Neben den Massenmorden der Nationalsozialisten an den Juden und den Massakern der Türken an den Armeniern während des ersten Weltkrieges gelten die Geschehnisse in Ruanda im Jahr 1994 als der dritte offiziell anerkannte Völkermord. Binnen kürzester Zeit, zwischen Anfang April und Mitte Juli 1994, wurden in dem ostafrikanischen Land schätzungsweise 800 000 Menschen vor den Augen der Weltöffentlichkeit umgebracht.
Extremisten der Hutu-Bevölkerungsmehrheit ermordeten unter Mithilfe zahlreicher Zivilisten auf meist grausame Weise vorwiegend Mitglieder der Minderheit der Tutsi, aber auch moderate und oppositionelle Hutu. Gleichzeitig startete die Ruandische Patriotische Front RPF, eine vorwiegend aus Tutsi bestehende Miliz, die sich Ende der 1980er Jahre im benachbarten Uganda formiert hatte, eine Großoffensive auf das ruandische Regime.
Die Vereinten Nationen, die zur Überwachung der Einhaltung eines Friedensvertrags bereits seit 1993 mit einer Blauhelmtruppe vor Ort waren, griffen aufgrund großer innerer Differenzen nicht in die Geschehnisse ein. Vor Ort stationierte Einheiten unter dem belgischen Kommandanten Roméo Dallaire sowie viele Staaten der Organisation für afrikanische Einheit OAU forderten wiederholt zu einer dringend notwendigen Beendigung der Morde durch die Vereinten Nationen auf. Doch während sich die Lage in Ruanda immer weiter verschlimmerte, gelang es der Staatengemeinschaft nicht, eine einheitliche Linie zu finden. Streitpunkt war vor allem die Aufstockung der Truppe und ein robustes Mandat als Handlungsgrundlage. Außerdem zog Belgien nach der Ermordung von zehn belgischen Soldaten sein komplettes Kontingent ab und schwächte damit die gesamte Mission zusätzlich. Im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen kam man schließlich zu der Entscheidung, den Großteil der Soldaten aus dem Krisengebiet abzuziehen. Als den Mitgliedsstaaten jedoch das Ausmaß der Massenmorde bewusst wurde entschieden sie sich für eine deutliche Stärkung der Friedensmission, deren Ausbau sich allerdings um mehrere Monate verzögerte. Erst eine Sonderoperation Frankreichs und das Vordringen der RPF konnten den Genozid im Juli 1994 stoppen.
Bis heute stellt sich die Frage, ob der ruandische Völkermord durch eine größere UN-Truppe mit einem stärkeren Mandat hätte verhindert oder zumindest begrenzt werden können, wie Beobachter schon damals vermuteten.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Erstes UN-Engagement in Ruanda
- Krisen seit Mitte der 80er Jahre und Bürgerkrieg
- Der Friedensvertrag von Arusha
- UNOMUR und UNAMIR I
- Vorboten des Genozids und Alarmierung der UNO
- Die Vorbereitung der Massentötungen
- Dallaires Genozid-Fax
- Ablauf und Beendigung des Völkermordes
- Beginn und Angriff auf UN-Soldaten
- Truppenabzug und Evakuierung von Ausländern
- Verlauf des Genozids
- Beendigung mit der Operation Turquoise
- Entstehung von UNAMIR II
- Untersuchungen der UN-Rolle
- Fazit - Hätte der Völkermord durch die UN verhindert werden können?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit befasst sich mit der Rolle der Vereinten Nationen während des Völkermords in Ruanda im Jahr 1994. Sie analysiert, ob die UN eine größere Rolle bei der Verhinderung oder zumindest bei der Eindämmung des Genozids hätte spielen können. Die Arbeit beleuchtet die UN-Missionen in Ruanda vor dem Völkermord, das Versagen der UN während des Genozids und die Frage, ob das Mandat der UN-Friedensoperationen ausreichend gewesen wäre, um das Massaker zu stoppen.
- Die Ursachen und Hintergründe des Völkermords in Ruanda
- Das Engagement der Vereinten Nationen in Ruanda vor dem Völkermord
- Das Versagen der UN während des Genozids
- Die Debatte um das Mandat der UN-Friedensoperationen und deren Einfluss auf die Intervention in Ruanda
- Die Frage nach der Verantwortung der UN und die Möglichkeiten zur Verhinderung zukünftiger Völkermorde
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik des Völkermords in Ruanda ein und stellt die Forschungsfrage nach der Rolle der UN in diesem Kontext. Das zweite Kapitel beleuchtet das erste UN-Engagement in Ruanda. Dabei wird auf die Krisen und Spannungen seit Mitte der 80er Jahre eingegangen, die zum Bürgerkrieg führten. Zudem wird der Friedensvertrag von Arusha sowie die UN-Missionen UNOMUR und UNAMIR I vorgestellt.
Das dritte Kapitel analysiert die Vorboten des Genozids und die Alarmierung der UNO. Es geht auf die Vorbereitung der Massentötungen und den Bericht von Kommandant Dallaire über den drohenden Völkermord ein.
Im vierten Kapitel werden der Ablauf und die Beendigung des Völkermordes dargestellt. Es werden der Beginn und die Angriffe auf UN-Soldaten, der Truppenabzug und die Evakuierung von Ausländern sowie der Verlauf des Genozids und die Beendigung durch die Operation Turquoise beschrieben.
Schlüsselwörter
Die Hausarbeit beschäftigt sich mit den Themen Völkermord, UN-Friedensoperationen, Ruanda, Mandat, Intervention, Verantwortung, Konfliktmanagement, Genozid-Prävention, politische Instabilität, Bürgerkrieg, Arusha-Abkommen, UNAMIR, Dallaire-Report.
- Quote paper
- David Kordon (Author), 2009, Die Rolle der UN beim Genozid in Ruanda 1994, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/163406