In meiner Arbeit möchte ich die Funktion der Sprache in dem Drama El tragaluz von Antonio Buero Vallejo untersuchen. Dazu werde ich im ersten Kapitel zunächst eine Personencharakterisierung anhand der Sprache vornehmen. Es wird herauszustellen sein, daß eine Charakterisierung, auch wenn sie vom Autor nicht gesondert vorgenommen wird, doch allein über das Gesagte möglich ist. Diese Charakterisierung wird auch die drei unterschiedlichen Kommunikationsebenen des Stückes und ihre Funktion vorstellen.
Das folgende Kapitel soll dann zeigen, welche Form der Verdrängung und der Erinnerung über die Sprache der Akteure thematisiert wird. Hier werde ich auch erstmals auf die Nebenfiguren in El tragaluz eingehen. Im vierten Kapitel beschäftige ich mich speziell mit der Unmöglichkeit der Verdrängung. Hier wird der Versuch unternommen, den Bogen von der persönlichen über die politische Ebene zu spannen. Dabei soll gezeigt werden, warum sich die Trauerarbeit nicht allein auf den Einzelnen beschränken darf, sondern auch übergreifend für die gesamte Gesellschaft unternommen werden muß.
Der letzte Teil meiner Arbeit stellt eben diese Ermutigung, das Plädoyer für eine Aufarbeitung der Vergangenheit, noch einmal explizit heraus.
Inhaltsangabe
1. Einleitung
2. Sprache als Mittel der Personencharakterisierung
A. El soñador
El carierista
B. Das Publikum
C. El und Ella
3. Verdrängung und Erinnerung
3.1 Sprache als Mittel der Verdrängung
3.2 Sprache als Mittel der Erinnerung
4. Die Unmöglichkeit der Verdrängung
4.1 Die persönliche Ebene
4.2 Die politische Ebene
5. Ein Plädoyer für die Trauerarbeit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In meiner Arbeit möchte ich die Funktion der Sprache in dem Drama El tragaluz[1] von Antonio Buero Vallejo untersuchen. Dazu werde ich im ersten Kapitel zunächst eine Personencharakterisierung anhand der Sprache vornehmen. Es wird herauszustellen sein, daß eine Charakterisierung, auch wenn sie vom Autor nicht gesondert vorgenommen wird, doch allein über das Gesagte möglich ist. Diese Charakterisierung wird auch die drei unterschiedlichen Kommunikationsebenen des Stückes und ihre Funktion vorstellen.
Das folgende Kapitel soll dann zeigen, welche Form der Verdrängung und der Erinnerung über die Sprache der Akteure thematisiert wird. Hier werde ich auch erstmals auf die Nebenfiguren in El tragaluz eingehen.
Im vierten Kapitel beschäftige ich mich speziell mit der Unmöglichkeit der Verdrängung. Hier wird der Versuch unternommen, den Bogen von der persönlichen über die politische Ebene zu spannen. Dabei soll gezeigt werden, warum sich die Trauerarbeit nicht allein auf den Einzelnen beschränken darf, sondern auch übergreifend für die gesamte Gesellschaft unternommen werden muß.
Der letzte Teil meiner Arbeit stellt eben diese Ermutigung, das Plädoyer für eine Aufarbeitung der Vergangenheit, noch einmal explizit heraus.
2. Sprache als Mittel der Personencharakterisierung
Die Personencharakterisierung in Vallejos El tragaluz basiert auf drei Ebenen. Die erste Ebene besteht aus zwei völlig konträren Weltanschauungen, die zweite Ebene bildet das Publikum und eine weitere stellt das Bindeglied zwischen beiden dar. Dieses Bindeglied sind El und Ella. Ich werde alle Ebenen im Einzelnen vorstellen und auf die Bedeutung eingehen, die ihnen in dem Drama zugrunde liegt.
A. El soñador
In El tragaluz ist die Figur des Mario der soñador, der Träumer. Mario negiert den technischen Fortschritt und die Moderne, weil er in ihm die Oberflächlichkeit der Gesellschaft sieht. Damit hat er durchaus den gesellschaftlichen Hang durchschaut: man sucht das Vergessen im Konsum, das Vergeben im Egoismus[2]. Durch den Fortschritt, das Fort-schreiten, richtet sich der Blick nur nach vorne, nicht jedoch zurück. Das bedeutet zwangsläufig, daß keine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit stattfindet.
Mario prangert dieses Verhalten an. Er setzt sich als Erster mit der Vergangenheit auseinander und hinterfragt die Motive des Bruders. Zudem ist er der Einzige, der auch die Mutter nach dem Geschehenen fragt[3]. Auch reflektiert er das Verhalten des Vaters nicht als Geisteskrankheit, sondern vielmehr als Zeichen der Erinnerung.
El médico habló últimamente de un posible factor
desencadenante ...
(S. 90, Z. 1 f.)
El médico nos preguntó y yo recordé algo ... Pasó
poco después de terminar tú el servicio militar, cuando ya te habías ido de casa.
(S. 90, Z. 11 ff.)
Se levantó una noche y anduvo por aquí diciendo incoherencias ...Y sólo tenía cincuenta y siete años. Madre dormía, pero yo estaba desvelado.
( S. 90, Z. 15 ff.)
Damit wird deutlich, daß Sprache für ihn auch ein Vermittler ist[4]. Er verurteilt den Vater nicht vorschnell als senil, sondern ist bemüht, mögliche Gründe für dessen Verhalten zu erkennen.
Durch sein Verhalten trägt Mario im Wesentlichen dazu bei, daß die Aufarbeitung der Vergangenheit vorangetrieben wird. Denn durch sein beständiges Hinterfragen forscht er nach und versucht, die Wahrheit über die Geschehnisse ans Licht zu bringen. Er ist ein Idealist, der für die Wahrheit auch bereit ist, Unannehmlichkeiten auf sich zu nehmen. Insofern ist er nicht gewillt, zu vergessen, nur weil dieses Vergessen zunächst einmal der einfachere Weg zu sein scheint. Seine Sprache charakterisiert ihn als jemanden, der die Beobachtung und Interpretation, also die passive Teilnahme, vor dem aktiven und intervenierenden Handeln bevorzugt. Seine Handlung spielt sich in erster Linie im Kopf ab.
Ha habido que coserle los bolsillos porque se
cortaba los forros. Pero no conviene contrariarle. Si
tú te precipitas, quizá se habría cortado. Y es que hay que observar, hermano.
(S. 118, Z. 2 ff.)
Sein Eingreifen ist demnach überlegt und selbstlos, er handelt erst, wenn es sein muß und ein Leid ansonsten nicht mehr vermeidbar wäre. Bis dieser Punkt jedoch erreicht ist, bleibt er als Beobachter im Hintergrund.
A. El carierista
Die Gegenfigur zu Mario, dem Idealisten, findet sich in Gestalt seines Bruders Vicente. Vicente ist kein Opfer, er ist der Täter: Geschäftsmann, erfolgreich, gut situiert. Seine Sprache ist geprägt vom geschäftlichen Stil, er gibt kurze, knappe Anweisungen[5]. Dabei legt er Wert auf ein gehobenes Sprachniveau. So kritisiert er Encarna aufgrund ihrer Aussprache, die auf eine ärmliche Herkunft schließen läßt[6]. Insofern ist seine Sprache ein Mittel der Hierarchisierung, denn mit seinen Anweisungen und seiner Kritik nimmt er eine soziale Klassifizierung vor: er ist der Chef, der Angewiesene ist untergeben. Seine soziale Voranstellung wird auch von seinem Handeln untermauert. Denn als erfolgreicher Geschäftsmann kann er sich den Luxus eines Autos erlauben. Darüber hinaus gibt er sich als Wohltäter: er hilft der Familie[7], schenkt seinem Vater Postkarten, bietet seinem Bruder Arbeit an[8] und schützt Encarna.
Jedoch ist diese Mildtätigkeit nicht der Charakterzug eines ehrbaren Mannes, im Gegenteil. Denn im Laufe des Stückes wird eine weitere Eigenschaft Vicentes enthüllt: das Verschweigen. Er schweigt über seine Affäre mit Encarna, seine Einstellung über die Krankheit des Vaters und seinen Boykott Beltráns. Darüber hinaus verschweigt er die Geschehnisse der Vergangenheit und beteuert seine Unschuld, obwohl sein Bruder ihn für schuldig hält.
Vicente: Estábamos tan apretados... Era más facil bajar que subir. Me sujetaron, para que no me quebrara un hueso.
[...]
Mario: Colgado al cuello. ¿O no lo acuerdas? Un saquito. Nuestras escasas provisiones y unos pocos botes de leche para la nena. Él te lo había confiado porque eras el más fuerte... La nena murió unos dias después. De hambre. [...]
( S. 160, Z. 27 ff.)
Vicentes Schweigen über die Vergangenheit kommt also einer Lüge gleich, denn – wie sich später herausstellt - trägt er durchaus die Schuld am Tod seiner Schwester. Seine scheinbare Großzügigkeit ist daher eher ein Versuch, sich von den eigenen Sünden freizukaufen.
Vicente ist damit ein typischer Vertreter des modernen Spaniens. Er verkörpert den technischen Fortschritt und den Blick nach vorn, ohne die Vergangenheit aufzuarbeiten. Ebenso wie der Rest der Gesellschaft sucht er das Vergessen im Konsum und in Oberflächlichkeiten. Diese Einstellung spricht der Sprache als Mittel zur Trauerarbeit ihre Bedeutung ab. Vicente weigert sich zu reden, indem er dauernd seine Unschuld beteuert. Seine materiellen Geschenke lassen jedoch darauf schließen, daß er sich nicht nur seiner Schuld bewußt ist, sondern auch unter ihr leidet. Dennoch handelt er lieber, statt eine Aussprache zu forcieren[9].
B. Das Publikum
Das Publikum bildet die zweite Ebene in El tragaluz, auf der das Problem der Vergangenheitsbewältigung thematisiert wird. In ihm finden sich carieristas und soñadores zugleich, jeder ist betroffen, weil jeder in der Vergangenheit litt oder ab Angehörige hatte, die während des Bürgerkrieges gelitten haben. Aufgrund der persönlichen Erfahrung nimmt das Publikum also eine verkrampfte Haltung der Problematik gegenüber ein, zumindest ist es nicht objektiv.
Um diese Haltung verstehen zu können, muß man wissen, welches Leid die Gesellschaft unter dem Diktator Franco (1892-1975) zu tragen hatte. Der Bürgerkrieg brach in Spanien im Jahre 1936 aus und dauerte rund drei Jahre an. Franco wurde bereits in den Anfängen, unmittelbar nach dem Sturz der Regierung, von der Militärjunta zum Regierungschef gewählt, da alle anderen fähigen Politiker der rechten Rebellen nicht mehr am Leben waren. Während der drei Kriegsjahre ließ er jeden potentiellen Aufständischen hinrichten, um das Volk kontrollieren zu können. Seinen blutigen Höhepunkt fand die Revolution in der Maiwoche 1937, als alle gefangenen Anarchisten hingerichtet wurde. Bereits einen Monat zuvor, am 01. April, hatten die Rebellen ihre offizielle Siegesparade abgehalten.
[...]
[1] Buero Vallejo, Antonio: El tragaluz. Hrsg. von Luis Iglesias Feijoo. Madrid 1967. Im folgenden zitiere ich nach dieser Ausgabe unter Angabe von Seiten und Zeilen in Klammern.
[2] S. ebd.: „Se vive del engaño, de la zancadilla, de la componenda ...! Se vive pisoteando a los demás. [...] Todos piensan que en él no cabe sino comerte a los demás o ser comido.“ (S. 113, Z. 3 ff.)
[3] Vgl. ebd.: „¿Te acuerdas tú mucho de Elvirita, madre?“ (S. 108, Z. 19 ff.)
[4] Vgl. dazu ebd.: „A veces parecen otra cosa. [...] No tan senil.“ (S. 89, Z. 23 und 30)
[5] S. ebd.: „Sigue, Encarnita. No me molestas. [...] ¡Escucha, hombre!... ¡ Que me escuches, te digo! [...] “ (S. 69, Z. 27 ff.)
[6] S. ebd.: Vicente: „¡Mujer!“ , Encarna : „¡“Esplendido“ es con „ese“! ¡Estoy segura!“, Vicente: „Y „espontáneo“ también., Encarna: „¿“Expontáneo“?, Vicente: „Como tú lo dices es con equis, pero lo dices mal.“ (S. 71, Z. 34 ff.)
[7] S. ebd.: „Está muy ocupado. Bastante hace ahora con venir él traernos el sobre cada mes.“ (S. 80, Z. 8 f.)
[8] S. ebd.: „Tú, Mario. Es un puesto de gran porvenir. Para empezar, calcula algo así como triple de lo que ahora ganas. ¿Hace?“ (S. 104, Z. 12 ff.)
[9] S. ebd: “Mario, toda acción es impura. Pero no todas son tan egoístas como crees. ¡No harás nada útil si no
actúas! [...] “ (S. 114, Z. 29 ff.)
- Quote paper
- M. A. Imke Strauß (Author), 2001, Verdrängung und Erinnerung. Untersuchungen zur Funktion der Sprache in Antonio Buero Vallejos Drama 'El tragaluz', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16421
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