[...] Vor diesem Hintergrund steht die Friedens- und Konfliktforschung vor neuen
Aufgaben. So muss z.B. anerkannt werden, dass Kriege nicht mehr allein unter
souveränen Staaten stattfinden, sondern immer häufiger zwischen Staaten und
privaten Akteuren, wie es in der jüngeren Vergangenheit im Kampf der westlichen
Allianz gegen den Terrorismus der Fall ist. Somit sind einige Theorien, bezüglich der
Erzielung und Sicherung des Friedens im internationalen System, überholt, wie
beispielsweise die realistische Ansicht, dass Frieden im internationalen System durch
ein Machtgleichgewicht zwischen souveränen Staaten zu Stande kommen kann. Die
Friedens- und Konfliktforschung muss sich diesen veränderten Sachlagen stellen.
In dieser soll versucht werden, neue Denkansätze zum Thema „Frieden“ zu
diskutieren.
Hierzu wird zunächst eine ausführliche Begriffsbestimmung vorgenommen, in der
Frieden aus zweierlei Perspektive betrachtet wird. In der ersten Perspektive wird
Frieden als ein Zustand gesehen. Die zweite Perspektive sieht Frieden als einen
Prozess.
In einem nächsten Schritt werden Friedensursachen diskutiert. Hierbei wird zunächst
auf allgemeine Friedensursachen eingegangen. Danach werden Friedensursachen
aus Sicht der drei Großtheorien der Internationalen Beziehungen (Realismus,
Liberalismus und Konstruktivismus) begutachtet.
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Als Drittes soll der häufig diskutierte Zusammenhang zwischen demokratischen
Herrschaftsformen und Frieden noch einmal kurz reflektiert werden, insbesondere
vor dem Hintergrund, ob Demokratie einen friedensfördernden Beitrag leisten kann.
Zum Abschluss wird der Versuch unternommen, inwieweit ein Weltstaat, bzw.
weltstaatliche Organisationsformen, zur Vermeidung von kriegerischen
Auseinandersetzungen und weiterführend zu einer Sicherung des Friedens auf
globaler Ebene beitragen kann.
Das Thema „Frieden“ ist ein sehr komplexes Thema. Es gibt in der Literatur
unzählige Schriften zu diesem Thema und nahezu jeder bedeutende Politologe oder
Philosoph hat sich zu diesem Thema geäußert. Diese Arbeit stellt daher nicht den
Anspruch, eine abschließende Stellung zum Thema „Frieden“ zu beziehen. Es sollen
lediglich ausgewählte Aspekte dargestellt und diskutiert werden.
Inhalt:
1. Einleitung
2. Begriffsbestimmung
2.1. Gerechtigkeit als Bestandteil des Friedens
2.2. Frieden als Beziehungsbegriff
2.3. Frieden und Interaktion
3. Frieden als Prozess
3.1. Frieden als Zivilisierungsprozess
3.2. Frieden aus Sicht des Zivilisationsprozesses nach Elias
4. Friedensursachen
4.1. Realismus, Neorealismus
4.2. Institutionalismus
4.3. Konstruktivismus
5. Frieden und Demokratie
6. Weltstaat als Garant von Frieden
7. Fazit
1. Einleitung
Das abgelaufene Jahrhundert war ein Jahrhundert, in dem auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen in neue Dimensionen vorgestoßen wurde. Die voranschreitende Globalisierung führte auf der einen Seite dazu, dass sich die Interdependenzen im internationalen System ausgeweitet haben und sich immer mehr Staaten in internationale Organisationen einbinden. Auf der anderen Seite sind Konflikte ebenfalls nicht mehr regional beschränkt, sondern können, wie es die beiden Weltkriege gezeigt haben, globales Ausmaß annehmen.
Vor diesem Hintergrund steht die Friedens- und Konfliktforschung vor neuen Aufgaben. So muss z.B. anerkannt werden, dass Kriege nicht mehr allein unter souveränen Staaten stattfinden, sondern immer häufiger zwischen Staaten und privaten Akteuren, wie es in der jüngeren Vergangenheit im Kampf der westlichen Allianz gegen den Terrorismus der Fall ist. Somit sind einige Theorien, bezüglich der Erzielung und Sicherung des Friedens im internationalen System, überholt, wie beispielsweise die realistische Ansicht, dass Frieden im internationalen System durch ein Machtgleichgewicht zwischen souveränen Staaten zu Stande kommen kann. Die Friedens- und Konfliktforschung muss sich diesen veränderten Sachlagen stellen.
In dieser soll versucht werden, neue Denkansätze zum Thema „Frieden“ zu diskutieren.
Hierzu wird zunächst eine ausführliche Begriffsbestimmung vorgenommen, in der Frieden aus zweierlei Perspektive betrachtet wird. In der ersten Perspektive wird Frieden als ein Zustand gesehen. Die zweite Perspektive sieht Frieden als einen Prozess.
In einem nächsten Schritt werden Friedensursachen diskutiert. Hierbei wird zunächst auf allgemeine Friedensursachen eingegangen. Danach werden Friedensursachen aus Sicht der drei Großtheorien der Internationalen Beziehungen (Realismus, Liberalismus und Konstruktivismus) begutachtet.
Als Drittes soll der häufig diskutierte Zusammenhang zwischen demokratischen Herrschaftsformen und Frieden noch einmal kurz reflektiert werden, insbesondere vor dem Hintergrund, ob Demokratie einen friedensfördernden Beitrag leisten kann.
Zum Abschluss wird der Versuch unternommen, inwieweit ein Weltstaat, bzw. weltstaatliche Organisationsformen, zur Vermeidung von kriegerischen Auseinandersetzungen und weiterführend zu einer Sicherung des Friedens auf globaler Ebene beitragen kann.
Das Thema „Frieden“ ist ein sehr komplexes Thema. Es gibt in der Literatur unzählige Schriften zu diesem Thema und nahezu jeder bedeutende Politologe oder Philosoph hat sich zu diesem Thema geäußert. Diese Arbeit stellt daher nicht den Anspruch, eine abschließende Stellung zum Thema „Frieden“ zu beziehen. Es sollen lediglich ausgewählte Aspekte dargestellt und diskutiert werden.
2. Begriffsbestimmung
Der Friedensbegriff ist ein sehr komplexer Begriff. Von daher ist es nicht einfach, eine Begriffsbestimmung vorzunehmen oder gar eine klare Definition des Begriffs zu finden. So stellt beispielsweise Czempiel fest, „dass der Friede ebenso wenig definiert werden könne wie die Gesundheit“[1].
Man muss, um den Friedensbegriff einzuengen, zunächst anerkennen, dass Frieden ein komplexes Phänomen ist, für den es keine eindimensionale Erklärung gibt. Es sind vielmehr eine Vielzahl von Faktoren, die den Frieden bestimmen.
Der Begriff Frieden bezeichnet zunächst einmal zwischengesellschaftliche Beziehungen. Nach Czempiel herrscht in einem internationalen System dann Friede, „wenn die in ihm ablaufenden Konflikte kontinuierlich ohne die Anwendung organisierter militärischer Gewalt gelöst oder zumindest behandelt werden“[2]. Diese Vorstellung kommt einem negativen Friedensbegriff nahe, der Friede schlicht als Nicht-Krieg beschreibt.
Ein anderer Versuch einer Begriffsbestimmung von Frieden ist bei Johann Galtung zu finden, bei der sich Frieden durch die Abwesenheit von Gewalt definiert. Dieses Verständnis von Frieden, das, ebenso wie der Definitionsversuch von Czempiel, einen negativen Friedensbegriff beschreibt, wird von Galtung in Richtung eines positiven Friedensbegriffs erweitert, indem er die strukturelle Gewalt in seine Begriffsbestimmung aufnahm. Frieden aus positiver Sicht wäre also die Abwesenheit von direkter und struktureller Gewalt[3]. Der positive Friedensbegriff nach Galtung ist allerdings eher theoretisch zu sehen, da strukturelle Gewalt in jedem System gegenwärtig ist und auch nicht zu beseitigen scheint.
Die Abwesenheit von Gewalt spielt auch in Czempiels Verständnis von Frieden eine Rolle, in dem er den Verzicht auf Gewalt, bei der Regelung von Konflikten im internationalen System, als ein Merkmal des Friedens erachtet[4].
2.1. Gerechtigkeit als Bestandteil des Friedens
Neben der Abwesenheit von Gewalt beziehungsweise dem gewaltfreien Konfliktaustrag wird häufig Gerechtigkeit als Definitionsmerkmal von Frieden verwandt. Dies führt allerdings zu einem Problem, da Gerechtigkeit nicht immer mit der Abwesenheit von Gewalt vereinbar ist. Es ist in Geschichte des öfteren der Fall gewesen, dass organisierte Gewalt in Anspruch genommen wurde, um Gerechtigkeit herzustellen[5]. Somit sind die Abwesenheit von Gewalt und Gerechtigkeit nicht unbedingt als Definitionsmerkmale für Frieden miteinander vereinbar.
Dennoch spielt der Begriff der Gerechtigkeit eine nicht unbedeutende Rolle für den Frieden. Sie taugt zwar nicht als Definiendum von Frieden, aber es besteht ein Kausalzusammenhang zwischen Gerechtigkeit und Frieden[6]. So ist z.B. in einem System, in dem ein hohes Maß an Gerechtigkeit vorherrscht, etwa in bezug auf die gerechte Verteilung von Gütern (Verteilungsgerechtigkeit) die Bereitschaft zur Gewaltanwendung in der Regel niedriger als in Systemen mit einem geringen Maß an Verteilungsgerechtigkeit. Dieser Aspekt wird auch von Czempiel aufgegriffen. Er stellt u.a. fest, dass im internationalen System die Interaktionen gewaltfrei ablaufen, wenn alle beteiligten Akteure zu ihrer Zufriedenheit profitieren[7]. Im Umkehrschluss wird in einem System, in dem Zustände herrschen, die von den Akteuren als ungerecht empfunden werden, die Bereitschaft zur Gewaltanwendung steigen um eben diese Zustände zu beseitigen.
Es ist also festzuhalten, dass Gerechtigkeit kein Definitionsmerkmal für Frieden ist. Zweifelsohne kann Gerechtigkeit aber ein Fundament für Frieden, beziehungsweise für friedliche Interaktionen, sein.
2.2. Frieden als Beziehungsbegriff
Wie bereits erwähnt ist die Art und Weise der Interaktion zwischen Akteuren ein Merkmal für Frieden. Der Friedensbegriff ist somit nach Müller „ausschließlich auf die wechselseitige Beziehung zwischen zur intentionalen Handlung fähigen Kollektiven“[8] anwendbar.
Frieden ist also das Resultat eines bewussten Handelns. Dieses Verständnis von Frieden klammert zunächst die Natur bzw. das Verhältnis Mensch-Natur aus dem Friedensbegriff aus. Dennoch können Ungleichgewichte oder Verschiebungen im Verhältnis Mensch-Natur zu Störungen des Friedens führen, beispielsweise wenn es auf Grund von umweltbedingten Migrationen zu ethnischen Spannungen kommt[9]. Ähnlich wie bei der Diskussion um die Gerechtigkeit als Bestandteil des Friedensbegriffs verhält es sich auch mit der Natur. Die Natur ist zwar nicht als Bestandteil einer Definition des Friedens brauchbar; es besteht allerdings ein Kausalzusammenhang.
Ein weiterer Aspekt, der von Müller angesprochen wird, ist, dass Frieden nur zwischen Kollektiven verwirklicht werden kann. Eine friedliche Konfliktlösung zwischen zwei Individuen ist demnach ebenso wenig als Frieden zu bewerten wie ein krimineller Gewaltakt eines Einzelnen eine Störung des Friedens darstellen würde.
Frieden als Beziehung zwischen Kollektiven kann zwei- oder mehrpolig sein[10]. Zweipolig ist er dann, wenn innerhalb eines komplexen Interaktionssystems die Beziehungen zwischen zwei Akteuren friedlicher Natur sind. Mehrpolig ist der Frieden, wenn das gesamte Interaktionssystem in sich friedlich ist, d.h. alle Beziehungen innerhalb dieses System friedlicher Natur sind. Ein Beispiel hierfür wäre die EU. Der Frieden innerhalb der EU ist zum Einen mehrpolig, da innerhalb der EU alle Interaktionen ohne den Einsatz von Gewalt ablaufen. Innerhalb der EU bestehen allerdings auch zweipolige Beziehungen, nämlich dann, wenn die Interaktionen zwischen zwei Mitgliedsstaaten friedlich durchgeführt werden.
Unfriedliche Konflikte innerhalb eines Systems können trotzdem auftreten, wie etwa die Separatistenbewegung im Baskenland. Aus diesem Grund ist es notwendig, eine Unterscheidung in inneren und äußeren Frieden vorzunehmen. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die überwiegende Mehrzahl der Kriege seit 1945 nicht auf internationaler sondern auf nationaler Ebene in Form von Bürgerkriegen oder bürgerkriegsähnlichen Konflikten stattfinden. Um dieser Entwicklung bei der Begriffsbestimmung gerecht zu werden, ist eine weitere Differenzierung des Friedensbegriffs vorzunehmen. Müller bezeichnet Frieden demnach als „die Abwesenheit direkter Gewalt zwischen sozialen und politischen Kollektiven“[11].
2.3. Frieden und Interaktion
In der Sichtweise von Thomas Hobbes wird nicht der Frieden sondern der Krieg als Normalzustand angesehen, der durch gelungene Interaktion überwunden werden kann. Michael Henkel vertritt in dieser Beziehung eine konträre Perspektive. Für ihn ist Frieden kein Ausnahmezustand sondern der „Normalzustand der gelungenen Interaktion zwischen Individuen, sozialen Kollektiven und politischen Verbänden“[12]. Da Frieden in dieser Perspektive als ein Normalzustand angesehen wird, stellt die Sicherung oder die Erhaltung des Friedens kein Problem dar. Zum Problem wird es erst dann, wenn eine gewaltsame Störung des friedlichen Normalzustandes erfolgt, da dann entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet werden müssen. Dieses Verständnis von Frieden schließt automatisch die Dauerhaftigkeit des Friedens ein.
Aus dem Verständnis von Frieden als einem Normalzustand heraus leitet Müller einen überarbeiteten Definitionsversuch des Friedensbegriffs ab:
„Frieden ist ein Zustand zwischen bestimmten sozialen und politischen Kollektiven, der gekennzeichnet ist durch die Abwesenheit direkter Gewalt in der deren möglicher Gebrauch gegeneinander in den Diskursen der Kollektive keinen Platz hat.“[13]
Somit ist Frieden ein Interaktionsverhältnis, indem nicht nur die Anwendung von Gewalt sondern ebenso eine potentielle Gewaltanwendung zur Durchsetzung von Interessen aus den Handlungsoptionen der beteiligten Akteure ausgeschlossen wird.
3. Frieden als Prozess
Im Vorrangegangenen wurde Frieden ausschließlich als ein Zustand beschrieben, nämlich vereinfacht ausgedrückt dem Zustand der Abwesenheit von Gewalt in unterschiedlicher Ausprägung. Müller bringt als eine Weiterführung dessen die Zeitdimension in den Friedensbegriff ein. Frieden wird nicht mehr nur als Zustand gesehen, sondern ebenso als Prozess – dem „Prozessmuster abnehmender Gewalt und zunehmender Gerechtigkeit“[14].
Somit ist die Beurteilung ob Frieden oder Krieg herrscht nicht mehr von einer „Momentaufnahme“ abhängig, sondern bezieht sich auf einen Beobachtungszeitraum. In diesem Beobachtungszeitraum kann Frieden gemessen werden als die Differenz der Kriterien Gewaltanwendung und Ungerechtigkeit zwischen zwei beliebig gewählten Zeitpunkten t1 und t2. Frieden herrscht dann, wenn die Differenz für beide Kriterien negativ ist. Unfrieden herrscht, wenn die Differenz positiv ist[15].
Senghaas führt die Idee, Frieden als einen Prozess zu sehen, weiter. Demnach stellt sich Frieden als Produkt eines Zivilisierungsprozesses dar[16].
[...]
[1] Czempiel, Ernst-Otto 1986.
[2] Ebenda
[3] Vgl.: Galtung 1972.
[4] Czempiel, Ernst-Otto 1986.
[5] Vgl.: Müller, Harald 2002.
[6] Vgl.: Müller, Harald 2002.
[7] Vgl.: Czempiel, Ernst-Otto 1986.
[8] Müller, Harald 2002.
[9] Vgl.: Müller, Harald 2002.
[10] Vgl.: Müller, Harald 2002.
[11] Müller, Harald 2002.
[12] Müller, Harald 2002
[13] Müller, Harald 2002.
[14] Müller, Harald 2002.
[15] Vgl.: Müller, Harald 2002.
[16] Vgl.: Senghaas, Dieter 1995.
- Arbeit zitieren
- Christoph Ohl (Autor:in), 2002, Neue Denkansätze zum Thema "Frieden", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16211
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