Das Hausbankprinzip erscheint in der einschlägigen Literatur immer wieder als ein für die Finanzierung deutscher Unternehmen typisches und bedeutendes Element. Anhand von Modellen und Überlegungen werden in dieser Literatur häufig die Vor- und Nachteile der Bindung von Unternehmen und Banken aneinander, die Einflüsse der einzelnen Elemente von Hausbankbeziehungen auf die Konditionen der Finanzierung oder die Kosten von Hausbankbeziehungen für die Unternehmen untersucht.
Dabei wird in der Regel davon ausgegangen, dass Banken und Unternehmen sich von engeren Beziehungen zueinander Vorteile versprechen, und dass das Hausbankprinzip deshalb oder aufgrund der geschichtlichen Entwicklung in Deutschland vorherrschend sei.
Empirische Untersuchungen, ob das Hausbankprinzip denn heute tatsächlich noch einen bedeutenden Anteil an der Unternehmensfinanzierung in Deutschland hat, und ob die Bindung an eine Bank für das Unternehmen Vorteile im Vergleich zu seiner Unabhängigkeit hat, sind jedoch selten. Schlüsse aus solchen Studien, ob das Hausbankprinzip für die deutsche Unternehmensfinanzierung insgesamt von Bedeutung ist, fehlen.
In dieser Arbeit sollen daher die bisherigen Studien zusammengetragen und deren Ergebnisse in Bezug auf diese Fragestellung betrachtet werden.
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Gang der Untersuchung
2 Das Hausbankprinzip in der Theorie
2.1 Definition des Begriffes Hausbank
2.2 Bewertung des Hausbankprinzips aus der Sicht der Akteure in der Theorie
2.2.1 Bewertung einer Hausbankbeziehung aus der Sicht des Unternehmens
2.2.1.1 Anzahl und Dauer der Bankbeziehungen
2.2.1.2 Verantwortung der Hausbank
2.2.1.3 Informationsvorteil der Bank
2.2.2 Bewertung einer Hausbankbeziehung aus der Sicht der Bank
2.2.2.1 Anzahl und Dauer der Bankbeziehungen
2.2.2.2 Verantwortung der Hausbank
2.2.2.3 Informationsvorteil der Bank
3 Das Hausbankprinzip in der Praxis
3.1 Erläuterung der betrachteten Kriterien
3.1.1 Exklusivität
3.1.2 Langfristigkeit
3.1.3 Verantwortung der Hausbank in Krisensituationen
3.1.4 Informationsvorteil der Hausbank
3.2 Das Hausbankprinzip in Deutschland
3.2.1 Beschreibung der zugrundeliegenden Erhebungen
3.2.2 Anzahl der Bankbeziehungen eines Unternehmens
3.2.2.1 Auswertung der Daten
3.2.2.2 Zwischenbewertung
3.2.3 Dauer der Bankbeziehung
3.2.3.1 Auswertung der Daten
3.2.3.2 Zwischenbewertung
3.2.4 Verantwortung der Hausbank: Verfügbarkeit von Krediten
3.2.4.1 Auswertung der Daten
3.2.4.2 Zwischenbewertung
3.2.5 Informationsvorteil: Kreditkosten und benötigte Sicherheiten
3.2.5.1 Auswertung der Daten
3.2.5.2 Zwischenbewertung
3.3 Zusammenfassung der Zwischenergebnisse
3.4 Einfluss von Basel II auf die Bedeutung des Hausbankprinzips in Deutschland
4 Fazit
Literatur
Eidesstattliche Erklärung
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Anzahl der Bankbeziehungen von Unternehmen nach Plötscher (2000)
Tabelle 2: Anzahl der Bankbeziehungen von Unternehmen nach Machauer und Weber (2000)
Tabelle 3: Einflüsse auf die Anzahl der Bankbeziehungen von Unternehmen nach Machauer und Weber (2000)
Tabelle 4: Dauer der Bankbeziehungen von Unternehmen nach Plötscher (2000)
Tabelle 5: Durchschnittswerte der Dauer der Bankbeziehungen von Unternehmen nach Unternehmensgröße nach Elsas und Krahnen (1998)
Tabelle 6: Durchschnittswerte der Dauer der Bankbeziehungen von Unternehmen nach Hausbankstatus nach Elsas und Krahnen (1998)
Tabelle 7: Änderungen des Kreditvolumens und des Ratings von Unternehmen nach Elsas und Krahnen (1998)
Tabelle 8: Intensität und Richtung von Ratingänderungen für Unternehmen nach Elsas und Krahnen (1998)
Tabelle 9: Einfluss von Ratingänderungen auf das den Unternehmen zur Verfügung gestellte Kreditvolumen nach Elsas und Krahnen (1998)
Tabelle 10: Einfluss von Hausbankbeziehungen auf das Kreditvolumen als Anteil an der Bilanzsumme des Unternehmens nach Machauer und Weber (1998)
Tabelle 11: Einflüsse auf die Anzahl der den Unternehmen zugesagten Kredite nach Lehmann und Neuberger (2000)
Tabelle 12: Einfluss von Hausbankbeziehungen auf die Verfügbarkeit von Krediten nach Plötscher (2000)
Tabelle 13: Einfluss von Hausbankbeziehungen auf den Anteil des von Unternehmen in Anspruch genommenen Skontos im Verhältnis zum gewährten Skonto nach Harhoff und Körting (1998)
Tabelle 14: Einfluss von Hausbankbeziehungen auf den Zinsaufschlag nach Machauer und Weber (1998)
Tabelle 15: Einfluss von Hausbankbeziehungen auf den Zinsaufschlag nach Harhoff und Körting (1998)
Tabelle 16: Einflüsse auf den Zinsaufschlag nach Lehmann und Neuberger (2000)
Tabelle 17: Einflüsse auf das Verhältnis von Zinsmarge zu Marktzins nach Elsas
(2001)
Tabelle18: Einfluss von Hausbankbeziehungen auf den unbesicherten Kreditanteil nach Machauer und Weber (1998)
Tabelle 19: Einfluss von Hausbankbeziehungen auf die Häufigkeit der Besicherung von Krediten nach Elsas (2001)
Tabelle 20: Einfluss von Hausbankbeziehungen auf die Höhe des besicherten Anteils der Kredite nach Lehmann und Neuberger (2000)
Tabelle 21: Einfluss von Hausbankbeziehungen auf die Häufigkeit der Besicherung von Krediten nach Harhoff und Körting (1998)
Tabelle 22: Zusammenfassung der gefundenen Ergebnisse
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
Das Hausbankprinzip erscheint in der einschlägigen Literatur immer wieder als ein für die Finanzierung deutscher Unternehmen typisches und bedeutendes Element. Anhand von Modellen und Überlegungen werden in dieser Literatur häufig die Vor- und Nachteile der Bindung von Unternehmen und Banken aneinander, die Einflüsse der einzelnen Elemente von Hausbankbeziehungen auf die Konditionen der Finanzierung oder die Kosten von Hausbankbeziehungen für die Unternehmen untersucht.1
Dabei wird in der Regel davon ausgegangen, dass Banken und Unternehmen sich von engeren Beziehungen zueinander Vorteile versprechen, und dass das Hausbankprinzip deshalb oder aufgrund der geschichtlichen Entwicklung in Deutschland vorherrschend sei.2
Empirische Untersuchungen, ob das Hausbankprinzip denn heute tatsächlich noch einen bedeutenden Anteil an der Unternehmensfinanzierung in Deutschland hat, und ob die Bindung an eine Bank für das Unternehmen Vorteile im Vergleich zu seiner Unabhängigkeit hat, sind jedoch selten. Schlüsse aus solchen Studien, ob das Hausbankprinzip für die deutsche Unternehmensfinanzierung insgesamt von Bedeutung ist, fehlen.
In dieser Arbeit sollen daher die bisherigen Studien zusammengetragen und deren Ergebnisse in Bezug auf diese Fragestellung betrachtet werden. Dabei sollen zwei Fragen geklärt werden. Zum einen ist zu überprüfen, ob das Hausbankprinzip tatsächlich in Deutschland häufiger vorkommt als in anderen Ländern. Dazu wird ein kurzer Vergleich der relevanten Kriterien für Deutschland mit denen für die USA angestellt. Nur wenn Hausbankbeziehungen in Deutschland im internationalen Vergleich tatsächlich häufig anzutreffen sind, kann dieses Prinzip hierzulande eine bedeutendere Rolle spielen als woanders. Zum anderen sind Art und Intensität von Vorteilen und Kosten zu untersuchen, die aus einer Hausbankbeziehung für das Unternehmen erwachsen. Auch wenn das Hausbankprinzip in Deutschland vorherrscht, hat es keine Bedeutung für die Finanzierung deutscher Unternehmen, wenn sich daraus keine Vorteile oder Kosten gegenüber Nicht-Hausbankbeziehungen ergeben.
Außer durch akademisches Interesse an dieser Fragestellung erhält das Thema auch durch das Inkrafttreten der neuen Basler Eigenkapitalvereinbarung, kurz Basel II, seine Berechtigung. Die zurzeit häufig diskutierte Finanzierungsproblematik für den Mittelstand und deren zukünftige Entwicklung durch Basel II3 stehen in einem engen Zusammenhang mit der Art der Bankbeziehung, die ein Unternehmen unterhält. Dieser ist deshalb ebenfalls Teil dieser Arbeit. Anhand der gefundenen Ergebnisse über die Bedeutung des Hausbankprinzips wird dessen Interaktion mit dem neuen Basler Akkord betrachtet.
1.2 Gang der Untersuchung
Zunächst wird in Abschnitt 2.1 der Begriff „Hausbankbeziehung“ definiert. Dazu werden verschiedene Definitionsansätze auf ihre Verwendbarkeit für die Aufgabenstellung hin untersucht und kurz diskutiert. Die Elemente der geeignetsten Definition bilden die Ausgangsbasis für die darauf folgenden Betrachtungen und werden daher näher betrachtet.
Im Anschluss daran werden in Abschnitt 2.2 die theoretischen Vor- und Nachteile aus der Sicht der beteiligten Akteure für die Partner einer Hausbankbeziehung erläutert. Das sind vor allem die Unternehmen, die sich für oder gegen eine Hausbankbeziehung entscheiden. Auf ihrer Einschätzung wird daher der Schwerpunkt dieses Abschnittes liegen. Aber auch die Banken, deren Angebote letztendlich die Kosten oder den Kostenvorteil der Hausbankbeziehung für das Unternehmen bestimmen, müssen betrachtet werden, um deren Entscheidungsverhalten nachvollziehen zu können.
In Abschnitt 3 wird die tatsächliche Situation in Deutschland dargestellt, indem diese theoretischen Erkenntnisse an empirischen Untersuchungen gemessen werden. Zunächst werden in Abschnitt 3.1, ausgehend von der gewählten Definition, Kriterien für die Bewertung der Bedeutung des Hausbankprinzips vorgestellt und festgelegt. In Abschnitt 3.2 werden diese Kriterien dann anhand der gefundenen empirischen Untersuchungen betrachtet. Für jedes der Kriterien wird die vorhandene Datenbasis ausgewertet und werden die gefundenen Ergebnisse kurz mit der Situation in den USA verglichen. Der Vergleich mit den USA ist deshalb reizvoll, weil zum einen dort im Gegensatz zum deutschen Universalbankensystem das Trennbankensystem vorherrscht, zum anderen weil in der Literatur gerade die USA (neben Großbritannien) als das typische Gegenbeispiel zu Deutschland in Bezug auf das corporate governance betrachtet werden.4 In einem Zwischenfazit wird betrachtet, ob das jeweilige Kriterium erfüllt ist und wie bedeutend es für die Finanzierung ist.
Abschnitt 3 schließt mit einer Betrachtung der schon eingetretenen und noch erwarteten Auswirkungen des Basel II-Akkords auf die Hausbankfinanzierung für deutsche Unternehmen. Den Abschluss der Arbeit bildet ein Fazit mit einem Ausblick auf zukünftige Entwicklungen.
2 Das Hausbankprinzip in der Theorie
Um dieser Arbeit eine theoretische Grundlage zu geben, soll in diesem Hauptabschnitt zunächst der Begriff der Hausbank definiert und erläutert werden. Daran anschließend werden theoretische Erkenntnisse über die Vor- und Nachteile einer Hausbankbeziehung für Unternehmen und Banken vorgestellt.
2.1 Definition des Begriffes Hausbank
Die in der englischsprachigen Literatur verwendeten Begriffe relationship banking und relationship lending bzw. house bank oder main bank werden in der Literatur häufig gleichbedeutend mit den deutschen Begriffen Hausbankbeziehung bzw. Hausbank verwendet.5 Im Folgenden wird jedoch allein von den zwei letzteren die Rede sein. Der Arbeitskreis „Finanzierung“ (1988) erstellte folgende Definition des Begriffes Hausbank:
„Die Hausbank ist eine Bank, mit der ein größeres Geschäftsvolumen als mit jeder anderen Bankverbindung abgewickelt wird, zu der dauerhafte, vertrauensvolle, d.h. vom gegenseitigen Verständnis geprägte Beziehungen bestehen und von der eine qualifizierte Beratung sowie insbesondere die notwendige Kreditversorgung auch in für die Unternehmung schwierigen Zeiten am ehesten zu erwarten ist. Dieses innerhalb des Netzes von Bankverbindungen dominierende Institut ist bei emissionsfähigen Unternehmen, z.B. anlässlich von Kapitalerhöhungen, regelmäßig Konsortialführer. Der Wechsel einer Hausbankverbindung ist ein außergewöhnliches Ereignis und dementsprechend selten.“6
Aus dieser Definition lassen sich vier Kriterien ableiten:
Arbeitskreis „Finanzierung“ (1988), S. 741.
1. Exklusivität: In der Hausbankbeziehung führt eine Bank, die Hausbank, den größten Teil der Kreditfinanzierung und sonstigen Finanzdienstleistungen für ein Unternehmen durch.
2. Langfristigkeit: Die Beziehung zwischen dem Unternehmen und seiner Hausbank ist dauerhaft, d.h. zunächst zeitlich unbegrenzt, angelegt.
3. Verantwortlichkeit: Die Hausbank trägt gegenüber dem Unternehmen eine besondere Verantwortung für dessen Finanzierung.
4. Gegenüber anderen Kreditinstituten hat die Hausbank einen Informationsvorteil, verdeutlicht durch das gegenseitige Verständnis.
Diese Definition wird auch von Elsas (2001)7 und Fischer (1990)8 übernommen. Die Arbeit von Doberanzke (1993) basiert ebenfalls auf den ersten drei Elementen, sieht den Informationsvorteil jedoch nicht als Bestandteil der Definition. Dieser erwächst vielmehr aus den anderen drei Elementen, insbesondere aus der Langfristigkeit.9 Jedoch führen weder die Langfristigkeit noch eines der anderen Elemente automatisch zu einem gesteigerten Informationstransfer vom Unternehmen zur Bank. Er resultiert vielmehr aus dem Willen des Unternehmens, eine engere Bankbeziehung, eben eine Hausbankbeziehung, einzugehen, und muss deshalb als wesentlicher Bestandteil der Definition gesehen werden.
Die Langfristigkeit äußert sich nicht notwendigerweise in einer gegenüber einer Nicht- Hausbankbeziehung tatsächlich längeren Bankbeziehung. Vielmehr ist die Absicht der Beteiligten, sich zunächst unbefristet zu binden entscheidend, da sonst Anreize fehlen, die Beziehung tatsächlich beizubehalten.10 In einer Studie, die die Determinanten einer Hausbankbeziehung ermittelt, findet Elsas (2002) dementsprechend für die tatsächliche Dauer der Bankbeziehung nur einen geringen Einfluss auf den Hausbankstatus. Die zu 195 Kreditbeziehungen11 befragten Banken sollten jeweils einschätzen, ob eine Hausbankbeziehung besteht, und Gründe für ihre Einschätzung angeben.12 Lediglich zu 18 Beziehungen wurde deren lange Dauer als Grund für die Einschätzung als Hausbankbeziehung genannt, in sechs Fällen wurde die kurze Dauer als Grund für die negative Einschätzung angegeben. Damit >wurde dieses Kriterium lediglich in rund 12% der Fälle als entscheidend angesehen.13 Auch mit statistischen Testverfahren wird kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Dauer einer Bankbeziehung und der Selbsteinschätzung der Bank bezüglich ihres Hausbankstatus gefunden.14 Die gefundenen Kriterien eignen sich jedoch nicht als Definitionsbasis für diese Arbeit, da sie keine Voraussetzungen für eine Hausbankbeziehung sind, sondern deren Auswirkungen, die von den befragten Banken lediglich als Unterscheidungskriterien für die Art der Beziehung genutzt werden.
Der Arbeitskreis „Finanzierung“ (1988), Fischer (1990) und Doberanzke (1993) sehen außerdem als Voraussetzung für die Durchführung des größten Teils der Finanzgeschäfte eines Unternehmens durch eine Bank, dass sie eine Universalbank ist.15 In Ländern mit Trennbankensystem dürften Hausbankbeziehungen demnach nicht existieren, weil die Banken nicht in der Lage sind, alle von einem Unternehmen benötigten Finanzdienstleistungen zu erbringen. Gerade kleinere Unternehmen, die sich überwiegend durch Bankkredite finanzieren16, könnten jedoch auch Hausbankbeziehungen zu den in angelsächsischen Ländern üblichen commercial banks17 unterhalten. Und auch für kleine und mittelgroße Unternehmen in Deutschland gilt, dass ihre Finanzierung weitestgehend über Kredite erfolgt, nicht über den Kapitalmarkt.18 Das Universalbankenprinzip kann also nicht als notwendige Voraussetzung für Hausbankbeziehungen angesehen werden.
Boot (1999) geht in seinem Aufsatz von einer anderen Definition aus. Den von ihm weiter gefassten Begriff des relationship banking definiert er als Bereitstellung von Finanzdienstleistungen durch einen Finanzintermediär, der in das Erlangen von kundenspezifischen Informationen, die sonst nur dem Kunden zugänglich sind, investiert. Die Profitabilität dieser Investitionen wird über alle Geschäfte mit diesem Kunden im Zeitverlauf oder über verschiedene Produkte bewertet. Dieser weite Begriff gilt jedoch nicht nur für Beziehungen zu Banken, sondern auch für die zu allen anderen Finanzdienstleistern, bei denen Boot (1999) zunehmend ebenfalls den Aufbau von engeren Kundenbeziehungen beobachtet.
Er schlägt deshalb als treffenderen Begriff relationship intermediation vor.19 Interessant ist daran, dass auch hier der Informationsvorteil des Intermediärs als entscheidendes Element angesehen wird.
In Hinblick auf das Thema dieser Arbeit erscheint die Definition des Arbeitskreises „Finanzierung“ (1988) als die geeignetste. Sie beschränkt sich auf einen Bereich, der für die Unternehmensfinanzierung von Bedeutung ist. Die Definition von Boot (1999) ist in Bezug auf die Art der Geschäfte für diesen Zweck zu weit gefasst. In Hinblick auf den Urheber der Hausbankbeziehung ist sie hingegen zu eng, da sie die Bank als den Partner der Geschäftsbeziehung sieht, der aktiv wird, um durch das Erlangen von exklusiven Informationen eine Hausbankbeziehung aufzubauen. Tatsächlich werden jedoch beide Akteure, Unternehmen und Bank, in Aufbau und Unterhalt einer Hausbankbeziehung investieren, wenn sie sich daraus Vorteile versprechen, bzw. sie zu vermeiden suchen, wenn sie Nachteile erwarten. Deshalb wird im Folgenden von der Definition des Arbeitskreises „Finanzierung“ (1988) ausgegangen. Allerdings wird sich zeigen, dass eine Bankbeziehung auch dann von Unternehmen oder Bank als Hausbankbeziehung eingeschätzt werden kann, wenn die vier Kriterien nicht streng erfüllt sind. Deshalb wird das Vorliegen von Hausbankbeziehungen in dieser Arbeit an der Erfüllung der ersten beiden Kriterien gemessen, während die letzten beiden dazu dienen, die Auswirkungen von Hausbankbeziehungen festzustellen. Weiterhin erscheint eine Beschränkung auf Kreditbeziehungen angemessen, da der weitaus größte Teil der deutschen Unternehmen, nämlich die kleinen und mittelgroßen Unternehmen, seine Finanzierung hauptsächlich über Kredite abwickelt.20
2.2 Bewertung des Hausbankprinzips aus der Sicht der Akteure in der Theorie
Die Hausbankbeziehung als institutionelles Arrangement zweier Parteien muss mindestens einer der beiden Parteien einen Vorteil gegenüber der Situation ohne Hausbankbeziehung geben. Nur, wenn mit dieser Beziehung Ziele erreicht werden, die ansonsten nicht oder weniger effizient zu erreichen wären, wird sie angestrebt.21 In diesem Abschnitt wird sich jedoch zeigen, dass sich regelmäßig mehrere Effekte mit unterschiedlichen, d.h. gegenläufigen Tendenzen, herausbilden. Sowohl Banken als auch Unternehmen müssen deshalb für sich die Vor- gegen die Nachteile abwägen und ein Optimum suchen. Die theoretische Diskussion hat ihre Ursprünge bei Mayer (1988), der die Besonderheiten des Kreditmarktes aufzeigt und erstmals bezweifelt, dass zunehmender Wettbewerb auf dem Kreditmarkt dessen Effizienz verbessert.22
In diesem Abschnitt sollen deshalb Gründe, die für oder gegen den Unterhalt einer Hausbankbeziehung sprechen, aus der Sicht der Akteure, das heißt der Bank als Kreditgeber und dem Unternehmen als Kreditnehmer, dargestellt werden. Dabei handelt es sich zunächst um allgemeine Aspekte, die einer quantitativen Betrachtung häufig nicht zugänglich sind, so z.B. der Aufbau einer Vertrauensbeziehung zwischen Bank und Unternehmen. Aber auch quantifizierbare Größen werden erläutert und bei Relevanz für die empirischen Untersuchungen in Abschnitt 3.1 nochmals aufgegriffen. Dort werden aus diesen Punkten dann Kriterien zur Überprüfung der Bedeutung des Hausbankprinzips entwickelt. Die Gliederung orientiert sich an den Bestandteilen der Definition der Hausbankbeziehung.
2.2.1 Bewertung einer Hausbankbeziehung aus der Sicht des Unternehmens
Da in dieser Arbeit die Bedeutung des Hausbankprinzips für die Unternehmensfinanzierung betrachtet werden soll, werden in diesem Abschnitt zunächst deren Vor- und Nachteile für Unternehmen betrachtet.
2.2.1.1 Anzahl und Dauer der Bankbeziehungen
Als ein wesentlicher Einflussfaktor auf die Anzahl der unterhaltenen Bankbeziehungen wird in der Literatur die Größe des Unternehmens angesehen. Größere Unternehmen benötigen unter Umständen mehrere Bankbeziehungen, weil ihr Kapitalbedarf die Kapitalbeschaffungskapazität einer Bank übersteigt.23 Außerdem fällt es ihnen leichter, ihre Finanzierungsaktivitäten auch mit mehreren Banken zu koordinieren, da sie häufiger eigene Finanzabteilungen unterhalten. Ab einer bestimmten Größe des Kapitalbedarfs steht dem Unternehmen jedoch der Kapitalmarkt zur Finanzierung offen, Bankkredite verlieren an Bedeutung.24 Bei kleineren Unternehmen hingegen ist das Volumen des Kapitalbedarfs zu gering, um es auf mehrere Kreditinstitute zu verteilen. Auch wären die Informationsbeschaffung über verschiedene Kreditangebote und die Koordination zu aufwändig und damit zu teuer.25 Die optimale Anzahl an Bankbeziehungen hängt demnach zunächst von der Größe des Unternehmens ab.
Ein wesentlicher Nachteil beim Unterhalt mehrerer Kreditbeziehungen zu Banken ist das entstehende free rider-Problem beim Monitoring. Keine der Banken würde die Kosten eines effizienten Monitoring auf sich nehmen, da die Informationen daraus durch das Eingehen der Kreditbeziehung mit dem Unternehmen bzw. durch das Verweigern von Krediten auch den Mitbewerbern offenbart werden. In einer Hausbankbeziehung liegt diese Verantwortung hingegen nur bei einer Bank.26 Auf der anderen Seite kann auch eine einzelne Bankbeziehung für das Unternehmen aufgrund des Informationsvorteils der Hausbank nachteilig sein. Mit zunehmender Intensität der Beziehung zwischen Bank und Unternehmen gewinnt die Bank Einblicke in das Unternehmen und erlangt damit finanzierungsrelevantes Wissen. Dieses Wissen bestünde auch im Falle der Auflösung der Beziehung weiter. Ein Unternehmen, das Informationen über seine Finanzinterna nicht zu weit streuen will und die Aufwendungen zum Aufbau einer neuen Beziehung scheut, wird deshalb nur sehr ungern die Bank wechseln, es sieht sich in seiner bestehenden Bankbeziehung gefangen. Dadurch hat die Hausbank ein „Monopol“ auf die Finanzgeschäfte des Unternehmens, es kommt nicht zu einem Wettbewerb zwischen den Banken. Dieser Effekt wird als lock in- oder hold up-Effekt bezeichnet.27 Diesen zu umgehen ist ein Grund für die Vermeidung von Hausbankbeziehungen.
Während die vorangegangenen Aspekte sich auf die Entscheidung beziehen, ob zusätzliche Bankbeziehungen eingegangen werden sollen, spielt auch das Entscheidungsverhalten bei der anfänglichen Wahl der Anzahl der Bankbeziehungen eine Rolle. Um ein lock in zu vermeiden, kann das Unternehmen nämlich von vornherein eine zweite Bankbeziehung zur Finanzierung eingehen. Damit entsteht zwischen den beiden beteiligten Banken ein Wettbewerb, der verhindert, dass eine Bank als Monopolist die gesamte Rente abschöpfen kann. Gleichzeitig sind bei zwei Banken noch keine free rider-Probleme in Bezug auf das Monitoring zu erwarten, beiden Banken können hinreichend Informationen zur Verfügung gestellt werden, um das Monitoring so günstig wie möglich zu halten.28 Der Unterhalt einiger weniger Bankbeziehungen erscheint deshalb als vorteilhaft für das Unternehmen gegenüber der strengen Exklusivität oder vielen Bankbeziehungen.
Auch muss ein Unternehmen, um für seine Finanzierung günstige Konditionen zu erhalten bzw. um überhaupt Kapitalgeber zu finden, Informationen offenbaren. Bei einer Finanzierung mit mehreren oder wechselnden Bankverbindungen muss das Unternehmen diese Informationen jeder Bank offenbaren, um Angebote für Kredite zu erhalten und vergleichen zu können. Damit stehen sie einem breiteren Kreis zur Verfügung als in einer exklusiven Hausbankbeziehung. Daran kann aber das kapital suchende Unternehmen kein Interesse haben. In einer von Anfang an als Hausbankbeziehung geplanten Beziehung legt es diese Informationen nur seiner Hausbank offen, und es kann aufgrund des gegenseitigen Vertrauens erwarten, dass die Bank diese Informationen nicht weiterverbreiten wird.29
Eine längerfristige Beziehung eines Unternehmens zu einer Bank führt bis zu einem gewissen Grad automatisch zu einem Informationstransfer und kann deshalb für das Unternehmen auch die Verbesserung seiner Reputation außerhalb dieser Beziehung, beispielsweise auf dem Kapitalmarkt oder gegenüber weiteren Banken, bedeuten. Andere potenzielle Kapitalgeber gehen davon aus, dass die Hausbank das Unternehmen deshalb finanziert, weil sie mit Hilfe ihres Informationsvorsprunges dessen Bonität gut einschätzt, und die Langfristigkeit deutet darauf hin, dass das Unternehmen ein Mindestmaß an Zuverlässigkeit erreicht. Sie gewähren daher dem Unternehmen bessere Konditionen bzw. erhöhen die Verfügbarkeit von Krediten für das Unternehmen.30
2.2.1.2 Verantwortung der Hausbank
Dieser Aspekt stellt in der Literatur zu Hausbankbeziehungen häufig das zentrale Element dar.31 Die besondere Verantwortung der Hausbank gegenüber dem Unternehmen drückt sich vor allem in der Höhe der diesem bereitgestellten Kredite aus. Die Verfügbarkeit von Krediten kann für das Unternehmen in einer Hausbankbeziehung dadurch ansteigen, dass die Bank in finanziellen Krisensituationen des Unternehmens vor der Wahl steht, ihre Forderung abzuschreiben, oder ein prinzipiell gesundes Unternehmen mit weiteren Krediten zu unterstützen, um den Totalausfall der Forderung zu verhindern. Nicht-Hausbanken können aufgrund ihres Informationsnachteils nicht oder nur zu hohen Kosten einschätzen, ob die Krise des Unternehmens exogen verursacht wurde und eine finanzielle Unterstützung nur der Überbrückung dient, oder ob die Krise hausgemacht ist und nicht einfach überbrückt werden kann. Sie wird ihre Forderungen deshalb eher abschreiben als neue Kredite zu vergeben.32
Rajan (1991) stellt diesen Aspekt in einem zweiperiodigen Modell mit kreditsuchendem Unternehmen, Hausbank und Nicht-Hausbank dar. Er abstrahiert insofern, als er das Unternehmen als allein mit diesem Kredit finanziert betrachtet, deshalb spricht er auch von einem Projekt.33 Um aber im Bild der hier betrachteten Banken-Unternehmen-Beziehungen zu bleiben, wird hier weiterhin von einem Unternehmen gesprochen. Nimmt das Unternehmen einen Kredit bei seiner Hausbank auf, so stehen der Hausbank im Modell alle Informationen zur Verfügung, die das Unternehmen besitzt, es besteht also keine Informationsasymmetrie. Außerdem sind Kreditverträge in Hausbankbeziehungen nachverhandelbar, das heißt, dass wenn am Ende der ersten Periode die Umweltbedingungen für den Erfolg der Investition am Ende der zweiten Periode feststellbar sind der Vertrag für die zweite Periode an diese Bedingungen angepasst werden kann. Diese Anpassung besteht im Modell aus den Möglichkeiten, das Unternehmen fortzuführen oder es zu liquidieren.34
Im Gegensatz dazu hat eine Nicht-Hausbank im Falle einer Kreditgewährung keine Einsicht in unternehmensinterne Informationen.35 Diese Art der Finanzierung kann als Anleihefinanzierung, bei der die Investoren aufgrund ihrer hohen Zahl und des free rider-Problems nicht in ein Monitoring des Unternehmens investieren, interpretiert werden.36 Weiterhin sind bestehende Verträge für die Nicht-Hausbank nicht nachverhandelbar, d.h. sie schließt Verträge nur für die vollen zwei Perioden ab.37
Dieses Modell erklärt nun die Verantwortung der Hausbank gegenüber dem Unternehmen in Notlagen nicht als Verpflichtung, dieses unter allen Umständen bei Liquiditätsengpässen zu finanzieren. Vielmehr begründet es effizientere Entscheidungen der Hausbank, eine Liquidation des Unternehmens vorzunehmen, oder die Finanzierung fortzusetzen.38 Eine Liquidation wird sie dann vornehmen, wenn der Erlös aus der Liquidation den erwarteten Ertrag aus dem fortgeführten Unternehmen übersteigt.39 Die Nicht-Hausbank ist zu solch effizienten Entscheidungen nicht in der Lage, da sie weder über die Kenntnis über die Umweltbedingungen verfügt, noch kann sie die Vertragsbedingungen effizient an die veränderte Umweltsituation anpassen. Hier liegt die Verantwortung für die Entscheidung über Fortsetzung oder Liquidation demnach bei dem Unternehmen selbst, das an einer Liquidation allerdings nicht interessiert ist.40 Die Verantwortung der Hausbank resultiert daher aus ihrer Mitwirkung an unternehmensrelevanten Entscheidungen. Diese Verantwortung besteht auch, wenn man von den stark vereinfachenden Maßnahmen des Modells absieht.
Schertler (1998) leitet sogar eine rechtliche Verpflichtung der Hausbank gegenüber dem Unternehmen her, diesem im Falle eines existenzbedrohenden Liquiditätsengpasses weitere Kredite zu gewähren.41 Auf diesen Aspekt soll hier allerdings nicht näher eingegangen werden.
2.2.1.3 Informationsvorteil der Bank
Der Informationsvorteil der Bank sollte für das Unternehmen vor allem zu Konditionen führen, die seiner wirtschaftlichen Situation angepasst sind. Es liegt nahe zu vermuten, dass ein Unternehmen, dessen Bonität von seiner Bank gut bewertet wird, bei Krediten günstigere Konditionen von ihr erhält als ein schlechter bewertetes Unternehmen. Das kann man damit begründen, dass die Bank für dieses Unternehmen ein geringeres Risiko annimmt und deshalb niedrigere Kosten hat.42 Diese Kostensenkung muss sie aber an das Unternehmen weitergeben, weil dieses sonst einen Anreiz hätte, die Bank zu wechseln. Zunächst würde jede Bank nach dieser Vermutung beim ersten Abschluss eines Kreditvertrages von neuen Kunden höhere Zinsen verlangen, als die tatsächliche Bonität des Unternehmens es verlangt, da diese ex ante nicht beobachtbar ist. Die Hausbank kann die verlangten Zinsen bei weiteren Geschäftsabschlüssen aufgrund ihrer Erfahrungen an die tatsächliche Bonität des Unternehmens anpassen oder, bei sehr schlechten Schuldnern, die Geschäftsbeziehung beenden. Die Kosten für die Informationsbeschaffung sinken. Die Nicht-Hausbank schließt hingegen definitionsgemäß nicht automatisch weitere Geschäfte mit dem Unternehmen ab, sondern nur, wenn sie sich im weiteren Wettbewerb wiederum als die günstigere Bank gegen ihre Konkurrenten durchsetzt. Diese These impliziert im Zeitverlauf sinkende Kosten in einer Hausbankbeziehung.43
Allerdings wird dabei der lock in-Effekt nicht berücksichtigt. Fischer (1990) setzt dieser Vermutung deshalb entgegen, dass die Information über die Bonität des Unternehmens auch für andere Banken transparent sein muss. Ist sie das nicht, so brächte ein Bankwechsel dem Unternehmen zunächst keine günstigeren Konditionen, jedoch den Aufwand des Wechsels und der Etablierung eines neuen Vertrauensverhältnisses. Demnach müsste der Zinssatz in der Hausbankbeziehung mit zunehmender Dauer nicht sinken und könnte sogar steigen.44
Durch ihre Information über das Unternehmen könnte die Bank nämlich auch versucht sein, im späteren Verlauf der Beziehung nach deren Etablierung vom Unternehmen höhere Preise zu fordern, da das Unternehmen den Aufwand eines Bankwechsels scheut.45 Diese zunehmende Zinsmarge über den sinkenden Refinanzierungskosten der Bank kann als Preis für das Vertrauensverhältnis betrachtet werden.
Insbesondere junge Unternehmen, über die noch keine offen zugänglichen Informationen vorhanden sind, müssten sich ohne Hausbankbeziehung zunächst zu extrem ungünstigen Konditionen finanzieren, weil wegen des kaum einzuschätzenden Risikos aufgrund fehlender historischer Daten über das Unternehmen potenzielle Kapitalgeber hohe Sicherheitszuschläge verlangen würden, oder eine Finanzierung würde wegen der Unsicherheit der Rückzahlung überhaupt nicht zustande kommen. Das gleiche gilt für zu sanierende Unternehmen, die wenig liquide sind. In einer langfristig angelegten Hausbankbeziehung könnte eine kreditgebende Bank hingegen zu Beginn der Beziehung „subventionierte“ Kredite vergeben, die sie später durch weitere Geschäfte oder höhere Preise wieder ausgleichen kann. Für diese Unternehmen bedeutet das eine erhöhte Verfügbarkeit von Krediten bei im Zeitverlauf steigenden Kreditzinsen.46 Dazu muss sich das Unternehmen allerdings glaubhaft zu einer längerfristigen Beziehung verpflichten können, da es später sonst einfach zu günstigeren Angeboten anderer Banken wechseln könnte.47
Ein für die Planungssicherheit in der Unternehmensfinanzierung bedeutsamer Aspekt ist die Zinsglättung durch die Hausbank. Die aus der engen und langfristigen Beziehung zwischen Bank und Unternehmen resultierende Monopolmacht der Bank erlauben ihr theoretisch die kongruente Refinanzierung der vergebenen Kredite über core deposits, also langfristige Einlagen, die nur wenig auf Marktzinsänderungen reagieren. Marktzinsschwankungen können dadurch aufgefangen werden und müssen nicht an das kreditnehmende Unternehmen weitergegeben werden. Das Unternehmen erfährt damit nur gedämpfte Zinsschwankungen, die die Konditionen bei einer Verlängerung des Kredites besser abschätzen lassen.48
Durch den Informationsvorteil der Hausbank könnten sich auch die Anforderungen an das Unternehmen, Kreditsicherheiten zu stellen, vermindern.49 Dadurch wird das Unternehmen von Opportunitätskosten entlastet, da es die Sicherheiten anderweitig einsetzen kann. Dem widersprechend wäre auch vorstellbar, dass die Hausbank bessere Informationen über die beim Unternehmen verfügbaren Sicherheiten hat als die Nicht-Hausbank, und sie diese deshalb bei Vertragsabschluss leichter einfordern kann.50
Auch ist es für Unternehmen mit einer engen Beziehung zu einer Bank einfacher, mit dieser laufende Verträge nachzuverhandeln. Bei Abschluss eines neuen Vertrages kann sich das Unternehmen deshalb leichter auf strenge Vertragsklauseln (sogenannte covenants) einlassen, da seine Hausbank aufgrund ihrer erweiterten Informationsmöglichkeiten Nachverhandlungen zustimmen wird, falls sich diese covenants als suboptimal erweisen.51
2.2.2 Bewertung einer Hausbankbeziehung aus der Sicht der Bank
Die Hausbank ist der zweite Akteur in Bankbeziehungen. Um ihr Verhalten verstehen zu können, ist es wichtig, die Vor- und Nachteile enger Bankbeziehungen auch aus ihrer Sicht zu betrachten. Die Vorgehensweise entspricht der des vorigen Abschnittes.
2.2.2.1 Anzahl und Dauer der Bankbeziehungen
Die Kosten, die der Bank bei einer Kreditgewährung entstehen, lassen sich in wertunabhängige und wertabhängige Kosten aufteilen. Der Wert entspricht dabei dem Kreditvolumen und bestimmt die Kosten für die Refinanzierung eines Kredites. Außerdem geht er in den Preis mit ein, den der Kreditnehmer für den Kredit zahlen muss. Wertunabhängige Kosten hingegen entstehen aus der Arbeitszeit, die bei der Informationssammlung, der Aushandlung und dem Vertragsabschluss eines Kredites aufgewendet werden muss. Dabei handelt es sich weitestgehend um Fixkosten. Je größer der Kredit ist, desto niedriger ist nun das Verhältnis aus Kreditkosten und Kreditwert. Für die Bank ist es deshalb unter Vernachlässigung des Sicherheitsaspektes vorteilhaft, möglichst große Kredite zu vergeben. Eine Bündelung der Kreditfinanzierung eines Unternehmens bei einer Bank, d.h. der Unterhalt weniger Bankbeziehungen, ist deshalb für die Bank vorteilhaft.52
Außerdem ist es für eine Bank teurer, Kunden neu zu gewinnen als Kundenbeziehungen zu pflegen. Der Aufwand für die Neukundengewinnung beträgt etwa das vier- bis sechsfache der Kosten zur Pflege bereits bestehender Kundenbeziehungen. Deshalb sind Banken daran interessiert, Kunden möglichst lange zu halten. Eine von vornherein befristete Beziehung ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn das abgeschlossene Geschäft einen Deckungsbeitrag erbringt. Ist das nicht der Fall, so muss die Bank ihre Verluste aus diesem Geschäft durch cross selling ausgleichen, was bei einer einmaligen Geschäftsbeziehung ausgeschlossen ist.53
Banken müssen sich, um die Risiken eines Kredites einschätzen zu können, Informationen über das kreditsuchende Unternehmen beschaffen. Diese Informationsbeschaffung ist allerdings teuer, und sie lohnt sich regelmäßig nur, wenn eine längerfristige Bank-Kunde-Beziehung oder der Abschluss weiterer Geschäfte mit dem Unternehmen zu erwarten sind, für die diese Informationen ebenfalls verwendet werden können. Die Hausbankbeziehung hilft also, sunk costs mit entsprechenden Erträgen zu decken.54
Auch lassen sich diese sunk costs55 weitestgehend vermeiden, wenn die Bankbeziehung schon längere Zeit besteht. Dann kann die Bank nämlich auf eine ex ante-Prüfung des Kreditnehmers verzichten, weil es ihn und sein Verhalten ex post aus ihrer bisherigen Erfahrung beurteilen kann. Wiederholte Kredite an das gleiche Unternehmen lassen sich in diesem Rahmen wie eine Verlängerung oder Erhöhung des bestehenden Kredites betrachten, für die bestimmte Verhandlungsschritte nicht wiederholt werden müssen, weil beiden Parteien das Zielsystem der jeweils anderen Seite mittlerweile bekannt ist.56 Das betrifft die Aufwendungen für Informationen während der Akquisitions-, der Verhandlungs- und der Kontraktabschlussphase. Gerade diesen drei Phasen kommt dabei unter lernprozessualen Aspekten eine besondere Bedeutung zu, weil sie den größten Arbeitsaufwand verursachen und eine intensive Beschäftigung mit dem Kreditnehmer erfordern.57
2.2.2.2 Verantwortung der Hausbank
Durch eine Hausbankbeziehung erhält die Bank Einblicke in das Unternehmen, die ihr sonst verwehrt werden würden. Der daraus resultierende Informationsvorteil lässt die Unsicherheit über zukünftige Entwicklungen des Unternehmens sinken. Aufbauend auf dem bereits vorgestellten Modell von Rajan (1991) leitet Fischer (1990) her, dass eine Nicht-Hausbank im Wettbewerb mit einer Hausbank um eine Finanzierung gar nicht zum Zuge kommen kann. Das Modell geht davon aus, dass Kredite über zwei Perioden vergeben werden, wobei schon am Ende der ersten Periode der Erfolg, der sich am Ende der zweiten Periode einstellt, absehbar ist, allerdings nur für das Unternehmen und die Hausbank. Es können nach der ersten Periode zwei Situationen eintreten. In der ersten, der „guten“ Situation, erwirtschaftet das Unternehmen einen seiner Planung entsprechenden Betrag und kann am Ende der zweiten Periode den Kredit voll zurückzahlen. Die zweite, die „schlechte“ Situation führt zu einem Ausfall des Kredites am Ende der zweiten Periode. Die Hausbank kann die Kreditbedingungen nach der ersten Periode nachverhandeln, die Nicht-Hausbank kann das nicht und muss die Konditionen deshalb für zwei Perioden im Voraus festlegen.58
Nach der ersten Periode kann die Hausbank die Kreditkonditionen an die eingetretene Situation anpassen und damit den Kreditzins für die zweite Periode kostengerechter festlegen. Die Nicht-Hausbank hat keine Informationen über den eingetretenen Umweltzustand und muss im Voraus für zwei Perioden anbieten. Sie muss daher in ihrer Kalkulation die Wahrscheinlichkeit des Eintretens des schlechten Umweltzustandes berücksichtigen, und kann günstigstenfalls zu einem Preis anbieten, bei dem sie keinen Verlust erleidet, also zum Erwartungswert der Einzahlungen. Diesen kann die Hausbank aber immer unterbieten, da sie das Eintreten des schlechten Umweltzustandes nicht berücksichtigen muss.59 Bei einem Spiel in reinen Strategien, wenn die Nicht-Hausbank also immer mindestens den Erwartungswert ihrer Kosten fordert, wird sie deshalb nicht zum Zuge kommen. Erst wenn sie zu einer gemischten Strategie wechselt, also hin und wieder auch zu einem günstigeren Preis anbietet, hat sie eine Chance, das Unternehmen zu finanzieren. Dabei geht sie aber ein erhöhtes Risiko ein.60
2.2.2.3 Informationsvorteil der Bank
Mit zunehmender Intensität und Dauer der Beziehung gerät das Unternehmen in eine immer stärkere Abhängigkeit von der Bank, da es immer aufwändiger und teurer wird, zu einer anderen Bank zu wechseln. Dieser als für das Unternehmen bereits negativ geschilderte lock in-Effekt gibt der Hausbank die Möglichkeit, im Zeitverlauf steigende Preise für ihre Leistungen zu verlangen.61 In einer Hausbankbeziehung besteht für die Bank außerdem die Möglichkeit, Leistungen nicht kostendeckend anzubieten und den fehlenden Deckungsbeitrag gleichzeitig oder zu einem späteren Zeitpunkt durch andere Geschäfte mit dem Unternehmen zu erwirtschaften.
[...]
1 Vgl. z.B. Fischer (1990), oder Allen und Gale (1999).
2 Vgl. z.B. Handelsblatt (2003), Quack und Hildebrandt (1995), S. 6, oder Schmidt, Hackethal und Tyrell (2001), S. 31.
3 Vgl. z.B. Lichtblau und Utzig (2002), S. 326.
4 Vgl. Emmons und Schmidt (1998), S. 19.
5 Vgl. z.B. Doberanzke (1993), S. 23, oder Elsas (2001), S. 14.
6 Vgl. Elsas (2001), S. 12. Vgl. Fischer (1990), S. 53.
7 Vgl. Doberanzke (1993), S. 20-22.
8 Vgl. Allen und Gale (1999), S. 1245.
9 Vgl. Elsas (2002), S. 9.
10 Vgl. Elsas (2002), S. 1.
11 Vgl. Elsas (2002), S. 9.
12 Vgl. Elsas (2002), S. 13.
13 Vgl. Arbeitskreis „Finanzierung“ (1988), S. 742, Fischer (1990), S. 53, und Doberanzke (1993), S. 21.
14 Vgl. Deutsche Bundesbank (1992), S. 27.
15 Vgl. Hildebrandt (1999), S. 11.
16 Vgl. Sauvé und Scheuer (1999), S. 69.
17 Vgl. Boot (1999), S. 10-12.
18 Vgl. Sauvé und Scheuer (1999), S. 69.
19 Vgl. Elsas (2001), S. 22.
20 Vgl. Mayer (1988), S. 1182.
21 Vgl. Ongena und Smith (1998), S. 31.
22 Vgl. Deutsche Bundesbank (1992), S. 26.
23 Vgl. Doberanzke (1993), S. 53.
24 Vgl. Boot (1999), S. 8.
25 Vgl. Rajan (1991), S. 16.
26 Vgl. Farinha und Santos (2001), S. 127.
27 Vgl. Boot (1999), S. 13.
28 Vgl. Boot (1999), S. 15.
29 Vgl. Elsas (2001), S. 26.
30 Vgl. Elsas (2001), S. 25f.
31 Vgl. Rajan (1991), S. 4.
32 Vgl. Rajan (1991), S. 5f.
33 Vgl. Rajan (1991), S. 5.
34 Vgl. Elsas (2001), S. 30.
35 Vgl. Rajan (1991), S. 5.
36 Vgl. Elsas (2001), S. 40.
37 Vgl. Elsas (2001), S. 38.
38 Vgl. Rajan (1991), S. 7.
39 Vgl. Schertler (1998), S. 109-112.
40 Vgl. Boot und Thakor (1994), S. 899.
41 Vgl. Degryse und Van Cayseele (1999), S. 93.
42 Vgl. Doberanzke (1993), S. 19f.
43 Vgl. Doberanzke (1993), S. 24.
44 Vgl. Fischer (1990), S. 25.
45 Vgl. Fischer (1990), S. 26. Eine Möglichkeit dazu stellt z.B. die sogenannte „Negativitätsklausel“ in Kreditverträgen dar,
46 vgl. Doberanzke (1993), S. 41.
47 Vgl. Berlin und Mester (1999), S. 1.
48 Vgl. Elsas (2001), S. 178.
49 Vgl. Elsas (2001), S. 218.
50 Vgl. Boot (1999), S. 14.
51 Vgl. Gerke (1993), S. 620.
52 Vgl. Müller und Riesenbeck (1991), S. 69.
53 Vgl. Boot (1999), S. 13.
54 Vgl. Gehrig (2000), S. 1.
55 Vgl. Doberanzke (1993), S. 61.
56 Vgl. Doberanzke (1993), S. 55.
57 Vgl. Fischer (1990), S. 36.
58 Vgl. Fischer (1990), S. 36-38.
59 Vgl. Fischer (1990), S. 38f.
60 Vgl. Fischer (1990), S. 25.
61 Vgl. Fischer (1990), S. 25.
- Arbeit zitieren
- Carsten Jörges (Autor:in), 2003, Die Bedeutung des Hausbankprinzips für die Finanzierung deutscher Unternehmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16341
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