Der Rat der Europäischen Union hat am 16.12.2002 die neue Durchführungsverordnung (im Folgenden bezeichnet als VO Nr. 1) zu den in den Artikeln 81 und 82 des EG-Vertrages niedergelegten Wettbewerbsregeln einstimmig verabschiedet. Die neue Verordnung tritt zum 1. Mai 2004 in Kraft, d.h. zeitgleich mit dem Beitritt von zehn neuen EU-Mitgliedsstaaten. Die Einigung über die neue Durchführungsverordnung krönt einen kontroversen Diskussions- und intensiven Gesetzgebungsprozess. Die neue Durchführungsverordnung bedeutet in erster Linie einen tiefgreifenden Systemwechsel. Das bislang bestehende Verfahren einer vorherigen Kontrolle mittels Anmeldung und Genehmigung für wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen i.S. des Art. 81 Abs. 1 und 3 wird überführt in ein System der Legalausnahme. Das bedeutet, dass die Freistellung vom Kartellverbot kraft Gesetzes automatisch erfolgt, wenn die Voraussetzungen des Art. 81 Abs. 3 vorliegen. Die Vorschläge der Kommission sind zunächst in den Niederlanden, Großbritannien und Deutschland auf heftigste Ablehnung gestoßen. Insbesondere in Deutschland wird u.a. in Abrede gestellt, dass ein Wechsel zu Gunsten des Systems der Legalausnahme zulässigist, da ein solcher Systemwechsel eine Änderung des EGV voraussetze. Diese Zweifel greifen eine alte Streitfrage auf, die bereits bei der Vorbereitung der Verordnung Nr.17/1962 (im Folgenden bezeichnet als VO Nr. 17) heftig diskutiert jedoch nicht endgültig entschieden wurde. Es ging dabei um die Beurteilung, ob dem Art. 85 EGV (Art. 81 EG n.F.) ein bestimmtes Verfahrenssystem zur Durchführung der Wettbewerbsvorschriften (Anmelde- und Genehmigungssystem oder das System der Legalausnahme) immanent ist. Bereits damals glaubte man diesen Streit nur durch den EuGH beilegen zu können. Angesichts der neuen Aktualitätder Problematik und zahlreicher weiterer Bedenken bezüglich der VO Nr. 1 ist die Anrufung des EuGH von einem einzelstaatlichen (deutschen) Gericht spätestens nach dem Geltungsbeginn zumindest legitim. EuGH würde dann im Vorlageverfahren gemäß Art. 234 entscheiden müssen, ob der Systemwechsel durch die Verordnungs-Ermächtigung des Art. 83 gedeckt ist. Indieser Arbeit soll die Vereinbarkeit der neuen europäischen Kartellverordnung mit dem primären Gemeinschaftsrecht untersucht werden, zumal die mögliche Entscheidung des EuGH zu dieser Frage einen herausragenden Vergleichsmaßstab liefern würde.
Inhaltsverzeichnis
- EINFÜHRUNG
- GRÜNDE FÜR EINE REFORM
- Das bisherige System.
- Die Folgen des Anmelde- und Genehmigungssystems.
- Reform der VO Nr. 17/1962 – Die Durchführungs-VO Nr. 1/2003.
- Entstehung der VO Nr. 1
- Reformablauf im Bereich der vertikalen Vereinbarungen
- Reformablauf im Bereich der horizontalen Vereinbarungen
- Ziele und Mittel der Reform-VO Nr. 1
- Die Ziele
- Die Mittel
- System der Legalausnahme
- Das Anmelde- und Erlaubnissystem
- Das System der Legalausnahme
- Unterschiede der beiden Systeme
- FRAGESTELLUNG
- VEREINBARKEIT DER VO NR. 1 MIT DEM PRIMÄREN EG-RECHT.
- Formelle Rechtmäßigkeit der neuen Durchführungsverordnung
- Materielle Rechtmäßigkeit der neuen Durchführungsverordnung
- grammatikalische Auslegung.
- Ansicht der Reformkritiker
- der Begriff, erklären'
- der Begriff, Gruppe'
- Ansicht der Reformbefürworter
- der Begriff, erklären'
- der Begriff Gruppe'
- eigene Stellungnahme
- systematische Auslegung.
- Ansicht der Reformkritiker
- Argument aus Art. 83 Abs. 2 lit. a und b EG
- Argument aus Art. 83 Abs. 2 lit. a EG
- Argument aus Art. 83 Abs. 2 lit. b EG
- Argument aus Art. 84 EGV
- Position der Reformbefürworter
- Eigene Stellungnahme
- historische Auslegung.
- rechtshistorische Argumente der Reformbefürworter
- rechtshistorische Argumente der Reformkritiker
- eigene rechtshistorische Untersuchung und Wertung
- EGKS-Vertrag
- Diskussionen um die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
- Spaak-Bericht
- Die vermittelnde Tätigkeit von Hans von der Groeben
- VO zur Durchführung der Art. 85 und 86 (VO Nr. 17)
- Kompromiss
- Ergebnis der Recherche
- Art. 85 in Auslegung des EuGH.
- EuGH-Rspr. aus der Sicht der Reformkritiker
- EuGH-Rspr. in den Augen der Reformbefürworter
- Eigene Stellungnahme zur EuGH-Rspr.
- teleologische Auslegung.
- Bedeutung der teleologischen Auslegung
- Sinn und Zweck der Wettbewerbsregeln
- das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarktes
- Verbotsprinzip als Voraussetzung für die Verwirklichung dieses Ziels
- die Ausnahme des Art. 81 Abs. 3 EG
- systematische Einheit
- konkreter Regelungsinhalt des Art. 81 EG
- Begriff des Wettbewerbs
- Beeinträchtigung der Wettbewerbsstrukturen
- Fazit
- Rechtsnatur des Beeinträchtigungsverbots gem. Art. 81 Abs. 1 EG
- mögliche verfahrensrechtliche Einkleidungen des Verbots
- Legalausnahme
- Verbot mit Erlaubnisvorbehalt
- Missbrauchsgesetz mit Beseitigungsfolge
- Verfahren zur bestmöglichen Durchsetzung des Verbots
- Gegenüberstellung der VO Nr. 1 mit der VO Nr. 17
- Mittel zur koordinierenden Einflussnahme
- Gruppenfreistellungsverordnungen
- Zusageentscheidungen
- Nichtanwendbarkeitsentscheidungen
- Verzicht auf das Meldeerfordernis
- Sanktionsmaßnahmen
- teleologische Gesamtbewertung der VO Nr. 1
- vertragskonforme Auslegung im Übrigen.
- Verhältnismäßigkeit der VO Nr. 1
- Rechtssicherheit
- Ergebnis der Prüfung.
- SCHLUSSBEMERKUNG
- Reform der VO Nr. 17/1962 und die Einführung der VO Nr. 1/2003
- Rechtmäßigkeit der VO Nr. 1/2003 unter Berücksichtigung des primären Gemeinschaftsrechts
- Auslegung des Art. 81 EG-Vertrag im Kontext der Reform
- Teleologische Auslegung des Art. 81 EG-Vertrag und die Bedeutung des Wettbewerbs
- Verhältnismäßigkeit und Rechtssicherheit der VO Nr. 1/2003
- Die Einleitung beleuchtet die Gründe für die Reform des europäischen Kartellrechts und stellt die neue Durchführungsverordnung (VO Nr. 1/2003) vor. Sie beschreibt das bisherige Anmelde- und Genehmigungssystem, die Folgen dieser Regelung und die Ziele der Reform.
- Die Fragestellung dieser Seminararbeit zielt auf die Vereinbarkeit der neuen Durchführungsverordnung mit dem primären EG-Recht. Sie stellt die zentralen Aspekte der Untersuchung dar.
- Das Kapitel „Formelle Rechtmäßigkeit der neuen Durchführungsverordnung“ untersucht die formale Gültigkeit der VO Nr. 1/2003.
- Das Kapitel „Materielle Rechtmäßigkeit der neuen Durchführungsverordnung“ befasst sich mit der materiellen Rechtmäßigkeit der Verordnung. Es analysiert die grammatikalische, systematische, historische und teleologische Auslegung des Art. 81 EG-Vertrag im Zusammenhang mit der Reform.
- Das Kapitel „Art. 85 in Auslegung des EuGH“ analysiert die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Art. 81 EG-Vertrag.
- Das Kapitel „teleologische Auslegung“ untersucht die teleologische Auslegung des Art. 81 EG-Vertrag.
- Das Kapitel „vertragskonforme Auslegung im Übrigen“ analysiert die Verhältnismäßigkeit und Rechtssicherheit der VO Nr. 1/2003.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit befasst sich mit der Vereinbarkeit der neuen Europäischen Kartellverordnung (VO Nr. 1/2003) mit dem primären Gemeinschaftsrecht. Sie analysiert die Reform der VO Nr. 17/1962 und untersucht die Rechtmäßigkeit der neuen Durchführungsverordnung. Im Vordergrund steht die Frage, ob die VO Nr. 1 mit den Grundprinzipien des Europäischen Wettbewerbsrechts im Einklang steht.
Zusammenfassung der Kapitel
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter dieser Seminararbeit sind: Europäisches Kartellrecht, Reform der VO Nr. 17/1962, VO Nr. 1/2003, primäres Gemeinschaftsrecht, Art. 81 EG-Vertrag, Auslegung, teleologische Auslegung, Rechtmäßigkeit, Verhältnismäßigkeit, Rechtssicherheit, Wettbewerb, Binnenmarkt.
- Quote paper
- Wladimir Morlang (Author), 2003, Vereinbarkeit der neuen europäischen Kartellverordnung 01/2003 mit dem primären Gemeinschaftsrecht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16071