In einem schmalen OEuvre von drei Dramen und einer Erzählung finden
sich in Verbindung mit der Liebe: drei Selbstmorde, zwei Selbstmordversuche,
ein potentieller Selbstmord, ein Mord sowie drei Wahnsinnige.
Diese Bilanz stammt von Reinhold Grimm, der 1979 in seinem Aufsatz
Coeur und Carreau1 mit Bezug auf Dantons Tod weiter feststellt, »daß die
Thematik der Liebe hier nicht minder beherrschend und wichtig ist als
diejenige der Revolution«.2 Grimm nennt im gleichen Atemzug die von
ihm behauptete Gleichrangigkeit von Eros und politischem Diskurs
»Ketzerei«, womit er sowohl auf die gelegentliche Überakzentuierung des
Politisch-Sozialen in den Deutungen des Werks anspielt als auch auf das
Sakrileg, diesen Diskurs nunmehr mit dem Erotischen zu vereinen.
»Büchner war Erotiker und Revolutionär, war erotischer Revolutionär
und revolutionärer Erotiker«3 lautet das Fazit im Zeitgeist der 68er – an
das diese Untersuchung anknüpft, allerdings aus der Distanz der Jahrzehnte
mit einem etwas nüchterneren Blick auf den Diskurs von Eros
und Gewalt.
Denn die Eingangsbilanz von Coeur und Carreau spricht wohl kaum für
»die leibhafte Utopie, die konkrete Praxis erotischer Befreiung«4 und die
»soziale und sexuelle Umwälzung«,5 sondern im Gegenteil für ein eher
tragisches Verhältnis von Eros und Gewalt.
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1 Reinhold Grimm: Coeur und Carreau. Über die Liebe bei Georg Büchner. In: GB I/II,
S.299–326. Grimms Zusammenstellung wurde um den potentiellen Selbstmord von
Danton »ich liebe dich wie das Grab« (I,1), »Ich kokettire mit dem Tod« (II,4) usw.
und Lenz’ Selbstmordversuch ergänzt.
2 Ebd., S.304.
3 Ebd., S.318.
4 Ebd., S.312.
5 Ebd., S.313.
Inhaltsverzeichnis
- Eros und Gewalt in Dantons Tod
- Einleitung
- Der Tod des jungen Menschen
- Der Algorithmus der Selbstvernichtung
- Die Metaphorisierung von Julies Selbstmord
- Marions Selbstmord
- Platonischer Eros
- Platons Theorie des Eros
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Untersuchung widmet sich der komplexen Beziehung von Eros und Gewalt im Drama "Dantons Tod" von Georg Büchner. Sie beleuchtet die Rolle von Selbstmord und Wahnsinn im Kontext der Liebe, analysiert die Darstellung von erotischer Gewalt und untersucht, inwiefern Büchner die Verbindung von Sensualität und Spiritualismus im Sinne des platonischen Eros in seinem Werk erforscht.
- Die Rolle des Selbstmordes und Wahnsinns in Büchners Drama
- Die Darstellung von erotischer Gewalt und die Verknüpfung von Eros und Tod
- Büchners Auseinandersetzung mit dem platonischen Eros und die Verbindung von Sensualismus und Spiritualismus
- Die Bedeutung des Motivs der Wiedergeburt und die Verbindung von Geburt und Tod
- Die Frage, ob Büchner eine konkrete Praxis erotischer Befreiung anstrebt oder eher einen metaphysischen Diskurs über Liebe und Tod verfolgt
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung beleuchtet die Thematik der Liebe in Büchners Drama "Dantons Tod" und die Bedeutung des Motivs der Selbstvernichtung. Sie stellt fest, dass die Beziehung von Eros und Gewalt in diesem Werk eine zentrale Rolle spielt und sich in zahlreichen Selbstmorden, Selbstmordversuchen und Wahnsinnsfällen manifestiert. Die Einleitung stellt auch die Frage nach Büchners Interpretation des platonischen Eros und dessen Einfluss auf die Dramenhandlung.
Der Tod des jungen Menschen
Dieses Kapitel analysiert den ersten Selbstmord im Drama und dessen Bedeutung im Kontext der Beziehung zwischen dem jungen Menschen und seiner Geliebten. Es wird die Bedeutung des Todes als einer Form der zeitenthobenen Vereinigung mit dem Liebenden untersucht und die Verbindung von Geburt und Tod im Werk Büchners hervorgehoben.
Marions Selbstmord
Das Kapitel widmet sich Marions Selbstmord und beleuchtet deren philosophische und ästhetische Bedeutung. Es wird untersucht, wie sich Marion durch ihre Selbstvernichtung von der physischen Erotik abwendet und eine platonische Form der Liebe verkörpert. Darüber hinaus wird die Frage nach der konkreten Praxis erotischer Befreiung vs. einem metaphysischen Diskurs im Kontext von Marions Geschichte aufgeworfen.
Schlüsselwörter
Georg Büchner, Dantons Tod, Eros, Gewalt, Selbstmord, Wahnsinn, Platon, platonischer Eros, Liebe, Tod, Wiedergeburt, Sensualismus, Spiritualismus, metaphysischer Diskurs, erotische Befreiung
- Quote paper
- Christian Milz (Author), 2008, Eros und Gewalt in >Dantons Tod<, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/162127