Im Herbst 2010 feierte Deutschland zum zwanzigsten Mal die Wiedervereinigung, was den Medien seit mehreren Monaten Anlass war, an die Deutsche Demokratische Republik (DDR) zu erinnern. Unser allgemeines Grundinteresse an der Geschichte der DDR wurde durch die Inhalte des 2008 produzierten Films „Die Goldmacher“ um einen neuen Blickwinkel erweitert. Denn der Dokumentarfilm, dessen Regie Albert Knechtel übernahm, ermöglicht dem Zuschauer einen Blick auf das über vierzig Jahre geteilte Deutschland und somit auch auf vierzig Jahre zweigeteilten Sport in Deutschland. Sport war Staatssache in der Deutschen Demokratischen Republik. „Schwarz, rot aber vor allem gold“, das war der Zielgedanke des Sports in der DDR.
In der vorliegenden Arbeit wird der Leistungssport als tragender Pfeiler des Systems der Deutschen Demokratischen Republik detailliert geprüft. Durch zahlreiche Quellen aus der Fachliteratur, Zeitzeugenberichte und Interviews, war es uns möglich, das Leistungssportsystem der DDR fachlich zu beleuchten.
So war es uns innerer Ansporn, uns mit der Frage zu beschäftigen, wie die damalige DDR trotz ihrer geringen Einwohnerzahl zu den weltweit erfolgreichsten Nationen gehören konnte und zu solch einer sportlichen Überlegenheit im Stande war.
Den Einstieg in unsere Seminarfacharbeit finden wir über die politische und gesellschaftliche Planung des DDR-Leistungssports sowie über die Erwartung der SED-Parteifunktionäre an die sozialistische Körperkultur, um anschließend die Umsetzung und Verwirklichung des in der DDR als Instrument genutzten Spitzensports genauer darzulegen. Als dritter Gliederungspunkt wird der Sportler als Individuum betrachtet.
Unsere Leitthese: „Die Parteiführung der DDR versuchte durch sportliche Erfolge die Überlegenheit des sozialistischen Systems gegenüber dem kapitalistischen System zum Ausdruck zu bringen“ galt uns stets als roter Faden für unser Arbeiten am Seminarfachthema:
Das Leistungssportsystem in der DDR und seine systemstabilisierenden Faktoren.
Gliederung
0. Einleitung
1. Die politischen Einflüsse auf den DDR-Leistungssport und die gesellschaftlichen Erwartungen an den DDR-Leistungssport
1.1. Die Zurückführung der Sportpolitik auf den Marxismus/Leninismus
1.2. Die Erwartungen der SED-Parteifunktionäre an den DDR-Leistungssport
1.3. Der DTSB und die Lenkung des Leistungssports, sowie dessen Einfluss auf das Sportartenspektrum
1.3.1. Die Leistungssportkommission (LSK) der DDR
1.3.2. Das Nationale Olympische Komitee (NOK) der DDR
1.4. Der Sportplatz als Schauplatz des „Kalten Krieges“ - Kampf der Systeme
2. DDR-Sportler als „Individuum“
2.1. Die sozialistische Persönlichkeit
2.2. Der Spitzensportler als Bestandteil des sozialistischen Kollektivs
2.3. Der „Diplomat im Trainingsanzug“
2.4. Das Verhältnis der Spitzensportler zu den DDR-Medien
2.5. Die Situation der Spitzensportler in Thüringen
3. Fazit
4. Anhang
4.1. allgemeiner Anhang
4.2. Abbildungen
5. Quellen
5.1. Literaturverzeichnis
5.2. Internetverweise
5.3. Filmverzeichnis
6. Danksagung
7. Autorenschlüssel
0. Einleitung
In diesem Herbst feiert Deutschland zum zwanzigsten Mal die Wiedervereinigung, was den Medien seit mehreren Monaten Anlass ist, an die Deutsche Demokratische Republik (DDR) zu erinnern. Unser allgemeines Grundinteresse an der Geschichte der DDR wurde durch die Inhalte des 2008 produzierten Films „Die Goldmacher“[1] um einen neuen Blickwinkel erweitert. Denn der Dokumentarfilm, dessen Regie Albert Knechtel übernahm, ermöglicht dem Zuschauer einen Blick auf das über vierzig Jahre geteilte Deutschland und somit auch auf vierzig Jahre zweigeteilten Sport in Deutschland. Sport war Staatssache in der Deutschen Demokratischen Republik. „Schwarz, rot aber vor allem gold“[2], das war der Zielgedanke des Sports in der DDR.
In der vorliegenden Arbeit wird der Leistungssport als tragender Pfeiler des Systems der Deutschen Demokratischen Republik detailliert geprüft. Durch zahlreiche Quellen aus der Fachliteratur, Zeitzeugenberichte und Interviews, war es uns möglich, das Leistungssportsystem der DDR fachlich zu beleuchten.
So war es uns innerer Ansporn, uns mit der Frage zu beschäftigen, wie die damalige DDR trotz ihrer geringen Einwohnerzahl zu den weltweit erfolgreichsten Nationen gehören konnte und zu solch einer sportlichen Überlegenheit im Stande war.
Den Einstieg in unsere Seminarfacharbeit finden wir über die politische und gesellschaftliche Planung des DDR-Leistungssports sowie über die Erwartung der SED-Parteifunk-tionäre an die sozialistische Körperkultur, um anschließend die Umsetzung und Verwirklichung des in der DDR als Instrument genutzten Spitzensports genauer darzulegen. Als dritter Gliederungspunkt wird der Sportler als Individuum betrachtet.
Unsere Leitthese: „Die Parteiführung der DDR versuchte durch sportliche Erfolge die Überlegenheit des sozialistischen Systems gegenüber dem kapitalistischen System zum Ausdruck zu bringen“ galt uns stets als roter Faden für unser Arbeiten am Seminarfachthema:
Das Leistungssportsystem in der DDR und seine systemstabilisierenden Faktoren.
1. Die politischen Einflüsse auf den DDR-Leistungssport und die gesellschaftlichen Erwartungen an den DDR-Leistungssport
Wenn heute Nationen beispielsweise Fußball gegeneinander spielen, wie zur gerade vergangenen Weltmeisterschaft 2010 wieder „klassisch“ Deutschland gegen England, bemüht die Tagespresse oft nationale Emotionen durch kriegerische Bilder vom Sieg oder Untergang.[3]
Wenn man dagegen aber den Wortlaut eines Beschlusses des SED-Politbüros aus dem Jahre 1968 liest, mit dem die DDR-Athleten und die Bevölkerung insgesamt auf die Olympischen Spiele in München 1972 eingestimmt werden sollten, während sich die alte Bundesrepublik auf „heitere Spiele“[4] vorbereitete, wird der Unterschied der Bedeutung des Sports von heute mit der Zeit des Kalten Krieges damals offenbar: „Die Klassen-auseinandersetzung auf sportlichem Gebiet hat ein solches Ausmaß erreicht, dass prinzipiell kein Unterschied zur militärischen Ebene besteht. So wie der Soldat der DDR, der an der Staatsgrenze seinem imperialistischen Feind in der NATO-Bundeswehr gegenübersteht, so muss der DDR-Sportler in dem Sportler der BRD seinen politischen Gegner sehen. Unser Kampf ist so hart, dass er mit voller Abgrenzung, mit Hass gegen den Imperialismus und seine Abgesandten, auch gegen die Sportler der BRD, geführt werden muss.“[5]
Damals erschien die Deutsche Demokratische Republik (DDR)[6] mit ihrer geringen Einwohnerzahl[7] als ein „Sportwunderland“[8]. Erst nach dem Zusammenbruch der SED-Diktatur[9] weiß man, dass die Leistungen der Sportler bzw. der Sportlerinnen systematisch gefördert, und unter anderem auch „gedopt“[10] wurden. Aber schon damals konnte man überall lesen, dass der Sport nicht Selbstzweck oder die „schönste Nebensache“[11], sondern Mittel zum Zweck war, um die außenpolitische Anerkennung der westlichen Welt zu er-
langen und innenpolitisch den „DDR-Bürgern“[12] Identifikations-Muster[13] zu bieten.[14]
Meine Arbeitshypothese lautet deshalb:
Der SED-Staat missbrauchte den Sport zu außen- wie innenpolitischen Zwecken.
Um meine Annahme vom staatlich-politischen Missbrauch des Sports bzw. des Sportlers zu belegen, möchte ich methodisch deduktiv[15], also vom Allgemeinen zum Konkreten vorgehen. Deshalb werde ich zunächst die allgemeinen, ideologischen Grundlagen des SED-Staates auf das Thema des Sports beziehen, dann daraus die praktischen Folgen der Funktionärsbürokratie ziehen, wie der SED-Staat den Sport auf das außen- wie innenpolitische Ziel ausrichtete, um abschließend die Praxis auf dem Sportplatz als Schauplatz des Kampfes der Systeme im Kalten Krieg zu benennen. Zitate einzelner Sportler dienen nur als Beleg meiner allgemeinen, zusammenfassenden Aussagen.
1.1. Die Zurückführung der Sportpolitik auf den Marxismus/Leninismus
Der Marxismus/Leninismus[16] wurde durch Karl Marx[17], Friedrich Engels[18] und Wladimir Iljitsch Lenin[19] geprägt. Ihre weltanschaulichen, philosophischen, ökonomischen, sozialwissenschaftlichen und politischen Ansichten waren Inhalte der Staatsphilosophie im ehemaligen sowjetisch dominierten Ostblock, also auch im SED-Staat. Der Marxismus/Leninismus wurde von seinen führenden Vertretern die „wissenschaftliche Weltanschauung der Arbeiterklasse“ [20] genannt und war für kommunistische Parteien im Ostblock und damit auch für die SED verbindlich. In der DDR war der Marxismus-Leninismus aufgrund der Alleinherrschaft der SED in Staat und Gesellschaft die allein gültige, ideologische Grundlage.
Gleichzeitig fungierte der Marxismus/Leninismus als direkte Handlungsanleitung, mit der primären Zielsetzung, den Kapitalismus bzw. Imperialismus weltweit zu besiegen. Diese „sozialistische Anleitung“[21] wandte man auch auf den Sport an. Nachfolgend stelle ich einige Merkmale des Marxismus/Leninismus auf, die sich auf den Sport übertragen lassen:
Die Gleichschaltung aller Belange unter der Vorherrschaft der kommunistischen Partei
- in der DDR, der SED - wurde auch auf den Sport übertragen. Die „Verstaatlichung des Sports“[22] wurde dadurch erreicht, dass sämtliche Funktionen und Organe im Organisa-tionsbereich des Sports durch linientreue SED-Mitglieder besetzt wurden. Als Beispiel für diese Vorgehensweise wird exemplarisch der Deutsche Turn- und Sportbund, DTSB[23] genannt. Es bestand ein zentralisierter Bürokratismus im Leistungssportsystem der DDR.
Bürokratie bedeutet „Herrschaft der Verwaltung“[24]. Die Übersteigerung der Bürokratie ist der Bürokratismus. Dieser existiert, sobald die Vorschriften einen höheren Stellenwert als der Mensch haben, und der Mensch nur als Objekt behandelt wird.
Im Spitzensport der DDR gab es mehrere „Politbüro-Beschlüsse“[25] und Beschlüsse des DTSB wie zum Beispiel den „Leistungsportbeschluss“.[26]
Zusammengefasst heißt das: Der Leistungssportler der DDR wurde als Mittel zum Erreichen des sportlichen Zieles, letztlich des ideologischen bzw. außen- wie innenpolitischen Zweckes benutzt.[27]
Der Marxismus/Leninismus forderte die Planung und Lenkung sowie Verstaatlichung der Wirtschaft. Wenn man den Leistungssport als Teil des wirtschaftlichen Prozesses betrachtet, so erkennt man, dass es auch im Leistungssport einen zu erfüllenden Plan gab und die SED den Sport unter Zuhilfenahme unterschiedlichster Instanzen lenkte.[28]
Die Staatsphilosophie des Marxismus/Leninismus verlangte eine gewisse Nationalorientiertheit und Nationalverbundenheit. Diese forderte die DDR-Führung von den Leistungssportlern ein, beziehungsweise schulte sie darauf hin.[29] Ziel der Nationalverbundenheit war es, durch die Leistungssportler ein positives und starkes Auftreten der sozialistischen DDR im Ausland zu erreichen.[30]
Durch die Verwendung der marxistischen/leninistischen Machtlehre[31] im Leistungssport der DDR versuchte die SED, die Überlegenheit des Sozialismus besser und geplanter zum Ausdruck zu bringen. Wie der Sport, so diente letztlich der Sportler als Mittel zum außen- wie innenpolitischen Zweck.
1.2. Die Erwartungen der SED-Parteifunktionäre an den DDR-Leistungssport
Der „SED-Sport“[32] hatte bei der Parteiführung und ihren Funktionären eine sehr große Bedeutung. Die SED-Funktionäre gingen davon aus, dass man durch den Sport die Überlegenheit des Sozialismus im Vergleich zum Kapitalismus darstellen kann, und versuchten „den Sport in den Dienst des Sozialismus zu stellen.“[33]
So betonte Walter Ulbricht[34] 1955 in seiner Rede zur dritten Sportkonferenz in Karl-Marx-Stadt: „ […]die Stärke der DDR sei die beste Garantie für Sicherheit und Frieden in Europa […] Es sei deshalb unumgänglich die Überlegenheit der Deutschen Demokratischen Republik […] auch auf dem Gebiet des Sports zu beweisen.“[35]
Außerdem stellte die SED-Regierung in einem Politbüro-Beschluss von 1956 fest: „Viele Sportler und Sportlerinnen tragen dazu bei, die Deutsche Demokratische Republik zu stärken und ihr internationales Ansehen zu erhöhen.“[36]
Es galt als höchste Priorität möglichst bald die Mehrzahl der deutschen Rekorde zu erreichen, um dem kapitalistischen Klassenfeind die Grenzen aufzuzeigen. Anschließend setzte sich diese Forderung an den DDR-Sport auch international fort. Von nun an versuchte das DDR-Regime[37] alle Westmächte durch sportliche Höchstleistungen und Rekorde zu beeindrucken. So glaubten die SED-Funktionäre, den Sozialismus als erfolgreiche Staatsform präsentieren zu können.
Der DTSB[38] veröffentlichte seinen Beschluss über „die Maßnahme zur schnelleren Steigerung der sportlichen Leistungen“, in dem es heißt: „Unsere Höchstleistungen […]
demonstrieren auch die Überlegenheit unserer Ordnung über das kapitalistische System in Westdeutschland und die Autorität unseres Arbeiter- und Bauernstaates […] Durch hohe Leistungen unserer Sportler wird die selbständige Anerkennung wesentlich unterstützt.“[39]
Deshalb sei anzustreben, „dass bis 1960 die Sportler […] durch hohe sportliche Leistungen die Überlegenheit der sozialistisch geführten Körperkultur gegenüber Westdeutschland zum Ausdruck bringen und bei Welt- und Europameisterschaften Titel und Rekorde erreichen.“[40]
Das SED-Regime sah die Chance durch den Sport und die Höchstleistungen der DDR-Sportler den Sieg des Sozialismus im Inneren sowie die Überlegenheit im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland und den westlichen Staaten zu demonstrieren.
Die Erwartungshaltung der DDR-Führung war mit jedem sportlichen Triumph die Überlegenheit der DDR und somit auch die Überlegenheit des Sozialismus über den Kapitalismus, zum Ausdruck zu bringen.
1.3. Der DTSB und die Lenkung des Leistungssports, sowie dessen Einfluss auf das Sportartenspektrum
1957 wurde der Deutschen Turn- und Sportbund, der DTSB gegründet. Der Gründung vorausgegangen war eine im Februar 1956 stattgefundene Pressekonferenz, in der man der Öffentlichkeit Vorschläge zur Entwicklung der Sportbewegung machte. Mittels dieser Denkanstöße leitete die DDR-Führung eine neue Etappe des Leistungssports ein. Die SED-Funktionäre waren zu der Auffassung gelangt, dass die Strukturen und die Aufgaben des Sports der veränderten Lage der Politik angepasst werden müssten, „dass der Sieg des Sozialismus in der DDR unabänderlich und der Übergang zum Sozialismus in ganz Deutschland gesetzmäßig“[41] sei.
Der DTSB fungierte als Dachorganisation des gesamten sportlichen Sektors der DDR, bestand ausschließlich aus höher gestellten SED-Funktionären und wurde daher komplett von „der Partei“ kontrolliert.
Dem DTSB unterstanden weitere Abteilungen. So war er unter anderem auch für die Rekrutierung der Sportler und den Aufbau einer Kaderpyramide[42] verantwortlich.
Zunächst werde ich zwei Abteilungen des DTSB näher erläutern, um anschließend die Einflussnahme auf die Lenkung des Leistungssports durch den DTSB zu definieren.
1.3.1. Die Leistungssportkommission (LSK) der DDR
Die Leistungssportkommission (LSK) amtierte als entscheidendes Gremium in allen Gesichtspunkten des Leistungssports. Sie besaß beratenden Status und wurde am 20. Januar 1959 als „eine ehrenamtliche Kommission für Leistungssport aus erfahrenen Funktionären und Trainern“[43] auf Grundlage eines Politbüro-Beschlusses gegründet. Die Kommissionsmitglieder bestanden aus Vertretern des DTSB und der Abteilung Sport des Zentralkomitees[44], aus dem LSK-Sekretär, sowie dem stellvertretenden Minister für Volksbildung.
Durch die Schaffung der LSK wurde ein verborgener Strukturwandel eingeleitet. Ange-strebt wurde ein Weltranglistenplatz unter den besten sechs Nationen bei den Olympischen Spielen. Dies galt als primäres Ziel bis zum Jahr 1980.
Unter anderem wurden durch die LSK Empfehlungen für Trainingsmethoden[45] und Wettkampfvorbereitungen unterbreitet. Ohne Zweifel wurden zudem sportpolitische und lei-stungssteigernde Mittel wie Doping[46] durchgesetzt.
1.3.2. Das Nationale Olympische Komitee (NOK) der DDR
Das NOK der DDR wurde am 22. April 1951 in Ost-Berlin gegründet. Manfred Ewald[47] war dessen Vorsitzender. Offizielle Anerkennung vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) erhielt das NOK der DDR erst Mitte 1955. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte die DDR nicht als von der BRD getrennte Nation an Olympischen Spielen teilnehmen.
Da sich das NOK unter Obhut und Aufsicht des DTSB befand, musste es nach dessen Instruktionen und Anweisungen handeln. Seine wesentlichen Aufgaben bestanden darin, die DDR nach außen hin zu vertreten und „als Fachabteilung für olympische Fragen zu fungieren“[48]. Die erste offizielle und vor allen Dingen eigenständige Teilnahme der DDR an den Olympischen Spielen war 1968 in Mexico City.
Die „Zeit des Aufbaus der Grundlagen des sozialistischen Sports“[49] war somit vorüber und die „Phase des Sieges der sozialistischen Körperkultur“[50] begann.
Der DTSB fasste 1958 den Beschluss über „Maßnahmen zur schnelleren Steigerung der sportlichen Leistungen“[51], um den Sozialismus sowie das sozialistische System mächtiger darstellen zu können. Man war davon überzeugt, dass „durch hohe Leistungen unserer Sportler die selbständige Anerkennung unserer Sportverbände wesentlich unterstützt“[52] werde.
Eine finale Zweiteilung des DDR-Sports in
- Massensport bzw. „Sport Zwei“[53] und
- Leistungssport bzw. „Sport Eins“[54]
wurde nach Beschluss des Politbüros am 08. April 1969 durchgeführt. Man nannte diesen Beschluss den „Leistungssportbeschluss“[55].
Folgende Kriterien galten als ausschlaggebend, welche Sportart welchem der beiden Bereiche zugeteilt wurde. So galt als „Sport Zwei“, der Sport, der weniger bis gar nicht gefördert wurde und dessen Erfolgschancen bei Wettkämpfen zu gering waren. Hierzu gehörten vor allem die Teamsportarten, da die finanzielle Unterstützung sowie die Devisenintensivität für nur eine eventuelle Goldmedaille, verteilt auf mehrere Mannschaftsmit-glieder, nicht lukrativ genug erschien. Aussortiert wurden daher Sportarten wie Wasserball, Basketball oder Eishockey, um nur einige zu nennen. Eine der wenigen Ausnahmen bildeten der Handball und der Fußball.
Circa 150.000 Mitglieder zählte der Bereich des Leistungssports, der so genannte „Sport Eins“. Dieser wurde dreigeteilt in Sommersport, Wintersport und Fußball .
In dieser Klassifizierung befanden sich nur Sportarten, in denen sich der SED-Staat große Medaillenchancen[56] errechnete. Einzelsportarten wie Leichtathletik, Eislaufen, Schwimmen oder Radsport wurden als unterstützungswürdige Sportarten dem „Sport Eins“ zugeordnet.
Daraus lässt sich letztlich folgern, dass das SED-Regime den DTSB klar als politisches Instrument einsetzte. Der Sport sollte als Mittel zum Zweck dienen, um die außenpolitische Überlegenheit des Sozialismus über dem Kapitalismus darzustellen.
[...]
[1] 20:30 Uhr auf Arte am 13.10.2009, Knechtel, Albert, Die Goldmacher-Sport in der DDR, Icestorm Entertainment GmbH, Berlin, 2009.
[2] Knechtel, Albert, Die Goldmacher-Sport in der DDR, Icestorm Entertainment GmbH, Berlin, 2009.
[3] So die „Bild am Sonntag“ am 26.06.2010, 23.32 Uhr: „Wir gewinnen 6:5! England gegen Deutschland: Der Vergleich Mann gegen Mann […] Auf diesen Klassiker blicken die Fußball-Fans in der ganzen Welt. Um 16 Uhr (ARD …) steigt das Achtelfinale, das ganz Deutschland stillstehen lässt.“ http://www.bild.de/BILD/sport/fussball-wm-2010-suedafrika/2010/06/27/deutsch/mann-gegen-mann/england-gegen-deutschland.html, 31.08.2010, 11.00 Uhr.
[4] Prof. Dr. Hockerts, Hans Günter: Wir gegen uns. Sport im geteilten Deutschland, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Primus Verlag, Darmstadt, 2009, S. 9.
[5] Ebd.
[6] In ihrem 40-jährigen Bestehen von 1949 bis 1989.
[7] Von durchschnittlich ca. 17 Millionen Einwohnern.
[8] Prof. Dr. Hockerts, Hans Günter: Wir gegen uns. Sport im geteilten Deutschland: Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Primus Verlag, Darmstadt, 2009, S. 10.
[9] Der Begriff: SED-Staat oder SED-Diktatur wird aus der aktuellen Forschung als Erkenntnis leitender Begriff übernommen, um die „Ein-Parteien-Diktatur“ nach sowjetischem Vorbild kurz zu klassifizieren. Vgl.: Veen, Hans-Joachim: Lexikon: Opposition und Widerstand in der SED-Diktatur, Prophyläen Verlag, Berlin, 2000..
[10] Vgl.: Seppelt, Hans-Joachim / Schück, Holger: Anklage Kinderdoping. Das Erbe des DDR-Sports, Tanea Verlag, Berlin, 1999.
[11] Vgl.: Prof. Dr. Hockerts, Hans Günter: Wir gegen uns. Sport im geteilten Deutschland: Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Primus Verlag, Darmstadt, 2009, S. 125.
[12] Hier benutze ich die DDR-übliche Bezeichnung der eigenen Bevölkerung.
[13] Hier beziehe ich mich vor allem auf die Arbeit von: Ulrich Pabst, Sport – Medium der Politik? Der Neubau des Sports in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg und die innerdeutschen Sportbeziehungen bis 1961, Berlin 1980. (Folgend zitiert als Pabst, Sport.) Seine drei Thesen kreisen um den politischen Missbrauch des Sports, um durch Individualleitungen nach außen die „ideologische“ Überlegenheit des „Gesamtsystems“ zu zeigen und nach innen „Stabilität“ zu erzeugen, indem sich des Volk durch den Sportler mit seiner Führung „identifizieren“ kann. Siehe S. 21f.
[14] Siehe dazu unter 3.1.
[15] Law, Stephen: Deduktives Argumentieren, Dorling Kindersley Verlag, München, 2008, S. 195.
[16] Der Begriff Marxismus-Leninismus bezeichnet die offizielle Weltanschauung der Sowjetunion ab Mitte 1920.
[17] Karl Heinrich Marx, (* 5. Mai 1818 in Trier; † 14. März 1883 in London) war Philosoph, Gesellschaftstheoretiker, politischer Journalist, Protagonist der Arbeiterbewegung, Kritiker der bürgerlichen Gesellschaft und der politischen Ökonomie.
[18] Friedrich Engels, (* 28. November 1820 in Wuppertal; † 5. August 1895 in London) war ein deutscher Politiker, Unternehmer, Philosoph und Historiker.
[19] Wladimir Iljitsch Uljanow, Kampfname Lenin, (*22. April1870in Simbirsk; † 21. Januar 1924 in Gorki bei Moskau) war ein kommunistischer Politike und gilt als Begründer der Sowjetunion.
[20] Dlubek, Rolf: Karl Marx-Begründer der wissenschaftlichen Weltanschauung der Arbeiterklasse und des realen Sozialismus, Akademie-Verlag, Berlin, 2004, S. 147.
[21] Neidhardt, Hilde: Karl Marx 1818-1883, Theorie und Praxis der Körperkultur, Akademie Verlag, Berlin, 1983, S. 162.
[22] Pabst, Ulrich: Sport-Medium der Politik, der Neuaufbau des Sports in Deutschland nach dem 2.Weltkrieg und die innerdeutschen Sportbeziehungen, Bartels&Wernitz Verlag, Berlin, 1980, S. 130.
[23] Siehe dazu unter 1.3.
[24] Zacherl, Max: Der Bürokratismus und seine Überwindung, Pflaum Verlag, München, 1948, S. 15.
[25] Politbürobeschluss - ein Beschluss des Politbüros / Politbüro = höchstes politisches Führungsgremium.
[26] Siehe dazu unter 1.3.
[27] Siehe dazu unter 1.2.
[28] Siehe dazu unter 1.3.
[29] Siehe dazu unter 3.3.
[30] Siehe dazu unter 3.3.
[31] Vgl.: Popper, Karl: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Mohr Siebeck Verlag, Tübingen, 1992. Der Autor weist in seinem zweibändigen Werk nach, dass hinter der irgendwie schön klingenden politischen Vision vom Ende der Ausbeutung „des Menschen durch den Menschen“ in der klassenlosen Gesellschaft des Kommunismus lediglich bloßes Machtstreben der Visionäre Marx, Engels, Lenin oder Stalin steht.
[32] Hier benutze ich den gebräuchlichen Begriff für den Sport der DDR. Vgl.: Spitzer, Giselher: Sicherungsvorgang Sport, Das Ministerium für Staatssicherheit und der DDR-Spitzensport, Verlag Karl Hofmann, Schorndorf, 2005, S. 137.
[33] Pabst, Ulrich: Sport-Medium der Politik, der Neuaufbau des Sports in Deutschland nach dem 2.Weltkrieg und die innerdeutschen Sportbeziehungen, Bartels&Wernitz Verlag, Berlin, 1980, S. 209.
[34] Walter Ernst Paul Ulbricht, (* 30. Juni 1893 in Leipzig; † 1. August 1973 Döllnsee) war ein deutscher Politiker der KPD sowie später der SED und Staatsratsvorsitzender der DDR.
[35] Eichel, Wolfgang: Geschichte der Körperkultur in Deutschland Bd. IV: Die Körperkultur in Deutschland von 1945 bis 1961, Sportverlag, Berlin, 1967, S. 115.
[36] Kalähne, Kurt: Verzeichnis der wichtigsten gültigen Bestimmungen und Beschlüsse für die Tätigkeit auf dem Gebiet der Körperkultur und des Sports in der DDR, SKKS, Berlin, 1965 (= 10/1965, Sonderheft), S. 128.
[37] Hier benutze ich den gebräuchlichen Begriff für die DDR-Führung.
[38] Siehe dazu unter 1.3.
[39] Bernett, Hajo: Körperkultur und Sport in der DDR. Dokumentation eines geschlossenen Systems, Hoffmann Schorndorf Verlag, Schorndorf, 1994,S. 64.
[40] Kalähne, Kurt: Verzeichnis der wichtigsten gültigen Bestimmungen und Beschlüsse für die Tätigkeit auf dem Gebiet der Körperkultur und des Sports in der DDR., SKKS, Berlin, 1965 (= 10/1965, Sonderheft), S. 45.
[41] Eichel, Wolfgang: Geschichte der Körperkultur in Deutschland Bd. IV: Die Körperkultur in Deutschland von 1945-61, Sportverlag, Berlin, 1967, S. 112.
[42] Siehe dazu unter 2.2.
[43] Ehrich, Dieter: Die DDR: Breiten-und Spitzensport, Kopernikus Verlag, München, 1981, S. 98.
[44] Das Zentralkomitee der SED war das höchste Organ der SED und leitet die gesamte politische Tätigkeit.
[45] Siehe unter 2.1.
[46] Siehe unter 2.5.
[47] Manfred Ewald, (* 17. Mai 1926 in Podejuch; † 21. Oktober 2002 in Damsdorf) war der einflussreichste Sport-Funktionär der DDR und von 1973 bis 1990 Präsident des NOK der DDR.
[48] Diekmann, Irene/Teichler, Hans Joachim: Körper, Kultur und Ideologie Sport und Zeitgeist im 19. und 20. Jahrhundert, Philo Verlag Bodenheim b. Mainz 1997, S. 180.
[49] Pabst, Ulrich: Sport-Medium der Politik, der Neuaufbau des Sports in Deutschland nach dem 2.Weltkrieg und die innerdeutschen Sportbeziehungen, Bartels&Wernitz Verlag, Berlin, 1980, S. 208.
[50] Ebd.
[51] Pabst, Ulrich: Sport-Medium der Politik, der Neuaufbau des Sports in Deutschland nach dem 2.Weltkrieg und die innerdeutschen Sportbeziehungen, Bartels&Wernitz Verlag, Berlin, 1980, S. 210.
[52] Pabst, Ulrich: Sport-Medium der Politik, der Neuaufbau des Sports in Deutschland nach dem 2.Weltkrieg und die innerdeutschen Sportbeziehungen, Bartels&Wernitz Verlag, Berlin, 1980, S. 210.
[53] Ebd.
[54] Ebd.
[55] Ebd.
[56] Diekmann, Irene/Teichler, Hans Joachim: Körper, Kultur und Ideologie Sport und Zeitgeist im 19. und 20. Jahrhundert, Philo Verlag, Bodenheim b. Mainz, 1997, S. 184.
- Quote paper
- David Arno Georg Schmidbauer (Author), Franz Johannes Reimann (Author), 2010, Sport und Politik in der DDR. Die Rolle des Leistungssports im politischen System, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/162291
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