die Frage auf, ob das Sprachvermögen Jugendlicher aufgrund der Zeichenbegrenzung von Kurzmitteilungen in Mitleidenschaft gezogen werden könne, thematisiert diesen Aspekt jedoch anschließend nicht weiter (vgl. Höflich 2003a: 11). Auch Kasesniemi/Rautiainen und Fairon et al. stellen diese Frage und verweisen dabei jeweils auf von Lehrern getätigte Beobachtungen über den schlechten Einfluss der SMS-Sprache auf die Schreibkompetenz der Schüler (vgl. Kasesniemi/Rautiainen 2003: 303 und Fairon et al. 2006: 71f.).
[5] Einer Nutzungsstudie von Infratest Dimap aus dem Jahre 2006 zufolge schreiben 80 Prozent der deutschen Handynutzer regelmäßig SMS, wohingegen nur zehn Prozent regelmäßig Daten per MMS versenden. Als Hauptgrund für die Vernachlässigung der MMS-Funktion wird von den Befragten der zu hohe Preis genannt (vgl. SPIEGEL ONLINE 2006, o.S.). Aktuellere Daten zur Nutzung der Funktionen SMS und MMS liegen mir leider nicht vor, jedoch ist – nicht nur aus eigener Erfahrung und Beobachtung – davon auszugehen, dass sich die Sachlage in den letzten knapp zwei Jahren nicht entscheidend verändert hat.
[6] Dabei sind zwei verschiedene Arten der Übertragung zu unterscheiden, nämlich zum einen die Übertragung gesprochener Sprache beim Telefonat und zum anderen die Übertragung geschriebener Sprache per SMS.
[7] Eine Ausnahme bildet hier lediglich die Face-to-Face-Kommunikation, die aufgrund der Ko-präsenz der Kommunikationsteilnehmer kein Hilfsmittel erfordert (vgl. Dürscheid 2005, o.S.).
[8] An dieser Stelle sind drei Ausnahmen anzuführen: Zum einen besteht auch die Möglichkeit, ein- und dieselbe Nachricht an mehrere Empfänger zu versenden, zum anderen existiert neben der interpersonalen Kommunikation per SMS auch die individualisierte Massen-kommunikation, bei der standardisierte Botschaften massenhaft an spezifische Zielgruppen versendet werden, etwa bei SMS-Informationsdiensten oder bei SMS-Werbung. Daneben gibt es außerdem die Mensch-Maschine-Kommunikation per SMS. Dabei handelt es sich beispielsweise um SMS-Mitteilungen von der Mailbox über neue dort aufgezeichnete Anrufe (vgl. Döring 2002b: 118). Bei diesen drei Arten der SMS-Kommunikation handelt es sich jedoch um Sonderfälle; die mit Abstand wichtigste Form des SMS-Dienstes ist die individuelle Eins-zu-Eins-Kommunikation. Die nachfolgende Charakterisierung bezieht sich ausschließlich auf diese Form der SMS-Kommunikation.
[9] Hier möchte ich Androutsopoulus/Schmidt teilweise widersprechen, die die Kommuni-kationsform SMS ohne Einschränkungen als dialogisch charakterisieren (2001: 51).
[10] Auch in diesen Fällen ist selbstverständlich eine Antwort seitens des Empfängers nicht ausgeschlossen. So kann dieser den empfangenen Auftrag/die erhaltene Information durchaus mit einem „Okay“ bestätigen. Diese Bestätigung wird vom Sender in den meisten Fällen jedoch nicht erwartet; seine primäre Intention ist die Übermittlung von Informationen.
[11] Ortner verwendet hinsichtlich der SMS-Kommunikation ebenfalls den Textsortenbegriff (vgl. 2002: 207). Sie bezeichnet SMS als „Textsortenchamäleons“ (ebd.: 218), die sehr wandlungs-fähig seien und aus verschiedensten Textsorten „gespeist“ (ebd.: 229) würden.
[12] Eine detaillierte Analyse dieser sprachlichen Besonderheiten von Kurznachrichten erfolgt im dritten Kapitel im Rahmen der Untersuchung der von den Schülern protokollierten SMS.
[13] Der Fragebogen ist im Anhang unter M1 einsehbar.
[14] Diese Fragen wurden aufgenommen, da sowohl in zahlreichen SMS-Ratgebern (vgl. z.B. Haller 2003) als auch in der Forschungsliteratur oftmals proklamiert wird, dass sich die SMS-Sprache durch die Verwendung einer Vielzahl von Abkürzungen und Smileys auszeichne. Die beiden Fragen sollten in erster Linie zur Überprüfung dieser Aussage dienen.
[15] Das Aufgabenblatt befindet sich im Anhang unter M2.
[16] Dies betraf vor allem die „Übersetzung“ verschiedener Abkürzungen und graphostilistischer Besonderheiten (wie etwa „xD“ oder „^^“), die mir persönlich nicht bekannt waren.
[17] Der vollständige Leitfaden befindet sich im Anhang (M5).
[18] Auszüge dieser transkribierten Interviews sind im Anhang unter M9 einsehbar.
[19] Die Fragen 14 und 15 werden dabei erst im Rahmen der Analyse der protokollierten Kurz-nachrichten ausgewertet, da sie sich auf sprachliche und graphostilistische Merkmale von SMS beziehen.
[20] Dieses Ergebnis deckt sich mit den Befunden von Höflich (2001: 14) und Döring (2002b: 119), die ebenfalls herausgearbeitet haben, dass die SMS-Funktion häufiger von Mädchen als von Jungen genutzt wird.
- Arbeit zitieren
- Rebecca Hornstein (Autor:in), 2008, SMS-Kommunikation bei Jugendlichen und ihre Einflüsse auf die informelle Briefkommunikation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/165627
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