Über die sozialen Auswirkungen von Infotainment-Formaten im TV
auf den Rezipienten am Beispiel der ATV-Ernährungs-Doku-Soaps
Mit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts begann in den Medien der Trend, die
medialen Grundkonzepte Unterhaltung und Information zu vermischen. Dieser
Trend kam aus den USA und verbreitete sich auf der ganzen Welt.
Unter dem sich bildenden Begriff des Infotainments wurde eine Fülle an neuen
Genres mit entsprechend hybridem Charakter entwickelt. So werden heute auch
informative Themen, die von gesellschaftlicher Relevanz sind, vermehrt in unterhaltenden
Formaten präsentiert. Diese Vermischung ist konkret im Genre der
"Doku-Soap" zu beobachten. Sie beansprucht für sich, den Informationsgehalt
einer Dokumentation mit den Unterhaltungselementen einer Serie zu verknüpfen.
Die vorliegende Arbeit untersucht die Frage aus welchen Gründen sich die Rezipienten
den jeweiligen Inhalten dieser veränderten Darreichungsform überhaupt
zuwenden, sowie die Auswirkungen der Formate auf das Individuum.
Diese Fragen wurden in der bisherigen Gesundheitskommunikation und Medienwirkungsforschung
bereits aufgeworfen, aber bis heute für die Sparte der Ernährungs-
Doku-Soaps nicht näher erforscht.
Die Untersuchung wurde anhand der ATV-Doku-Soaps „Du bist was Du isst“,
„Sasha Walleczek isst anders“ und „Österreich isst besser“ mittels einer quantitativen
Online-Befragung durchgeführt.
INHALTSVERZEICHNIS
1. EINLEITUNG
2. INFOTAINMENT
2.1 Begriffsdefinition
2.2 Entstehung und Entwicklung von Infotainment
3. DIE DOKU-SOAP
3.1 Begriffserklärung und Merkmale
3.2 Authentizität in Doku-Soaps
3.3 Die ATV-Ernährungsformate
3.3.1 Inhalt, Präsentation und Protagonisten
3.3.2 Die Moderatorin
4. EDUTAINMENT IM ZUSAMMENHANG MIT DOKU- SOAP-FORMATEN
4.1 Der Begriff Edutainment
4.2 Doku Soaps als Edutainment-Formate
4.2.1 Bildungsanspruch der ATV-Ernährungs-Soaps
4.2.2 Wirkungspotential von Edutainment-Doku-Soaps
5. MEDIENWIRKUNG
5.1 Medienwirkungsforschung - Beginn und Modelle
5.2 Gratifikationsforschung
5.2.1 Definition und Einteilung von Gratifikationen
5.2.2 Gratifikationen im Zusammenhang mit den ATV-Doku-Soaps
5.2.2.1 Unterhaltung, Information, Spannung und Entspannung
5.2.2.2 Gemeinschaft und soziale Interaktion
5.2.2.3 Eskapismus und Langeweile
6. UNTERSTÜTZENDE STUDIEN UND DENKANSTÖßE
6.1 Zur Diskrepanz geschlechterspezifischer Mediennutzung
6.2 Gesundheitsthemen in den Medien
7. EMPIRIE
7.1 Methodik
7.1.1 Methodenbeschreibung
7.1.2 Stichprobe
7.1.2.1 Demographie
7.1.2.1.1 Geschlecht
7.1.2.1.2 Alter
7.1.2.1.3 Bildung
7.1.2.1.4 Einkommen
7.1.2.2 Medienverhalten und Freizeitgestaltung
7.1.2.2.1 Medienverhalten allgemein
7.1.2.2.2 Freizeitgestaltung
7.2 Ergebnisse
7.2.1 Spezifika von Demographie, Medienverhalten und Freizeitgestaltung im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand
7.2.2 Vor der Rezeption: Motive zur Nutzung der Sendungen
7.2.3 Während der Rezeption:
7.2.4 Nach der Rezeption: Einfluss der, und Lebensveränderung durch, die Nutzung der Sendungen
8. ZUSAMMENFASSUNG
8.1 Fazit
8.2 Methodendiskussion
8.3 Ausblick
9. VERZEICHNISSE
9.1 Literaturverzeichnis
9.2 Online-Quellen
9.3 Tabellenverzeichnis
9.4 Abbildungsverzeichnis
10. ANHANG
10.1 Fragebogen
Abstract
Über die sozialen Auswirkungen von Infotainment-Formaten im TV auf den Rezipienten am Beispiel der ATV-Ernährungs-Doku-Soaps
Mit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts begann in den Medien der Trend, die medialen Grundkonzepte Unterhaltung und Information zu vermischen. Dieser Trend kam aus den USA und verbreitete sich auf der ganzen Welt.
Unter dem sich bildenden Begriff des Infotainments wurde eine Fülle an neuen Genres mit entsprechend hybridem Charakter entwickelt. So werden heute auch informative Themen, die von gesellschaftlicher Relevanz sind, vermehrt in unterhaltenden Formaten präsentiert. Diese Vermischung ist konkret im Genre der "Doku-Soap" zu beobachten. Sie beansprucht für sich, den Informationsgehalt einer Dokumentation mit den Unterhaltungselementen einer Serie zu verknüpfen.
Die vorliegende Arbeit untersucht die Frage aus welchen Gründen sich die Rezipienten den jeweiligen Inhalten dieser veränderten Darreichungsform überhaupt zuwenden, sowie die Auswirkungen der Formate auf das Individuum.
Diese Fragen wurden in der bisherigen Gesundheitskommunikation und Medienwirkungsforschung bereits aufgeworfen, aber bis heute für die Sparte der Ernäh- rungs-Doku-Soaps nicht näher erforscht.
Die Untersuchung wurde anhand der ATV-Doku-Soaps „Du bist was Du isst“, „Sasha Walleczek isst anders“ und „Österreich isst besser“ mittels einer quantitativen Online-Befragung durchgeführt.
Abstract
About the social Impact of Infotainment-Programs on TV on the Recipient by the example of the ATV-Nutrition-Docu-Soaps.
Starting with the 80ies of the 20th Century, coming from the USA, the media witnessed a trend towards the mixing of the two basic concepts in media, Entertainment and Information.
Within the newly evolving term of Infotainment, a huge variety of new Genres was developed, which were all bound to the same hybrid characteristics. So, today informative topics of significant social relevance relevance, as for example nutrition in the prospect of a healthier way of life, are increasingly presented in entertaining programs on TV. This mix can, as well, be observed in the genre of the so called “Docu Soap”. It claims to contain the same amount of information as a normal documentation while at the same time linking it with the entertaining elements of a TV-series.
This piece is examining how the way of presenting the content is changing the act of reception. It also answers the questions of for what reasons people turn towards those contents and which impact the programs have on the individuum. These questions have been raised in health-communication and media impact research, but haven’t yet been answered particiularly for nutrition-concerning-docu-soaps.
To answer them within this piece, an empiric analysis on the ATV-nutrition-docu- soaps „Du bist was Du isst“, „Sasha Walleczek isst anders“ and „Österreich isst besser“ has been done, using the tool of a quantitative online-survey.
1. Einleitung
Seit es die Medien, wie wir sie heute kennen, gibt, war ihre Aufgabe stets dual. Ihre entscheidenden Funktionen waren einerseits zu informieren und andererseits ein gewisses Maß an Unterhaltung zu bieten.
Seit Beginn des 21. Jahrhunderts verändert sich diese Medienwelt. Der Trend entwickelt sich in Richtung Infotainment - der Vermischung von Information und Unterhaltung innerhalb eines Formates. Während früher ein Nebeneinander von Information und Unterhaltung vorherrschte, gibt es heute vermehrt Mischformen der beiden medialen Grundkonzepte.1
Da sich dieser Trend vor allem im Fernsehen niederschlägt, ist dieses Medium auch der zentrale Bezugspunkt der vorliegenden Arbeit. Ziel der Arbeit ist letztendlich Aufschluss darüber zu geben, wie sich Sendeformate dieser Art auf das Verhalten und das Leben derer, die sie konsumieren, auswirken, denn „Journalistinnen konstruieren mit Hilfe von Fakten Geschichten über Wirklichkeit, die unterhalten, weil sie informativ sind und informativ sind, weil sie unterhalten. “ 2
Viele dieser Infotainment-Formate müssen sich allerdings dem Vorwurf stellen, dass sie mit Journalismus nichts mehr zu tun hätten. Die Sendungen würden auf den subjektiven Einschätzungen und Meinungen der Produzenten beruhen und von ihnen beeinflusst werden.3
Aus diesem Grund wird im Bereich der Doku-Soap, auch auf die Authentizität des Inhalts und die „Natürlichkeit“ der Protagonisten und des Umfelds der Dreharbeiten geachtet.
Nach Einführung in den Begriff des Infotainments wird der Fokus auf das Genre der Doku-Soap gelegt. Hierzu werden als Beispiele die ATV-Ernährungs-Doku- Soaps herangezogen, welche in weiterer Folge im empirischen Teil untersucht werden.
Es ist nicht der Zweck dieser Arbeit ein Urteil über die Art und Weise abzugeben, wie Infotainment im deutschsprachigen Raum gemacht wird und ob die Herangehensweise gut oder schlecht zu bewerten ist. Auch wird nicht die genaue Dramaturgie hinter der Doku-Soap hinterfragt. Vielmehr wird die Funktionsweise von verschiedenen Seiten untersucht. Es soll Aufschluss darüber gegeben werden, wie sich der Konsum von Infotainment-Formaten - im speziellen Fall dieser Arbeit - der Konsum der ATV-Ernährungsformate „Du bist was Du isst“, „Sasha Wallec- zek isst anders“ und „Österreich isst besser“ - auf den Rezipienten auswirkt. Das heißt, in wiefern durch die Nutzung dieser Medieninhalte der Rezipient angeregt wird sein Verhalten in seinem realen Umfeld zu verändern Weiters wird erhoben aus welchen Gründen die Sendung gesehen wird und in welchem Verhältnis die Nutzunghäufigkeit zu etwaigen Auswirkungen steht.
Ein umfangreiches Literaturstudium zu den Bereichen Info- und Edutainment, Doku-Soap und vor allem Medienwirkungs- und Gratifikationsforschung sind für die theoretische Bearbeitung des Themas unerlässlich. Ein Grundstock an Informationen zu Entstehung und Entwicklung von Infotainment führt den Leser in die Materie ein. Danach soll speziell auf das Genre der Doku-Soap eingegangen werden. Dabei wird besonderes Augenmerk auf die Authentizität und die erzieherischen Möglichkeiten und Wirkungen dieser Formate gelegt. Danach folgen die Kapitel über Medienwirkungs- und Gratifikationsforschung, deren Bedeutung für die vorliegende Thematik besonders hervorzuheben ist. Den Abschluss des Theorieteils bilden unterstützende Studien und Denkanstöße, die den Leser bei der Deutung der darauf folgenden empirischen Ergebnisse unterstützen sollen. Des Weiteren gibt der Empirie-Teil nicht nur Aufschluss darüber, in wiefern sich die Nutzung des medialen Angebots auf das Verhalten der Rezipienten niederschlägt, sondern erläutert auch, warum sich die Zuseher den Sendungen zuwenden. Das abschließende Fazit fasst die gesammelten Daten zusammen und überlässt das Ende der Arbeit einer Methodendiskussion und einem Ausblick auf zukünftige Forschungsmöglichkeiten.
2. Infotainment
Was sind Doku-Soaps? Wie funktionieren sie, woher kommen sie und welchen Einfluss haben sie auf den Rezipienten? Um diese Fragen beantworten zu können wird dem Leser zuerst ein Überblick über die übergeordnere Gattung des Medienphänomens Infotainment geboten. Dieses Kapitel erklärt, wie Infotainment definiert wird, worum es dabei geht und wie es entstanden ist, um dem Leser eine Basis für das bessere Verständnis des Genres der Doku-Soap zu geben.
2.1 Begriffsdefinition
Die Definition des Infotainmentbegriffs ist insofern schwer, als ein breites Spektrum an Inhalten damit beschrieben und mit diesem Begriff assiziiert wird. Das allgemeine und zentrale Charakteristikum des Infotainment-Genres ist jedoch einheitlich die Verschmelzung von Information und Unterhaltung.4 Diese allgemeine Einschränkung von Wirth trägt jedoch noch nicht viel zum Verständnis des Begriffs bei. Deshalb definiert Bosshart den Begriff aus einer Perspektive bei der die Rezeptionsqualität im Vordergrund steht:
„Der Begriff Infotainment sollte nicht nur als eine Mischung von Information und Unterhaltung definiert, sondern auch als Rezeptionsqualität in einem angeregten (Information) und erregten (Unterhaltung) Zustand aufgefasst werden. Es geht um das Wechselspiel von Kognition und Affekt, um das Spannungsfeld zwischen Nachrichtenwerten und Gefühlsfaktoren [...] Die Ingredienzien für die Dramaturgie informativer Unterhaltung und unterhaltender Information sind [...] Abwechslung, Personalisierung [...], Emotionalisierung, dosierte Mischung von Spannung und Entspannung, Stimulation, Vermeidung von Langeweile. “5
Diese Definition ist für den zentralen Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit sinnvoll, da eine Untersuchung der Auswirkungen der Rezeption von Infotainment-Formaten vorgenommen wird.
Die Fachwelt ist sich in der Frage der Definition des Begriffes Infotainment allerdings uneinig, was auch damit zu tun haben könnte, dass der Begriff sehr breit ist und in vielen Bereichen verwendet, aber gleichzeitig verschieden verstanden wird. Für Mast ist der Begriff Infotainment daher ein „sozialwissenschaftliches Unding“6. Aus diesem Grund erlaubt sich der Autor, zum besseren Verständnis, hier nur die oben genannte und für das Verständnis des Untersuchungsgegenstandes relevanteste Definition zu nennen. Sie wird dem Leser am ehesten helfen die Thematik plastisch nachzuempfinden und weitere Definitionen würden nur zu einem nicht unerheblichen Maß an Verwirrung führen. Eine lange Liste an zusätzlichen, teils konträren Definitionen bieten dem interessierten Leser die Autoren Steinmann7 und Wittwen8 in ihren Werken.
Zwar keine Definition des Begriffes selbst, aber eine klare Aussage welche die Wichtigkeit des Begriffes Infotainment für diese Arbeit unterstreicht findet sich bei Wolf. Für ihn ist Infotainment „die Mutter der meisten Hybridformen im Fernsehen“9. Damit gemeint ist, dass unter dem Dachbegriff Infotainment fast alle Hybridformate von Doku-Soap über Krimi-Dokumentationen bis zur Quiz-Show zusammengefasst werden können.10
Folgend wird ein Überblick über die Entstehung dieser „Mutter“ der Doku-Soap und damit „Mutter“ des Untersuchungsgegenstandes verschafft.
2.2 Entstehung und Entwicklung von Infotainment
Die heutige Klassifizierung von Infotainment, in der viele verschiedene FormatGattungen enthalten sind, hat nur noch wenig mit den Anfängen des Infotainment zu tun. Klöppel fasst in seinem Buch „Infotainment“ unter anderem Talk-Shows, Reality-TV, Wissens-Magazine, Politische Magazine, Society-Magazine, Boule- vard-Magazine, Quiz-Shows und nicht zuletzt die Gattung der Doku-Soaps, unter dem Begriff des Infotainment zusammen.11
Interessanterweise entstand Infotainment graduell im Amerika der 1980er Jahre. Der zunehmend Druck der TV-Sender höhere Einschaltquoten zu gernerieren, führte zur Einführung derartiger Sendeformate, da das herkömmliche Nachrichtenprogramm den Zusehern langweilig wurde.12
Das bis dahin übliche Herunterlesen von Nachrichtenmeldungen wurde durch den Einsatz von unterhaltenden Elementen zunehmend abgelöst.
So betrachtet war die Entstehung von Infotainment eine rein medienwirtschaftliche Notwendigkeit. Diese Mischform war das erzwungene Ergebnis, dass die Information angenehm genug verpacken sollte um den Unterhaltungswert zu steigern.13
Die ursprüngliche Idee war, die unterhaltsame Umgestaltung der Fernsehnachrichten. Daraus wurde jedoch eine eigenständige Gattung die aufgrund des großen Zuspruchs seitens des Publikums ein Selbstläufer wurde. So entstanden immer mehr hybride Sendeformate, die dem Zuschauer die Möglichkeit boten näher und emotionaler an der Information teilzuhaben.14
Dieses Phänomen fand bald den Weg nach Europa wo sich viele neue Genres und Sendeformate entwickelten. Unter anderem auch die Doku-Soap, um die es in dieser Arbeit geht. Alleine zwischen 1998 und 2001 gab es im deutschen Fernsehen 46 Doku-Soaps.15 Was das Spezielle an ihrem Aufbau und Inhalt ist, wird im nächsten Kapitel erklärt.
3. Die Doku-Soap
Doku-Soaps sind ein relativ junges Genre in der Geschichte des Fernsehens. In diesem Kapitel werden sowohl allgemeine Informationen zum Konzept, wie auch zu den Hauptmerkmalen von Doku-Soaps gegeben. Der Leser bekommt einen Einblick in die Art und Weise wie die Verschmelzung eines fiktionalen und eines non-fiktionalen Genres funktioniert. Anschließend gibt es einige kurze Überlegungen zum Thema Authentizität in Doku-Soaps, da diese gerade in jenem Genre eine entscheidende Rolle spielt. Erst danach soll der Leser in die spezielle Thematik der zu untersuchenden ATV-Ernährungs-Doku-Soaps eingeführt werden. Dabei werden Inhalt und Machart sowie Ziele der Sendungen beschrieben. Den Abschluss macht ein Unterkapitel über die Person der Moderatorin, da im empirischen Teil geklärt werden soll, ob diese tatsächlich Einfluss auf den Erfolg der Sendeformate hat.
3.1 Begriffserklärung und Merkmale
Die Doku-Soap entstand in den 90er Jahren in Großbritannien. Sie wurde vom öffentlich-rechtlichen Sender BBC entwickelt. Es handelte sich dabei um dokumentarische Mehrteiler, die sich zwar inhaltlich an die Regeln der Dokumentation hielten, sich in Aufmachung und Spannungsaufbau aber an der Seifenoper orientierten. Meist gab es mehrere Protagonisten, deren Geschichten durch die Parallelmontage kontrastiert werden. Doku-Soaps vom „wahren Leben“ und alltäglichen Problemen wurden zu absoluten Quotenhits. Darum wurde dieses Genre auch in vielen anderen Ländern regelrecht ausgeschlachtet. Das faszinierende für den Zuschauer ist dabei, dass die Charaktere echt sind und keine Schauspieler wodurch ein Stück Wirklichkeit transportiert und repräsentiert wird und ein persönlicherer Bezug der Zuseher zu den Darstellern ermöglicht wird. Unzählige Sendeformate wurden im Laufe der Jahre entwickelt und bekamen aufgrund ihrer Attraktivität immer wieder Sendeplätze zu den besten Sendezeiten.16 Die Idee einer Verbindung zwischen Dokumentation und Soap Opera herzustellen hatte, im Jahre 1994, ein gewisser Julien Mercer - Mitarbeiter in der Abteilung für Dokumentarfilm bei der BBC. Er kann somit als Erfinder der Doku-Soap bezeichnet werden.17
Diese „Erfindung“ setzte einen Boom in Gang der darin gipfelte, dass 1998 bereits allein im englischen Fernsehen 75 Doku-Soaps ausgestrahlt wurden.18 Das führte dazu, dass auch in Deutschland die Produktion von Doku-Soaps einsetzte. Vor allem die privaten Sender des deutschen Fernsehens übernahmen den Trend aus England schnell. Zu Beginn wurden die bis dahin erfolgreichen britischen Formate einfach kopiert.19 In den Jahren 1998 bis 2001 gab es im deutschen Fernsehen 46 Doku-Soaps.20
Möglich gemacht wurde dieser Erfolg vor allem durch technische, sowie soziale Entwicklungen im Bereich der Erstellung von Film- und Tonmaterial. Während es auf der einen Seite viel leichter wurde gutes Ton- und Bildmaterial herzustellen, hatten auf der anderen Seite immer weniger Menschen ein Problem damit, gefilmt zu werden - im Gegenteil. Die Zurschaustellung von Privatem und Intimem im Fernsehen wurde zu einer Modeerscheinung.
Der entscheidende Punkt im Bereich der Doku-Soap ist dabei die Gratwanderung zwischen beobachten und inszenieren. Der Unterschied zwischen Authentizität und Gespieltem und zwischen dem Finden und Erfinden von Alltagssituationen, muss gewahrt bleiben um, laut Wolf, eine gelungene Doku-Soap zu erzeugen.21 Diesen Punkt sieht Prokop etwas kritischer. Sie ist der Meinung, dass diese Formate wenig echte Information sondern eher Selbstdarstellung beinhalten. Durch Personalisierung und Dramatisierung von Verhaltensmustern oder ethischen Fragen wird versucht die Sachthemen für den Alltag zu konkretisieren. Das kann aber auch eine Simplifizierung bedeuten, die beim Publikum zu Fehlinterpretationen der Gesamtthematik führt. So wird von Experten die eigentliche Innovation der Doku-Soap darin gesehen, dass die strikte Grenze zwischen Darsteller und Publikum aufgehoben wird. Es wird nicht einfach nur über gewisse Themen gesprochen sondern die Themen sollen als greifbare Beispiele selbst auftreten. Im Kontext des Untersuchungsgegenstandes dieser Arbeit bedeutet das, dass nicht mehr bloß die Themen Ernährung und Gewichtsprobleme besprochen und diskutiert werden, sondern vielmehr, dass das Ernährungsproblem in der Person eines übergewichtigen Menschen selbst auf den Plan tritt. Dazu kommen die lenkenden Eingriffe von Moderation und Regie.22
Prokop findet, dass in diesem Zusammenhang das größte Interesse an den intimen Formaten besteht, „[...]in denen unprominente Personen im Mittelpunkt des Geschehens stehen, von ihren Schicksalen erzählen, nach Lösungen für ihre Probleme suchen oder ihre Lebenseinstellungen konfrontativ zur Debatte stellen. “23
Dieses intime „dabei sein“ und miterleben macht den Reiz dieser Doku-Soaps aus. Sie gibt dem Zuseher, zumindest scheinbar, die Möglichkeit das Leben einer anderen Person für eine kurze Zeit mitzuleben. Etwas zu erleben, dass zwar Alltag ist, aber für den Zuseher deswegen noch lange nicht alltäglich sein muss.24
Der Unterschied zu einer herkömmlichen Dokumentation liegt dabei darin, dass gewisse, für Serien typische, Elemente verwendet werden. So gibt es immer eine gewisse Geschichte hinter dem Berichteten. Das dokumentarische des Inhalts wird mit der Dramaturgie einer Serie verbunden. So gibt es bei Doku-Soaps etwa auch sogenannte Cliffhanger, also Spannungshöhepunkte am Ende der Sendung, um das Interesse bis zur nächsten Folge hochzuhalten.25
3.2 Authentizität in Doku-Soaps
Authentisch ist im Fernsehen all das, was dem Rezipienten als glaubwürdig erscheint. Der Anspruch besteht darin ein gewisses Maß an Übereinstimmung mit der Erwartung des Zuschauers zu erreichen, um einen „stimmigen“ Beitrag zu gestalten. Die Erwartungshaltung, die erfüllt werden muss, um dieses Gefühl hervorzurufen, ergibt sich aus den Erfahrungen des Individuums. Diese werden persönlich mit jeder Rezeptionssituation gesammelt. Daraus wird abgeleitet, wie diese im Normalfall abzulaufen haben. Der Rezipient bildet ein Ablaufschema.26 Demzufolge ist im gesamten Alltag des Menschen alles, was nicht erwartet wird, gleichzeitig verstörend oder unnatürlich. Die vom Individuum gebildeten Ablaufschemata zur Einordnung von „normalen“ Abläufen funktionieren auch im Bereich der Medien.
Schmidt sieht diese Medienschemata als eine Art kognitiver Orientierungshilfe.
„Sie regeln Ansprüche und Erwartungen an Wirklichkeitsbezüge von Medienangeboten[...], an die Glaubwürdigkeit von Kommunikatoren[...], an die ästhetische Gestaltung[...], an die Glaubwürdigkeit von Medienangeboten[...], bzw. an die Funktion desMedienangebots[...]. “27
Die Einordnung eines Medienangebots, in eines der durch Erfahrung gebildeten Schemata, prägt somit die Erwartung die an das Medienangebot gestellt wird. Darum bezeichnet Schmidt die Gesamtheit der für ein gewisses Medienangebot typischen Schemata als Gattung.28
Die Doku-Soap ist eine solche Gattung, da hier ein besonders hoher Anspruch an die Authentizität des Gezeigten gestellt wird, da diese Natürlichkeit gewissermaßen die Daseinsberechtigung der Doku-Soap ist.
„Doku-Soaps versprechen [...], unterhaltsamer zu sein als so manche spröde Dokumentation. Und sie versprechen Authenti-
zität: echte Menschen mit echten Geschichten. Wie das Leben so spielt. “29
Mit diesem Zitat von Wolf ist bereits vieles gesagt, was Macher von Doku-Soaps zu ihrer Verteidigung vorbringen. Doch oft wird an der Echtheit des Inhalts ge- zweifelt und den Produzenten Inszenierung vorgeworfen. Wolf geht sogar noch weiter und behauptet, dass kaum ein Doku-Format mehr ohne szenische Rekonstruktion auskommt. Trotzdem sieht er noch immer ein Band zwischen diesen Doku-Formen und kritischem Journalismus.30
Kann eine Doku-Soap aber überhaupt die „wirkliche Wirklichkeit“ abbilden? Oder ist diese Abbildung durch vielerlei Gründe, wie die banale Tatsache der Anwesenheit einer Kamera, gar nicht möglich? Wittwen vertritt jedenfalls die Meinung:
„Die wirkliche Wirklichkeit gehorcht nämlich selten den dramaturgischen Gesetzen einer Fernsehsendung, sie bedarf der Dramatisierung. Der Handlungsknoten muss geschürzt werden, Zeitlupe und Zeitraffer kommen zur Anwendung, Nacherzählungen und bildliche Nachstellung ersetzen das Dokument. “31
Bei Klaus und Lücke findet man dazu gemischte Aussagen:
„Als Vertreter des performativen Reality TV stellen auch Doku Soaps und Reality Soaps Geschichten und Erlebnisse gewöhnlicher Menschen in den Mittelpunkt. Laut Selbstaussage der Fernsehsender handelt es sich vor allem bei der Doku Soap um ein authentisches Genre. “32
Die Autorinnen sehen hier die Möglichkeit zur authentischen Darstellung von Problemen und Lebensumständen der realen, unprominenten Menschen. Gleichzeitig wird aber eingeräumt, dass diese de facto nicht verwirklichbar ist, da Doku- Soaps zwar versuchen den Schein von Authentizität zu wahren, tatsächlich jedoch eine neue Realität inszenieren. Diese ist fix an eine feste Dramaturgie gebunden. So sollen manche Regisseure zugeben, dass sie bewusst Szenen nachstellen lassen oder in die Handlungen der Protagonisten eingreifen um die jeweiligen Aktionen der Protagonisten so vorteilhaft wie möglich für das mediale Endprodukt zu gestalten.33
Der tatsächliche Grad an Authentizität der Sendungen liegt also in der individuellen Wahrnehmung des Rezipienten. Denn dieser entscheidet durch seine jeweilige Prä-Disposition selbst darüber, wie authentisch er die ihm vermittelten Inhalte findet. Trotzdem ist für Martenstein gewiss:
„ Und immer verlangt das Publikum nach frischer Ware, immer will es in der großen Erzählung seinen gegenwärtigen Alltag und seine gegenwärtigen Wünsche erkennen. “34
3.3 Die ATV-Ernährungsformate
3.3.1 Inhalt, Präsentation und Protagonisten
In die obige Formatbeschreibung der Doku-Soaps passen auch die drei ATV- Ernährungsformate „Du bist was Du isst“, „Sasha Walleczek isst anders“ und „Österreich isst besser“.
Das bestätigt Lücke indirekt damit, dass sie das deutsche Doku-Soap-Pendant „Abnehmen in Essen“ als ein klassisches Beispiel für eine Doku-Soap, nach dem heutigen Verständnis des Begriffs bezeichnet.35
In den oben genannten Formaten geht es vorrangig um die Ernährungsgewohnheiten der Österreicher. Das Ziel der Sendung ist es mit plakativen Beispielen aufzurütteln, zu provozieren und zum Nachdenken über den eigenen Umgang mit Lebensmitteln und Ernährung anzuregen.
Bereits der Beginn der jeweiligen Sendungen lässt klar erkennen worum es gehen wird. So ist beispielsweise der Vorspann der letzten Staffel von „Österreich isst besser“ davon gekennzeichnet, dass eine Karotte und ein Hamburger einen Boxkampf austragen. Ein spezieller Jingle im Hintergrund trainiert die auditive Wiedererkennung der Sendung. Der Vorspann endet damit, dass die Karotte den Hamburger in Zeitlupe aus dem „Ring“ prügelt, der sich in eine rot-weiß-rote Österreich-Karte verwandelt, die an ein Tischtuch erinnert.
In den Sendungen werden die Essgewohnheiten von stark übergewichtigen Protagonisten analysiert und dann mit Hilfe von plakativen, konfrontativen Situationen sowie Auseinandersetzung der Protagonisten mit ihrem Problem aufbereitet. Das klassische Beispiel dafür ist die Präsentation der Lebensmittel des Protagonisten einer ganzen Woche auf einem großen Tisch. Diese teilweise eindrucksvollen Bilder sollen wohl einerseits schockieren und andererseits durch die alltäglichen Geschichten der Protagonisten eine Identifikation des Zuschauers mit dem Gesehenen hervorrufen. Nach dem Auftakt, bei dem den übergewichtigen Protagonisten erklärt wird, welche Ernährungsfehler vorliegen, geht es daran mit ihnen alltagstaugliche Wege zu erarbeiten, ihre Ernährung derart umzustellen, dass sie gesünder leben und Gewicht reduzieren.
Über diese Art und Weise der Inhaltsvermittlung gibt es geteilte Meinungen. So meinte die Redaktion von www.stadt-wien.at, dass Sasha Walleczek es schafft „[...] ihre Klienten auf quotenträchtige, aber einfühlsame Art und Weise in ihrer Sendung „Österreich isst besser“ (früher: „Du bist, was du isst“) zu einer gesünderen Lebensweise zu animieren[...]“.36
Auf der anderen Seite gab es rege Kritik an der bloßstellenden Art und Weise von manchen Szenen in Online-Foren wie www.parents.at. Ebenso thematisiert wurde die Verschwendung jener Lebensmittel, die nur kurz für die plakative Aufnahme angekauft wurden.37
Die Folgesendungen „Sasha Walleczek isst anders“ und „Österreich isst besser“ waren von ihrer Grundidee her dem Vorgänger sehr ähnlich. So sollten die Kandidaten in „Sasha Walleczek isst anders“ vor allem lernen, Obst und Gemüse in ihrer Ernährung zu schätzen und Fast Food und Pizza zu vermeiden, während in „Österreich isst besser“ der Fokus vor allem auf größere Gruppen von Jugendlichen oder Prominenten gelegt wurde. So wurde beispielsweise versucht österreichische Prominente, wie Ex-Nationalteam-Torwart Franz Wohlfahrt oder Kabarettist Christoph Fälbl, beim Abnehmen zu unterstützen. In einem weiteren Sequel, „Österreich isst besser - das Teenagercamp“ wurde mit einer übergewichtigen Gruppe Jugendlicher gearbeitet. Die Sendungen wurden immer in der attraktiven Sendezeit der Hauptabend Prime-Time gespielt. Sie dauerten im Schnitt, um die auf ATV üblichen Werbepausen bereinigt, 72 Minuten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: Ausstrahlungsdaten der ATV-Ernährungsformate
Auffallende Charakteristika der ATV-Ernährungs-Formate sind:
- Die Großaufnahme - Sie dient normalerweise zur genauen Beobachtung der Emotionen des Protagonisten oder dazu diesen durch kosmetische Mängel bloßzustellen.
- Die Stimme aus dem Off - Im Normalfall soll der Kommentar aus dem Off mit süffisantem Humor und Witzen auf Kosten der Protagonisten für Unterhaltung sorgen.
- Eine bewusste Unterlegung mit Musik - Die Vertonung spielt eine gewichtige Rolle in den Doku-Soaps. So werden oftmals dramatische klassische Musikstücke gespielt um etwas pompöser erscheinen zu lassen, während auf der anderen Seite manchmal zur Fokussierung auf das Gesagte weder Musik noch Atmosphärengeräusche zu hören sind.
- Cliffhanger - Der Spannungshöhepunkt am Ende der Sendung der dem Zuseher Lust auf die nächste Folge machen soll.
3.3.2 Die Moderatorin
Da die Frage in wiefern die Moderatorin der Sendungen, Mag. Sasha Walleczek, persönlich für den Erfolg der Formate verantwortlich ist, ein Teil der empirischen Untersuchung ist und in diesem Rahmen erhoben wurde, erscheint eine Personenbeschreibung als hilfreich.
Die Moderatorin, Mag. Sasha Walleczek, führte durch über 60 Hauptabendsendungen. Durch ihre Expertise und Moderation wurde sie zu einem Ernährungsvorbild für viele Österreicherinnen und Österreicher. Das bestätigen auch die Verkaufszahlen ihrer Bücher „Die Walleczek-Methode - Ohne Diät zum Wunschgewicht“, „Die Walleczek-Methode - Das Kochbuch“ und „Die Walleczek-Methode für ihr Kind - Richtig essen leicht gemacht“ bestätigen. Nach ihrer Veröffentlichung führten die Ratgeber die Bestsellerlisten an, wofür Sasha Walleczek bei der Wahl zum „Buchliebling 2009“ drei Preise verliehen bekam. Sie erhielt auch eine Auszeichnung in der Kategorie „Goldene Schallplatte“ für ihre CD „Die Wallec- zek-Methode - das 4 Wochen Programm“.38
Die 1968 in Tirol geborene Sasha Walleczek hat Betriebswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien studiert. Die Qualifikation im Bereich der Ernährungslehre erhielt sie durch ein dreijähriges Studium zum „Nutritional Therapist“ am Londoner Institute for Optimum Nutrition. Nach ihrem Ausbildungsweg arbeitete sie mehrere Jahre in den USA und Asien. Derzeit liegt der Schwerpunkt ihrer Arbeit, abseits vom Moderatoren- und Autorendasein, darin, für Unternehmen unterschiedlichster Größe besseres Stressmanagement und Leistungssteigerung durch Ernährung umzusetzen. Des Weiteren hat sie mit foodguru.net eine Webseite für Ernährungsbewusste aufgebaut die im Juni 2009 gelauncht wurde.39
Im folgenden Kapitel wird, zum Kern der Thematik zurückkehrend, untersucht, welche erzieherischen Möglichkeiten in Doku-Soaps stecken.
4. Edutainment im Zusammenhang mit Doku-Soap-Formaten
Die ATV-Emährungsformate haben den Anspruch, das Thema Ernährung aus gesundheitlicher Sicht aufzugreifen, zu bearbeiten und letzten Endes eine positive Veränderung im Verhalten der Zuschauer zu bewirken. Sie wollen den Zuseher erziehen bzw. weiterbilden, gleichzeitig aber unterhalten. Dieses Konzept bezeichnet man als Edutainment.
Im Anschluss an die Erklärung des Begriffs Edutainment soll dem Leser beispielhaft das Potential von Edutainment an den „Super-Nanny“-Formaten aufgezeigt werden.
4.1 Der Begriff Edutainment
„Edutainment bezeichnet ein Konzept der elektronischen Wissensvermittlung, bei dem auf spielerische und gleichzeitig unterhaltsame Weise Wissensinhalte vermittelt werden. “40
Im Rahmen des Hauptbegriffes Infotainment gibt es mehrere Sub-Spaltungen wie Politainment, Confrontainment, Sportainment und auch Edutainment. Das Wort Edutainment setzt sich aus den englischen Begriffen Education - Erziehung/Bildung - und Entertainment - Unterhaltung zusammen. In EdutainmentSendungen werden oft wichtige gesellschaftliche Themen angeschnitten und in einem unterhaltenden Kontext wiedergegeben.41
Der Begriff „Edutainment“ ist deshalb wichtig für diese Arbeit, weil im Rahmen der Umfrage im empirischen Teil untersucht werden soll, ob die Zuseher durch die Sendungen das Gefühl haben, in ihrem Leben Veränderungen vornehmen zu müssen, weil ihnen durch die Sendung, ihr Fehlverhaltens aufgezeigt wurde.
4.2 Doku Soaps als Edutainment-Formate
Dass Doku-Soaps zum Ziel haben, Zuschauer zu bilden, ist nicht selbstverständlich. Es kommt sowohl auf den Inhalt als auch auf die Aufbereitung der Sendung an. Grundsätzlich eignen sich Dokumentations-Elemente aber als Basis für Edutainment, da in dieser Konstellation der Inhalt, wie weiter oben bereits erwähnt, bestmöglich personalisiert und emotionalisiert werden kann.
4.2.1 Bildungsanspruch der ATV-Ernährungs-Soaps
Die Formate „Österreich isst besser“, „Sasha Walleczek isst anders“ und „Du bist was Du isst“ befassen sich mit dem Thema Ernährung. Sie bringen Gesundheitsbelange im Zusammenhang mit Ernährung und körperlicher Bewegung in einer aufklärerisch-erzieherischen Art und Weise ins Fernseh-Hauptabendprogramm und damit in den Mittelpunkt des Rezipienteninteresses.
Im Fall der ATV-Sendungen wird das Thema Ernährung informativ aber unterhaltsam näher gebracht. Damit soll eine stärkere Auseinandersetzung der Rezipienten mit dem Thema, auch abseits des Fernsehens, erreicht werden. Ob das im Fall der ATV-Ernährungsformate zutrifft, soll im empirischen Teil geklärt werden.
Ein weiterer Faktor für den Erfolg einer Edutainment-Sendung ist die Tragweite des Themas, welches viele Berührungspunkte mit dem Publikum haben sollte. Da jeder Mensch essen und trinken muss und es in Österreich laut einer Studie des Gesundheitsministeriums immerhin rund 42% übergewichtige Menschen gibt42, ist das hier gewählte Thema durchaus als breitenwirksam zu bezeichnen.
4.2.2 Wirkungspotential von Edutainment-Doku-Soaps
Doch Ernährung ist nicht das einzige Thema, dass mit aufklärerischen Motiven in Doku-Soaps präsentiert wird. Viel diskutiert wurden vor allem die auf die Erziehung und Problemlösung bei schwierigen Kindern ausgerichteten „Nanny- Formate“ in ATV, ORF, RTL und RTL 2. Mit vier Formaten - „Super Nannys“ auf ATV, „Help-TV-Nanny“ auf ORF, „Die Super Nanny“ auf RTL und „Super- mamas“ auf RTL2 wurden alleine im deutschsprachigen Raum Millionen Eltern mit Erziehungstipps überflutet.
2004 lief auf RTL „Die Super Nanny“ mit außergewöhnlichem Erfolg. Zu Bginn mit über fünf Millionen Zuschauer und auch nach fast einem Jahr waren noch immer 4,3 Millionen Menschen vor den Geräten um die Sendungen zu verfolgen. Die Diskussion rund um diese Erziehungsshows, wie sie die Autoren Thiersch und Thiersch nennen, waren ebenso groß wie der Erfolg den sie verzeichneten43
Für Thiersch und Thiersch liegt das Problem darin, dass die Komplexität des Themas Erziehung nicht in den Rahmen einer Sendung gepresst werden kann. So werden durchaus hilfreiche Ansätze der „Super Nanny“ zur Dynamisierung der Sendung mit instantanen Handlungsweisen verbunden, die im Fernsehen gut und plausibel wirken. Diese eignen sich jedoch in dieser Art und Weise nicht, eins zu eins in den persönlichen Erziehungsalltag der Eltern übertragen zu werden.44
Die Wirkungen der Doku-Soap, in der die Präsentation von intimen Familiensituationen - von Zornesausbrüchen der Kinder bis zu völlig ungeschickten Reaktionen der Eltern - im Mittelpunkt steht, gehen auseinander. So sind die einen dankbar, Erziehungstipps zu erhalten und versuchen das Gezeigte sofort umzusetzen, während andere nur froh darüber sind, dass es bei ihnen zu Hause nicht so schlimm ist. Eine dritte Gruppe beginnt gar, ein Engagement der Super Nanny für den eigenen Nachwuchs als Drohung zu verwenden, um ihre Kinder unter Kontrolle zu halten.45
Letzteres funktioniert durch den rigoros autoritären Auftritt der Super Nanny, der im Rahmen der Sendung funktioniert und Sicherheit ausstrahlt.46 Die Umsetzung dieses Musters führt aber dazu, dass Familien, in der Annahme dadurch schnelle Lösungen für ihre Probleme zu erzielen, zu autoritären Erziehungsmustern zurückkehren.47
[...]
1 Vgl. Klöppel, 2008, S. 9
2 Klaus/Lüneborg, 2002, S. 111
3 Vgl. Schneider/Raue, 2006, S. 111
4 Vgl. Wirth, 2000, S. 62
5 Bosshart, 1991, S. 3
6 Mast, 1991, S. 185
7 Vgl. Steinmann, 1991, S.18
8 Vgl. Wittwen, 1995, S. 22f
9 Wolf 2003, S. 70
10 Vgl. ebenda
11 Vgl. Klöppel, S.
12 Vgl. Freudenreich, 1986, S. 132
13 Vgl. Foltin, 1991, S. 48
14 Vgl. Freudenreich, 1986, S. 133f
15 Vgl. Lücke, 2002, S. 78
16 Vgl. www.mediaculture-online.de
17 Vgl. Lücke, 2002, S. 64
18 Vgl. ebenda, S. 78
19 Vgl. Wolf, 2003, S. 96
20 Vgl. Lücke, 2002, S. 78
21 Vgl. Wolf, 1999, S. 5
22 Vgl. Prokop, 2006, S. 13ff
23 ebenda, S. 28
24 Vgl. Jung, 1999, S. 285
25 Vgl. Wolf, 2003, S. 95
26 Vgl. Schmidt, 2008, S. 60
27 ebenda, S. 61
28 Vgl. ebenda
29 Wolf, 2001, S. 115f
30 Vgl. Wolf 2003, S. 9
31 Wittwen, 1995, S. 20
32 Klaus/Lücke, 2003, S. 204
33 Vgl. Klaus/ Lücke, 2003, S. 205f
34 Martenstein, 1996, S. 13
35 Vgl. Lücke, 2002, S. 70
36 Vgl. www.stadt-wien.at
37 Vgl. www.parents.at
38 Vgl. www.walleczek.at (1)
39 Vgl. www.walleczek.at (2)
40 Norman, 2010, S. 8
41 Vgl. Klöppel, 2008, S. 149
42 Vgl. www.bmg.gv.at
43 Vgl. Thiersch/Thiersch, 2007, S. 135
44 Vgl. ebenda, S. 136
45 Vgl. ebenda, S. 138
46 Vgl. ebenda, S. 153
47 Vgl. ebenda, S. 156
- Quote paper
- Andreas Reisenberger (Author), 2010, Über die sozialen Auswirkungen von Infotainment-Formaten im TV auf den Rezipienten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/161002
-
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