Intimität ist semantisch betrachtet ein sehr dehnbarer Begriff, dessen
Bedeutung zwischen Alltagsverständnis und theoretischen Diskursen oft
erheblich variiert. Auch innerhalb der Soziologie gibt es bislang noch keine einheitliche Definition, mit der gearbeitet wird. Ein deutliches Indiz dafür ist unter anderem ein Blick in gängige, deutschsprachige Fach-Lexika. Falls Intimität bzw. der Wortstamm „intim“ überhaupt als Eintrag vorkommt, dann vorwiegend nur in Form der „Intimgruppe“.
Im Wörterbuch der Soziologie von Karl Heinz Hillmann wird unter der
Intimgruppe eine „besonders innige Form der sozialen Beziehung zwischen
einer kleineren Anzahl von Menschen“ (Hillmann, 2007) verstanden. Auch im
Wörterbuch der Soziologie, herausgegeben von Wilhelm Bernsdorf (1969),
findet sich nur der Verweis auf Intimgruppen, diese werden dem Kontext von Familiensoziologie und der Soziologie von Gruppen zugeordnet und lassen sich synonym zur Primärgruppe verstehen. Einzig in der grundlegend überarbeiteten Version des Lexikons zur Soziologie wird neben der Intimgruppe auch Intimität definiert, sie wird dort als „Situation innerhalb persönlicher Beziehungen“ bezeichnet, „bei der die Kommunikation besonders eng ist und sich auch auf sonst geheim gehaltene Seiten erstreckt“.
Möchte man den Begriff allerdings umfassender analysieren, kann ein
Fremdwörterbuch eine noch differenziertere Vorstellung darüber vermitteln, was aktuell unter Intimität verstanden wird, als so manches Fachlexikon. Intimität, abgeleitet vom lateinischen Wortstamm „intimus“ als „innerst, vertrautest“ wird hier auf mehreren Ebenen definiert. Einerseits wird sie als „Vertrautheit“, oder als „Vertraulichkeit“ beschrieben, andererseits als „sexuelle, erotische Handlung“, als „gemütliche Atmosphäre“, oder als „Intimsphäre“. Der „Intimus“ wird als innerster, tiefster, geheimer Vertrauter; engster Freund betrachtet.
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Danksagung
- 1. Einleitung
- 1.1 Motiv und Methode
- 1.2 Die sozialwissenschaftliche Bearbeitung von Intimität
- 1.2.1 Intimität im makrosoziologischen-politischen Kontext
- 1.2.2 Intimität im feministischen und interdisziplinären Kontext
- 1.2.3 Intimität im Kontext von tabuisierter Körperlichkeit und Psychologie
- 1.2.4 Intimität im mikro- und familiensoziologischen Kontext
- 2. Georg Simmels phänomenologische Betrachtung von Intimität
- 2.1 Gesellschaft zu Zweien: Intimität als individuell-exklusives Verhältnis
- 2.2 Psychologie der Diskretion
- 2.3 Das Geheimnis
- 2.4 Die Philosophie des Geldes
- 3. Richard Sennetts Tyrannei der Intimität
- 3.1 Von der zivilen zur intimen Gesellschaft
- 3.2 Die intime Gesellschaft heute
- 3.2.1 Intimität als psychologisierte Ideologie
- 3.2.2 Intimität als Unzivilisiertheit
- 3.3 Persönliche Zweierbeziehungen in der intimen Gesellschaft
- 4. Luhmanns systemtheoretische Sicht auf Intimität
- 4.1 Intimität als zwischenmenschliche Interpenetration
- 4.2 Das Kommunikationsmedium Liebe
- 4.3 Das Funktionssystem Intimität
- 4.4 Das Familiensystem
- 5. Vergleich der Theoriekonzepte von Simmel, Sennett und Luhmann
- 5.1 Historischer Entstehungskontext
- 5.2 Perspektiven der Individualität und Exklusivität
- 5.3 Intimität als Gefahr
- 5.4 Querbezüge zu Geschlechterverhältnissen und Sexualität
- 5.5 Synonyme und Metaphern
- 6. Schlussfolgerungen: Intimität als „soziologischer“ Begriff
- 6.1 Intimität als soziologische Form
- 6.2 Versuch einer Neudefinition
- 6.3 Ausblick und weiterführende Überlegungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Magisterarbeit untersucht den soziologischen Begriff der Intimität anhand der Werke von Simmel, Sennett und Luhmann. Ziel ist es, die unterschiedlichen theoretischen Ansätze zu vergleichen und zu analysieren, um ein umfassenderes Verständnis des Konstrukts "Intimität" zu entwickeln.
- Phänomenologische Betrachtung der Intimität bei Simmel
- Sennett's Kritik an der "Tyrannei der Intimität"
- Systemtheoretische Perspektive auf Intimität nach Luhmann
- Vergleich der drei theoretischen Ansätze
- Entwicklung eines umfassenderen soziologischen Intimitätsverständnisses
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung beschreibt die Motivation der Autorin, sich mit dem Thema Intimität auseinanderzusetzen, anstatt wie ursprünglich geplant, mit Liebe und Paarbeziehungen. Sie begründet die Wahl des Themas mit der soziologischen Unterforschtheit des Begriffs Intimität und skizziert die methodische Vorgehensweise der Arbeit. Es wird ein Überblick über die sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung mit Intimität gegeben, eingeteilt in makrosoziologische, feministische/interdisziplinäre, psychologische und mikro-/familiensoziologische Kontexte. Dieser Überblick dient der Einordnung der folgenden Kapitel und der jeweiligen theoretischen Ansätze.
2. Georg Simmels phänomenologische Betrachtung von Intimität: Dieses Kapitel analysiert Simmels Werk und dessen phänomenologische Betrachtung von Intimität. Simmel begreift Intimität als ein individuell-exklusives Verhältnis, das durch Geheimnisse und Diskretion geprägt ist. Die Analyse bezieht sich auf Simmels Schriften zur "Gesellschaft zu Zweien", zur "Psychologie der Diskretion" und zur "Philosophie des Geldes", wobei gezeigt wird, wie Intimität sowohl als Gegenpol zur Öffentlichkeit als auch im Kontext gesellschaftlicher Strukturen verstanden wird. Die Bedeutung des Geheimnisses als konstitutives Element intimen Zusammenlebens wird besonders hervorgehoben.
3. Richard Sennetts Tyrannei der Intimität: Dieses Kapitel befasst sich mit Sennetts kritischer Auseinandersetzung mit dem Konzept der Intimität. Sennett beschreibt einen Wandel von der zivilen zur intimen Gesellschaft, wobei Intimität als psychologisierte Ideologie und als Unzivilisiertheit kritisiert wird. Die Analyse fokussiert auf Sennetts Beschreibung persönlicher Zweierbeziehungen in der intimen Gesellschaft und zeigt die Ambivalenzen auf, die mit der steigenden Bedeutung von Intimität einhergehen. Es wird untersucht, wie die zunehmende Intimitätsforderung individuelles Leben und soziale Beziehungen beeinflusst.
4. Luhmanns systemtheoretische Sicht auf Intimität: In diesem Kapitel wird Luhmanns systemtheoretischer Ansatz zur Analyse von Intimität dargestellt. Luhmann versteht Intimität als zwischenmenschliche Interpenetration, die durch das Kommunikationsmedium "Liebe" vermittelt wird. Die Analyse beleuchtet Luhmanns Konzept des "Funktionssystems Intimität" und die Rolle des Familiensystems. Es wird erörtert, wie Luhmann Intimität als ein eigenständiges System mit spezifischen Kommunikationsmustern beschreibt, das sich von anderen sozialen Systemen abgrenzt. Die Bedeutung von Liebe als Kommunikationsmedium für die Herstellung und Aufrechterhaltung von Intimität wird detailliert untersucht.
5. Vergleich der Theoriekonzepte von Simmel, Sennett und Luhmann: Dieses Kapitel vergleicht die drei zuvor behandelten Theoriekonzepte. Es werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Bezug auf den historischen Entstehungskontext, die Perspektiven auf Individualität und Exklusivität, die Darstellung von Intimität als Gefahr, sowie die Beziehungen zu Geschlechterverhältnissen und Sexualität herausgearbeitet. Der Vergleich umfasst auch die Verwendung von Synonymen und Metaphern für den Begriff Intimität bei den drei Autoren. Das Kapitel dient der Synthese der einzelnen Ansätze und bereitet den Weg zu den Schlussfolgerungen.
Schlüsselwörter
Intimität, Soziologie, Simmel, Sennett, Luhmann, Phänomenologie, Systemtheorie, Gesellschaft, Individualität, Exklusivität, Geheimnis, Liebe, Kommunikation, Familie, Zivilgesellschaft, Moderne.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Magisterarbeit: Soziologische Betrachtung von Intimität
Was ist der Gegenstand der Magisterarbeit?
Die Magisterarbeit untersucht den soziologischen Begriff der Intimität anhand der Werke von Georg Simmel, Richard Sennett und Niklas Luhmann. Ziel ist ein umfassender Vergleich der unterschiedlichen theoretischen Ansätze und die Entwicklung eines erweiterten Verständnisses des Konstrukts "Intimität".
Welche Autoren und Theorien werden analysiert?
Die Arbeit analysiert die phänomenologische Betrachtung der Intimität bei Simmel, Sennetts Kritik an der "Tyrannei der Intimität" und Luhmanns systemtheoretische Perspektive. Die jeweiligen theoretischen Ansätze werden miteinander verglichen und in einen größeren soziologischen Kontext eingeordnet.
Welche Themenschwerpunkte werden behandelt?
Die Arbeit beleuchtet unter anderem Simmels Verständnis von Intimität als individuell-exklusives Verhältnis, geprägt von Geheimnissen und Diskretion; Sennetts Kritik an der Überhöhung von Intimität in der modernen Gesellschaft; und Luhmanns systemtheoretische Beschreibung von Intimität als zwischenmenschliche Interpenetration, vermittelt durch das Kommunikationsmedium "Liebe". Des Weiteren werden die historischen Entstehungskontexte der Theorien, die Perspektiven auf Individualität und Exklusivität sowie die Beziehungen zu Geschlechterverhältnissen und Sexualität untersucht.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in sechs Kapitel: Einleitung, Simmels phänomenologische Betrachtung, Sennetts Kritik, Luhmanns systemtheoretische Sicht, Vergleich der drei Ansätze und Schlussfolgerungen. Die Einleitung beinhaltet die Forschungsmotivation, die Methodik und einen Überblick über die sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung mit Intimität. Jedes Hauptkapitel analysiert den jeweiligen theoretischen Ansatz. Das fünfte Kapitel vergleicht die Ansätze, und das sechste Kapitel zieht Schlussfolgerungen und gibt einen Ausblick.
Welche Zusammenfassung der Kapitel bietet die Arbeit?
Die Arbeit bietet Kapitelzusammenfassungen, die jeweils die zentralen Argumente und Ergebnisse des jeweiligen Kapitels knapp und prägnant zusammenfassen. Diese Zusammenfassungen erleichtern das Verständnis der komplexen theoretischen Ansätze und deren Verknüpfung.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Intimität, Soziologie, Simmel, Sennett, Luhmann, Phänomenologie, Systemtheorie, Gesellschaft, Individualität, Exklusivität, Geheimnis, Liebe, Kommunikation, Familie, Zivilgesellschaft, Moderne.
Welches Ziel verfolgt die Arbeit?
Das Hauptziel der Arbeit ist es, ein umfassenderes und differenzierteres soziologisches Verständnis des Begriffs "Intimität" zu entwickeln, indem die unterschiedlichen theoretischen Ansätze von Simmel, Sennett und Luhmann verglichen und analysiert werden.
Welche Methode wird angewendet?
Die Arbeit verwendet eine vergleichende Analyse der theoretischen Ansätze von Simmel, Sennett und Luhmann. Die Autorin nutzt die vorhandenen Schriften der Autoren, um deren Verständnis von Intimität zu rekonstruieren und zu vergleichen.
Für wen ist diese Arbeit gedacht?
Diese Arbeit richtet sich an Leserinnen und Leser, die sich für soziologische Theorien, insbesondere zur Intimität, interessieren. Sie ist insbesondere für Studierende der Soziologie und verwandter Disziplinen relevant.
Gibt es einen Ausblick oder weiterführende Überlegungen?
Ja, die Arbeit enthält einen Ausblick und weiterführende Überlegungen im letzten Kapitel, die weitere Forschungsfragen und mögliche Entwicklungen des soziologischen Verständnisses von Intimität aufzeigen.
- Quote paper
- Regina Gottwald (Author), 2008, Intimität als soziologischer Begriff, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/165469