Wenn man annimmt, dass die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Gesellschaft die Geschichte einer „Suche nach Sicherheit“ ist, dann stellt sich die Frage, weshalb in den Gründerjahren eine zentrale sicherheitspolitische Entscheidung gegen den Willen der Bevölkerung getroffen wurde.
Die Durchsetzung der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik und der damit verbundenen und endgültig verankerten Westintegration war ein, vielleicht das gelungenste Kabinettstückchen Adenauers, setzte er sie doch gegen den erkennbaren Willen der westdeutschen Gesellschaft durch. Nachdem die ursprüngliche Planung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG), in der deutsche Kontingente in einer europäischen Armee aufgegangen wäre, 1954 an der Französischen Nationalversammlung gescheitert war, wurde die Bundesrepublik ab 1955 im Rahmen der NATO aufgerüstet; es kam nun - zwar unter internationaler Steuerung - zu einer nationalen Armee. Parallel mit dem EVG- Vertrag und später dem Beitritt der BRD zur NATO wurde der Deutschlandvertrag verhandelt, welcher der BRD weitgehende Souveränität verleihen sollte.
Diese Arbeit beleuchtet die Geschichte der Wiederbewaffnungsdiskussion und geht dabei vor allem der Frage nach, auf welche Weise es Adenauer gelang, seine Politik durchzusetzen und welche Ereignisse ihm dabei zu Hilfe kamen. Gab es für die Wiederbewaffnung im Rahmen der Westintegration die überzeugenderen Argumente als gegen sie? Fehlten realisierbaren Alternativen? Aus welchen Beweggründen und sozialen Gruppen entwickelte sich die Ablehnung der Aufrüstung in der Bevölkerung? Welche Rolle spielten verschiedene Ängste der Bevölkerung - vor der endgültigen Teilung Deutsch- lands, vor einem sowjetischen Angriff, vor ewiger Abhängigkeit von den Westmächten - in der Diskussion, welchen Realitätsgehalt hatten sie und wie wurden sie argumentativ ausgenutzt? Nicht seriös untersucht werden kann der Einfluss antikommunistischer Pro- paganda. Ihren Einfluss zu quantifizieren und empirisch nachzuweisen ist bei derzeitigem Kenntnis- und Methodenstand nicht möglich.
Während sich die Argumentation und das Lager der Bewaffnungsbefürworter, das in der parlamentarischen Arena weitgehend aus den Regierungsfraktionen CDU, CSU, FDP und DP bestand, relativ homogen ausnahmen, gab es auf der Seite der Wiederbewaffnungsgegner ein sehr heterogenes Lager, dessen einzige Gemeinsamkeit die Ablehnung der Wiederbewaffnungspolitik der Regierung war. Ebenso heterogen waren die Argumente.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Regierung gegen Friedensbewegung? Argumente und öffentliche Meinung in der Diskussion um die Wiederbewaffnung
- 3. Alternative Friedenskonzeptionen zur Westintegrationspolitik Adenauers
- 3.1 Ein System kollektiver Sicherheit
- 3.2 Neutralität als Alternative zur Westintegration
- 3.3 Zwischenfazit
- 4. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Geschichte der Wiederbewaffnungsdiskussion in der Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis 1955. Sie analysiert die Argumente für und gegen die Wiederbewaffnung im Kontext der Westintegration, untersucht die öffentliche Meinung zur Wiederbewaffnung und stellt alternative Friedenskonzepte vor.
- Die Durchsetzung der Wiederbewaffnung durch Konrad Adenauer trotz des Widerstands in der Bevölkerung.
- Die wichtigsten Argumente für und gegen die Wiederbewaffnung im Rahmen der Westintegration.
- Alternative Friedenskonzepte, wie ein System kollektiver Sicherheit und die Idee einer gesamtdeutschen Neutralität.
- Der Einfluss der sowjetischen Politik auf die Argumentationsstrukturen und die öffentliche Meinung in Westdeutschland.
- Die Rolle von Ängsten in der Bevölkerung, wie die Angst vor einer endgültigen Teilung Deutschlands, vor einem sowjetischen Angriff und vor ewiger Abhängigkeit von den Westmächten.
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel befasst sich mit der Einleitung und stellt die zentrale Frage der Arbeit dar: Wie gelang es Adenauer, seine Politik der Wiederbewaffnung durchzusetzen, obwohl sie der Meinung der Mehrheit der Bevölkerung widersprach? Das zweite Kapitel analysiert die wichtigsten Argumente für und gegen die Wiederbewaffnung. Hier werden die Argumente der Befürworter und Gegner der Westintegration sowie der Einfluss sowjetischer Politik auf die öffentliche Meinung untersucht. Das dritte Kapitel präsentiert zwei alternative Friedenskonzepte: die Idee eines Systems kollektiver Sicherheit und die Idee einer gesamtdeutschen Neutralität. Diese Konzepte werden exemplarisch anhand ihrer konkreten Ausführungen vorgestellt, und es wird untersucht, warum diese Alternativen scheiterten.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen Wiederbewaffnung, Westintegration, Friedenskonzepte, Neutralität, öffentliche Meinung, Politik der Bundesrepublik Deutschland in den 1950er Jahren, Konrad Adenauer, Stalin-Note, Koreakrieg, sowjetische Politik, deutsche Teilung, Angst vor einem sowjetischen Angriff, Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG), NATO.
- Quote paper
- Philipp Ebert (Author), 2010, Wiederbewaffnung wider Willen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/163549