„Als Komponist hatte er den tic douloureux original zu sein, sich von Vater und Brüdern zu entfernen, und geriet darüber ins Pritzelhafte, Kleinliche, Unfruchtbare [...]“, urteilt Kompo-nist und Zeitgenosse Zelter in einem Brief an Goethe über Wilhelm Friedemann Bach. Viele Dokument, Anekdoten und Spekulationen über den erstgeborenen Sohn Johann Sebastian Bachs haben sich seither angesammelt, oft einen eigensinnigen Charakter zeichnend, welcher sich einerseits biographisch niedergeschlagen haben soll, dessen Ausdruck man andererseits zugleich in der Musik zu finden meint. Seine Kompositionen ergeben scheinbar eine Art Musik, die sich nicht an Vorgaben und konventionelle Formen hält, die den Zuhörer unerwar-tet auf akustische Abzweige führt und dann doch wieder mit einer überwältigen Eindringlich-keit zu gefallen weiß, oder aber überfordert – damals wie heute.
In fachlichen Auseinandersetzungen geht es allerdings nicht immer darum, was diese Musik besonders auszeichnet, was sie subjektiv gefällig oder berührend erscheinen lässt, oder ob ihr dieser oder jener Einschlag zu unterstellen ist, sondern mitunter wesentlich genereller um die Frage nach der Qualität der Werke. Wie ist das Schaffen Wilhelm Friedemann Bachs zu bewerten? Während einige geneigt sind, sein Schaffen aus der Zwischenphase -eingerahmt vom Barock einerseits und den klassischen Komponisten andererseits- herauszuheben, schreiben ihm andere nur einen zwar unter dem Gesichtspunkt der Virtuosität zu beachtenden, jedoch eigenwilligen Kompositionsstil zu. Der Musikwissenschaftler Clemens Kühn geht in der Bewertung noch einen Schritt weiter und gesteht ihm nicht mehr als die Rolle eines berühmten Sohnes zu und nennt ihn einen „Komponist[en] minderen Ranges“, der ohne seinen namhaften Vater vergessen wäre und dessen Kompositionen für sich selbst kaum Interesse beanspruchen dürften. Ist die Musik Bachs die eines Genies oder eines überschätzten Komponisten?
Anhand des D-Dur- Konzertes für Flöte und Orchester möchte ich das Konzertschaffen Wilhelm Friedemann Bachs untersuchen und mit einigen der elf Thesen Kühns über die Harmonik Friedemanns konfrontieren, die der Musikwissenschaftler anlässlich eines Symposiums 2003 veröffentlichte. Letztlich soll so eine Bewertung getroffen werden, inwiefern sich diese The-sen bezogen auf diese Gattung als haltbar erweisen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung.
- Das Konzert im 18 Jahrhundert.
- Überblick Leben und Konzerte Wilhelm Friedemann Bachs.
- Thesen über Bachs Harmonik.
- Analyse des Flötenkonzertes in D-Dur.
- 1. Satz
- 2. Satz
- 3. Satz
- Fazit.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Konzertschaffen von Wilhelm Friedemann Bach, dem ältesten Sohn Johann Sebastian Bachs. Der Fokus liegt auf der Analyse des D-Dur-Konzertes für Flöte und Orchester und der Bewertung dessen im Kontext der Musikgeschichte und im Vergleich zu Thesen über die Harmonik Friedemanns, die der Musikwissenschaftler Clemens Kühn aufgestellt hat.
- Das Konzert im 18. Jahrhundert
- Leben und Werk Wilhelm Friedemann Bachs
- Analyse des D-Dur-Konzertes für Flöte und Orchester
- Thesen zur Harmonik Friedemanns
- Bewertung des Konzertschaffens Wilhelm Friedemann Bachs
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die kontroversen Auffassungen zum Schaffen Wilhelm Friedemann Bachs und stellt die Forschungsfrage nach der Qualität seiner Musik. Kapitel 2 widmet sich dem Konzert im 18. Jahrhundert, beleuchtet die Entwicklung von Concerto Grosso und Solokonzert und stellt wichtige Komponisten wie Corelli, Händel, Vivaldi, Telemann und J.S. Bach sowie dessen Söhne Carl Philipp Emanuel und Johann Christian vor. Kapitel 3 bietet einen Überblick über Leben und Konzerte Wilhelm Friedemann Bachs, wobei insbesondere seine Zeit in Halle und die Konflikte mit anderen Kirchenangestellten hervorgehoben werden. Kapitel 4 präsentiert Thesen des Musikwissenschaftlers Clemens Kühn über die Harmonik Friedemanns. Die Analyse des Flötenkonzertes in D-Dur folgt in Kapitel 5 und untersucht die einzelnen Sätze des Werkes.
Schlüsselwörter
Wilhelm Friedemann Bach, Konzert, D-Dur-Konzert für Flöte und Orchester, Harmonik, Clemens Kühn, Barock, Concerto Grosso, Solokonzert, Virtuosität, Hallenser Konzertwesen.
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- Sebastian Haupt (Author), 2010, Wilhelm Friedemann Bach - Originalgenie oder überschätzter Komponist?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/162484