Problemdarstellung
Der Flächentarifvertrag steht überall in der Diskussion. Insbesondere von Arbeitgeberseite wird teilweise stark kritisiert. Einige bezeichnen ihn zusammen mit der hohe Regulierungsdichte des deutschen Arbeitsrechts als Ursache der Massenarbeitslosigkeit und sehen in ihm ein "drittbelastendes Tarifkartell"(1). Seine mangelnde Akzeptanz läßt sich auch an dem häufigen Abschluß von Betriebsvereinbarungen unterhalb des Tarifniveaus erkennen(2). Ebenso zeugt der Mitgliederschwund in Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften von der geringer werdenden Attraktivität der Gestaltung der Arbeitsbedingungen durch die Sozialpartner(3).
Jüngst forderten die deutschen Arbeitgeber eine Reform des
Flächentarifvertrags und eine "Verbetrieblichung der Tarifpolitik(4).
Andererseits meinen Gewerkschaftsvertreter, der Tarifvertrag sei schon heute nicht mehr in der Lage, seine ordnungs- und wettbewerbspolitische Funktion zu erfüllen(5).
Die zunehmende Dezentralisation von Unternehmensteilen und die
Interessendifferenzierung innerhalb der Belegschaft hat unbestreitbar zu der Frage geführt, ob der Flächentarifvertrag noch eine zeitgemäße Form der Lohngestaltung ist(6). Auch die hohe Arbeitslosigkeit und der Druck eines globalen Wettbewerbs lassen an andere Regulierungsmöglichkeiten denken(7).
Um so häufiger werden Forderungen nach einer weitergehenden Flexibilisierung und Deregulierung des Tarifvertrags an den Gesetzgeber herangetragen. Dabei bezeichnet Flexibilisierung die Anpassung der Arbeitsbedingungen an individuelle oder betriebliche Besonderheiten, während der Begriff Deregulierung für den Abbau rechtlicher Arbeitsvertragsgrenzen steht(8).
[...]
_____
1 Ehmann ZRP 1996, 314; Deregulierungskommission S. 133;
vgl. Kronberger Kreis S. 21 (Nr. 16).
2 Ehmann ZRP 1996, 314 (315); Adomeit NJW 1994, 837 (838),
Reuter RdA 1994, 152 (154); Buchner FS Kissel S. 97 (108);
bekannt der Fall Viessmann ArbG Marburg v. 7.8.1996 DB 1996, 1925ff..
3 Däubler in: Bispinck S. 64 (67); vgl. Wirth AuA 1997, 109 (112).
4 Frankfurter Rundschau v. 18.11.1997 S. 5.
5 IG-Bau-Vorsitzender Wiesehügel; Der Spiegel v. 13.10.1997 (Nr. 43), S. 114.
6 Löwisch JZ 1996, 812 (812/813); vgl. Zöllner ZfA 1988, 265 (273/274);
Heinze NZA 1997, 1; Bahnmüller/Bispinck in: Bispinck S. 137 (142).
7 Wirmer in Hromadka, S. 139 (149); vgl. Däubler in: Bispinck S. 64 (71); Ehmann ZRP 1996, 314.
8 Junker ZfA 1996, 383 (404); Zöllner ZfA 1988, 265 (268);
Henssler ZfA 1994, 487 (488).
Inhaltsverzeichnis
- 1. Teil: Gang der Untersuchung
- 2. Teil: Konzernrechtlicher Unternehmensbegriff
- A. Bestimmung des Unternehmensbegriffs
- l. Ansätze zur Bestimmung des Unternehmensbegriffs
- 1. Funktioneller und institutioneller Unternehmensbegriff
- 2. Teleologischer Unternehmensbegriff
- a) Zu große Reichweite des Unternehmensbegriffes
- b) Zu enger Unternehmensbegriff
- c) Zwischenergebnis
- 4. Versuch einer Vereinigung beider Unternehmensbegriffe
- 5. Ergebnis
- 11. Bestimmung des teleologischen Unternehmensbegriffes
- 1. Unternehmensbegriff bei herrschenden Unternehmen
- a) statische Merkmale
- b) Gefährdungslage bei maßgeblicher Beteiligung
- 2. Unternehmensbegriff bei abhängigen Unternehmen
- 1. Unternehmensbegriff bei herrschenden Unternehmen
- III. Unternehmenseigenschaft als Haftungsvoraussetzung
- 1. Anwendbarkeit auf andere Rechtsformen als die AG
- 2. Rechtsprechung zum qualifiziert faktischen Konzern
- a) uneingeschränkte Haftung — von „Autokran" und „Video"
- b) Stellungnahmen der Literatur
- c) Einschränkungen der Haftung — „TBB" und „EDV"
- 3. Dogmatische Kritik in der Literatur
- 4. Stellungnahme: „Roma locuta, causa finita"
- l. Ansätze zur Bestimmung des Unternehmensbegriffs
- B. Öffentlich-rechtliche Körperschaft als Unternehmen
- l. öffentliche Körperschaft als herrschendes Unternehmen
- 1. Anwendbarkeit des Konzernrechts
- a) „VEBA-Urteil"
- b) Ablehnung der Gleichstellung
- c) anwendbare Konzernnormen
- 2. Konzemkonflikt bei einfacher Beteiligung der Körperschaft
- 1. Anwendbarkeit des Konzernrechts
- 11. Die Körperschaft als abhängiges Unternehmen
- l. öffentliche Körperschaft als herrschendes Unternehmen
- C. Auswirkungen auf andere Unternehmensträger
- l. BGB-Gesellschaft und Stimmrechtskonsortien
- 1. Das Aktionärskonsortium
- 2. Die abhängige BGB-Gesellschaft
- 11. Holdinggesellschaft
- 1. Mehrfache Beteiligung
- 2. Eindimensionale Holding
- III. Idealvereine
- IV. Stiftungen
- V. Genossenschaften
- l. BGB-Gesellschaft und Stimmrechtskonsortien
- A. Bestimmung des Unternehmensbegriffs
- 3. Teil: Zusammenfassung
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Seminararbeit untersucht die Zulässigkeit von gesetzlichen Öffnungsklauseln im Tarifvertragsrecht. Ziel ist es, die Rechtsgrundlagen und verfassungsrechtlichen Grenzen derartiger Klauseln zu erörtern, die es existenzbedrohten Unternehmen ermöglichen sollen, die Tariflöhne in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat herabzusetzen.
- Die Problematik der Tariföffnung und ihre Auswirkungen auf die Tarifautonomie
- Die rechtliche Bewertung der Öffnungsklauseln unter Berücksichtigung der Koalitionsfreiheit und des Eigentumsrechts
- Die Notwendigkeit einer Härtefallklausel und ihre verfassungsrechtlichen Voraussetzungen
- Die Auswirkungen auf die Arbeitsrechtsordnung und die Rolle der Sozialpartner
- Die Bedeutung der Beschäftigungsförderung im Kontext der Tarifautonomie
Zusammenfassung der Kapitel
Der erste Teil der Arbeit stellt die Problematik der Tariföffnung dar und beleuchtet die Kritik am Flächentarifvertrag aus Arbeitgeber- und Gewerkschaftsperspektive. Die zunehmende Dezentralisierung von Unternehmensteilen und die Interessendifferenzierung innerhalb der Belegschaft stellen die Frage nach der Zeitgemäßheit des Flächentarifvertrags in den Vordergrund.
Im zweiten Teil werden verschiedene Vorschläge zur Tariföffnung vorgestellt, darunter eine allgemeine gesetzliche Öffnungsklausel, eine gesetzliche Öffnungsklausel in Notfällen sowie die Korridorlösung und das Optionsmodell. Die Arbeit konzentriert sich auf die rechtliche Bewertung einer gesetzlichen Öffnungsklausel und analysiert die Auswirkungen auf die Regelungszwecke des S 77 BetrVG und des S 4 TVG.
Der dritte Teil befasst sich mit der rechtlichen Bewertung einer Öffnungsklausel unter dem Gesichtspunkt der Arbeitsrechtsordnung und der Koalitionsfreiheit. Die Arbeit untersucht, ob die Betriebsparteien gegenüber den Tarifvertragsparteien eine generelle Vorrangstellung haben und ob ein Eingriff in die Koalitionsfreiheit verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist.
Die Arbeit diskutiert verschiedene Rechtfertigungsargumente für einen Eingriff in die Tarifautonomie, darunter die Gemeinwohlbindung der Sozialpartner und die Berufsfreiheit des Arbeitgebers. Sie analysiert die Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit einer Öffnungsklausel und stellt alternative Maßnahmen zur Beschäftigungsförderung in den Vordergrund.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den Flächentarifvertrag, die Tarifautonomie, die Betriebsautonomie, die Koalitionsfreiheit, die Öffnungsklausel, die Härtefallklausel, die Beschäftigungsförderung und die Arbeitsrechtsordnung. Die Arbeit beleuchtet die Rechtsgrundlagen und verfassungsrechtlichen Grenzen der Tariföffnung im Kontext der deutschen Arbeitsrechtsordnung.
- Arbeit zitieren
- Stefan Henke (Autor:in), 1998, Die Zulässigkeit von gesetzlichen Öffnungsklauseln, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1613
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